OGH 2Ob36/03p

OGH2Ob36/03p13.3.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Heinrich B*****, vertreten durch Dr. G. Heinz Waldmüller, Dr. Peter Riedmann und Dr. Martin Baldauf, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte und widerklagende Partei Romed P*****, vertreten durch Dr. Ludwig Hofmann und Mag. Gerhard Brandstätter, Rechtsanwälte KEG in Innsbruck, wegen (restlich) Feststellung und Einwilligung (Revisionsinteresse EUR 4.100,- -) über die Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 2. Oktober 2002, GZ 2 R 44/02p-28, womit infolge Berufung der beklagten und widerklagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hall vom 29. Oktober 2001, GZ 6 C 461/00x-23, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass diese im verbundenen (Widerklage-)Verfahren 6 C 524/00m des Bezirksgerichtes Hall zu lauten haben:

Es wird festgestellt, dass die rot schraffierte Teilfläche laut Teilplan des DI Heinz E***** vom 14. 6. 2000, GZl 9365/00, aufgrund abgeschlossener Ersitzung im Eigentum des Widerklägers Romed P***** steht; der Widerbeklagte Heinrich B***** ist schuldig, in die Unterteilung des GST 1560/2, einliegend in EZ 137 GB 81014 Rum, in dieses und die rot schraffierte Teilfläche laut Teilungsplan des DI Heinz E***** vom 14. 6. 2000, GZl 9365/00 (dort bezeichnet als "Trennstück" A), sowie die Abschreibung der Teilfläche rot in der EZ 137 und die Einverleibung des Eigentumsrechtes des Widerklägers Romed P***** ob derselben Fläche unter Vereinigung dieses Trennstückes mit dem GST 1563/1 in EZ 90044 GB 81014 Rum einzuwilligen.

Der widerbeklagte Heinrich B***** ist weiters schuldig, dem Widerkläger Romed P***** zu Handen seiner Vertreter binnen 14 Tagen die mit EUR 2.845,35 (hierin enthalten EUR 1.474,75 Barauslagen und EUR 228,43 USt) bestimmten Prozesskosten aller drei Instanzen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind Nachbarn mit aneinandergrenzenden Liegenschaften.

Mit der am 29. 6. 2000 eingebrachten Klage begehrte zunächst der Kläger die Verurteilung des Beklagten, die an der Nordseite des Grundstückes 1560/2 des Klägers gepflanzten Blumen zu entfernen und es zu unterlassen, auf dem Grundstück des Klägers einen Müllkübel aufzustellen. Der Beklagte seinerseits begehrte mit einer am 19. 7. 2000 eingebrachten Widerklage das Urteil, festzustellen, dass die rot schraffierte Teilfläche laut Teilungsplan des DI Heinz E***** vom 14. 6. 2000 aufgrund abgeschlossener Ersitzung im Eigentum des Romed P***** stehe und Heinrich B***** schuldig sei, in die Unterteilung des GST 1560/2, einliegend in EZ 137 jeweils KG 81014 Rum, in dieses und die rot schraffierte Teilfläche laut Teilungsplan des DI Heinz E***** vom 14. 6. 2000 sowie die lastenfreie Abschreibung der Teilfläche rot in der EZ 137 und die Einverleibung des Eigentumsrechtes des Romed P***** ob derselben Fläche unter Vereinigung dieses Trennstückes mit dem GST 95 in EZ 90044 einzuwilligen. Beide Verfahren wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Nach einem mehrjährigen, äußerst umfangreich geführten Beweisverfahren wurde das Hauptklagebegehren (gerichtet auf Entfernung und Unterlassung) letztlich vom Berufungsgericht zufolge Bejahung der Voraussetzungen der Eigentumsersitzung am Grundstreifen des Klägers rechtskräftig abgewiesen. Hierauf ist daher im Weiteren nicht mehr weiter einzugehen.

Gegenstand des Revisionsverfahrens bildet ausschließlich nur mehr das von beiden Vorinstanzen abgewiesene Widerklagebegehren. Hiezu führte das Berufungsgericht (zusammengefasst) aus, dass eine "lastenfreie Abschreibung" des streitgegenständlichen Grundstreifens zugunsten des Widerklägers daran scheitern müsse, dass einerseits die Liegenschaft des Widerbeklagten laut offenem Grundbuch belastet sei und ein Teil des Hausdaches diesen Grundstreifen überrage, sodass eine Vereinigung mit der "unterschiedlich belasteten Liegenschaft" nicht erfolgen könne, und andererseits das im Klagebegehren genannte Grundstück Nr 95 im Gutsbestand der Liegenschaft des Widerbeklagten gar nicht vorkomme. Das Berufungsgericht sprach weiters aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes (beider Klagebegehren jeweils) EUR 4.000,- -, nicht jedoch EUR 20.000,-- übersteige und die ordentliche Revision (da die Rechtssache nicht über den Einzelfall hinausgehe) nicht zulässig sei.

Über Antrag des Widerbeklagten gemäß § 508 Abs 1 ZPO wurde dieser Ausspruch in der Folge dahin abgeändert, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt wurde, weil - zusammengefasst - zum Verhältnis einer Leistungs- und einer Feststellungsklage im Ersitzungsrecht eine unterschiedliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege.

In seiner ordentlichen Revision, welche auf die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit, Aktenwidrigkeit und unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützt ist, begehrt der Revisionswerber die Abänderung der bekämpften Entscheidung dahin, dass der Widerklage "zur Gänze", jedoch unter Auslassung des Wortes "lastenfrei" sowie Änderung der Parzellenbezeichnung von GST 95 auf GST 1563/1 Folge gegeben werde, hilfsweise nur hinsichtlich des Feststellungsbegehrens; als weiterer Eventualantrag wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die widerbeklagte Partei hat nach Freistellung eine Revisionsbeantwortung erstattet, in welcher primär die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels (wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage), in eventu diesem keine Folge zu geben, beantragt wird.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und auch berechtigt, wobei bezeichnender Weise für das Berufungsgericht die von ihm nunmehr in den Vordergrund seines Zulassungsabänderungsausspruches gestellte (vermeintliche) Judikaturdifferenz gar nicht tragendes Argument der Bestätigung der Abweisung des allein noch revisionsgegenständlichen Widerklagebegehrens war.

Auszugehen ist von der unstrittigen Tatsache, dass der von den beiderseitigen Klagebegehren umfasste Grundstreifen im bücherlichen Eigentum des Widerbeklagten steht und die im Eigentum des angrenzenden Widerklägers stehende Liegenschaftsfläche 1563/1, mit welcher nunmehr laut Hauptbegehren im Revisionsantrag die Vereinigung zum Zwecke der Einverleibung seines Eigentumsrechtes angestrebt wird, vormals (bis 6. 9. 2000) ua auch das Grundstück Nr 95 umfasste (S 5 des Ersturteils = AS 153). Die (bloß nummerische) Bezeichnungsänderung konnte daher dem Berufungsgericht keineswegs als Begründungsargument seiner diesbezüglichen Klageabweisung dienen. Das (weitere) Argument unterschiedlicher Belastungen (zwischen den nunmehr zu vereinigenden Liegenschaftsflächen) stellt sich für den Obersten Gerichtshof nicht (mehr), weil der Kläger laut seinem nunmehr gegenüber dem ursprünglichen Klagebegehren eingeschränkten Revisionsantrag ohnedies selbst nicht mehr auf einer lastenfreien Abschreibung beharrt (zur Frage, ob es sich hiebei um ein minus handelt, vgl etwa 5 Ob 153/92 mwN). Die auf der (vormaligen) Liegenschaft des Widerbeklagten unter CLNr 3 und 4 insgesamt lastenden Pfandrechte sind daher nunmehr auf der Liegenschaft des Widerklägers einzutragen, welche nicht mit Pfandrechten belastet ist, weshalb es auch zu keiner (etwa rangmäßigen) Verschlechterung der Pfandgläubiger kommt, wobei der Widerkläger durch den Entfall des Begehrens auf lastenfreie Übertragung auch unzweifelhaft sein Einverständnis dokumentiert hat, dass nunmehr seine (gesamte) Liegenschaft mit diesen Pfandrechten belastet ist (wird). Das vom Berufungsgericht im Übrigen gar nicht näher begründete letzte Argument seiner abweislichen Entscheidung, die Abschreibung sei (auch) nicht möglich, weil "ein Teil des Hausdaches diesen Grundstreifen überragt" (S 17 der Entscheidung = AS 223), ist für den erkennenden Senat nicht nachvollziehbar.

Dass der Widerkläger hinsichtlich des strittigen Grundstreifens das originäre (7 Ob 226/01p) Eigentum durch Ersitzung erworben hat (allgemein hiezu Koziol/Welser I12 301 ff), steht nunmehr aufgrund insoweit gegenüber dem Beklagten (im Hauptverfahren) rechtskräftig erfolgter Abweisung des Klagebegehrens gerichtet auf Unterlassung und Entfernung bindend fest. Für eine Ersitzung bloßer Nutzungsrechte auf fremdem Grund (so das Berufungsgericht in Abkehr seiner Berufungsentscheidung im die Revision doch zulassenden Abänderungsbeschluss), gibt es nach den maßgeblichen Feststellungsgrundlagen beider Vorinstanzen keinen Hinweis. Dies bedarf daher seitens des Obersten Gerichtshofes ebenfalls keiner näheren Vertiefung. Zwar kann bereits aufgrund eines Urteiles, das die Ersitzung (einer Dienstbarkeit oder - wie hier - des Eigentumsrechtes) feststellt, die Einverleibung desselben im Grundbuch erfolgen; über den Einverleibungsanspruch kann jedoch auch ein Leistungsurteil ergehen (RIS-Justiz RS0012126). Die Verknüpfung beider auf den nunmehr grundbücherlich zu vollziehenden Eigentümerwechsel gerichteten Begehren (im Widerklagerechtsstreit) ist daher nicht zu beanstanden.

Damit ist aber dem (eingeschränkten) Widerklagebegehren stattzugeben und kommt insoweit seiner Revision Berechtigung zu. Zur Klarstellung und aus Gründen der Präzisierung wurde dabei im Urteilsspruch zur maßgeblichen Planurkunde des DI Heinz E***** vom 14. 6. 2000 auch die Geschäftszahl (GZl) derselben zur deutlichen Hervorhebung gegenüber sonstigen, auch im Akt befindlichen Planurkunden beigefügt.

Aufgrund dieses geänderten Ergebnisses stehen der widerklagenden Partei zufolge ihres Prozess- und Rechtsmittelerfolges die Prozesskosten aller drei Instanzen zu (§§ 41, 50 ZPO), wobei gemäß § 43 Abs 2 ZPO die geringfügige Modifizierung des Begehrens in der Revision kostenmäßig zu vernachlässigen ist (§ 43 Abs 2 ZPO). Beide nicht in Geld bestehenden Klagebegehren waren dabei wirtschaftlich in etwa gleichwertig und wurden auch von den jeweiligen Klägern in etwa geldlich gleich bewertet. Auch der Verfahrensaufwand hinsichtlich beider gleich zu Beginn zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Verfahren hielt sich die Waage, sodass insoweit für die erste Instanz mit einer Kostenaufhebung gemäß § 43 Abs 1 ZPO vorzugehen war (so auch schon das Berufungsgericht in seiner nunmehr abgeänderten Entscheidung). Hinsichtlich der im Schlusssatz dieser Bestimmung genannten Gebühren besteht zugunsten des Klägers ein Überhang von S 1.320,-- (= EUR 95,93). Im Berufungsverfahren ist nur der Widerkläger als obsiegend anzusehen, sodass ihm für die Berufung die tarifmäßigen Kosten zustehen; seinem zusätzlich erhobenen Kostenrekurs wurde durch die Neuentscheidung der Boden entzogen. Die Kosten des Berufungsverfahrens belaufen sich sohin auf S 25.039,36 (= EUR 1.819,68; hierin enthalten S 2.226,56 USt = EUR 161,81 und S 11.680,-- Barauslagen = EUR 848,82). Die Kosten des Revisionsverfahrens belaufen sich schließlich auf EUR 929,74 (hierin enthalten EUR 530,-- Barauslagen und EUR 66,62 USt).

Stichworte