OGH 5Ob153/92

OGH5Ob153/9215.12.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragstellerin U***** Gesellschaft m.b.H., ***** Wien, O*****straße 91, betreffend Eintragungen in den Grundbüchern ***** St. F***** und ***** S*****, infolge Revisionsrekurses des Johann H*****, Landwirt und Kaufmann, ***** S*****, U*****platz 13, vertreten durch Dr.Gerhard Stranzinger, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 29.September 1992, GZ R 360/92, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Schärding vom 10. Juli 1992, GZ TZ 1218/92, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, daß das Begehren der Antragstellerin, auf Grund des Kaufvertrages vom 14.3.1989 (./A) und des Bescheides der Grundverkehrskommission GV 5733/1 vom 19.6.1989 (./B), der Löschungserklärung von Frau Renate H***** vom 8.3.1989 (./C), der Erklärung gemäß § 2 Abs 2 des O.ö. Ausländergrunderwerbsgesetzes (./D) sowie der Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrssteuern in Linz vom 16.8.1990 (./E),

1. die Abschreibung der Grundstücke Gst. Nr. 969/1 LN, Gst. Nr. 969/3 Weg, Gst. Nr. 992/2 LN, Gst. Nr. 1014/2 LN, der dem Johann H*****, geb. *****, zur Gänze gehörenden Liegenschaft EZ ***** des Grundbuches der Katastralgemeinde St. F*****, sowie die Eröffnung einer neuen Einlagezahl ***** im selben Grundbuch und hier die Einverleibung des Eigentumsrechtes zur Gänze für die U***** Ges. m. b.H.;

1.1. die Mitübertragung nachstehender Grunddienstbarkeiten:

a) in C-OZ.138 die Dienstbarkeit der Duldung der 110 KV-Leitung Passau-St.Peter über 969/1, 1014/2 der KG St. F***** zugunsten der Österr. E***** AG;

b) in C-OZ. 185 die Dienstbarkeit der Duldung der 110 KV-Leitung Passau-St.Peter über 969/1 Acker KG St. F***** zugunsten der Österr. E***** AG;

c) in C-OZ.192 die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrtweges über 969/3 KG St. F***** zugunsten des Grundstückes 969/2 Acker KG St. F*****;

d) in C-OZ.194 die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrtweges über 969/3 Acker KG St. F***** zugunsten des Grundstückes 969/4 Acker KG St. F*****;

1.2. die Mitübertragung des Pfandrechtes Höchstbetrag 5.000.000,-- für S***** in W*****, sowie Pfandrecht Höchstbetrag 48.000.000,-- für S***** in W*****, wobei EZ ***** als Haupteinlage und die neue EZ ***** als Nebeneinlage haftet;

2. die Abschreibung der Grundstücke Gst. Nr. 1836 LN, Gst. Nr. 1837 LN, Gst. Nr. 1838/2 Weg, Gst. Nr. 1839/2 Weg der dem Johann H*****, geb. *****, zur Gänze gehörenden Liegenschaft EZ ***** des Grundbuches der Katastralgemeinde S*****, sowie die Eröffnung einer neuen Einlagezahl ***** im selben Grundbuch und hier die Einverleibung des Eigentumsrechtes zur Gänze für die U***** Ges. m. b.H., ***** Wien, O***** Straße 91;

2.1. die Mitübertragung nachstehender Grunddienstbarkeit:

in C-OZ.138 die Dienstbarkeit der Duldung der 110 KV-Leitung Passau-St.Peter über 1839/2 der KG S***** zugunsten der Österr. E*****-AG;

2.2. die Mitübertragung des Pfandrechtes Höchstbetrag 5,000.000,-- für S***** in W*****, sowie Pfandrecht Höchstbetrag 48,000.000,-- für S***** in W*****, wobei EZ ***** als Haupteinlage und die neue EZ 523 als Nebeneinlage haftet, zu bewilligen, abgewiesen wird.

Das Erstgericht hat die auf Grund dieses Beschlusses notwendigen Grundbuchseintragungen zu vollziehen und die in seinem Beschluß vom 10.7.1992, TZ 1218/92, angeführten Personen und Ämter zu verständigen.

Text

Begründung

Die gegenständliche Grundbuchssache wird an den Obersten Gerichtshof zur Lösung der Rechtsfrage herangetragen, ob die Kaufvertragsurkunde vom 14.3.1989 (Beilage A) iSd § 94 Abs 1 Z 3 GBG auch die Übereignung der Vertragsgrundstücke an die Käuferin (Antragstellerin) unter Mitübertragung der Geldlasten deckt, obwohl die Freistellung von Geld- und Reallasten durch den Verkäufer (Revisionsrekurswerber) bedungen war. Die diesbezüglichen Vertragspunkte lauten:

"II. Gegenleistung

Der gesamte Kaufpreis ist sofort nach Aushändigung des Rangordnungsbeschlusses für die beabsichtigte Veräußerung an die Käuferseite und Lastenfreistellung des Vertragsobjektes auf das Konto des Verkäufers bei der Sp***** in W***** einzuzahlen.

III. Rechtskraft

Der Vertrag ist rechtswirksam mit allseitiger Fertigung und mit seiner grundverkehrsbehördlichen Genehmigung sowie Sicherung der Geld- und Reallastenfreistellung.

V. Haftungsbestimmungen

Die Verkäuferseite haftet .... für die Geld- und Reallastenfreistellung.

Die Löschung vertraglich nicht übernommener Lasten hat sofort zu erfolgen, längstens bis zur Verbücherung.

VI. Kosten, Abgaben

Die Lastenfreistellungskosten trägt die Verkäuferseite.

IX. Hinweise

Die Vertragsparteien haben eingehende Kenntnis, daß das Eigentum am unbeweglichen Vermögen erst mit der grundbücherlichen Durchführung des Vertrages übergeht. Sie kann mit Vorliegen der steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung erfolgen, sofern der Vertrag rechtswirksam ist."

Das Erstgericht bewilligte das Grundbuchsgesuch; das Gericht zweiter Instanz gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Antragsgegners keine Folge. Es begründete seine Entscheidung wie folgt:

"Nach der Bestimmung des § 94 Abs 1 Z 3 GBG muß das Eintragungsbegehren durch den Inhalt der beigebrachten Urkunden begründet sein. Es ist die Grundbuchsurkunde in ihrer Gesamtheit - also einschließlich der Aufsandungserklärung - zu beurteilen. Es kommt darauf an, ob die durch die vorgelegten Urkunden nachgewiesene Rechtslage die Eintragung formell rechtfertigt; die materiellen Rechtsverhältnisse sind nicht zu prüfen (vgl MGA, Grundbuchsrecht4, Entscheidungen 148, 155 f zu § 94 GBG).

Im vorliegenden Fall enthält der vorgelegte Kaufvertrag sämtliche für die Eigentumsübertragung notwendigen Elemente wie die genaue Bezeichnung des Käufers, des Verkäufers, des Kaufobjektes, sowie des Kaufpreises. Überdies ist im Kaufvertrag auch die Aufsandungserklärung enthalten. Was nun den weiteren Vertragsinhalt über die Geld- und Reallastenfreistellung anbelangt, so herrscht in der Rechtsprechung der Rekursgerichte keine Einigkeit darüber, ob die Eintragung unter Mitübertragung von Lasten erfolgen darf, wenn laut Vertragsurkunde das Grundstück (Geld-)lastenfrei erworben werden soll. Während das Landesgericht Linz (vgl RPflgSlgG 274) den Standpunkt vertritt, daß ein derartiger Grundbuchsantrag nicht der Vorschrift des § 94 Abs 1 Z 3 GBG entspricht, wird von anderen Rekursgerichten (vgl EvBl 1946/408, RPflgSlgG 1646) die Meinung vertreten, daß der Antrag auf Abschreibung unter Mitübertragung von Lasten entgegen der Vertragsvereinbarung "zur lastenfreien Abschreibung" kein "aliud", sondern ein "Minus" darstellt, sodaß der Antrag in der Urkunde gemäß § 94 Abs 1 Z 3 GBG Deckung findet.

Dem gerechtfertigten Rekursgericht erscheint die zuletzt genannte Rechtsprechung überzeugender, weil ein Verkäufer, der in die Einverleibung des Eigentumsrechtes ohne Mitübertragung der Pfandrechte einwilligte, mehr Rechte aufgibt als jener, der in die Einverleibung des Eigentumsrechtes unter Mitübertragung der Pfandrechte einwilligt. Die Abschreibung unter Mitübertragung der Lasten bedeutet daher für den Verkäufer, der einer lastenfreien Abschreibung zugestimmt hat, keine Benachteiligung, sodaß die Bestimmung des § 94 Abs 1 Z 3 GBG einer derartigen Grundbuchshandlung nicht entgegensteht. Wenn hiezu der Rekurswerber vermeint, er werde schon dadurch benachteiligt, daß sich die antragstellende Partei damit in ihr Rechtsverhältnis hineindränge, so ist ihm zu entgegnen, daß durch die Mitübertragung der Pfandrechte keine Änderung im persönlichen Schuldverhältnis des Rekurswerbers mit seinem Gläubiger eingetreten ist, sondern lediglich die Sachhaftung nunmehr auch an Grundstücken besteht, die nicht im Eigentum des Rekurswerbers stehen. Im übrigen bestünde im Rahmen des § 1406 ABGB ohnehin für jede dritte Person die Möglichkeit, durch Vertrag mit dem Gläubiger die Schuld zu übernehmen, ohne daß es hiefür einer Vereinbarung mit dem Schuldner bedürfte."

Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteigt und der Revisionsrekurs zulässig sei. Letzteres wurde damit begründet, daß zur entschiedenen Rechtsfrage eine gesicherte höchstgerichtliche Judikatur fehle.

Im nunmehr vorliegenden Revisionsrekurs macht der Verkäufer geltend, daß er als Eigentümer der simultan mit den verkauften Grundstücken haftenden Liegenschaften sehr wohl ein Interesse daran habe, die Lastenfreistellungsverhandlungen mit dem Hypothekargläubiger selbst zu führen. Seine Verhandlungsposition werde geschwächt, wenn der Käufer mit dem Rückhalt eines Ersatzanspruches aus der vertraglich zugesagten Lastenfreistellung beim Hypothekargläubiger die Löschung der Geldlasten auf seinen Grundstücken erwirke und auf diese Weise den für die Rückzahlungsbedingungen maßgeblichen Sachhaftungsfonds des Verkäufers (Schuldners) schmälere. Dazu käme der kreditschädigende Ruf, die Lastenfreistellung nicht selbst finanzieren zu können. In rechtlicher Hinsicht würde sich der Revisionsrekurswerber Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüchen der Antragstellerin aussetzen, würde ihr die Lastenfreistellung überlassen. Die Lastenfreistellung durch den Verkäufer sei daher zur Bedingung des Kaufvertrages gemacht worden. Auch die herrschende Rechtsprechung gehe davon aus, daß der Anspruch auf lastenfreie Übereignung einer Liegenschaft etwas anderes sei als der unter Mitübertragung der Lasten. Der Revisionsrekursantrag geht dahin, die Beschlüsse der Vorinstanzen im Sinne einer Abweisung des Grundbuchsgesuches abzuändern und den vorigen Grundbuchsstand wiederherzustellen.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Rekursgericht aufgezeigte Judikaturkontroverse zur Frage, ob in einem Antrag auf lastenfreie Abschreibung eines Grundstückes als "Minus" auch das Begehren auf Abschreibung des Trennstückes mit gleichzeitiger Übertragung der auf dem Stammgut haftenden Lasten enthalten ist (s. GlUNF 1961, 1228; JBl 369; Bartsch, GBG7, 560; Feil, Österreichisches Grundbuchsrecht, 306 f mwN; derselbe, Liegenschaftsrecht, 1652 f), hat mit der hier zu entscheidenden Rechtsfrage nichts zu tun. Da das Begehren der Antragstellerin ohnehin darauf gerichtet ist, die Abschreibung und Übereignung der Vertragsgrundstücke unter Mitübertragung der dinglichen Lasten, insbesondere der Geldlasten, durchzuführen, ist allein zu prüfen, ob es durch den Inhalt der beigebrachten Urkunden gedeckt ist (§ 94 Abs 1 Z 3 GBG).

Dazu genügt es nicht, daß der Bestand des einzutragenden Rechtes aus den Angaben in der Urkunde geschlossen werden kann. Es stellt ein Eintragungshindernis dar, wenn die Einräumung des Rechtes in der Urkunde von Umständen abhängig gemacht wird, die der Urkunde selbst nicht zu entnehmen sind (Klang in Klang2 II, 353). Der Urkundeninhalt muß also nicht nur in formaler Hinsicht unbedenklich sein, sondern darf auch bezüglich der materiellrechtlichen Fragen keinerlei Zweifel aufkommen lassen (RPflSlgG 1517; NZ 1980, 56 uva; zuletzt 5 Ob 1024/92). Da § 95 Abs 1 GBG in Ausführung des Grundsatzes, daß über Eintragungsgesuche nur auf Grund des Buchstandes und der vorgelegten Urkunden entschieden werden soll (vgl NRsp 1991/246 ua), die Einvernehmung der Parteien verbietet, andererseits jedoch § 914 ABGB die Erforschung der Parteienabsicht verlangt, wenn sich das Problem einer Vertragsauslegung stellt, ist es dem Grundbuchsgericht verwehrt, eine undeutliche und zu begründeten Zweifeln Anlaß gebenden Urkunde auszulegen (vgl RPflSlgG 2241; 5 Ob 39/91). Durch den Inhalt der Urkunden erweckte und nicht restlos beseitigte Zweifel haben vielmehr zur Abweisung des Grundbuchsgesuches zu führen (NZ 1988, 289; RpflSlgG 2241 ua); die Klärung der Bedenken ist dem Rechtsweg zu überlassen (JBl 1984, 315).

Im gegenständlichen Fall ist die vom Revisionsrekurswerber verfochtene Urkundenauslegung, er habe sich persönlich die Lastenfreistellung ausbedungen und den Eigentumserwerb der Antragstellerin von der Erfüllung dieser Bedingung abhängig gemacht, durch den Vertragswortlaut nicht gänzlich ausgeschlossen. Da die Rechtswirksamkeit ("Rechtskraft") des Vertrages in Punkt III ua an die Sicherung der Geld- und Reallastenfreiheit gebunden wurde, für die gemäß Punkt V der Verkäufer haftet, und die Durchführung des Vertrages erfolgen sollte, sofern er rechtswirksam ist (Punkt IX), nahmen die Vorinstanzen mit ihrer Entscheidung, das Eigentumsrecht der Antragstellerin sofort zu verbüchern und ihr die Lastenfreistellung der Liegenschaft zu überlassen, eine Vertragsauslegung vorweg, die nur dem Streitrichter zukommt.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte