OGH 2Ob502/54

OGH2Ob502/5414.7.1954

SZ 27/203

Normen

ABGB §509
ABGB §523
ZPO §228
ABGB §509
ABGB §523
ZPO §228

 

Spruch:

Berechtigung des Fruchtnießers, das Nichtbestehen eines seine Befugnisse einschränkenden Bestandvertrages feststellen zu lassen. Dagegen kommt während der Dauer des Fruchtgenußrechtes dem Eigentümer ein solches Klagerecht nicht zu.

Entscheidung vom 14. Juli 1954, 2 Ob 502/54.

I. Instanz: Landesgericht Linz; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Die Klägerin ist die Tochter des Erstbeklagten. Beide sind Eigentümer der Liegenschaft L. 22 je zur Hälfte. Die Eigentumshälfte der Klägerin ist mit einem Fruchtgenußrecht ihrer Mutter belastet. Der Erstbeklagte, der seit Jahren in dem zur erwähnten Liegenschaft gehörigen Hause eine Gastwirtschaft betreibt, hat diese mit Pachtvertrag vom 4. November 1949 an den Zweitbeklagten verpachtet. Unbestritten blieb, daß für die Verwaltung der Liegenschaft ein Verwalter nicht bestellt ist. Die Klägerin begehrt die urteilsmäßige Feststellung, daß der erwähnte Pachtvertrag ihr gegenüber nicht zu Recht bestehe.

Das Erstgericht hat festgestellt, daß der zwischen dem Erstbeklagten und dem Zweitbeklagten abgeschlossene Pachtvertrag, soweit er die zu Punkt 2 des Vertrages angeführten Räume betreffe, der Klägerin gegenüber rechtlich unwirksam ist.

Das Berufungsgericht hat das Begehren mangels Feststellungsinteresse abgewiesen, weil die Klägerin im Hinblick auf das ihrer Mutter zustehende Fruchtgenußrecht weder ein Interesse an einer Beteiligung am Ertrage des Hauses noch an der Tatsache der Verpachtung des Gewerbebetriebes haben könne.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Bei der Entscheidung der vorliegenden Streitsache ist davon auszugehen, daß die Klägerin das Klagebegehren dahin gefaßt hat, es werde urteilsmäßig festgestellt, daß der zwischen dem Erstbeklagten und dem Zweitbeklagten abgeschlossene Pachtvertrag ihr gegenüber nicht zu Recht bestehe. Eine Klage mit diesem Begehren ist, wie die Untergerichte zutreffend erkannt haben, als eine Feststellungsklage im Sinne des § 228 ZPO. anzusehen. Die Klägerin ist Hälfteeigentümerin der gegenständlichen Liegenschaft. Ihre Eigentumshälfte ist mit einem Fruchtgenußrecht zugunsten ihrer Mutter belastet. Da die Fruchtnießung in dem Rechte besteht, eine fremde Sache mit Schonung der Substanz ohne alle Einschränkung zu genießen, stehen der Fruchtnießerin hinsichtlich der Benützung der Liegenschafshälfte jene Rechte zu, die sonst dem Eigentümer zustunden. Dem Fruchtnießer ist infolge der ihm gemäß § 509 ABGB. zustehenden Rechte auch das Recht zugebilligt, alle sein Fruchtgenußrecht beinträchtigenden Eingriffe selbst in gleicher Weise wie der Eigentümer abzuwehren. Es muß ihm daher auch das Recht eingeräumt sein, bei Zutreffen der Voraussetzungen des § 228 ZPO. das Nichtbestehen eines seine Befugnisse einschränkenden Bestandvertrages feststellen zu lassen. Da durch den von dem anderen Miteigentümer abgeschlossenen Bestandvertrag nur die Nutzungen der Liegenschaftshälfte betroffen werden können, die Substanz selbst aber nicht vermindert wird, kann auf die Dauer des Fruchtgenußrechtes dem Eigentümer ein solches Klagerecht nicht zustehen. Die Klägerin ist also nicht berechtigt, das erwähnte Feststellungsbegehren gegen einen Dritten zu stellen. Wenn demgegenüber die Revisionswerberin meint, es fehle ihr im Falle der Verneinung ihres Klagerechtes an einem geeigneten Rechtsbehelf, um etwa einen im Einverständnis mit der Fruchtnießerin vom anderen Hälfteeigentümer eingesetzten vollkommen ungeeigneten Pächter vom Pachtgegenstande wegzubringen, so ist ihr entgegenzuhalten, daß die Bestimmung des § 520 ABGB. für den Fall einer Gefährdung durch pflichtwidriges Verhalten des Fruchtgenußberechtigten ausdrücklich Vorsorge getroffen hat. Ebenso geht der weitere Einwand ins Leere, daß es keine Abhilfe gäbe, wenn die Fruchtnießerin selbst wegen Krankheit, Geistesschwäche oder aus anderen persönlichen Gründen nicht in der Lage wäre, ihre Rechte gegenüber dem anderen Miteigentümer durchzusetzen. Es mag sein und spricht gewiß nicht gegen die Auffassung des Revisionsgerichtes, daß unter Umständen die Notwendigkeit der Bestellung eines Kurators gegeben ist, der die Rechte der Fruchtnießerin wahrnehmen müßte. Jedenfalls gehen aber auch in diesem Falle die Rechte des Fruchtgenußberechtigten und insbesondere das ihm gegebene Klagerecht nicht ohne weiteres auf den Eigentümer über; die Abtretung einzelner Rechte aus dem Fruchtgenusse hat aber die Klägerin selbst nicht behauptet. Endlich kann die Frage unerörtert bleiben, ob bei Übergriffen des Pächters den Miteigentümern ein Anspruch auf Unterlassung oder die Abwehrklage nach § 523 ABGB. zusteht, weil die Klägerin nur die Wirksamkeit des Pachtvertrages bekämpft und ein darüber hinausgehendes Begehren gar nicht stellt.

Da somit die Entscheidung des Berufungsgerichtes im Ergebnisse richtig war, mußte der Revision, ohne daß es notwendig war, auf die weiteren Ausführungen einzugehen, ein Erfolg versagt werden.

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