OGH 6Ob255/00v

OGH6Ob255/00v29.3.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Christine P*****, 2. Brigitte S*****, und 3. Dkfm. Hans Friedrich P***** , alle vertreten durch Dr. Hans Pernkopf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Herbert H*****, 2. Dr. Vinzenz L*****, 3. Elfriede V*****, 4. Eva S*****, 5. Otto G*****, 6. Inge S*****, 7. Renate D*****, 8. Antonia H*****, 9. Mag. Miroslava V***** , 10. Margarethe W***** , 11. Michael F*****, 12. Reinhardt G*****, 13. Margarete B*****, 14. Helmgard D*****, 15. Elisabeth D***** , 16. Elmar G*****, 17. Dr. Friedrich P***** , 18. Dr. Otto S***** , 19. Maria R*****, 20. Dipl. Ing. Albert Ernst H***** , 21. Irmtraud S*****, 22. Maria S*****, 23. Thomas W*****, 24. Adolf E*****, 25. Kurt G*****, 26. Edith G*****, sämtliche vertreten durch Dr. Heinz Wille, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung und Wiederherstellung, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 26. Juni 2000, GZ 35 R 122/00a-23, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 4. Jänner 2000, GZ 5 C 682/99k-17, bestätigt wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden insoweit teilweise bestätigt und teilweise abgeändert, dass sie als Teilurteil zu lauten haben:

"Die beklagten Parteien sind schuldig, den von ihrer Liegenschaft in ***** Wien, K*****gasse 10, ausgehenden Bewuchs des Garagendaches und der Hoffassade der Liegenschaft der Kläger in ***** Wien, W*****gasse 4, durch Veitschi-Pflanzen zu unterlassen und den bestehenden Bewuchs binnen zwei Monaten zu entfernen, dies zur ungeteilten Hand.

Das darüber hinausgehende Begehren, den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen, wird sowohl hinsichtlich des Garagendaches und der Hoffassade als auch hinsichtlich des Feuermauerwerks abgewiesen. Die Kostenentscheidung wird dem Endurteil vorbehalten."

Im Übrigen, nämlich soweit die beklagten Parteien schuldig erkannt wurden, den von ihrer Liegenschaft ausgehenden Bewuchs des Feuermauerwerks durch Veitschi-Pflanzen zu unterlassen sowie den bestehenden Bewuchs zu entfernen, werden die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Liegenschaften der Kläger und jene der Beklagten, die an dem darauf errichteten Haus Wohnungseigentum erworben haben, grenzen unmittelbar aneinander. Das Haus der Beklagten wurde Mitte der 50er-Jahre errichtet und sofort nach Fertigstellung bezogen. Im Zuge der Hofgestaltung, an denen sich die Bewohner teils durch Mitarbeit, teils durch finanzielle Beiträge beteiligten, wurden im Zeitraum von 1956 bis 1958 an einer nicht unmittelbar an die Liegenschaften der Kläger anschließenden Hofseite zwei Veitschi-Pflanzen gesetzt. Diese breiteten sich derart aus, dass die die beiden Liegenschaften trennende, im Eigentum der Kläger stehende Feuermauer bereits Anfang der 60er-Jahre mit Veitschi bewachsen waren. Im Lauf der 60er-Jahre breitete sich der Veitschi auch im Hof des Hauses der Kläger aus. Als der Bewuchs von einem Sturm teilweise von der Feuermauer heruntergerissen wurde und die Kläger feststellten, dass die Mauer nicht verputzt war, wurde im Jahr 1991 der restliche Veitschi von der Mauer entfernt und diese saniert. Unmittelbar nach Abschluss der Bauarbeiten wucherte der Veitschi wieder über die Feuermauer und in weiterer Folge auch in den Hof und auf das Garagendach der Kläger. Dem Hausverwalter der Beklagten war kein Schreiben des Hausverwalters der Kläger mit Einwänden gegen den Veitschi-Bewuchs zugegangen. Er hatte auch sonst keine Kenntnis von derartigen Einwänden.

Mit ihrer am 1. 9. 1999 eingebrachten Klage begehrten die Kläger, die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, den Bewuchs des gesamten Grenzmauerwerkes auf ihrer Liegenschaft zur Liegenschaft der Beklagten hin, nämlich des Feuermauerwerks, des Garagendaches und der Hoffassade durch Veitschi-Pflanzen zu unterlassen, den bestehenden Bewuchs zu entfernen und den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Durch die Bepflanzung werde das Mauerwerk der Kläger in unzulässiger Weise in Anspruch genommen und die Gebäudesubstanz geschädigt. Die Ausbreitung der Pflanze werde durch die pflegliche Behandlung gefördert. Die Kläger hätten die Beseitigung des Bewuchses erfolglos gefordert. Sie hätten niemals eine Zustimmung zur Bepflanzung erteilt, sich vielmehr dem Bewuchs widersetzt, indem sie ihn heruntergerissen hätten. Die Belagten hätten daraufhin ihr behauptetes Recht nicht innerhalb von drei Jahren geltend gemacht, sodass ein allfälliger Rechtsanspruch erloschen sei. Der Veitschi sei erst später wieder neu gepflanzt worden. Die von den Beklagten behauptete Rechtsausübung sei für die Kläger nicht erkennbar gewesen.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Der Veitschi sei bereits vor über 40 Jahren angepflanzt worden und der Hof bereits zu Beginn der 60er-Jahre bewachsen gewesen. Es werde daher konkludente Genehmigung und Ersitzung der Dienstbarkeit, dass sich der Veitschi auch an Gebäudeteilen der Kläger emporranken könne, eingewendet. Das bloße Zurückschneiden der Veitschi-Pflanze anlässlich der Fassadenerneuerung sei nicht als Widersetzen gegen das Recht der Beklagten auf die beschriebene Bepflanzung zu werten. Nach der Fassadenrenovierung sei keine Neubepflanzung vorgenommen worden.

Das Erstgericht gab der Klage zur Gänze statt. Der Veitschi-Bewuchs einer im Eigentum des Nachbarn stehenden Grenzmauer sei nicht nach § 422 ABGB (Überhangsrecht) zu beurteilen, weil es dort nur um den Eingriff in den Luftraum, hier aber um die Benützung fremden Eigentums gehe. Die Kläger könnten daher die Beklagten gemäß § 354 ABGB von der Benützung der Mauer ausschließen und deren unberechtigten Eingriff mit der Klage nach § 523 ABGB abwehren. Eine Ersitzung sei nicht anzunehmen. Die Beklagten hätten die Rechtmäßigkeit des Besitzes nicht einmal behauptet. Abgesehen davon sei kein aktives Tun der Beklagten erkennbar gewesen. Der Veitschi sei ohne jede Unterstützung, so wie es seiner Natur entspreche, über die Mauer gewachsen. Es sei für die Begründung einer Servitut aber nicht hinreichend, dass sich durch die Einwirkung der Naturkräfte ohne jedes menschliches Zutun oder Unterlassen eine Beziehung ergebe, die inhaltlich einer Dienstbarkeit entspreche. Im Schweigen der Kläger sei eine konkludente Genehmigung des Bewuchses nicht zu erblicken.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 52.000 S, nicht aber 260.000 S übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei. Da schon die Verbesserung der Wohnqualität für das berechtigte Gebäude das Utilitätserfordernis des § 473 ABGB erfüllen könne, stelle auch das Recht, eine Kletterpflanze an einer fremden Mauer wachsen zu lassen, eine Dienstbarkeit dar. Dies treffe vor allem für die Begrünung eines Innenhofes in einem dicht verbauten Gebiet zu. Das bloße Pflanzen eines Veitschi nicht unmittelbar vor der fremden Feuermauer und die spätere Unterlassung, das Überwuchern der Pflanze zu verhindern, lasse jedoch die Ausübung eines Rechtes nicht erkennen. Ohne die erkennbare Absicht, ein Recht auszuüben, könne aber auch keines ersessen weden. Es genüge nicht, dass faktisch ein Zustand hergestellt werde, der aufgrund einer Servitut geschuldet sein könnte. Die bloße Tatsache, dass sich der Veitschi ausgebreitet habe, sei daher nicht geeignet, eine Ersitzung zu begründen. Der Besitzausübungswille sei nicht einmal behauptet worden. Die Untätigkeit der Kläger dürfe nicht als konkludente Zustimmung gewertet werden. Die dargestellte Benützung der fremden Mauer, des Garagendaches und der Hoffassade der Kläger stelle einen unberechtigten Eingriff in das Eigentumsrecht der Kläger dar und sei als unmittelbare Zuleitung im Sinn des § 364 Abs 2, zweiter Satz ABGB zu beurteilen. Die Revision sei zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Erwerb einer derartigen Servitut durch Ersitzung und insbesondere auch durch eine Personenmehrheit sowie zur Frage vorliege, ob der Anspruch gegen die einzelnen Eigentümer oder gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft (§ 13c WEG) zu richten sei. Das weitere Vorbringen der Kläger, durch den Pflanzenbewuchs sei eine Schädigung der Gebäudesubstanz "nicht nur zu befürchten, sondern auch zu erwarten", wurde übrigens von den Vorinstanzen nicht erörtert.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist zulässig und im Sinne einer teilweisen Abänderung und teilweisen Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen berechtigt.

Auf den von den Klägern nach Freistellung des Berufungsgerichtes gemäß § 473a ZPO eingebrachten Schriftsatz und die dort nachgetragene Mängel- und Beweisrüge, die das Berufungsgericht in der Folge aber nicht behandelt hat, ist auch vom Obersten Gerichtshof nicht weiter Bedacht zu nehmen. Abgesehen davon, dass die Nichtbeachtung dieses Schriftsatzes nicht als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens gerügt wurde, nahm die Berufung der Beklagten ausdrücklich auf die Feststellungen des Erstgerichtes Bezug, wodurch bereits eine Rügepflicht der Kläger als Berufungsgegner in der Rechtsmittelbeantwortung ausgelöst wurde (9 ObA 179/00i ua; RIS-Justiz RS0113473), die dort jedoch unterlassen wurden. Zudem legen die Kläger in ihren Ausführungen in der Revisionsbeantwortung selbst die Feststellungen des Erstgerichtes zugrunde. Der Oberste Gerichtshof hat daher von diesen Feststellungen auszugehen.

Ob den jeweiligen Eigentümern (Miteigentümern) einer Liegenschaft gegenüber dem Eigentümer (den Eigentümern) der Nachbarliegenschaft ein Nutzungsrecht an dieser zusteht, betrifft für sich keine Geschäftsführungshandlung, somit keine Angelegenheit der Verwaltung (5 Ob 230/97b mwN; 5 Ob 392/97a), sodass die Kläger ihre Klage, in der sie im Wesentlichen die Freiheit ihres Eigentums von fremden Nutzungsrechten behaupten, zutreffend nicht gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft, sondern gegen alle Wohnungseigentümer als notwendige Streitgenossen (RIS-Justiz RS0101793; RS0012092) gerichtet haben.

Wie der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 7 Ob 613/91 (SZ 64/158 = EvBl 1992/56), der sich der erkennende Senat anschließt und auf die sich auch die Vorinstanzen berufen haben, dargelegt hat, stellt das zwangsläufige und überdies auch beabsichtigte Emporranken einer Kletterpflanze an einer im Eigentum des Nachbarn stehenden Grenzmauer einen Eigentumseingriff dar, der den Nachbarn gemäß § 354 (§ 362) ABGB befugt, den anderen von der Benützung der Mauer auszuschließen und unberechtigte Eingriffe in sein Eigentumsrecht mit Klage nach § 523 ABGB geltend zu machen. Ihm steht weiters das Recht zu, die Entfernung der Kletterpflanze (auch dort handelte es sich um einen Veitschi), von der der Bewuchs ausgeht und die anders gar nicht wachsen kann, weil dies ihrem zwangsläufigen Wachstum entspricht, zu verlangen. Eine derartige Benützung der Nachbarmauer ist als unmittelbare Zuleitung im Sinn des § 364 Abs 2 zweiter Satz ABGB zu beurteilen, die ohne besonderen Rechtstitel unter allen Umständen unzulässig ist.

Vorliegender Fall unterscheidet sich jedoch von dem der zitierten Entscheidung zugrunde liegenden durch mehrere Umstände:

Die Wurzelstöcke der Veitschi-Pflanze wurden nicht entlang der Grenzmauer gesetzt. Die Pflanze breitet sich nicht nur über die Grenzmauer und zur Liegenschaft der Kläger hin aus, sondern begrünt vor allem auch im Eigentum der Beklagten stehende Mauern in deren Hof. Die Lebensfähigkeit der Pflanze ist offenbar nicht zwangsläufig mit der für sie bestehenden Möglichkeit verbunden, gerade und nur die Feuermauer der Kläger emporzuklettern. Von ihrem Bewuchs ist andererseits hier nicht nur der Hof der Beklagten einschließlich der zu ihrem Hof hin gerichteten Seite der Feuermauer der Kläger betroffen. Der Pflanzenbewuchs hat sich vielmehr darüber hinaus bereits auch auf andere Gebäudeteile der Kläger ausgedehnt und dringt bis in deren Hof und auf deren Garagendach vor. Zudem haben die Beklagten hier einen aus Ersitzung resultierenden Rechtstitel, die Feuermauer (und auch andere Gebäudeteile der Kläger) auf die beschriebene Weise zu benützen, behauptet, sodass auch auf die Frage des Bestehens einer entsprechenden Dienstbarkeit einzugehen ist.

Im Gegensatz zur zitierten Entscheidung können hier die Kläger auf eine gänzliche Entfernung der Veitschi-Pflanzen nicht dringen, weil sich der Bewuchs nicht von direkt neben der Grundgrenze gesetzten Wurzelstellen ausbreitet, insbesondere auch im Eigentum der Beklagten selbst stehende Hofteile begrünt und das Emporklettern der Pflanzen an der Mauer der Kläger nicht zwangsläufig mit der Existenz der Pflanzen verbunden ist. Ein solches Begehren auf Entfernung der Pflanzen einschließlich der Wurzelstöcke wurde von den Klägern auch nicht gestellt. Ihr Begehren bezieht sich nur auf den Bewuchs auf jenen Gebäudeteilen, die in ihrem Eigentum stehen. Auch im Fall einer gänzlichen Stattgebung der Klage wären daher die Pflanzen weiterhin lebensfähig und die Begrünung der Gebäudeteile der Beklagten bliebe bestehen, sodass sich hier das Problem nicht stellt, ob durch den Beseitigungsanspruch in unzulässiger Weise in die Eigentumsrechte der Beklagten eingegriffen wird.

Ungeachtet dessen war auch die Begrünung der hofseitigen Seite der ansonsten kahlen Feuermauer vom Willen der Beklagten und ihrer Rechtsvorgänger getragen, die Pflanzen einzusetzen und das Emporklettern der Pflanzen auch an der Feuermauer zu billigen. Das gezielte Einsetzen der Pflanzenstöcke durch die Rechtsvorgänger der Beklagten und nicht ein bloßes, vom menschlichen Willen unabhängiges "Naturereignis" war die Ursache dafür, dass die Feuermauer durch den Veitschi begrünt wurde. Am Willen der Rechtsvorgänger der Beklagten und jenem der Beklagten selbst, die zu ihrer Hofseite hinzeigende Fassade der Feuermauer der Kläger derart zu gebrauchen, dass sie dort die Kletterpflanzen zur Begrünung anbringen und belassen, kann kein Zweifel bestehen. Da auch für Außenstehende auf der Hand liegt, dass der Veitschi nicht zufällig angewachsen ist, sondern gezielt eingesetzt wurde und weiters, dass sich die Pflanzen nicht ohne Willen der Beklagten derart großflächig ausbreiteten, wurde ihr Besitzwille grundsätzlich auch dokumentiert. Nach § 313 ABGB wird der Gebrauch eines Rechtes ua auch dadurch gemacht, dass jemand die einem anderen gehörige Sache "zu seinem Nutzen anwendet". Die Feuermauer der Kläger wurde in diesem Sinne von den Beklagten verwendet.

Die von den Beklagten zitierte Entscheidung 2 Ob 2267/96p (= SZ

69/180 = ecolex 1997, 81) betraf einen nicht vergleichbaren

Sachverhalt: Dort ging es um den Abgang von Schneelawinen, die als nicht beherrschbares Naturereignis angesehen wurden, weshalb unter anderem aus diesem Grund die Ersitzung einer "Dachschneelawinenservitut" verneint wurde.

Da - wie das Berufungsgericht insoweit zutreffend ausgeführt hat - die Redlichkeit (und Echtheit) des Besitzes vermutet wird und demnach der Ersitzungsgegner (hier: die Kläger) und nicht, wie das Erstgericht meinte, die Beklagten die mangelnde Redlichkeit des Ersitzungsbesitzes zu behaupten und zu beweisen hat (§ 328 ABGB; RIS-Justiz RS0010175), was jedoch nicht gelungen ist, ist davon auszugehen, dass der für die Ersitzung des Rechtes, eine Bepflanzung an fremdem Mauerwerk anzubringen, erforderliche Zeitablauf verstrichen ist und der Besitzwille der Beklagten sowie deren Redlichkeit zu bejahen ist.

Dadurch, dass die Kläger im Jahr 1991 einen Sturmschaden an der Veitschi-Bepflanzung zum Anlass nahmen, die Feuermauer zu sanieren, haben sie sich einem allfällig erworbenen Nutzungsrecht der Beklagten nicht widersetzt, wurde die Kletterpflanze doch nicht nachhaltig entfernt, sondern sie ist vielmehr sofort wieder nachgewachsen, ohne dass die Kläger etwas dagegen unternahmen. Eine allfällige Dienstbarkeit ist daher durch die vorübergehende Entfernung des Bewuchses von der Feuermauer nicht gemäß § 1488 ABGB erloschen. Sollte die Ersitzungszeit zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollendet gewesen sein, wäre der gute Glaube der Beklagten an die Rechtmäßigkeit der Rechtsausübung (Redlichkeit) aus demselben Grund nicht beseitigt worden.

Dass das Recht der Begrünung der Feuermauer nur einzelne Miteigentümer in Anspruch nehmen wollten oder dass einzelne Miteigentümer Einspruch dagegen erhoben hätten, wurde von niemandem behauptet. Zur Ersitzung einer Grunddienstbarkeit reicht bereits die Ausübung des entsprechenden Rechtes durch einen der Miteigentümer hin (7 Ob 133/98d = NZ 2000, 83), sodass eine allfällige Dienstbarkeit zugunsten aller Miteigentümer ersessen wurde.

Dienstbarkeiten sind dingliche, auf Privatrechtstitel beruhende Rechte auf beschränkte Nutzung einer fremden Sache, denen die Pflicht ihres jeweiligen Eigentümers zur Duldung dieser Nutzung (oder Unterlassung eigener Nutzung) gegenübersteht (Hofmann in Rummel, ABGB I3 Rz 1 zu § 471 ABGB). In diesem Sinn stellt auch das Benützen des Mauerwerkes eines anderen durch das Anbringen und Belassen einer Kletterpflanze eine Dienstbarkeit dar. Die Dienstbarkeit muss aber insbesondere auch zum Vorteil des anderen dienen, das heißt bei der hier in Frage kommenden Grunddienstbarkeit eine vorteilhaftere oder bequemere Benützung des benachbarten Grundstückes durch den jeweiligen Grundeigentümer ermöglichen. Wie die Vorinstanzen insoweit richtig erkannt haben, wird an dieses Utilitätserfordernis aber kein strenger Maßstab angelegt. Es genügen etwa auch Vorteile einer bestimmten Bebauung (Hofmann aaO Rz 2 zu § 473 ABGB mwN; RS0011579, RS0011589). Zu Recht haben die Vorinstanzen in diesem Sinne hervorgehoben, dass eine begrünte Grenzmauer einem Innenhof in einem dicht besiedelten Gebiet eine wesentlich günstigere Optik verleihen kann als eine großflächige kahle Mauer, noch dazu dann, wenn auch der übrige Hof üppig begrünt ist. Eine derartige Bepflanzung vermag vor allem denjenigen Hausbewohnern, die aus ihren Wohnungen in den Innenhof blicken sowie jenen, die sich des öfteren im Hof aufhalten, eine nicht unwesentliche Verbesserung der Wohnqualität zu bieten.

Die Grenze ist aber dort zu ziehen, wo der Bewuchs über die zum Hof der Beklagten hinzeigende Seite der Feuermauer hinaus über die Grundstücksgrenze zu den benachbarten Klägern hin vordringt und auf deren sonstige Gebäudeteile übergreift. Selbst wenn auch jenseits der Grundstücksgrenze liegende Hausteile der Nachbarn von den Beklagten als optisch ansprechender empfunden werden sollten, würde die Bejahung eines mit der Liegenschaft der Beklagten verbundenen derartigen Nutzungsrechtes der Fassaden des im Eigentum der Kläger stehenden Bauwerkes zu einer unzumutbaren, nicht mehr mit dem Utilitätserfordernis zu rechtfertigenden Einschränkung des Eigentumsrechtes der Kläger an ihrer Liegenschaft führen, wozu auch die Freiheit der Gestaltung der äußeren Bauteile ihres Hauses gehört. Während der Unterschied des optischen Effektes, ob ein Gebäudeteil durch Kletterpflanzen begrünt oder kahl ist, bei einer hofinnenseitigen Wand für die Hofbenützer und Hausbewohner als durchaus noch erheblich anzusehen ist, gilt dies für jenseits der Grundgrenze liegende Bereiche benachbarter Liegenschaften nicht mehr.

Dies führt dazu, dass die Kläger mit ihrer Eigentumsfreiheitsklage jedenfalls insoweit durchdringen, als der Pflanzenbewuchs über die hofinnenseitige (von den Beklagten aus gesehen) Wand der Feuermauer auf ihr Grundstück hinüberreicht, also auch das Dach ihrer Garage und ihre eigenen Hoffassade in Mitleidenschaft zieht. Da hier, wie bereits ausgeführt, kein Fall des § 422 ABGB vorliegt, sind die Kläger auch nicht darauf zu verweisen, dass sie selbst die Kletterpflanze von diesen Gebäudeteilen entfernen könnten. Sie können die Entfernung vielmehr von den Beklagten im Rahmen ihrer Eigentumsfreiheitsklage verlangen. Da sich die Beklagten zur Störung berechtigt glauben und die Wiederholungsgefahr auch gar nicht weiter bestritten haben, ist insoweit auch das Unterlassungsbegehren berechtigt.

Von einer Zustimmung der Kläger zur Begrünung ihrer Gebäudeteile gehen die Beklagten in ihrer Revision zu Recht selbst nicht mehr aus. Für die schlüssige Erteilung einer solchen Zustimmung fehlen jegliche Anhaltspunkte, wie die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben.

Das über die Entfernung hinausgehende Begehren, "den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen", war jedoch mangels Bestimmtheit abzuweisen, ist doch unklar, in welchem Zustand die betroffenen Gebäudeteile vor dem Pflanzenbewuchs waren. Der Umfang der begehrten Leistung ist insoweit nicht zu erkennen. Die Beklagten haben auf diese Unbestimmtheit bereits im Verfahren erster Instanz hingewiesen. Die Kläger haben sich aber nicht veranlasst gesehen, ihr Wiederherstellungsbegehren derart zu verdeutlichen, um die Vollstreckbarkeit eines entsprechenden Leistungsbefehls zu ermöglichen. Schon deshalb kommt in diesem Verfahrensstadium auch kein Verbesserungsverfahren in Betracht.

Die Kläger haben in ihrem Leistungsbegehren keine Frist für diese Leistung vorgesehen. Da das Entfernen des Pflanzenbewuchses insbesondere von höher liegenden Gebäudeteilen voraussichtlich der Betrauung fachkundiger Werkunternehmer und einigen Aufwandes bedarf, war die gemäß § 409 Abs 2 ZPO vom Gericht zur Erfüllung der Verbindlichkeit festzusetzende Frist mit zwei Monaten zu bestimmen. Diese Frist erscheint zur Durchführung der Entfernungsarbeiten angemessen.

Hinsichtlich des Unterlassungs- und Entfernungsbegehrens, soweit es die zum Hof der Beklagten gerichtete Seite der Feuermauer betrifft, ist das Verfahren aber noch nicht spruchreif:

Der zu einer Ersitzung nach § 1460 ABGB erforderliche Rechtsbesitz wird im Sinne des § 313 ABGB dadurch erworben, dass ein - wirkliches oder angebliches - Recht gegen jemand gebraucht wird und dieser sich fügt (MietSlg 49.181/41; RIS-Justiz RS0108666). Die Besitzausübung muss beim Rechtsbesitz so beschaffen sein, dass derjenige, in dessen Besitz eingegriffen wird, erkennen kann, dass ein individuelles Recht ausgeübt wird. Auf die positive Kenntnis des Eigentümers der belasteten Sache kommt es hingegen nicht an. Entscheidend ist sohin nur die objektive Erkennbarkeit der Rechtsausübung durch denjenigen, in dessen Recht eingegriffen wird, aber nicht die subjektive Kenntnis des Eigentümers der belasteten Sache (RIS-Justiz RS0010135). Offenkundigkeit einer Dienstbarkeitsausübung liegt vor, wenn man vom dienenden Grundstück aus bei einiger Aufmerksamkeit Einrichtungen oder Vorgänge wahrnehmen konnte, die das Bestehen einer Dienstbarkeit vermuten lassen (RIS-Justiz RS0011633). Dass sich der Wille der Beklagten auf entsprechende Rechtsausübung nach außen hin dokumentierte, wurde bereits dargelegt. Zur objektiven Erkennbarkeit der Besitzausübung im aufgezeigten Sinn gehört aber auch, dass die Kläger überhaupt objektiv in der Lage waren, den Bewuchs der Feuermauer während der Ersitzungszeit tatsächlich wahrzunehmen oder sonst davon Kenntnis zu erlangen. Nach den bisherigen Feststellungen der Vorinstanz ist lediglich gewiss, dass die Kläger seit 1991 vom Bewuchs ihrer Feuermauer wissen. Seit dieser Zeit kann aber eine Ersitzung mangels Zeitablaufes noch nicht stattgefunden haben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen leiden daher insoweit an sekundären Feststellungsmängeln, als trotz der Behauptung der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren, dass die von den Beklagten behauptete Rechtsausübung für sie nicht erkennbar gewesen sei, nicht geprüft wurde, ob für die Kläger während der Ersitzungszeit die objektive Möglichkeit bestand, den Veitschi-Bewuchs ihrer Feuermauer sinnlich wahrzunehmen oder allenfalls durch sonstige Umstände von diesem Bewuchs Kenntnis zu erlangen. Insoweit waren daher die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben. Das Erstgericht wird die Frage der Wahrnehmbarkeit des Veitschi-Bewuchses auf der zur Liegenschaft der Beklagten hinzeigenden Seite der Feuermauer für die Kläger zu prüfen und entsprechende Feststellungen nachzutragen haben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 und 2 ZPO.

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