OGH 5Ob59/05w

OGH5Ob59/05w12.7.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Baumann, Dr. Hurch, Dr. Kalivoda und Dr. Höllwerth als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1. Thomas B*, 2. Gunda S*, 3. Irene P*, alle vertreten durch Dr. Wetzl & Partner, Rechtsanwälte in Steyr, gegen die beklagte Partei Dr. Josef L*, wegen Unterlassung (Streitwert je EUR 30.000), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 2. Februar 2005, GZ 1 R 204/04g‑17, womit das Urteil des Landesgerichts Steyr vom 30. Juli 2004, GZ 26 Cg 141/03k (26 Cg 157/03p, 26 Cg 161/03a)‑13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2005:E77983

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil wie folgt lautet:

„1. Das Klagebegehren, der Beklagte sei schuldig, es ab sofort zu unterlassen, dass sein Wohnungseigentumsobjekt N/II/LE im Haus * der EZ * zur Bewirtung und Verabreichung von Getränken und/oder Speisen außerhalb der Offenhaltezeiten entsprechend der jeweils geltenden OÖ Öffnungszeitenverordnung, demnach derzeit an Wochentagen von Montag bis Freitag von 06.00 bis 20.30 Uhr außerhalb der Sommerzeit gemäß Zeitzählungsgesetz und von 06.00 bis 21.00 Uhr während der Sommerzeit sowie an Samstagen ganzjährig von 06.00 bis 18.00 Uhr, verwendet oder benutzt wird, wird abgewiesen.

2. Das Eventualbegehren, der Beklagte sei schuldig, ab sofort die Benutzung seines Wohnungseigentumsobjektes N/II/LI im Haus * der EZ * als Nachtlokal und/oder Vereinslokal zu unterlassen, wird abgewiesen.

3. Das Eventualbegehren, der Beklagte sei schuldig, es ab sofort zu unterlassen, dass sein Wohnungseigentumsobjekt N/II/LE im Haus * der EZ * als Nachtlokal und/oder Vereinslokal außerhalb der Offenhaltezeiten entsprechend der jeweils geltenden OÖ Öffnungszeitenverordnung, demnach derzeit an Wochentagen von Montag bis Freitag von 06.00 bis 20.30 Uhr außerhalb der Sommerzeit gemäß Zeitzählungsgesetz und von 06.00 bis 21.00 Uhr während der Sommerzeit sowie an Samstagen ganzjährig von 06.00 bis 18.00 Uhr, verwendet oder benutzt wird, wird abgewiesen.

4. Jeder Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit jeweils EUR 7.075,76 (darin jeweils EUR 715,39 an Umsatzsteuer und jeweils EUR 2.783,‑- an Barauslagen) bestimmten anteiligen Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen."

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die Parteien sind Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ *. Die Wohungseigentumsanlage umfasst mehrere Gebäudekomplexe mit ca. 400 Wohneinheiten, für welche ca. 176 gemeinschaftseigene Parkplätze und 47 Parkgaragenplätze zur Verfügung stehen. Mit den Miteigentumsanteilen der Kläger ist das Wohnungseigentum an bestimmten Wohnungen, mit dem Miteigentumsanteil des Beklagten ist das Wohnungseigentum an einem im Erdgeschoß des betreffenden Hauses befindlichen Geschäftslokal verbunden. Dieses Geschäftslokal ist Teil einer Geschäftszeile, in welcher sich weiters ein Friseur, ein Lebensmittelgeschäft, eine Trafik und eine Bäckerei befinden. Der Bäckerei ist ein Buffet angeschlossen, welches von Montag bis Freitag bis 22.00 Uhr und am Samstag bis Mittag geöffnet ist.

Das Objekt des Beklagten ist im Wohnungseigentumsvertrag von 1975 (unspezifiziert) als Geschäftslokal gewidmet, welches im Jahre 1990 als Fleischwarengeschäft vermietet und wovon dann im Jahre 1998 ein Teil von 35 m² als Bäckereigeschäft untervermietet worden war; diese Geschäfte hatten zu normalen Geschäftszeiten offen.

In der Hausordnung der Hausgemeinschaft ist ab 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr volle Nachtruhe vorgesehen.

Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Steyr vom 21. 4. 2004 erhielt der Beklagte für sein Lokal die Betriebsanlagengenehmigung für eine Betriebszeit von 07.00 bis 23.00 Uhr, wobei zur Lärmvermeidung das Schließen von Eingangstür und Fenstern nach 22.00 Uhr vorgeschrieben ist. Am 16. 5. 2003 meldete der Beklagte das Gastgewerbe, eingeschränkt auf kleine Imbisse, Betriebsart Café, an.

Der Beklagte hat sein Geschäftslokal an Sedat E* vermietet, der darin seit April 2003 ein öffentliches Gastlokal mit einem ca. 80 m² großen Gastraum führt, in welchem sich 12 Tische mit etwa 50 bis 60 Verabreichungsplätzen befinden. Der Eingang liegt auf der Seite der Geschäftsfront. Es handelt sich um ein Lokal, welches von Männern hauptsächlich türkischer Herkunft und Mitgliedern des Friedensclubs "I*" besucht, in dem auch Alkohol ausgeschenkt wird, es keine offiziellen Öffnungszeiten gibt und welches trotz des Bescheids der Gewerbebehörde oft bis in die frühen Morgenstunden geöffnet hat. Aufgrund dieses Gastlokalbetriebs kommt es insbesondere zu einer Lärm- und Geruchsbeeinträchtigung der Wohnungseigentümer sowie zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen und einer erheblichen Parkplatzverknappung. Für diese Lokalnutzung hat der Beklagte weder eine Genehmigung der anderen Miteigentümer noch einen Antrag im Außerstreitverfahren auf Widmungsänderung eingebracht.

Die Kläger stellten die im Spruch wiedergegebenen Haupt- und Eventualbegehren mit der wesentlichen Begründung, dass die nunmehrige Nutzung des Objekts des Beklagten als Nacht- und Vereinslokal eine im Sinne des § 16 WEG genehmigungsbedürftige Widmungsänderung darstelle, der die Miteigentümer nicht zugestimmt hätten und die auch nicht gerichtlich genehmigt sei. Der Betreiber des Lokals halte sich weder an Sperrstunden noch an nachbarrechtliche Vorschriften oder an die Hausordnung, sodass es zu unzumutbaren Lärm und weiteren Beeinträchtigungen der Wohnungseigentümer komme.

Der Beklagte bestritt dieses Vorbringen und beantragte Abweisung der Klagebegehren. Die Kläger seien von allfälligem Lärm oder sonstigen Störungen aufgrund der Lage ihrer Objekte nicht betroffen. Der Lokalbetrieb sei verwaltungsbehördlich genehmigt. Es stehe nicht fest, dass die behaupteten Unzukömmlichkeiten auf das Verhalten der Lokalbesucher zurückzuführen seien. Sein Mieter sorge dafür, dass es zu keinen Beschwerden mehr komme.

Das Erstgericht gab dem Hauptbegehren statt; es erörtete rechtlich, dass die gewerbebehördlich genehmigten und die tatsächlichen Öffnungszeiten weit über normale Geschäftszeiten hinausgingen und ein neuer Kundenkreis angesprochen werde, weshalb eine Widmungsänderung im Sinne des § 16 WEG vorliege, die im Hinblick auf die betriebsbedingte Parkplatzverknappung, das erhöhte Verkehrsaufkommen und die Lärmbelästigungen zu einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der Miteigentümer führen könne und daher nicht geduldet werden müsse.

Der Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge; es sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteige EUR 20.000 und die ordentliche Revision sei mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten mit der Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen als nichtig aufzuheben oder im Sinne der Abweisung der Klagebegehren abzuändern, hilfsweise zur neuerlicher Entscheidung des Erst- oder des Berufungsgerichts aufzuheben. Der Beklagte macht zur Zulässigkeit der Revision geltend, die Vorinstanzen hätten rechtsirrig die Bindungswirkung des gewerbebehördlichen Bescheids über die Öffnungszeiten missachtet und seien von der Entscheidung zu 5 Ob 227/04z abgegangen, nach welcher bei einem unspezifisch als „Geschäftslokal" gewidmetem Objekt eine genehmigungsbedürftige Änderung im Sinne des § 16 Abs 2 WEG nur dann vorliege, wenn die Grenzen des Verkehrsüblichen überschritten würden. Es fehle auch an einer Judikatur zur Frage, ob mit Urteil die Geltung einer Verordnung (hier: ÖffnungszeitenVO) für einen Sachverhalt (hier: nicht der ÖffnungszeitenVO unterliegender Betrieb) angeordnet werden könne, der nicht in den Geltungsbereich dieser Verordnung falle. Schließlich machten die Kläger Ansprüche aufgrund vermeintlich unzulässiger Immissionen geltend; mit einer Unterlassungsklage nach § 364 ABGB könne aber nicht eine bestimmte Maßnahme, wie etwa eine Betriebseinstellung- oder einschränkung erwirkt werden. Es fehle Rechtsprechung dazu, ob dieser Grundsatz auch für eine Klage zwischen Miteigentümern gelte.

Die Kläger haben von der ihnen freigestellten Möglichkeit der Erstattung einer Revisionsbeantwortung Gebrauch gemacht und beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu dieser nicht Folge zu geben. Ihre Begehren beruhten auf zivilrechtlicher Grundlage, weshalb die Vorinstanzen die Zulässigkeit des Rechtswegs zutreffend bejaht hätten. Die mit dem Betrieb des Lokals verbundenen massiven Belästungen überschritten die Grenzen des Verkehrsüblichen und machten die vom Beklagten vorgenommene Widmungsänderung unzulässig. Das Abstellen auf die Offenhaltezeiten der OÖ Öffnungszeitenverordnung konkretisiere den Rahmen des widmungskonformen und verkehrsüblichen Betriebs. Mit ihren Klagebegehren bekämpften sie keine unzulässigen Emissionen, sondern eine widmungswidrige Verwendung des Geschäftslokals, die die Vorinstanzen im Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auch zutreffend untersagt hätten.

 

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist - entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts - zulässig, weil die Vorinstanzen von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Änderung der Widmung eines Geschäftslokals abgewichen sind; die Revision ist auch berechtigt.

1.1. Der primäre Rechtsmittelantrag des Beklagten auf Nichtigerklärung der Entscheidungen der Vorinstanzen könnte nahe legen, er wolle mit seinem Hinweis auf die ihm erteilte Betriebsanlagengenehmigung den Begehren der Kläger die - auch in seiner Berufung angezogene - Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs geltend machen. Das Berufungsgericht hat allerdings die Zulässigkeit des Rechtswegs bejaht und damit das Vorliegen des Nichtigkeitsgrundes nach § 477 Abs 1 Z 6 ZPO verneint. Eine bereits vom Berufungsgericht verneinte Nichtigkeit des Verfahrens erster Instanz kann aber nicht mehr erfolgreich zum Gegenstand der Revision gemacht werden (RIS‑Justiz RS0042925; RS0043405; EF 105.972).

1.2. Im Übrigen besteht unstrittig eine Bindung der Gerichte an rechtsgestaltende Bescheide, also an solche, die selbst eine neue Rechtslage schaffen. Derartige Bescheide binden den Zivilrichter infolge der gegen jedermann wirksamen Änderung der Rechtslage (SZ 64/98 mwN; 4 Ob 45/95). Das entspricht der "Tatbestandswirkung" des Urteils (4 Ob 209/03v). Diese Tatbestandswirkung besteht in der Tatsache der Verwaltungsentscheidung als Tatbestandsmerkmal. Die hier dem Beklagten erteilte verwaltungsbehördliche Genehmigung bildet aber für die von den Klägern geltend gemachten, auf § 523 ABGB beruhenden Begehren kein (anspruchsbegründendes oder -vernichtendes) Tatbestandsmerkmal. Die Vorinstanzen haben auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Betriebsanlagengenehmigung nicht etwa selbstständig geprüft, sondern sind vom Vorliegen einer aufrechten Genehmigung ausgegangen. Die Beurteilung auf das Miteigentum gestützter Unterlassungsansprüche fällt dagegen nicht in die Kompetenz der Verwaltungsbehörde. Es liegt daher auch der vom Beklagten behauptete Vorfragen- bzw Bindungskonflikt nicht vor.

2. Mit einer Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB kann jeder einzelne Teilhaber einen eigenmächtigen Eingriff eines Mit- bzw Wohnungseigentümers in das gemeinsame Eigentum im streitigen Rechtsweg abwehren (5 Ob 86/03p = immolex 2003, 295 = JBl 2004, 238 mzN); ein solcher Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch kann auch aus einer eigenmächtigen und insofern rechtswidrigen Widmungsänderung resultieren (5 Ob 227/04z; 5 Ob 99/99s). Eine solche Widmungsänderung kann im Sinne des § 16 Abs WEG 2002 (§ 13 Abs 2 WEG 1975) in der Änderung des Gegenstands und der Betriebsform des im Wohnungseigentumsobjekt geführten Unternehmens bestehen (5 Ob 207/01d; 5 Ob 99/99s; 5 Ob 402/97x), weil dadurch Rechte und rechtlich geschützte Interessen sowohl der Gemeinschaft als auch jedes einzelnen Wohnungseigentümers berührt werden können (5 Ob 227/04z; MietSlg 40/16; 5 Ob 1028/92 = WoBl 1993/49, 61 [Call]; RIS‑Justiz RS0083132).

3. Die Genehmigungsbedürftigkeit einer Widmungsänderung - also die Frage, ob sie überhaupt dem § 16 Abs 2 WEG 2002 zu unterstellen ist - hat der Prozessrichter als Vorfrage einer Entscheidung über die Berechtigung eines darauf gestützten Unterlassungsbegehrens im Sinne des § 523 ABGB selbst zu beurteilen ist (5 Ob 227/04z; 5 Ob 380/97m; RIS‑Justiz RS0083156); dagegen ist die Genehmigungsfähigkeit vom Streitrichter - auch als Vorfrage - nicht zu prüfen (5 Ob 227/04z; 5 Ob 207/01d; 5 Ob 380/97m).

4. Die Zulässigkeit einer Widmungsänderung kann nur beurteilt werden, wenn man die gültige Widmung des betreffenden Objekts der beabsichtigten Verwendung ‑ gemessen an den typischen Auswirkungen einer solchen Änderung - gegenüberstellt. Ansatzpunkt der Überlegung muss daher sein, welche Widmung derzeit für ein Objekt besteht. Das erfordert den Rückgriff auf die vertragliche Einigung der Mit- und Wohnungseigentümer. Allein dieser Widmungsakt gibt Auskunft über die bestehende Rechtslage (RIS‑Justiz RS0101800). Während bei einer Verwendung eines Wohnungseigentumsobjekts als Geschäftslokal eine Änderung des Gegenstands und der Betriebsform bereits dann als Änderung im Sinne des § 16 Abs 2 WEG 2002 zu werten ist, wenn eine spezifizierte Verwendung im Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag festgelegt wurde (vgl Würth in Rummel³ § 13 WEG Rz 6a; Markl in Schwimann² § 13 WEG 1975 Rz 28), ist dann, wenn die Mit- und Wohnungseigentümer nichts festgelegt haben, die Umwandlung des Gegenstands und der Betriebsform des im Wohnungseigentumsobjekt geführten Unternehmens erst dann eine genehmigungsbedürftige Änderung im Sinne des § 16 Abs 2 WEG 2002, wenn dabei die Grenzen des Verkehrsüblichen überschritten werden (5 Ob 227/04z mwN). Nach der Judikatur liegt also, wenn kein bestimmter Geschäftsbetrieb im Wohnungseigentumsobjekt Vertragsgrundlage des Wohnungseigentumsvertrags war, also keine spezifische Geschäftsraumwidmung besteht, eine unzulässige Widmungsänderung - entgegen der Ansicht der Kläger und der Vorinstanzen - nicht schon dann vor, wenn durch eine Änderung der Geschäftstätigkeit schutzwürdige Interessen anderer Wohnungseigentümer verletzt werden könnten. Liegt keine spezielle Geschäftsraumwidmung und damit keine Einengung der Möglichkeiten der Widmungsänderung vor, dann haben sich die Mit- und Wohnungseigentümer schon bei der Begründung des Wohnungseigentums mit jeglicher Art der Verwendung des Geschäftslokals einverstanden erklärt und sind deshalb zur Abwehr "eigenmächtiger" Änderungen nur dort berechtigt, wo die Grenzen des Verkehrsüblichen überschritten werden (5 Ob 227/04z; Illedits, Das Wohnungseigentum² Rz 327).

5. Nach den erstgerichtlichen Feststellungen (S. 8 in ON 13) war das Objekt des Beklagten im Wohnungseigentumsvertrag aus 1975 - unspezifisch - als Geschäftslokal gewidmet worden. Die Kläger haben zwar behauptet, diese Widmung sei noch zusätzlich entsprechend der schon seinerzeitigen Nutzung und der Bezeichnung in einem einen integrierenden Bestandteil des Wohnungseigentumsvertrags bildenden Plan mit dem Betriebsgegenstand "Fleischhauerei" festgelegt worden (S. 2 in ON 1; S. 2 in ON 4); das Erstgericht hat dies aber nicht als erwiesen angenommen, führt es doch in seiner Beweiswürdigung verdeutlichend aus, es fehlten Hinweise, dass der Bestandplan Blg ./D Bestandteil des Wohnungseigentumsvertrags geworden sei (S. 10 f in ON 13). Es ist daher von einer - unspezifischen - Widmung als Geschäftslokal auszugehen. Die in der Revisionsbeantwortung reklamierte konkludente Widmung als Einzelhandelsgeschäft infolge jahrzehntelanger einschlägiger Verwendung haben die Klägern in erster Instanz nicht behauptet; diese unzulässige Neuerung ist daher unbeachtlich.

6. Liegt keine spezielle Geschäftsraumwidmung vor, kann dann der Betrieb eines Gastlokals nicht schon per se eine genehmigungsbedürftige Änderung im Sinne des § 16 Abs 2 WEG 2002 darstellen. Die Unterlassung dieser Betriebsform an sich wird mit den erhobenen Klagebegehren auch gar nicht begehrt. Die für die vorzunehmende Beurteilung nunmehr maßgebliche Betriebsform ist der bewilligte Betrieb eines Gastlokals bis zur verwaltungsbehördlich genehmigten Zeit bis 23.00 Uhr. Es sind nämlich nicht die gerade vom derzeitigen Lokalbetreiber in letzter Zeit allenfalls zu vertretenden Überschreitungen der verwaltungsbehördlichen Bewilligung, sondern die mit der vorgenommenen (Widmungs‑)Änderung erfahrungsgemäß und typischerweise verbundenen Beeinträchtigungen maßgeblich (5 Ob 114/85 = MietSlg 38.626). Die (generelle genehmigungsfreie) Zulässigkeit einer Betriebsformänderung darf nicht an - vom Eigentümer des Objekts nicht als zulässig in Anspruch genommenen - Unzukömmlichkeiten mit dem aktuellen Betriebsinhaber scheitern, sondern hat sich an den mit einer durchschnittlichen Betriebsführung verbundenen Auswirkungen zu orientieren. Betrieblichen Exzessen im Einzelfall ist - worauf später zu 8. zurückzukommen ist ‑ anders zu begegnen.

7. Der Betrieb eines Gastlokals bis zur hier verwaltungsbehördlich genehmigten Zeit bis 23.00 Uhr kann im vorliegenden Fall nicht als verkehrsunüblich angesehen werden. Zunächst wird ein in der Betriebsanlagengenehmigung festgelegter zeitlicher Rahmen nicht jedenfalls und immer auch dessen Verkehrsüblichkeit dokumentieren; in der Regel und ohne konkrete gegenteilige Anhaltspunkte wird aber wohl nicht unterstellt werden können, die zuständige Verwaltungsbehörde werde verkehrsunübliche Betriebsbedingungen genehmigen. Im speziellen Fall kann dies unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse auch deshalb nicht angenommen werden, weil das Objekt des Beklagten in einer mehrere Gebäudekomplexe mit ca. 400 Wohneinheiten umfassenden Wohungseigentumsanlage liegt und in derartigen Siedlungen Cafés, Imbisslokale und ähnliche Gastronomiebetriebe mit Öffnungszeiten auch bis 23.00 Uhr geradezu zum üblichen Erscheinungsbild gehören, kann doch daraus allenfalls resultierenden Beeinträchtigungen der Anrainer durch entsprechende Auflagen begegnet werden. Das Objekt des Beklagten ist überdies Teil einer Geschäftszeile, in welcher sich weiters ein Friseur, ein Lebensmittelgeschäft, eine Trafik sowie eine Bäckerei befinden, und der Bäckerei ist überdies ein Buffet angeschlossen, welches von Montag bis Freitag bis immerhin 22.00 Uhr geöffnet ist. Ein Geschäftslokal eingeschränkt auf kleine Imbisse, in der Betriebsart Café, mit einem ca. 80 m² großen Gastraum, mit 12 Tischen, etwa 50 bis 60 Verabreichungsplätzen und einer genehmigten Öffnungszeit bis 23.00 Uhr sprengt unter diesen Umständen den Rahmen des Verkehrsüblichen nicht. Die solcherart geänderte Betriebsform stellt daher schon an sich keine dem § 16 Abs 2 WEG 2002 zu unterstellende Widmungsänderung dar. Auf diesen geänderten Betrieb können die Kläger ihre Unterlassungsbegehren daher nicht erfolgreich stützen.

8. Die Kläger haben weiters geltend gemacht, der Lokalbetreiber und Bestandnehmer des Beklagten halte sich weder an Sperrstunden noch an nachbarrechtliche Vorschriften oder an die Hausordnung, sodass es zu unzumutbaren Lärmbelästigungen und weiteren Beeinträchtigungen der Wohnungseigentümer, insbesondere durch die Parkplatzverknappung komme. Solchen Beeinträchtigungen eines Wohnungseigentümers kann gegebenenfalls unter den von der Judikatur dazu entwickelten Grundsätzen im Wege von (Unterlassungs‑)Klagen nach §§ 339364 Abs 2 und 523 ABGB begegnet werden (vgl Illedits, Das Wohnungseigentum² Rz 389 ff; Rz 406 ff und Rz 414 ff mwN; zur Hausordnung vgl 5 Ob 261/03y); dem muss hier aber nicht weiter nachgegangen werden, weil solche Beeinträchtigungen nicht Gegenstande der Klagebegehren sind. Die Kläger betonen noch in ihrer Revisionsbeantwortung (S. 3), dass ihre Klagebegehren gerade nicht auf die Unterlassung unzulässiger Emissionen abziele.

9. Die von den Klägern erhobenen Eventualbegehren müssen schon daran scheiteren, dass nach den erstgerichtlichen Feststellungen der Bestandnehmer des Beklagten ein „öffentliches" Gastlokal betreibt, ohne dass eine Zugangsbeschränkung auf Mitglieder eines bestimmten Vereines feststünde. Sperrstundenüberschreitungen im vom Erstgericht nicht näher festgestelltem Umfang machen aus einem von 07.00 bis 23.00 Uhr genehmigten Lokalbetrieb noch kein „Nachtlokal". Gegenteiliges folgt auch nicht aus der Entscheidung 5 Ob 1028/92 = WoBl 1993/49, 61 (Call), weil dort eine im Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag konkret festgelegte Sperrstundenregelung zu beurteilen war.

In Stattgebung der Revision waren somit das Haupt- und die Eventualbegehren abzuweisen.

9. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Für die Streitverhandlung am 14. 7. 2004 (Dauer 3/2 Std) betrug der richtige Ansatz EUR 1.056,40. Der Gebühreneinzug (Pauschalgebühr) für die Berufung belief sich auf EUR 3.185,‑- und derjenige für die Revision auf EUR 4.885,05.

 

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