OGH 4Ob45/95

OGH4Ob45/9513.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*****, vertreten durch Dr.Gunter Granner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr.Huschang R*****, vertreten durch Dr.Kurt Klein und Dr.Paul Wuntschek, Rechtsanwälte in Graz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert S 500.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 15.Februar 1995, GZ 2 R 223/94-25, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 20.August 1994, GZ 16 Cg 239/93i-16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Parteien haben die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - für den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichtes liegen die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht vor:

Wie weit Gerichte bei der Lösung von Vorfragen an rechtskräftige Bescheide der Verwaltungsbehörden gebunden sind - wie es der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung bejaht (SZ 45/17; SZ 51/64 uva), in der Lehre (vor allem Fasching, Sind die Gerichte an präjudizielle Bescheide der Verwaltungsbehörden gebunden?, JBl 1976, 557 ff, ders LB2 Rz 91 ff) aber teilweise verneint wird - ist hier nicht entscheidungswesentlich. Unbestrittenermaßen ist nämlich eine Bindung der Gerichte an rechtsgestaltende Bescheide, also an solche, die selbst eine neue Rechtslage schaffen, unter der Voraussetzung zu bejahen, daß sie nicht absolut nichtig sind (Fasching LB2 Rz 96). Derartige Bescheide binden den Zivilrichter infolge der gegen jedermann wirksamen Änderung der Rechtslage (SZ 64/98). Das entspricht der "Tatbestandswirkung" des Urteils - worunter man alle Wirkungen versteht, die gerichtliche Entscheidungen außerhalb des entschiedenen Zivilprozesses auf andere als die im Rechtsstreit verfangenen Ansprüche äußern (Fasching LB2 Rz 1565).

Entgegen den Revisionsausführungen ist daher davon auszugehen, daß die Bezirkshauptmannschaft F***** der Gemeinde K***** die Bewilligung zur Abhaltung eines Gelegenheitsmarktes auf Schloß K***** im Bereiche des Innenhofes sowie in den Räumlichkeiten im Parterre dieses Schlosses für die Zeit vom ersten Freitag des Monates Juli bis zum Sonntag der dritten Oktoberwoche 1993 erteilt hat (Beilage ./2). Ob die Voraussetzungen für diesen Bescheid vorgelegen sind, ist hier rechtlich ohne Bedeutung.

Die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende Auffassung, daß die Gemeinde K***** als zur Abhaltung des Gelegenheitsmarktes Berechtigte (§ 325 GewO 1973, nunmehr § 286 Abs 2 GewO 1994), mit der "privatrechtlichen Vereinbarung" vom 11.6.1993 nicht - wie die Revision meint - dem Beklagten ihr Veranstaltungsrecht um S 5.000 abgetreten, sondern als Veranstalterin ihm als Marktbesucher einen Marktplatz vergeben hat (§ 330 Abs 1 GewO 1973, nunmehr § 292 Abs 1 GewO 1994), hält sich durchaus im Rahmen der Auslegungsgrundsätze der §§ 914 f ABGB, läßt sich doch diese Vereinbarung nach ihrem Wortlaut zwanglos in diesem Sinne verstehen. Daß der Beklagte dem Schloßherrn außerdem noch eine nicht unbeträchtliche Miete geleistet hat, steht nicht in Widerspruch zu dieser Auslegung.

Wie weit die Gemeinde K***** bei der Vergabe des Marktplatzes (offenbar an insgesamt drei Unternehmer) dem gesetzlichen Gebot, dabei neben der Bedachtnahme auf den auf dem Markt zur Verfügung stehenden Raum darauf zu achten, daß jede der auf dem Markt zugelassenen Waren oder Warengruppen, die einen Hauptgegenstand des Marktverkehrs bilden, in entsprechender Qualität durch eine genügende Zahl von Marktbesuchern feilgehalten wird (§ 330 Abs 1 GewO 1973 = § 292 Abs 1 GewO 1994), entsprochen oder zuwidergehandelt hat, ist von der hier allein maßgeblichen Frage zu trennen, ob der Beklagte bei Entgegennahme des ihm eingeräumten Marktplatzes rechts- und damit sittenwidrig im geschäftlichen Verkehr gehandelt hat. Daß der Beklagte bewußt auf ein rechtswidriges Vorgehen der Gemeinde K***** hingewirkt hätte, wurde aber weder behauptet noch festgestellt.

Daß das Verhalten eines Marktbesuchers, dem die marktberechtigte Gemeinde einen Marktplatz(teil) vergeben hat, nicht danach unterschiedlich beurteilt werden kann, ob auch einer genügenden Zahl anderer Marktbesucher ein Platz vergeben wird oder nicht, ist selbstverständlich, so daß es hiezu einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht bedarf. Der Hinweis der Revision auf SZ 51/86 und SZ 60/141 geht in diesem Zusammenhang fehl. In SZ 51/86 ging es um die Frage, ob eine Gesellschaft den Begriff "Markt" in ihrem Firmenwortlaut verwenden darf; in SZ 60/141 war zu prüfen, ob eine Veranstaltung, die von einem privaten Unternehmen als Messe bezeichnet wurde, tatsächlich unter den Begriff der Messe im Sinne des § 17 Abs 3 ARG oder jenen der messeähnlichen Veranstaltung im Sinne des § 17 Abs 4 ARG fällt. In keiner dieser Entscheidungen wurde aber gesagt, daß trotz behördlicher Bewilligung der Abhaltung eines Marktes deshalb in Wahrheit kein Markt vorliege, weil sich nachträglich herausstellte, daß zu wenige Marktbesucher daran teilgenommen haben.

Soweit der Kläger auf den ungeheueren Wettbewerbsvorteil verweist, den sich der Beklagte dadurch verschaffe, daß er einerseits (nach § 2 Abs 1 Z 1 lit a BZG iVm § 16 ARG) auch an Sonntagen offenhalten und (gemäß § 50 Abs 1 Z 6 GewO 1973 = § 50 Abs 1 Z 7 GewO 1994) ohne Bewilligung einer Betriebsstätte gemäß § 46 GewO 1994 Waren feilhalten dürfe, andererseits aber keinen echten Markt veranstalte, geht er davon aus, daß der Beklagte und nicht die Gemeinde K***** über die Anzahl der Marktbesucher entschieden hätte; das wurde jedoch in erster Instanz nicht behauptet und ist auch nicht hervorgekommen.

Da somit die Entscheidung nicht von der Lösung einer im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage abhängt, war die Revision zurückzuweisen (§ 510 Abs 3, letzter Satz, ZPO).

Der Kostenausspruch gründet sich auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO. Da der Beklagte auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat, diente seine Revisionsrekursbeantwortung nicht der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

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