OGH 7Ob302/04v

OGH7Ob302/04v22.12.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Kalivoda und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef H*****, vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Josef H*****, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 2 Cg 198/01x des Landesgerichtes Wels, über die Rekurse des Wiederaufnahmsklägers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz vom 28. Oktober 2004, GZ 1 R 155/04a-7, womit I. der Rekurs des Wiederaufnahmsklägers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz vom 27. September 2004, GZ 1 R 155/04a-5, und II. die (verbesserte) Wiederaufnahmsklage zurückgewiesen wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs gegen Pkt. I. des angefochtenen Beschlusses (Zurückweisung des Rekurses gegen den Beschluss auf Abweisung des Antrages auf Gewährung von Verfahrenshilfe) wird zurückgewiesen. Dem Rekurs gegen Pkt II. des angefochtenen Beschlusses (Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage) wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der Wiederaufnahmskläger (im Folgenden auch kurz Kläger genannt) und der Wiederaufnahmsbeklagte (in der Folge auch nur als Beklagter bezeichnet) sind Eigentümer benachbarter Liegenschaften. Mit der zu 2 Cg 198/01x des Landesgerichtes Wels erhobenen Klage begehrte der Kläger die urteilsmäßige Feststellung, dass sich der Beklagte die Dienstbarkeit des Fahrens im Winter über einen in der Natur ersichtlichen Feldweg über seine Grundstücke nicht anmaßen dürfe sowie die Verpflichtung des Beklagten zur Unterlassung jeglicher Anmaßungs- bzw Störungshandlungen.

Das Landesgericht Wels wies dieses Klagebegehren mit Urteil vom 28. 3. 2003, GZ 2 Cg 198/01x-15 ab. Der dagegen erhobenen Berufung des Klägers gab das Oberlandesgericht Linz mit Urteil vom 9. 7. 2003, GZ 1 R 87/03z-24 nicht Folge. Die außerordentliche Revision des Klägers wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 15. 10. 2003, GZ 7 Ob 230/03d zurück.

Bereits am 22. 9. 2003 hatte der Kläger beim Oberlandesgericht Linz eine auf § 530 Abs 1 Z 3 und 4 ZPO gestützte, selbst verfasste Wiederaufnahmsklage hinsichtlich der Verfahren 2 Cg 198/01x des Landesgerichtes Wels und 1 R 87/03z des Oberlandesgerichtes Linz sowie einen Antrag eingebracht, ihm die Verfahrenshilfe einschließlich der Beigebung eines Rechtsanwaltes für diese Wiederaufnahmsklage zu bewilligen.

Das Oberlandesgericht Linz wies mit Beschluss vom 27. 9. 2004 den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ab und stellte unter einem die Wiederaufnahmsklage dem Kläger zur Verbesserung durch Unterfertigung durch einen Rechtsanwalt zurück.

Gegen die Abweisung des Antrages auf Bewilligung der Verfahrenshilfe erhob der Kläger mit (neuerlich von ihm selbst verfasstem) Schriftsatz Rekurs. Mit einem weiteren Schriftsatz legte der vom Kläger nunmehr bevollmächtigte Rechtsanwalt (nunmehriger Klagevertreter) die von seinem Mandanten selbst verfasste Wiederaufnahmsklage - nun von ihm unterfertigt - dem Oberlandesgericht Linz neuerlich vor.

Dieses wies mit dem gegenständlich angefochtenen Beschluss I. den Rekurs des Klägers gegen den seinen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abweisenden Beschluss und II. die am 22. 9. 2003 eingebrachte und am 21. 10. 2004 verbessert zur Post gegebene Wiederaufnahmsklage als zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung ungeeignet zurück. Zur Begründung des Punktes II. dieses Beschlusses wurde ausgeführt, der Kläger behaupte in seiner 27 Seiten umfassenden Wiederaufnahmsklage im Wesentlichen, bei den Entscheidungen der ersten und zweiten Instanz handle es sich um "absichtliche und strafbare Gesetzesverletzungen" bzw "absichtliche Gerichtsfehlentscheidungen", denen absichtlich falsche Aussagen in Vorprozessen zugrundegelegt worden seien; der Beklagte habe sich des Prozess- und Beweismittelbetruges schuldig gemacht. Diese pauschalen, unsubstantiierten, ständig wiederkehrenden, stereotypen Vorwürfe zeigten, dass der Wiederaufnahmskläger die inhaltliche Entscheidung der Vorprozesse nicht akzeptieren wolle, während nicht konkretisiert werde, welches Beweismittel der Prozessgegner manipuliert haben solle oder welche strafbare Handlung welcher einzelne Richter begangen haben solle. Die verbessert neuerlich vorgelegte Wiederaufnahmsklage enthalte keine Konkretisierungen zu den behaupteten Wiederaufnahmsgründen, sondern bloß eine Distanzierung des bevollmächtigten Rechtsanwaltes von allfälligen unsachlichen Äußerungen. Da somit der Wiederaufnahmskläger seine Vorwürfe gegen seinen Gegner und gegen die Richter des Hauptverfahrens nicht mit ausreichender Deutlichkeit konkretisiert habe, habe eine Unterbrechung des Wiederaufnahmsverfahrens iSd §§ 539 Abs 1 und 530 Abs 1 Z 3 und 4 ZPO nicht stattzufinden, sondern sei die auf Grund der unsubstantiierten Vorwürfe unschlüssige Wiederaufnahmsklage gemäß § 538 Abs 1 ZPO im Rahmen des Vorprüfungsverfahrens zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen erhebt der anwaltlich vertretene Kläger Rekurs gegen Pkt II. dieses Beschlusses. Mit einem weiteren, später, aber ebenfalls noch innerhalb der 14-tägigen Rechtsmittelfrist eingebrachten, von ihm selbst verfassten Rekurs bekämpft er auch Pkt I. des genannten Beschlusses.

Dieser letztere, gegen Pkt I. gerichtete Rekurs ist jedenfalls unzulässig.

Vorauszuschicken ist, dass dieser Rekurs nicht schon deshalb zurückgewiesen werden muss, weil er mit gesondertem Schriftsatz nach dem Rekurs gegen Pkt II. des Beschlusses des OLG vom 27. 9. 2004 erhoben wurde. Nach nunmehr stRsp hat nämlich der Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels dann nicht zu gelten, wenn - wie dies hier zutrifft - Rechtsmittel verfahrensrechtlich unterschiedlicher Natur gegen prozessual völlig verschieden geartete, wenn auch in einer Ausfertigung zusammengefasste Entscheidungen zu erledigen sind (5 Ob 226/02z mwN; RIS-Justiz RS0040202).

Der sich gegen die Zurückweisung des Rekurses gegen die Abweisung des Verfahrenshilfeantrages richtende Rekurs ist aber absolut unzulässig:

Gemäß § 528 Abs 2 Z 4 ZPO sind alle Entscheidungen des Gerichtes zweiter Instanz über die Verfahrenshilfe - also solche nach den §§ 63 bis 72 ZPO - absolut unanfechtbar und somit einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen (1 Ob 273/99z; 6 Ob 31/02f; 7 Ob 202/02k uva; RIS-Justiz RS0036078; RS0052781; Kodek in Rechberger, ZPO2 § 528 Rz 6); dieser Rechtsmittelausschluss gilt auch für Entscheidungen über die Verfahrenshilfe, wenn die zweite Instanz funktionell als Prozessgericht bzw in erster Instanz tätig wurde (RIS-Justiz RS0113116).

Der die Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage als zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung ungeeignet bekämpfende Rekurs ist hingegen gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Gemäß § 538 Abs 1 ZPO hat das Gericht vor Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung über die Wiederaufnahmsklage in nichtöffentlicher Sitzung zu prüfen, ob die Klage auf einen der gesetzlichen Anfechtungsgründe (§§ 529 bis 531 ZPO) gestützt und in der gesetzlichen Frist erhoben worden ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse oder ist die Klage wegen eines der im § 230 Abs 2 ZPO angeführten Gründe unzulässig, so ist sie als zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung ungeeignet durch Beschluss zurückzuweisen. Diese Prüfung vereinigt in sich die Funktion der Zulässigkeitsprüfung nach § 230 ZPO mit Elementen der Vorprüfung im Rechtsmittelverfahren iSd § 471 ZPO (JBl 1993, 126 = EvBl 1992/77 = RdW 1992, 248; 1 Ob 2038/96d ua; Fasching, LB2 Rz 2084). Nach § 538 Abs 1 ZPO kommt dem Gericht bei der Prüfung des Wiederaufnahmsgrundes im Vorprüfungsverfahren nur ein eingeschränktes Prüfungsrecht zu. Die Zurückweisung der Klage ist dann gerechtfertigt, wenn sich der geltend gemachte Wiederaufnahmsgrund überhaupt unter keinen der im Gesetz angeführten Wiederaufnahmsgründe einordnen lässt oder in keinem rechtlich beachtlichen Zusammenhang mit der angefochtenen Entscheidung steht, der Wiederaufnahmswerber also auch bei Zutreffen der behaupteten Wiederaufnahmsgründe eine Aufhebung oder Abänderung der Entscheidung nicht erreichen könnte. Gemäß § 530 Abs 1 Z 3 ZPO kann ein Verfahren, das durch eine die Sache erledigende Entscheidung abgeschlossen worden ist, auf Antrag einer Partei wiederaufgenommen werden, wenn die Entscheidung durch eine als Täuschung (§ 108 StGB), als Unterschlagung (§ 134 StGB), als Betrug (§ 146 StGB), als Urkundenfälschung (§ 223 StGB), als Fälschung besonders geschützter Urkunden (§ 224 StGB) oder öffentlicher Beglaubigungszeichen (§ 225 StGB), als mittelbare unrichtige Beurkundung oder Beglaubigung (§ 228 StGB), als Urkundenunterdrückung (§ 229 StGB) oder als Versetzung von Grenzzeichen (§ 230 StGB) gerichtlich strafbare Handlung des Vertreters der Partei, ihres Gegners oder dessen Vertreters erwirkt wurde. Gemäß § 530 Abs 1 Z 4 ZPO bildet es einen Wiederaufnahmsgrund, wenn sich der Richter bei der Erlassung der Entscheidung oder einer der Entscheidung zugrundeliegenden früheren Entscheidung in Beziehung auf den Rechtsstreit zum Nachteil der Partei einer nach dem Strafgesetzbuch zu ahndenden Verletzung seiner Amtspflichten schuldig gemacht hat. Die strafbare Handlung muss für das Zustandekommen der Entscheidung kausal sein (RZ 1992/63; Kodek in Rechberger2 § 530 ZPO Rz 3).

Wenn die Wiederaufnahme wegen einer der im § 530 Z 1 bis 4 ZPO angeführten strafbaren Handlungen begehrt wird, ohne dass ihretwegen bereits eine rechtskräftige Verurteilung stattgefunden hätte, hat das Prozessgericht ohne vorgängige mündliche Verhandlung die Einleitung des strafgerichtlichen Verfahrens zur Ermittlung und Feststellung der strafgerichtlichen Handlung zu veranlassen (§ 539 Abs 1 erster Satz ZPO). Das Zivilgericht muss somit von Amts wegen die Einleitung des Strafverfahrens veranlassen und darf diese Frage nicht selbst lösen (1 Ob 2038/96d).

Voraussetzungen dieser zwingenden Unterbrechung ist freilich, dass der strafbare Vorwurf gegen den Richter konkretisiert ist. Aus dem Zusammenhang zwischen § 226 ZPO und § 536 ZPO (nach dessen Z 2 die Wiederaufnahmsklage insbesondere die Bezeichnung des gesetzlichen Anfechtungsgrundes enthalten muss) ergibt sich, dass die besonderen Inhaltsvorschriften für Wiederaufnahmsklagen zu den allgemeinen Vorschriften für Klagen hinzutreten und daher die Bezeichnung des Anfechtungsgrundes allein nicht ausreicht. Es sind vielmehr die konkreten Tatsachen, aus denen das Begehren abgeleitet wird, kurz und bestimmt zu bezeichnen und nicht etwa bloß allgemeine, gar nicht das Hauptverfahren betreffende Vorwürfe vorzutragen. Der Sachverhalt, also das tatsächliche maßgebliche Geschehen, das eine strafbare Handlung und demnach den Anfechtungsgrund darstellt, muss vorgebracht werden (4 Ob 305/84; 1 Ob 2038/96d ua). Konkretisiert der Kläger seine entsprechenden Anschuldigungen nicht einmal ansatzweise und stützt er damit die Klage nicht auf den gesetzlichen Anfechtungsgrund des § 530 Abs 1 Z 3 bzw 4 ZPO, ist sie nach § 538 Abs 1 ZPO zurückzuweisen, ohne dass vorher das Verfahren zu unterbrechen ist (1 Ob 2038/96d). Abgesehen davon, dass es nicht Aufgabe der Zivilgerichte sein kann, ohne konkrete Anschuldigung ein Strafverfahren gegen Prozessgegner oder Richter einzuleiten und dessen Ergebnis dann einem Wiederaufnahmsverfahren zugrundezulegen, ergibt sich schon aus Text und Sinn des § 539 Abs 1 ZPO, dass die Unterbrechung des Wiederaufnahmsverfahrens nur dann stattzufinden hat, wenn der Wiederaufnahmskläger seinen Vorwurf gegen den Gegner oder die Richter des Hauptverfahrens mit ausreichender Deutlichkeit konkretisiert hat (vgl neuerlich 1 Ob 2038/96d).

Dies - eine entsprechende Konkretisierung des Vorwurfes strafbarer Handlungen - wurde in der angefochtenen Entscheidung verneint. Der Rekurswerber bringt dagegen im Wesentlichen lediglich vor, er habe auf den S 4 ff der Klage die erhobenen Vorwürfe "gegen die Richter ausgeführt und genau begründet"; insbesondere auf den S 7 ff der Klage würden ganz konkrete Vorwürfe erhoben.

Tatsächlich finden sich dort allerdings lediglich ganz allgemein gehaltene, eben nicht entsprechend konkretisierte Vorwürfe: Bei den "Amts- und Entscheidungshandlungen" der (namentlich) abgelehnten Richter handle es sich "um absichtliche und strafbare Gesetzesverletzungen der §§ 106 (3) und 302 StGB, der Rechtsbeugung und Rechtsverweigerung, der falschen Anwendung der §§ des ABGB und der ZPO sowie um vorsätzliche Schädigungsabsicht meiner staatsbürerlichen und grundbücherlichen Rechte, meiner Eigentums- und Besitzfreiheit sowie der Parteilichkeit zum Beklagten und dessen Rechtsanwalt". Die abgelehnten Richter hätten ihre Entscheidungen "absichtlich in Schädigungsabsicht gegen mich und in offenkundiger Gefälligkeit und Parteilichkeit zu meinen Nachbarn Josef H***** und zu ihrem Rechtsvertreter" gefällt. Der Kläger erhebt damit Anschuldigungen, ohne diese in irgendeiner Weise näher zu erläutern und zu begründen bzw zu individualisieren.

Zutreffend hat das Oberlandesgericht Linz daher auf die Entscheidung 1 Ob 2038/96d hingewiesen, der ein Sachverhalt zugrundeliegt, der mit dem gegenständlichen ganz vergleichbar ist. Auch dort musste in einem Verfahren, in das der (nunmehrige) Kläger (als Sohn der dort eine Wiederaufnahme anstrebenden Klägerin) involviert war, eine auf § 530 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Wiederaufnahmsklage mangels entsprechender Konkretisierung der gegen die in erster und zweiter Instanz tätigen Richter erhobenen Anschuldigungen zurückgewiesen werden. Der Rekurs gegen die Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage muss sohin erfolglos bleiben.

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