OGH 7Ob202/02k

OGH7Ob202/02k9.9.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bernhild M*****, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen die beklagte Partei Horst M*****, vertreten durch Dr. Witt & Partner KEG, Rechtsanwälte in Wien, wegen Nichtigerklärung, in eventu Wiederaufnahme der Verfahren 17 C 172/93m und 17 C 78/96t des Bezirksgerichtes Donaustadt, infolge (richtig:) Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 24. April 2002, GZ 42 R 118/02t-6a, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 24. Jänner 2002, GZ 17 C 18/02f-3, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen die Bestätigung der Abweisung des Antrags auf Gewährung von Vefahrenshilfe richtet, zurückgewiesen.

Im Übrigen wird dem Revisionsrekurs nicht Folge gegeben. Der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Mit Urteil über Klage und Widerklage vom 5. 3. 1997, GZ 17 C 172/93m, 17 C 78/96t-66 des Bezirksgerichtes Donaustadt wurde die Ehe der Streitteile aus dem Verschulden der dort beklagten und widerklagenden, hier klagenden Ehefrau geschieden. Ihrer Berufung wurde - nach rechtskräftiger Abweisung ihres Ablehnungsantrags - nicht Folge gegeben; die außerordentliche Revision wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 28. 5. 1999, 7 Ob 143/99a, zurück. Die Klägerin erhob am 6. 11. 2001 betreffend dieses Scheidungsverfahren Nichtigkeitsklage, in eventu Wiederaufnahmsklage. Sie habe erstmals am 5. 10. 2001 erfahren, dass dem Erstrichter wegen vielfältiger schwerster Dienstverfehlungen die Befugnis zum Richteramt entzogen worden sei. Damit habe sich nachträglich bestätigt, dass der Erstrichter schon im Scheidungsverfahren der Klägerin nicht mehr in der Lage gewesen sei, sein Richteramt in der gesetzlich geforderten Weise auszuüben, wie sich aus verschiedenen Vorfällen in diesem Verfahren zeige. Diese - von der Klägerin im Detail ausgeführten - Vorfälle waren auch schon Gegenstand des Ablehnungsverfahrens. Zusammen mit der Klage brachte die Klägerin einen Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe ein. Das Erstgericht wies die Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklage als zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung ungeeignet zurück und den Verfahrenshilfeantrag zurück bzw ab. Es werde kein Sachverhalt behauptet, auf den eine Nichtigkeits- oder Wiederaufnahmsklage gestützt werden könne. Eine Prozessführung sei offenbar aussichtslos.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs hinsichtlich der Bestätigung der Zurückweisung der Klage mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt zulässig, hinsichtlich der Bestätigung der Zurückweisung der Verfahrenshilfe jedenfalls unzulässig sei. Einer der taxativen Ausschließungsgründe des § 20 JN werde nicht geltend gemacht. Innerhalb eines anhängigen Zivilverfahrens oder im Rahmen von Rechtsmittelklagen könne die Dienstfähigkeit von Richtern nicht überprüft werden. Die Enthebung des seinerzeitigen Erstrichters von seiner richterlichen Befugnis sei nach den Behauptungen erst nach der im Scheidungsverfahren gefällten Entscheidung erfolgt; damit liege weder ein Nichturteil noch ein vernichtbares Urteil vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist, soweit er sich gegen die Bestätigung der Abweisung des Antrags auf Gewährung von Vefahrenshilfe richtet, jedenfalls unzulässig. Gemäß § 528 Abs 2 Z 4 ZPO sind alle Entscheidungen des Gerichts zweiter Instanz über die Verfahrenshilfe - also solche nach den §§ 63 bis 72 ZPO - absolut unanfechtbar und somit einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen (1 Ob 273/99z; 1 Ob 35/01t; 6 Ob 31/02f uva; Kodek in Rechberger, ZPO² § 528 Rz 6).

Im Übrigen ist der Revisionsrekurs zulässig (§ 528 Abs 1 ZPO), weil Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt. Die Bestätigung eines - wie hier - nach § 538 ZPO gefassten Zurückweisungsbeschlusses einer Wiederaufnahmsklage (vor Anberaumung einer Tagsatzung) ist - ebenso wie eine solche nach § 543 ZPO (also nach mündlicher Verhandlung) - keine Sachentscheidung über das Rechtsmittelklagebegehren und fällt daher unter die Ausnahme vom Rechtsmittelausschluss des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO (EFSlg 69.915); ein Rechtsmittel ist daher bei Bestehen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO zulässig (10 Ob 127/00z; 7 Ob 306/01b = EvBl 2002/100 ua). Das Rechtsmittel ist aber nicht begründet. Die Klägerin steht auf dem Standpunkt, eine Nichtigkeits- oder Wiederaufnahmsklage müsse immer dann zulässig sein, wenn nachträglich entscheidende Gründe für die Ausgeschlossenheit eines Richters hervorkämen; solche Gründe seien im Streitfall die Unfähigkeit des Erstrichters zum Richteramt und seine deshalb erfolgte Enthebung als Richter. Wenn auch nicht sämtliche Verfahren wiederholt werden könnten, in denen der Erstrichter entschieden habe, so doch jene, in denen Parteien - wie hier die Klägerin - vergeblich die Ablehnung des Richters geltend gemacht hätten und in denen sich gröbste Bedenken an seiner Amtsführung ergeben hätten. Sei ein Richter zum Richteramt nicht qualifiziert, sei das von ihm gesprochene Urteil offenkundig nichtig oder die Wiederaufnahme wegen neu hervorgekommener Ablehnungsgründe gem § 529 Abs 1 Z 1 ZPO, § 530 Abs 1 Z 7 ZPO zu bewilligen. Dem ist nicht zu folgen:

Die Klägerin stützt ihre Klage auf § 529 Abs 1 Z 1 ZPO. Nach ständiger Rechtsprechung setzt der in dieser Gesetzesstelle normierte Anfechtungsgrund voraus, dass ein erkennender Richter von der Ausübung des Richteramtes im Rechtsstreit kraft Gesetzes ausgeschlossen war, also in seiner Person einer der in § 20 JN erschöpfend aufgezählten Ausschließungsgründe vorlag (SZ 43/104; 3 Ob 95/88; 7 Ob 299/98s ua). § 529 Abs 1 Z 1 ZPO ist bewusst enger gefasst als § 477 Abs 1 Z 1 ZPO, weil darin nur Ausgeschlossenheit und nicht Befangenheit der erkennenden Richter als Klagegrund angeführt ist (RZ 1989/88; Fasching Lehrbuch² Rz 2046; Kodek aaO § 529 Rz 3). Eine Entscheidung durch einen schon rechtskräftig abgelehnten Richter kann nicht mit Nichtigkeitsklage bekämpft werden (RZ 1989/88; 6 Ob 242/01h); gleiches muss daher umso mehr auch dann gelten, wenn - wie hier - ein Ablehnungsantrag rechtskräftig abgewiesen worden ist. Das Gesetz sieht Eingriffe in die Rechtskraft nur für als besonders schwerwiegend erachtete formelle und materielle Mängel in einer taxativen Aufzählung vor (6 Ob 242/01h; Kodek aaO § 529 Rz 2). Einen solchen Mangel zeigt die Rechtsmittelklägerin nicht auf.

Der relevierte formelle Nichtigkeitsgrund ist auch in der Aufzählung des § 530 ZPO nicht enthalten. Die in § 530 Z 7 ZPO angeführten neuen Tatsachen und Beweismittel beziehen sich auf die Sammlung des Prozessstoffes und nicht auf eine Verletzung der gesetzlichen Befangenheitsbestimmungen (6 Ob 242/01h). Der Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO ist nur verwirklicht, wenn die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt oder Beweismittel auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Macht der Kläger aber - wie hier - nicht geltend, dass der vom Gericht im wiederaufzunehmenden Verfahren seiner Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt unrichtig gewesen wäre, ist kein Grund für eine Wiederaufnahmsklage gegeben (ZfRV 1998, 249). Dass der Erstrichter im Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz (etwa infolge Versetzung in den Ruhestand oder Suspendierung vom Dienst) nicht mehr zum Richteramt befugt gewesen wäre, hat die Klägerin nicht behauptet. Ob, aus welchen Gründen und in welcher dienstrechtlichen Form der Erstrichter danach seine richterliche Tätigkeit beendet hat, spielt für die Frage der Begründetheit der Rechtsmittelklage keine Rolle. Die Vorinstanzen sind daher zutreffend davon ausgegangen, dass sich der von der Rechtsmittelklägerin behauptete Sachverhalt von vornherein unter keinen der in §§ 529 f ZPO genannten Nichtigkeits- oder Wiederaufnahmsgründe unterordnen lässt; sie haben die Klage zu Recht zurückgewiesen. Dem Revisionsrekurs kann sohin kein Erfolg beschieden sein. Das Erstgericht hat gem § 538 Abs 1 ZPO im Vorprüfungsverfahren vor Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung über das Vorliegen eines der gesetzlichen Anfechtungsgründe entschieden. Angesichts dieser gesetzlichen Vorgaben und der im Vorprüfungsverfahren allein zu beurteilenden Rechtsfragen besteht kein Anlass, der Revisionsrekurswerberin die Möglichkeit einer Stellungnahme im Rahmen einer mündlichen Verhandlung über ihren Revisionsrekurs vor dem Obersten Gerichtshof einzuräumen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO.

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