Spruch:
Der Revisionsrekurs der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S
21.726 (darin enthalten S 3.621 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme des Verfahrens 18 Cg 25/97v des Landesgerichtes Innsbruck, bei dem es im Wesentlichen um die Frage ging, ob der Beklagte für die Honoraransprüche des Klägers die persönliche Haftung übernommen habe. Der Steuerberater Mag. Franz M***** habe dem Kläger am 7. 7. 1999 (nach Abschluss des Vorprozesses) auf Befragen erklärt, dass ihm der Beklagte bestätigt habe, dass er persönlich gegenüber dem Kläger die getroffene Kostenvereinbarung zu erfüllen habe. Der Kläger habe dieses Gespräch mit Mag. M***** in einem Schreiben vom 14. 7. 1999 zusammengefasst; Mag. M***** habe es mit seinem Antwortschreiben vom 26. 7. 1999 bestätigt. Diese beiden Schreiben würden als "neue Beweismittel" iSd § 530 Abs 1 Z 7 ZPO die Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigen.
Das Erstgericht wies die (mittlerweile bereits zweite) Wiederaufnahmsklage des Klägers zurück. Das Rekursgericht gab dem dagegen vom Kläger erhobenen Rekurs nicht Folge. Beide Instanzen stützten ihre Entscheidungen darauf, dass die vom Kläger zur Begründung der Wiederaufnahmsklage geltend gemachten Beweismittel unzulässig seien, weil sie auf eine schriftliche Zeugenaussage hinausliefen, die den Grundsätzen der Mündlichkeit und Schriftlichkeit widerstreite. Das Rekursgericht vertrat überdies die Rechtsauffassung, dass den Kläger ein Verschulden iSd § 530 Abs 2 ZPO treffe, weil er im Vorprozess nicht den Zeugen Mag. M***** geführt habe. Es ließ den ordentlichen Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 1 ZPO zu, weil zur Frage einer "auf Brief und Gegenbrief" gestützten schriftlichen Zeugenaussage als Wiederaufnahmsgrund gemäß § 530 Abs 1 Z 7 ZPO keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes existiere.
Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, dem Rekurs des Klägers Folge zu geben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Beklagte macht in seiner Revisionsrekursbeantwortung ua die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses geltend und beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben, hilfsweise auszusprechen, dass er nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 528 Abs 1 ZPO ist der Revisionsrekurs gegen den Beschluss des Rekursgerichts nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Eine solche, für die Lösung der Rechtssache kausale Rechtsfrage wird vom Revisionsrekurswerber nicht aufgezeigt. Der gegenteilige, auf die Unzulässigkeit schriftlicher Zeugenaussagen gestützte Ausspruch des Rekursgerichts ist für den Obersten Gerichtshof nicht bindend (§ 526 Abs 2 ZPO).
Dass schriftliche Zeugenaussagen als Beweismittel unzulässig sind, wurde vom Obersten Gerichtshof bereits zu SZ 59/93 mit ausführlicher Begründung klargestellt. Darin war ein Fall zu beurteilen, in dem die streitentscheidenden Feststellungen ausschließlich auf eidesstättige Erklärungen als Beweismittel gegründet wurden. Die Aussteller dieser Erklärungen waren für das streitentscheidende Beweisthema Zeugen, die ihre Wahrnehmung über das Gespräch im Prozess bekunden sollten. Der Oberste Gerichtshof hielt dazu fest, dass Zeugen im Verfahren mündlich zu vernehmen und schriftliche Zeugenaussagen dem österreichischem Recht fremd sind. Werden Feststellungen ausschließlich auf inhaltlich bestrittene schriftliche Erklärungen gestützt, wird das Gebot der Mündlichkeit des Zeugenbeweises missachtet und damit eines der Grundprinzipien des österreichischen Prozessrechts verletzt. Schriftliche Zeugenaussagen laufen auch dem Grundsatz der Unmittelbarkeit, der Beweise fordert, die - soweit möglich - unmittelbare Erkenntnisquelle sind, zuwider und sind somit als Beweismittel unzulässig (siehe hiezu auch Rechberger in Rechberger, ZPO**2 Rz 3 vor § 320).
Inwieweit der Kläger mit seinem Schreiben vom 14. 7. 1999 und dem Antwortschreiben des Mag. M***** vom 26. 7. 1999 - beide Schreiben wurden erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung im wiederaufzunehmenden Verfahren (2. 10. 1997) erstellt, sollen jedoch für den Standpunkt des Klägers relevante Tatsachen vor Schluss der Verhandlung beweisen - die begehrte Wiederaufnahme des Verfahrens auf solcherart unzulässige, weil schriftliche Zeugen (- und Parteien)aussagen beinhaltende Beweismittel stützt, wie dies die Vorinstanzen annahmen, kann hier allerdings auf sich beruhen, weil die vom Kläger begehrte Wiederaufnahme des Verfahrens schon aus einem anderen Grund unzulässig ist. Es sei nur der Vollständigkeit halber zu der vom Rekursgericht als erheblich angenommenen Rechtsfrage klargestellt, dass für das Verfahren auf Grund einer Wiederaufnahmsklage grundsätzlich die Vorschriften vor den Gerichtshöfen erster Instanzen gelten (§ 533 ZPO), insbesondere auch jene über die Beweise und das Beweisverfahren. Es kann daher kein Zweifel bestehen, dass schriftliche Zeugenaussagen gemäß den in SZ 59/93 aufgestellten Grundsätzen auch in diesem Verfahren unzulässig sind.
Ein Verfahren, das durch eine die Sache erledigende Entscheidung abgeschlossen worden ist, kann auf Antrag einer Partei wieder aufgenommen werden, wenn die Partei ua Beweismittel auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, deren Benützung im früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde (§ 530 Abs 1 Z 7 ZPO). Die Beweismittel können auch erst nach Schluss der Streitverhandlung entstanden sein; sie müssen sich nur auf bereits früher vorhandene Tatsachen beziehen (Fasching IV 511; Kodek in Rechberger, ZPO**2 Rz 5 zu § 530 mwN; RIS-Justiz RS0044441, RS0044733). Wie aber bereits das Rekursgericht zutreffend aufgezeigt hat, ist eine Wiederaufnahme wegen neuer Beweismittel nach § 530 Abs 2 ZPO nur dann zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, diese vor Schluss der mündlichen Verhandlung, auf welche die Entscheidung erster Instanz erging, geltend zu machen. Die Wiederaufnahmsklage ist nämlich nicht dazu bestimmt, von den Parteien begangene Fehler ihrer Prozessführung zu beheben (EvBl 1998/149; MietSlg 50.804). § 530 Abs 2 ZPO setzt also voraus, dass eine Partei nicht die ihr nach der Prozessordnung obliegenden Diligenzpflichten verletzt hat (Kodek aaO Rz 5 zu § 530; RIS-Justiz RS0044570). Ein - von Amts wegen wahrzunehmendes (Fasching IV 520; MietSlg 39.795) - Verschulden liegt insbesondere dann vor, wenn die Partei bereitstehende Beweismittel nicht anbietet, insbesondere Zeugen zu führen unterlässt, von denen sie voraussetzen musste, dass ihnen zu erweisende Tatsachen bekannt sind (Kodek aaO Rz 5 zu § 530; EvBl 1998/149; MietSlg 39.795, 50.804; RIS-Justiz RS0044619). Den Mangel des Verschuldens hat die Partei, welche eine prozessuale Diligenzpflicht trifft, zu beweisen. Ergibt bereits das Vorbringen des Wiederaufnahmsklägers, dass die geltend gemachten Beweise ohnehin im Vorprozess geltend gemacht werden konnten, dann ist das Vorbringen kein tauglicher Wiederaufnahmsgrund und die Klage daher bereits im Vorprüfungsverfahren gemäß § 538 ZPO mit Beschluss zurückzuweisen (Kodek in Rechberger, ZPO**2 Rz 1 zu § 538; RIS-Justiz RS0044558).
Im Vorprüfungsverfahren ist zu beurteilen, ob die Behauptungen des Klägers ausreichen, den geltend gemachten Wiederaufnahmsgrund und das fehlende Verschulden des Klägers schlüssig darzutun. Die grundsätzlich nach den Maßstäben des § 1297 ABGB zu beurteilende prozessuale Diligenzpflicht findet ihre Grenze in der Anwendung der zumutbaren Sorgfalt, wobei sich die Zumutbarkeit nach den Umständen des Einzelfalles richtet (RIS-Justiz RS0044533), weshalb einer Entscheidung darüber grundsätzlich keine über diesen Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0109743, RS0111578).
Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Kläger den Steuerberater Mag. M*****, auf dessen (schriftliche) Angaben er jetzt die Wiederaufnahme des Verfahrens gründen will, im Vorprozess bewusst nicht als Zeugen namhaft machte, weil er annahm, der Beklagte werde Mag. M***** ohnehin nicht von der Verschwiegenheitspflicht entbinden. Derartiges steht allerdings gar nicht fest, zumal sich die vom Kläger vorgelegten Urkunden (ohne jegliche Entbindung des Zeugen) auf eben dieses Thema beziehen, zu dem der Zeuge vernommen worden wäre. Ein Verschulden liegt, wie schon erwähnt, insbesondere dann vor, wenn die Partei ein bereitstehendes Beweismittel gar nicht anbietet, insbesondere einen Zeugen zu führen unterlässt, von dem sie voraussetzen musste, dass diesem zu erweisende Tatsachen bekannt sind. In der Beurteilung des Rekursgerichts, dass es dem Kläger als Verschulden anzurechnen sei, dass er diesen Zeugenbeweis nicht einmal versucht habe, kann keine Fehlbeurteilung erblickt werden; sie hält sich im Rahmen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes.
Ein bereits im Vorprozess zur Verfügung stehendes, jedoch schuldhaft nicht gebrauchtes Beweismittel eignet sich sohin nicht dazu, die Einleitung des Wiederaufnahmsverfahrens zu begründen. In der erkennbaren Annahme des Rekursgerichts, die nicht erfolgte Beantragung des Zeugen Mag. M***** im Vorprozess könne vom Wiederaufnahmswerber auch nicht dadurch umgangen werden, das anstelle dieses Zeugen, dessen Beantragung im Vorprozess schuldhaft versäumt wurde, der spätere Briefwechsel mit diesem Zeugen über ein zum selben Thema geführtes Gespräch vorgelegt und als Wiederaufnahmsgrund geltend gemacht wird, kann gleichfalls keine Fehlbeurteilung erblickt werden. Die vom Kläger nach Schluss der Verhandlung des Vorprozesses "produzierte" Korrespondenz mit Mag. M***** stellt sich bei näherer Betrachtung im Lichte des Abs 1 Z 7 iVm Abs 2 des § 530 ZPO (und unter Beachtung auch des Verbots schriftlicher Aussagen) als kein neu hervorgekommenes eigenständiges Beweismittel im Sinne dieser Bestimmung dar, das geeignet wäre, die schuldhafte Unterlassung des Klägers, Mag. M***** als Zeugen zu führen, zu beseitigen. Auf diese Weise ließen sich nämlich alle versäumten Personalbeweise auf einen nachprozessualen Schriftverkehr verlagern und danach im Rahmen des Wiederaufnahmsverfahrens wieder nachholen.
Zu den vom Revisionsrekurswerber genannten Strafakten, die zum Teil bereits Gegenstand der ersten Wiederaufnahmsklage des Klägers waren, wird auf die Ausführungen des Rekursgerichts verwiesen (§ 510 Abs 3 ZPO). Bloße Verweise auf den Inhalt anderer Rechtsmittel sind unbeachtlich (RIS-Justiz RS0007029, RS0043616).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Da der Beklagte in seiner Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen hat, gebührt ihm der Ersatz der Kosten seiner Beteiligung am Revisionsrekursverfahren.
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