OGH 1Ob273/99z

OGH1Ob273/99z28.3.2000

1Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Josef H*****, infolge Rekurses des Antragstellers gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 18. August 1999, GZ 8 Nc 2/99k-2, und vom 6. September 1999, GZ 8 Nc 2/99k-4, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs gegen den Beschluss vom 18. August 1999 wird nicht Folge gegeben. Der Rekurs gegen den Beschluss vom 6. September wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

In einem näher bezeichneten Vorverfahren bewilligte das Landesgericht Innsbruck mit Beschluss vom 13. Juni 1996 dem Antragsteller die Verfahrenshilfe zur Geltendmachung von Ansprüchen, die er aus zwei gerichtlichen Verfahren ableitet, erklärte jedoch mit weiterem Beschluss vom 5. Mai 1999 die gewährte Verfahrenshilfe gemäß § 68 Abs 1 ZPO als erloschen, weil allfällige Ansprüche aus den betroffenen Entscheidungen verjährt seien. Dem dagegen erhobenen Rekurs des Antragstellers gab das Oberlandesgericht Innsbruck als Rekursgericht mit Beschluss vom 19. Juli 1999 nicht Folge.

Das Oberlandesgericht Innsbruck wies im vorliegenden Verfahren mit Beschluss vom 18. August 1999 (ON 2) den Ablehnungsantrag des Antragstellers vom 12. August 1999 gegen jene Senatsmitglieder, die über seinen Rekurs im Vorverfahren entschieden hatten, mit der Begründung zurück, dass zwar grundsätzlich ein Richter auch noch nach Fällung der Entscheidung abgelehnt werden könne, jedoch in diesem Fall in der Sache selbst noch ein Rechtsmittel offen stehen müsse. Dies sei hier nicht der Fall, weil in Verfahrenshilfeangelegenheiten der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei. Zudem sei die Rekursentscheidung im Vorverfahren mit der am 29. Juli 1999 erfolgten Zustellung an die Beteiligten in Rechtskraft erwachsen, woran auch eine allfällige Nichtigkeitsklage scheitern müsste. Auch in merito wäre der Ablehnungsantrag nicht gerechtfertigt, weil den Mitgliedern des Senats keine Verfahrensverstöße vorzuwerfen und vom Antragsteller auch keine konkreten Gründe für eine allfällige Befangenheit vorgebracht worden seien.

Das Oberlandesgericht Innsbruck wies ferner mit Beschluss vom 6. September 1999 (ON 4) den Antrag des Antragstellers auf Bewilligung der Verfahrenshilfe (im vollen Umfang) zur Einbringung eines Rekurses gegen den Zurückweisungsbeschluss ON 2 an den Obersten Gerichtshof ab, weil die erkennbar allein angestrebte Beigabe eines Rechtsanwalts im vorliegenden Fall nicht erforderlich und die vom Antragsteller angestrebte Rechtsverfolgung auch bei Anlegung eines strengen Maßstabs offensichtlich aussichtslos sei, mangle es ihm doch an einem rechtlich geschützten Interesse, die Befangenheit von Richtern nach rechtskräftiger Entscheidung in der Hauptsache (im Vorverfahren) geltend zu machen.

Der gegen den Beschluss ON 2 erhobene Rekurs des Antragstellers ist zulässig (§ 24 Abs 2 JN), aber nicht berechtigt; das Rechtsmittel gegen den Beschluss ON 4 ist nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

a) Zum Beschluss ON 2: Der Rekurs des Antragstellers bedurfte nicht der Fertigung durch einen Rechtsanwalt, weil er in einem Verfahren ohne Anwaltspflicht (Verfahrenshilfe) erhoben wurde (§ 72 Abs 3 ZPO; vgl. Fucik in Rechberger, ZPO2 § 72 Rz 3).

Das Ablehnungsrecht kann nach herrschender Auffassung auch noch nach der Urteilsfällung vor Eintritt der Rechtskraft ausgeübt werden (stRspr, zuletzt 1 Ob 199/99t mwN aus Lehre und Rspr). Dies gilt auch für einen - anfechtbaren - zweitinstanzlichen Beschluss im Rekursverfahren, wird doch die Geltendmachung der Befangenheit auch noch nach Erlassung der zweitinstanzlichen Entscheidung als zulässig erachtet (stRspr, zuletzt 1 Ob 199/99t mwN; RIS-Justiz RS0041933). Voraussetzung einer solchen Geltendmachung ist somit, dass in der Hauptsache noch ein Rechtsmittel an die dritte Instanz offensteht, in dem oder in einem gesonderten Schriftsatz - diese Streitfrage kann hier offen bleiben - die erfolgreiche Ablehnung als Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 1 ZPO (Teilnahme eines wegen Befangenheit erfolgreich abgelehnten Richters an der Entscheidung) geltend gemacht werden kann. Nach rechtskräftiger Beendigung des Hauptverfahrens ist hingegen nach herrschender Auffassung die Ablehnung nicht mehr zulässig, heilt doch der Mangel des Nichtigkeitsgrunds nach § 477 Abs 1 Z 1 ZPO mit der formellen Rechtskraft der Entscheidung (1 Ob 199/99t mwN aus Lehre und Rspr). Da selbst die Nichtigkeit infolge Teilnahme eines mit Erfolg abgelehnten Richters durch den Eintritt der formellen Rechtskraft der Entscheidung geheilt wird (vgl Kodek in Rechberger aaO § 529 Rz 3), sodass eine Wiederaufrollung des Verfahrens aus diesem Grunde ausgeschlossen ist, fehlt dem Ablehnungswerber ein rechtlich geschütztes Interesse daran, die Befangenheit von Richtern nach rechtskräftiger Entscheidung in der Hauptsache geltend zu machen (1 Ob 199/99t mwN ua). Im vorliegenden Fall war die Entscheidung des Rekurssenats im Vorverfahren zufolge § 528 Abs 2 Z 4 ZPO ("über die Verfahrenshilfe") jedenfalls unanfechtbar und konnte deshalb mit einem zulässigen Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof nicht mehr herangetragen werden; es fehlt daher dem Rechtsmittelwerber die Beschwer als Voraussetzung der Zulässigkeit jedes Rechtsmittels.

Zu der vom Rekurswerber angeregten Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH nach Art 234 EU-Vertrag idFd Vertrags von Amsterdam (früher Art 177 EG-Vertrag) - ein Antragsrecht steht der Partei insoweit ebensowenig zu wie in Ansehung einer Antragstellung durch den Obersten Gerichtshof an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (RIS-Justiz RS0058452) - besteht kein Anlass. Durch die Rekursentscheidung im Vorverfahren wurde weder gegen die MRK noch gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen. Art 6 MRK verwehrt es den Vertragsstaaten nicht, Regelungen über den Zugang zu Gericht im Interesse des Funktionierens der Rechtspflege zu treffen (1 Ob 45/98v = RZ 1999/51).

Demnach kann dem Rekurs kein Erfolg beschieden sein.

b) Zum Beschluss ON 4: Nach der auf das Verfahrenshilfegesetz BGBl 1973/569 zurückgehenden Vorschrift des § 528 Abs 2 Z 4 ZPO ist der Rekurs an den Obersten Gerichtshof gegen Entscheidungen "über die Verfahrenshilfe" jedenfalls, also selbst bei Vorliegen erheblicher Rechtsfragen iSd § 528 Abs 1 iVm § 502 Abs 1 ZPO und unabhängig davon unzulässig, ob die Entscheidung die Bewilligung und den Umfang der Verfahrenshilfe, deren Versagung oder die Ablehnung einer Sachentscheidung aus verfahrensrechtlichen Gründen zum Inhalt hat. Der Gesetzgeber hat erstmals in der WGN 1989 im § 528 ZPO den Begriff "Revisionsrekurs" verwendet. Ursprünglich sprach die ZPO nur von "Rekursen gegen Entscheidungen des Gerichtes zweiter Instanz". Da den Materialien (991 BlgNR 17. GP, 12 f) gerade für die Fälle des § 528 Abs 2 Z 3 bis 6 ZPO zu entnehmen ist, dass die geltende Rechtslage nicht verändert werden sollte, kann erschlossen werden, dass der Gesetzgeber den Ausdruck "Revisionsrekurs" dem Begriff "Rekurs gegen eine Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz" gleichstellte (SZ 67/5). Anfechtungsausschlüsse und Anfechtungs- beschränkungen gelten aber auch dann, wenn das Gericht zweiter Instanz funktionell erstinstanzlich tätig wird (SZ 67/5; 6 Ob 15/99w uva), somit unabhängig davon, ob das Gericht zweiter Instanz in der Angelegenheit "Verfahrenshilfe" in erster oder zweiter Instanz entschied (RZ 1980/65 ua). Daher sind alle Entscheidungen über die in den §§ 63 bis 72 ZPO geregelten Gegenstände (Verfahrenshilfeentscheidungen), die ein zweitinstanzliches Landesgericht oder ein Oberlandesgericht auch funktionell in erster Instanz trifft, nicht anfechtbar und somit einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen (EvBl 1985/30; RZ 1993/66, zuletzt 3 Ob 176/99z).

Dem Obersten Gerichtshof ist aus diesen Erwägungen ein Eingehen auf die im Rechtsmittel bezeichneten Gründe versagt.

Dieser Rekurs ist zurückzuweisen.

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