OGH 4Ob223/04d

OGH4Ob223/04d30.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Helmut L*****, 2. Helmut L*****, 3. Michael L*****, 4. Armin O*****, 5. Valentin B*****, 6. Beate W*****, 7. Oswald L*****, alle vertreten durch Gradischnig & Gradischnig Rechtsanwälte GmbH in Villach, gegen die beklagten Parteien 1. Marktgemeinde S*****, 2. Jagdgemeinschaft S*****, beide vertreten durch Dr. Gottfried Hammerschlag und Dr. Wilhelm Dieter Eckhart, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Feststellung der Nichtigkeit eins Jagdpachtvertrags (Streitwert 35.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 2. September 2004, GZ 6 R 163/04v-10, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Äußerung der beklagten Parteien wird gemäß § 16 Abs 4 AußStrG iVm § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

Text

Begründung

Die Kläger sind ihren Behauptungen nach Grundeigentümer von jagdlich nutzbaren Grundstücken, die Teile einer Gemeindejagd iSd Kärntner Jagdrechts seien. Die Gemeindejagd sei im Weg einer freihändigen Verpachtung durch einen Jagdpachtvertrag vom 19. 9. 2002 an eine Jagdgemeinschaft (der sie nicht angehörten) verpachtet worden. Diesem Vertragsabschluss liege ein in der Gemeinderatsitzung vom 13. 8. 2002 gefasster Beschluss der beklagten Gemeinde zugrunde, bei dessen Beschlussfassung die Gemeinderatsmitglieder in einem (vom Bürgermeister verursachten) Irrtum über das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für eine freihändige Verpachtung gem § 33 Abs 1 lit c Kärntner JagdG (Zustimmung von mindestens zwei Dritteln der Eigentümer der die Gemeindejagd bildenden Grundstücke, die zusammen Eigentümer von mindestens zwei Dritteln der Grundfläche der Gemeindejagd sind) befangen gewesen seien. Die vom Gesetz geforderte "doppelte Zwei-Drittel-Mehrheit" sei bei Abstimmung nicht vorgelegen; diese Gesetzwidrigkeit bewirke die Nichtigkeit des Jagdpachtvertrags. Begehrt werde die Feststellung, dass der näher bezeichnete Jagdpachtvertrag nichtig sei.

Das Erstgericht hat die Klage nach Streitanhängigkeit wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückgewiesen und das Verfahren für nichtig erklärt.

Das Rekursgericht hat diese Entscheidung bestätigt. Es bestehe keine Rechtsgrundlage, das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen einer Verpachtung des Jagdausübungsrechts in einer Gemeindejagd aus freier Hand durch die Gerichte zu überprüfen. Dass der Jagdpachtvertrag auf Grund eines "zivilrechtlichen Ansatzes" nichtig sei, werde nicht behauptet.

Rechtliche Beurteilung

Diese Entscheidung hält sich im Rahmen der Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Entscheidungskompetenz von Zivilgerichten.

Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs sind in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagesachverhalt (die Klagebehauptungen) von Bedeutung. Es kommt auf die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruchs an, wofür wiederum der geltend gemachte Rechtsgrund von ausschlaggebender Bedeutung ist. Danach ist zu beurteilen, ob ein privatrechtlicher Anspruch iSd § 1 JN erhoben wurde, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben (stRsp: SZ 68/220; 1 Ob 2344/96d mwN; 1 Ob 193/01s; 7 Ob 35/03b uva; RIS-Justiz RS0045584). In diesem Verfahrensstadium ist es noch unerheblich, ob der behauptete Anspruch auch berechtigt ist, weil hierüber erst in der Sachentscheidung abzusprechen ist (SZ 51/41; SZ 66/13; 1 Ob 193/01s ua; Mayr in Rechberger, ZPO² vor § 1 JN Rz 6). Ob die Zivilgerichte zur Entscheidung berufen sind, ob also der Rechtsweg (= Gerichtsweg) gegeben ist, hängt somit davon ab, ob es sich um eine bürgerliche Rechtssache handelt und, falls ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch geltend gemacht wird, ob dieser nicht durch Gesetz ausdrücklich vor eine andere Behörde verwiesen wird (SZ 57/59; 7 Ob 17/00a, EvBl 2000/189; 7 Ob 286/00k; 1 Ob 193/01s; 7 Ob 35/03b ua; Ballon in Fasching, Zivilprozessgesetze I² § 1 JN Rz 61).

Die Rechtsmittelwerber wiederholen ihren Standpunkt, der Gemeinderatsbeschluss auf freihändige Verpachtung der Gemeindejagd sei unter Verletzung des § 33 Abs 3 Kärnter JagdG und damit nicht rechtswirksam zustandegekommen. Sie streben damit im Ergebnis die Feststellung der Unwirksamkeit eines Beschlusses eines Kollegialorgans einer Gebietskörperschaft an; dies ist jedoch kein bürgerlich-rechtlicher Anspruch, der vor den Zivilgerichten geltend gemacht werden könnte.

Der Oberste Gerichtshof hat zwar schon wiederholt ausgesprochen, dass für Streitigkeiten aus einer Jagdpachtung die ordentlichen Gerichte zur Entscheidung berufen sind, wenn nicht durch ausdrückliche Vorschrift die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden angeordnet ist (SZ 5/204; 6 Ob 674/85; 2 Ob 255/02t; 7 Ob 35/03b RIS-Justiz RS0045772; RS0045438; Ballon aaO Rz 181 zu § 1 JN mwN). Ein solcher Fall liegt hier aber schon deshalb nicht vor, weil die Kläger nicht Parteien des von ihnen bekämpften Jagdpachtvertrags sind. Auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichthofs besitzt ein Jagdpachtvertrag nur im Verhältnis der vertragsschließenden Parteien zueinander zivilrechtlichen Charakter (VwGH Slg 1339 A/1950). Hingegen fällt die Frage, ob ein Jagdpachtvertrag iSd Jagdgesetzes mit den dort angeführten Folgen vorliegt oder nicht, in die ausschließliche Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde (VwGH 13. 1. 1966, 120/65).

Aus der von den Rechtsmittelwerbern angeführten Entscheidung 5 Ob 197/03m ist für deren Standpunkt nichts zu gewinnen: Dort wurde (nur) die Rechtsansicht des Gerichts zweiter Instanz gebilligt, wonach eine Wiederaufnahmsklage dann von vornherein scheitere, wenn der Wiederaufnahmskläger darin einen - infolge neuen Sachvorbringens - anderen Anspruch verfolge als im Vorprozess.

Ergänzend ist darauf zu verweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs der Gemeinderat bei der Verwaltung der Gemeindejagd nicht im Rahmen der Hoheitsverwaltung, sondern der Privatwirtschaftsverwaltung tätig wird. Dies hat zur Folge, dass für das vom Gemeinderat einzuhaltende Verfahren bei der Beratung und Beschlussfassung die Bestimmungen der Kärntner Allgemeinen Gemeindeordnung (K-AGO) maßgeblich sind (VwGH Slg 9568 A/1978; 10.813 A/1982). § 100 Abs 1 K-AGO ermöglicht es der Aufsichtsbehörde von Amts wegen oder auf Antrag, gesetzwidrige Beschlüsse der Gemeindeorgane aufzuheben.

Stichworte