OGH 2Ob255/02t

OGH2Ob255/02t5.12.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Land Salzburg, 5010 Salzburg, Chiemseehof, vertreten durch Univ. Prof. Dr. Friedrich Harrer und Dr. Iris Harrer-Hörzinger, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1.) Sandra V*****, und 2.) G*****, beide vertreten durch Dr. Gernot Schreckeneder, Rechtsanwalt in Zell am See, wegen EUR 19.229,44 sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 18. Juni 2002, GZ 3 R 81/02f-20, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 6. März 2002, GZ 91 Cg 1042/01s-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Prozesseinrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges wird verworfen und dem Erstgericht die Fortsetzung des gesetzlichen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen ihrer Vertreter binnen 14 Tagen die mit EUR 1.950,66 (hierin enthalten EUR 325,11 USt) bestimmten Kosten des Zwischenstreites zu ersetzen.

Text

Begründung

Am 20. 5. 1995 ereignete sich ein Verkehrsunfall, bei dem Stefan O***** als Fußgänger vom Pkw der bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherten Erstbeklagten niedergestoßen und schwerst verletzt wurde; er muss seither in einem Pflegeheim betreut werden. Im Vorverfahren 8 Cg 13/97y des Landesgerichtes Salzburg wurde rechtskräftig ausgesprochen, dass die beklagten Parteien dem Genannten "40 % seiner unfallskausalen Schäden zu ersetzen haben" (außerordentliche Revision zurückgewiesen zu 2 Ob 66/98i). Mit der am 25. 5. 2001 eingebrachten Klage begehrt das klagende Land die Verurteilung der beklagten Parteien zur Zahlung von S 264.602,82 (EUR 19.229,44) samt 4 % Zinsen seit 6. 7. 2000. Stefan O***** sei vom 13. 11. 1996 bis 2. 6. 1998 zunächst im Haus "R*****" in München und seit 8. 6. 1998 im Haus "H*****" in Bayrisch Gmein untergebracht, wobei die Kosten zufolge mit Bescheid vom 3. 9. 1998 gewährter Behindertenhilfe nach dem Salzburger Behindertengesetz (im folgenden jeweils kurz: SBG) 1981 vom klagenden Land getragen würden. Die Klägerin habe demgemäß bis 31. 12. 1999 bereits S 704.197,04 (EUR 51.175,99) aufgewendet; 40 % hievon (= S 281.678,82 bzw EUR 20.470,40) habe ihr die Zweitbeklagte (laut dem eingangs zitierten Gerichtsurteil) zufolge Legalzession nach § 44 Abs 1 des gemäß § 17 Abs 3 SBG anwendbaren Salzburger Sozialhilfegesetzes (Gesetz vom 13. 12. 1974 über die Sozialhilfe im Lande Salzburg) LGBl 1975/19 (im folgenden kurz: SSG) nach entsprechendem Verständigungsschreiben vom 23. 6. 1999 zu ersetzen. Überdies hätten die beklagten Parteien mit konstitutivem Anerkenntnis vom 17. 1. 2001 mit der Wirkung eines Feststellungsurteils anerkannt, der klagenden Partei als Träger der Behindertenhilfe für alle diese Kosten und Aufwendungen im Rahmen der sachlichen und zeitlichen Kongruenz, die Zweitbeklagte beschränkt auf die vereinbarte Versicherungssumme, haftbar zu sein. Nach Abzug einer Teilzahlung von S 17.076 (EUR 1.240,96) vom ermittelten Quotenbetrag ergebe sich die Klagssumme. Darüber hinaus habe die zweitbeklagte Partei bereits 1999 weitere S 402.750 (EUR 29.268,98) refundiert. Die beklagten Parteien bestritten zunächst das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach und wendeten in der ersten mündlichen Streitverhandlung ergänzend Unzulässigkeit des Rechtsweges gemäß § 46 SSG ein, weil über derartige Ansprüche im Verwaltungsweg zu entscheiden sei (ON 7). Schließlich wurde auch noch eine Gegenforderung von S 56.822 (EUR 4.129,42) kompensando eingewendet (ON 9).

Die klagende Partei replizierte - zur erhobenen Prozesseinrede -, dass für die auf sie im Wege der Legalzession übergegangenen Schadenersatzansprüche der streitige Zivilrechtsweg zulässig sei. Das Erstgericht erklärte das (bisherige) Verfahren für nichtig und wies die Klage (unter gegenseitiger Kostenaufhebung) zurück. Die klagende Partei habe ihren Anspruch ausdrücklich auf § 44 Abs 1 SSG gestützt; über derartige Ersatzansprüche sei gemäß § 46 Abs 1 SSG (nur) im Verwaltungsweg zu entscheiden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der klagenden Partei nicht Folge und sprach weiters aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Auch wenn Schadenersatzansprüche im Allgemeinen und auf ein konstitutives Schuldanerkenntnis gestützte Ansprüche im Besonderen ihrer privatrechtlichen Natur zufolge grundsätzlich im Rechtsweg geltend gemacht werden könnten, weil es sich bei der Klageforderung um unter diese Gesetzesstelle fallende Ersatzansprüche gegenüber unterhaltspflichtigen Angehörigen bzw Dritte handle, welche für die Dauer der Hilfeleistung bis zur Höhe der Kosten auf den Sozialhilfeträger ab Zeitpunkt der schriftlichen Anzeige hievon übergingen, sei doch hiefür nach der ausdrücklichen Anordnung des § 46 SSG ausschließlich der Verwaltungsweg zu beschreiten. Dies habe der (Landes-)Gesetzgeber auch bewusst so vorgesehen, weil diese Verweisung auf den Verwaltungsweg erst durch die Novelle LGBl 1991/40 eingeführt worden sei, wohingegen bis dahin die ordentlichen Gerichte über derartige Ersatzansprüche des Sozialhilfeträgers zu entscheiden gehabt hätten. Auch das in der Klage behauptete Anerkenntnis führe zu keinem anderen Ergebnis, hätten doch die Beklagten hierin nicht die Verpflichtung zur Zahlung des Klagebetrages anerkannt, sondern lediglich ihre sich bereits aus dem Gesetz ergebende Ersatzpflicht dem Grunde nach für der klagenden Partei zukünftig erwachsende Kosten, soweit solche in den sachlich und zeitlich kongruenten Schadenersatzansprüchen des Verletzten, die diesem ohne die Legalzession nach dem § 17 Abs 5 SBB, § 44 Abs 1 SSG zustehen würden, Deckung fänden; die Höhe dieses Ersatzanspruches der klagenden Partei bleibe in diesem Anerkenntnis jedoch offen und regle es insbesondere nicht, welche Schadenersatzansprüche des Stefan O***** von der Legalzession erfasst würden, in welcher Höhe diese bestünden und welche anderen Leistungen von dritter Seite auf den Klagsanspruch anzurechnen seien. Damit werde deutlich, dass das Haftungsanerkenntnis den geltend gemachten Anspruch (ebenfalls) nicht begründen könne. Dazu komme auch noch, dass das Anerkenntnis vom 17. 1. 2001 ausdrücklich nur zukünftig entstehende Ansprüche der klagenden Partei umfasse, nicht aber die klagsgegenständlichen, welche den Zeitraum 8. 6. 1998 bis 31. 12. 1999 beträfen. Der ordentliche Revisionsrekurs wurde für zulässig erklärt, weil eine höchstgerichtliche Judikatur zu der über den Einzelfall hinausgehend bedeutsamen Rechtsfrage, ob für gemäß § 44 SSG auf den Sozialhilfeträger übergegangene Schadenersatzansprüche der Rechtsweg zulässig sei, nicht habe aufgefunden werden können. Gegen diese Entscheidung richtet sich der auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revisionsrekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, die Beschlüsse beider Vorinstanzen ersatzlos aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.

Die beklagten Parteien haben eine Revisionsrekursbeantwortung (§ 521a Abs 1 Z 3 ZPO) erstattet, in welcher sie primär die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels (mangels erheblicher Rechtsfrage) beantragen, in eventu diesem keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht formulierten Grunde zulässig und auch berechtigt.

Die Zulässigkeit des Rechtsweges nach § 1 JN bildet eine allgemeine Prozessvoraussetzung (Fasching, Lehrbuch2 Rz 101 und 723 f; Mayr in Rechberger, ZPO2 Rz 1 zu § 42 JN), die jederzeit auf Antrag oder von Amts wegen wahrzunehmen ist (§ 42 Abs 1 JN; § 261 Abs 1 ZPO; Fasching, aaO Rz 734) und deren Bejahung davon abhängt, ob es sich um eine bürgerliche Rechtssache handelt und, falls ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch geltend gemacht wird, dieser nicht durch Gesetz ausdrücklich vor eine andere Behörde verwiesen wurde (SZ 57/59; EvBl 2000/189; RIS-Justiz RS0045438). Zuweisungen zum Bereich des öffentlichen oder des Privatrechts werden in der Regel durch gesetzliche Bestimmungen getroffen, die entweder das betreffende Rechtsgebiet ausdrücklich als öffentliches oder privates Recht bezeichnen oder eine Zuweisung an die Verwaltungsbehörden oder die Gerichte zum Ausdruck bringen (SZ 51/161; EvBl 2000/189; RIS-Justiz RS0045438), wobei nach der Rechtsprechung derartige Zuständigkeitszuweisungen an die Verwaltungsbehörden nicht ausdehnend ausgelegt werden dürfen (Mayr aaO Rz 5 vor § 1 JN; RIS-Justiz RS0045474, RS0085461; jüngst 2 Ob 256/02i). Ob eine Sache in den Kompetenzbereich der Gerichte oder der Verwaltungsbehörden fällt, entscheidet insoweit die positive gesetzliche Vorschrift (SZ 50/70); ob ein bestimmtes Gesetz eine solche Ausnahmebestimmung enthält, begründet zumeist auch keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (1 Ob 588/94).

Eine derartige gesetzliche Vorschrift erblickten die Vorinstanzen in der Bestimmung des § 46 SSG. Diese lautet in der geltenden Fassung gemäß Art I Z 2 des Gesetzes vom 20. 2. 1991, mit dem das Salzburger Sozialhilfegesetz geändert wurde, LGBl 1991/40, iVm der nachfolgenden Novelle LGBl 1994/27 (im Rahmen derer bloß - Z 3 leg cit - die Paragrafenzitate hierin ohne Auswirkung auf den vorliegenden Fall neu gefasst worden sind):

"(1) Über die Ersatzansprüche nach §§ 8 Abs 4, 43 und 44 ist im Verwaltungsweg zu entscheiden.

(2) Über Berufungen gegen gemäß Abs 1 erlassene Bescheide entscheidet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Salzburg."

Von den hierin zitierten Bestimmungen ist für die vorliegende Fallbeurteilung nur § 44 Abs 1 SSG von Bedeutung. Dieser hat folgenden Wortlaut:

"(1) Unterhaltsansprüche gegen Angehörige, deren Einkommen nicht gemäß § 12 Abs 4 Berücksichtigung zu finden hat, und sonstige Rechtsansprüche des Sozialhilfeempfängers gegenüber Dritten, aus denen er seinen Lebensbedarf ganz oder teilweise decken kann, gehen für die Dauer der Hilfeleistung bis zur Höhe der Kosten auf den Sozialhilfeträger über, sobald dieser dem Dritten hievon schriftlich Anzeige erstattet. Mit Zustellung der schriftlichen Anzeige an den leistungspflichtigen Dritten ist der Sozialhilfeträger berechtigt, ohne Zutun des Sozialhilfeempfängers dessen Leistungsanspruch gegenüber dem Dritten allein geltend zu machen. Ersatzansprüche nach den Bestimmungen des Zivilrechtes (§ 1042 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch) bleiben davon unberührt."

Noch in der Stammfassung LGBl 1975/19 war hingegen in § 46 Abs 2 SSG ausdrücklich (gegenteilig) angeordnet worden, dass "Streitigkeiten über die im Abs 1 genannten Ansprüche [ds solche nach den §§ 43 und 44 SSG] vor den ordentlichen Gerichten auszutragen sind, soweit hiefür nicht die Schiedsgerichte der Sozialversicherung zuständig sind".

In den Materialien (Vorlage der Landesregierung Nr 53 der Beilagen zum stenografischen Protokoll des Salzburger Landtages, 5. Session der 6. Wahlperiode, S 54 [dort zum vormaligen § 44 Abs 2 des Entwurfes, später § 46 Abs 2 der Stammfassung] wurde die Zuständigkeitszuordnung zunächst zu den ordentlichen Gerichten wie folgt begründet:

"Streitigkeiten über Ersatzansprüche sollen, da es sich vornehmlich um zivilrechtliche Ansprüche handelt, nicht im Verwaltungsweg entschieden, sondern vor den ordentlichen Gerichten ausgetragen werden. Auch für diesen Bereich gilt das im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Slg 6.088/1969 bezüglich der Feststellung von Schadenersatzansprüchen Ausgesagte, daß die ordentlichen Gerichte im Hinblick auf die Qualität ihrer Einrichtung hiefür geradezu prädestiniert sind, dies auch dann, wenn es sich um Ansprüche öffentlich-rechtlicher Natur handelt."

In diesem Erkenntnis hatte der Verfassungsgerichtshof (im Zusammenhang mit dem Salzburger Raumordnungsgesetz 1968) die Überantwortung der Festsetzung der Entschädigungssumme an "unabhängige, fachlich qualifizierte Richter" der Besorgung als Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinden "wegen des Mangels einer gleichwertigen Qualifikation der Gemeindebehörden" vorgezogen.

Dem gegenüber wurde die Verweisung der Entscheidung über solche Ersatzansprüche auf den "Verwaltungsweg" durch die Novelle LGBl 1991/40 in der hiefür maßgeblichen Vorlage der Salzburger Landesregierung (Nr 139 der Beilagen zum stenografischen Protokoll des Salzburger Landtages, 3. Session der 10. Gesetzgebungsperiode, S 3 f) zunächst mit "Gründen der Verwaltungsökonomie" begründet, "da allfällige Ersatzansprüche von der selben Behörde und nach Möglichkeit vom selben Sachbearbeiter, der auch den Sozialhilfebescheid erlassen hat, bearbeitet werden sollen. In weiterer Folge steht den Parteien die Möglichkeit der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat offen. Rechtskräftige Kostenersatzbescheide können im Wege der politischen Exekution durchgesetzt werden."

Sodann heißt es weiter:

"Der Sozialhilfebeirat hat die Begründung einer verwaltungsbehördlichen Zuständigkeit einstimmig gut geheißen. Sie findet sich auch in den Sozialhilfegesetzen der Länder Burgenland, Oberösterreich, Steiermark, Tirol und Vorarlberg. Die Einsetzung des Unabhängigen Verwaltungssenates in zweiter Instanz beschreitet Neuland. Sie fußt darauf, daß über zivilrechtliche Ansprüche im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention ein Tribunal entscheiden muß. Der Unabhängige Verwaltungssenat erfüllt die Erfordernisse einer solchen Behörde. Die Ersatzansprüche haben vornehmlich - jene in § 44 geregelten ohne jeden Zweifel - zivilrechtlichen Charakter (...). Die Eingliederung des Unabhängigen Verwaltungssenates als zweite Instanz trägt wiederum verwaltungsökonomischen Überlegungen Rechnung. Ein Gesetzwerden des Vorschlages bedingt zwar für das Land einen erhöhten Verwaltungsaufwand; andererseits wird hiedurch eine konsequente Geltendmachung von Ersatzansprüchen und die Sicherung entsprechender Geldrückflüsse gewährleistet.

Das Gesetzesvorhaben wurde im Begutachtungsverfahren überwiegend zustimmend beurteilt. Lediglich die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Salzburg und die Salzburger Landwirtschaftskammer äußerten die Ansicht, daß die ordentlichen Gerichte zur Beurteilung von Ansprüchen mit zivilrechtlichem Charakter besser geeignet seien als der Unabhängige Verwaltungssenat."

In den Materialien des Verfassungs- und Verwaltungsausschusses zur vorgenannten Vorlage (Nr 279 der Beilagen, S 1 f) wird hiezu noch ergänzend ausgeführt:

"Die Begründung der verwaltungsbehördlichen Zuständigkeit ist notwendig geworden, da der Magistrat der Stadt Salzburg nicht mehr bereit war, durch seine Bediensteten das Land Salzburg als Sozialhilfeträger in Kostenersatzverfahren bevollmächtigt vertreten zu lassen. Im Zuge der Beratungen entwickelte sich auch eine Diskussion über die Behördenzuständigkeit für Berufungsverfahren. Gegen die Einrichtung des Unabhängigen Verwaltungssenates als Berufungsinstanz wurden Einwendungen erhoben und darauf hingewiesen, daß ordentliche Gerichte mit den damit eng verbundenen Unterhaltsfragen mehr Erfahrung hätten, als der Unabhängige Verwaltungssenat. Durch den Legisten wurde zum Ausdruck gebracht, daß die Erledigung dieser Angelegenheiten auch in der Rechtsmittelinstanz bei der Verwaltung bleiben sollte, was verfahrensmäßige Vorteile bringe. Mit dem Unabhängigen Verwaltungssenat besteht nunmehr eine - zugegeben neue - Behörde, die die Voraussetzungen des Art 6 MRK erfüllt."

Schließlich wurde diese Verwaltungszuständigkeit durch die bereits erwähnte (vorerst letzte) Novelle LGBl 1994/27 noch dahingehend erweitert, dass auch - hier nicht verfahrensgegenständlich - Ersatzansprüche nach § 8 Abs 4 SSG in § 46 Abs 1 SSG einbezogen wurden, wobei auch hierüber "im Streitfall verwaltungsbehördlich entschieden werden soll", weshalb die "Behördenzuständigkeit [entsprechend] zu erweitern" war (Vorlage der Landesregierung Nr 50 der Beilagen, 6. Session der 10. Gesetzgebungsperiode, S 6). Daraus folgt sohin, dass der Landesgesetzgeber in bewusster und gewollter Abkehr von seiner ursprünglich zum Gesetz erhobenen Auffassung abgerückt ist, die Zuständigkeit über derartige Ersatzansprüche - einschließlich Rückersätze - den (ordentlichen) Gerichten zu übertragen, sondern vielmehr die Entscheidung hierüber - ungeachtet ihres Wesens und ihrer Rechtsnatur als zivilrechtlicher Anspruch - ausdrücklich den Verwaltungsbehörden übertrug. Diese Bestimmung ist hiebei jedoch verfassungskonform auszulegen. Zur Vermeidung interpretativer Widersprüche zum Verfassungsrecht trifft nämlich auch die Gerichte grundsätzlich die Pflicht zu einer stets gebotenen, dem äußerst möglichen Wortsinn eines Gesetzeswortlautes nicht widersprechenden verfassungskonformen Auslegung (F. Bydlinski in Rummel, ABGB3 Rz 21 zu § 6 mwN; 2 Ob 41/00v). Hiebei ist von der Bestimmung des Art 15 Abs 9 B-VG auszugehen. Danach sind die Länder "im Bereich ihrer Gesetzgebung befugt, die zur Regelung des Gegenstandes erforderlichen Bestimmungen auch auf dem Gebiet des Straf- und Zivilrechtes zu treffen" (zum historischen Ursprung und zur Vorgeschichte des Art 15 Abs 9 leg cit siehe ausführlich Pernthaler in JBl 1972, 68 [69 f]). Die herrschende Ansicht (Mayer,

Das österr Bundes-Verfassungsrecht3 Anm IX.2, 3 und 5 zu Art 15 B-VG; Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts9 Rz 270; Jabloner, Die Mitwirkung der Bundesregierung an der Landesgesetzgebung [Juristische Schriftenreihe, Band 16], 200 f) nimmt in Übereinstimmung und unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichteshofes (VfSlg 2.658, 8.989, 10.097, 13.322 uam) und auch des Obersten Gerichtshofes (EvBl 1989/111) an, aufgrund des Art 15 Abs 9 leg cit seien die Länder zwar auch zur Erlassung von Regelungen befugt, die außerhalb dieser Verfassungsbestimmung (an sich) vom Bund zu erlassen wären, es müsse jedoch ein "enger, inhaltlicher Zusammenhang" mit der in die Länderkompetenz fallenden Hauptmaterie bestehen; die auf Art 15 Abs 9 B-VG gestützte Regelung des Zivil-(oder Straf-)rechts müsse "unerlässlich" sein und insoweit ein "rechtstechnischer" Zusammenhang mit der verwaltungsrechtlichen Regelung bestehen. Andernfalls ist die Vollziehung solcher Bestimmungen nach dem Prinzip des Art 6 MRK den Gerichten zu übertragen, zumal der Landesgesetzgeber ja auch durch den Grundsatz des Art 82 Abs 1 B-VG, dem zufolge alle Gerichtsbarkeit vom Bund ausgeht, mitbestimmt wird (VfSlg 12.151). In diesem Sinne ist eine ausdehnende Interpretation von Vorschriften, welche die Kompetenz einer Verwaltungsbehörde festlegen, unzulässig (Ballon in Fasching, I3 Rz 67 mwN).

Das Schadenersatzrecht zählt zum Kompetenztatbestand des Zivilrechts (VfSlg 2.658). Dies muss gleichermaßen auch für auf schadenersatzrechtlicher Grundlage beruhende Rückgriffs- oder Regressansprüche gelten. Auch solche gehören daher nach der Anordnung des § 1 JN grundsätzlich vor die ordentlichen Gerichte. Demgemäß ist es (verfassungsgesetzlich) nicht zu beanstanden, wenn das Gesetz (§ 44 SSG) normiert, dass Unterhaltsansprüche und gleichartige (etwa auf schadenersatzrechtlicher Basis beruhende) Ansprüche gegenüber Dritten - wozu auch der Anspruch auf Ersatz von Pflegeleistungen gegen den Schädiger zu zählen ist - auf den Sozialhilfeträger übergehen; (nur) der Ausspruch darüber obliegt der Verwaltungsbehörde (§ 46 Abs 1 SSG). Die rechtliche Durchsetzung eines solchen (übergegangenen) Ersatzanspruches fällt jedoch - ebenso wie das in § 44 Abs 1 SSG (am Ende) in Klammer angeführte Beispiel eines Ersatzanspruches nach § 1042 ABGB, auch nach der Anordnung in § 44 Abs 1 letzter Satz SSG ("Ersatzansprüche nach den Bestimmungen des Zivilrechtes ... bleiben davon unberührt") - in die ausschließliche Kompetenz der (ordentlichen) Gerichte. Andernfalls käme man ja zum wertungswidersprüchlichen Ergebnis, dass etwa - gäbe es ein casu nicht bereits in darüber erflossenes rechtskräftiges Feststellungsurteil aus einem Vorverfahren - die Verwaltungsbehörde die Verschuldensfrage (gleich wie ein Prozessrichter) zu beurteilen und die auf ABGB bzw EKHG begründeten (sonstigen) schadenersatzrechtlichen Beurteilungen zu treffen hätte, sowie letztlich auch der durch die (Legal-)Zession ja sich materiell-rechtlich grundsätzlich nicht verschlechtert werden dürfende Schuldner (vgl Koziol/Welser II12 117 f) insofern in seiner Rechtsposition dadurch benachteiligt würde, als ihm seinerseits der Rechtsweg für alle diese ihn (unmittelbar) berührenden Rechtsfragen (einseitig) genommen würde. Nur so ist ein verfassungskonform unbedenkliches Ergebnis zu erzielen. Auf den von der Klägerin relevierten (zweifellos ebenfalls dem Privatrecht zuzuordnenden) Haftungsgrund eines konstitutiven Anerkenntnisses braucht damit nicht mehr näher eingegangen zu werden.

In Stattgebung des Rechtsmittels war daher die erhobene Prozesseinrede zu verwerfen und dem Erstgericht die Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die klagende Partei hat in dem von der beklagten Partei ausgelösten Zwischenstreit endgültig obsiegt. Hiefür sind jedoch nur die Rechtsmittelschriftsätze der Klägerin heranzuziehen, weil über die erst in der Streitverhandlung vom 2. 7. 2001 (ON 7) erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges in der Folge durchgehend nur in Verbindung mit der Hauptsache, also nicht abgesondert weiterverhandelt wurde (§ 261 Abs 1 ZPO).

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