Normen
Forstgesetz §66
Forstgesetz §172
JN §1
JN §41
JN §42
Forstgesetz §66
Forstgesetz §172
JN §1
JN §41
JN §42
Spruch:
Aus § 172 ForstG 1975 kann nicht abgeleitet werden, daß die Forstbehörde über das Bestehen einer Dienstbarkeit oder über den Umfang von Eigentumsrechten zu entscheiden hätte
OGH 17. Mai 1977, 4 Ob 520/77 (LG Innsbruck 3 R 122/77; BG Lienz C 1080/76)
Text
Der Kläger begehrt den Beklagten schuldig zu erkennen, den Holzdurchtrieb durch die Parzelle 819/223 der Liegenschaft EZ X ohne forstbehördliche Bewilligung im Sinn des § 66 Abs. 4 ForstG 1975 zu unterlassen. Ein gleichzeitig erhobenes Schadenersatzbegehren wurde vom Kläger in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 27. Dezember 1976 zurückgezogen. Zur Begründung seines Unterlassungsbegehrens bringt der Kläger vor, er sei Eigentümer der obgenannten Liegenschaft, zu der die Waldparzelle 819/223 gehöre. Der Beklagte sei Eigentümer eines Waldgrundstückes, das sich oberhalb der Waldparzelle des Klägers befinde. Der Beklagte habe schon im Sommer 1975 nach einer Holzschlägerung einen Teil seines Holzes, ohne den Kläger zu fragen, über dessen Waldparzelle abgetrieben. Dies habe er im Jahr 1976 wiederholt und hiebei Schäden an den vom Kläger vorgenommenen Aufforstungen verursacht. Der Beklagte lehne es ab, mit dem Kläger die Frage der Berechtigung zu seinem Verhalten auch nur zu erörtern. Er habe die Holzbringung über das Grundstück des Klägers ohne dessen Einwilligung durchgeführt und ohne einen Antrag im Sinne des § 66 Abs. 4 ForstG an die zuständige Behörde gestellt zu haben. Da diese einen Genehmigungsbescheid nicht erlassen habe, sei die Holzbringung rechtswidrig durchgeführt worden.
Der Beklagte beantragte Klagsabweisung und erhob die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges. Er gab zu, im Jahr 1976 über eine durch die genannte Waldparzelle des Klägers führende Riese Holz abgetrieben zu haben. Diese Holzriese sei jedoch vom Beklagten und von dessen Rechtsvorgängern seit unvordenklichen Zeiten für diesen Zweck verwendet worden. Der Beklagte sei daher dazu berechtigt gewesen, ohne hiefür die - im übrigen gar nicht übliche - Erlaubnis des Klägers einholen zu müssen. Nach der von der Forstbehörde ausgefertigten Anweisungsschrift hätte er zwar vor der Abtreibung des Holzes über den Grund des Klägers dessen Zustimmung einholen müssen, doch habe er dies im Hinblick auf die seit altersher erfolgte Verwendung der Holzriese unterlassen. Eine andere Bringungsart sei gar nicht möglich.
Das Erstgericht hob das bisherige Verfahren als nichtig auf und wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Es traf folgende Feststellungen: Dem Beklagten, der Eigentümer einer oberhalb der Liegenschaft des Klägers gelegenen Waldparzelle ist, wurde bei einer Forsttagsatzung der Gemeinde A im Jahr 1975 eine Partie von 17 fm Holz aus seiner Waldparzelle angewiesen. Nachdem er dieses Holz aufgearbeitet hatte, erfolgte die Bringung im Jahr 1976 durch eine seit unvordenklichen Zeiten im Bereich der Waldparzelle des Klägers befindliche Riese. Der Beklagte hat den im Punkt 8 der Anweisungsschrift enthaltenen Auftrag, vor der Bringung die Zustimmung des Klägers einzuholen, nicht erfüllt.
In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, daß gemäß § 66 Abs. 4 ForstG 1975 die Behörde über die Notwendigkeit und über die Art und Weise der Bringung zu entscheiden habe, wenn hierüber eine Einigung zwischen den Parteien nicht zustande komme. An der Bestimmung des § 9 ForstG 1852, wonach Streitigkeiten wegen der Bringung von Forstprodukten an die Verwaltungsbehörden überwiesen worden seien, habe sich im Forstgesetz 1975 " im Ergebnis nichts geändert". Der Kläger werde durch die Bestimmungen des geltenden Forstgesetzes hinreichend geschützt, weil eine nicht fachgerechte Bringung Sanktionen im Sinne der §§ 58, 174 Abs. 1 lit. a Z. 22 ForstG 1975 nach sich ziehe.
Das Rekursgericht hob diesen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die Durchführung des Verfahrens auf. Es ging von einem durch einen verwaltungsbehördlichen Akt nicht gedeckten Eingriff des Beklagten in das Eigentumsrecht des Klägers aus. Für die Entscheidung über eine Unterlassungsklage, die der Abwehr eines solchen Eingriffes diene,seien die Gerichte zuständig.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Ob eine Sache in den Kompetenzbereich der Gerichte oder der Verwaltungsbehörden fällt, entscheidet in jedem Einzelfall die positive gesetzliche Vorschrift. Im Zweifel müssen bürgerliche Rechtssachen mangels ausdrücklicher anderer Anordnung durch die Gerichte entschieden werden. Es besteht daher für diese Rechtsstreitigkeiten eine Generalklausel zugunsten der Zivilgerichte (Fasching I, 42 f.; EvBl. 1975/186; 2 Ob 550/76). Eine ausdehnende Auslegung von Vorschriften, welche die Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde anordnen, ist unzulässig (6 Ob 504/77; 2 Ob 550/76; 1 Ob 185/69). Für die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges sind die Klagebehauptungen maßgeblich, wobei es auf die privatrechtliche Natur des erhobenen Anspruches, nicht aber auf den Wortlaut des Klagebegehrens oder auf dessen sachliche Berechtigung ankommt (EvBl. 1974/237; ÖBl. 1972, 42; SZ 44/64 u. v. a.). Das Prozeßvorbringen der beklagten Partei kann eine erweiterte Grundlage für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsweges bilden (Fasching a. a. O., 63).
Nach den Klagsbehauptungen hat der Beklagte, ohne die Genehmigung des Klägers einzuholen und ohne daß die Forstbehörde über die Bringung einen Bescheid erlassen hätte, das Holz über die auf dem Grundstück des Klägers befindliche Riese abgetrieben. Das auf die Unterlassung dieser Handlung des Beklagten abzielende Klagebegehren wird aus dem Rechtsgrund der Freiheit des Eigentums erhoben. Der Kläger hat auf die im öffentlich-rechtlichen Interesse im Forstgesetz enthaltenen verwaltungsbehördlichen Eingriffsmöglichkeiten insofern Bedacht genommen, als nur die ohne eine forstbehördliche Bewilligung im Sinne des § 66 Abs. 4 ForstG vorgenommene Holzbringung vom Beklagten unterlassen werden soll. Über die Notwendigkeit sowie über die Art und Weise der Holzbringung über fremden Boden hat mangels Einigung der Parteien die Forstbehörde unter Berücksichtigung der in § 66 Abs. 1 ForstG enthaltenen Erfordernisse zu entscheiden. Eine solche Entscheidung liegt jedoch sogar nach dem übereinstimmenden Vorbringen beider Parteien nicht vor, so daß sich der Beklagte auf einen verwaltungsbehördlichen Akt nicht zu stützen vermag. Der bürgerlichrechtliche Charakter des Rechtsstreites erhellt im übrigen auch besonders deutlich aus dem Vorbringen des Beklagten, wonach er eine Entscheidung der Verwaltungsbehörde deshalb nicht eingeholt habe, weil er sich auf Grund der seit unvordenklichen Zeiten durch ihn und seine Rechtsvorgänger erfolgten Benützung der auf dem Grundstück des Klägers befindlichen Holzriese zu der Holzbringung für berechtigt gehalten habe. Der Beklagte hat auch nicht etwa ein Bringungsrecht im Sinne des § 1 des Tiroler Güter- und Seilwegegesetzes (LGBl. 1970/40) und einen darüber ergangenen Verwaltungsbescheid behauptet, so daß auch kein Streit über ein solches Bringungsrecht im Sinne des die Zuständigkeit der Agrarbehörde anordnenden § 19 leg. cit. vorliegt. Gegenstand des Rechtsstreites ist daher nicht etwa eine auf verwaltungsrechtlichen Vorschriften beruhende Berechtigung des Klägers oder des Beklagten, sondern vielmehr die Frage der vom Kläger in Anspruch genommenen Freiheit seines Eigentumsrechtes von behaupteten Servitutsrechten des Beklagten. Für die Entscheidung eines solchen Rechtsstreites sind jedoch nach den dargelegten Erwägungen die Gerichte zuständig.
Der Beklagte verkennt in seinen Rechtsmittelausführungen sowohl diese allein im bürgerlichen Recht wurzelnde Rechtsnatur des Klagsanspruches als auch die davon ganz unabhängigen öffentlichrechtlichen Bestimmungen des Forstgesetzes, wie insbesondere jene über die Forstaufsicht und die damit in Zusammenhang stehenden Strafbestimmungen, welche dem Eigentümer die gerichtliche Geltendmachung der aus seinem Eigentum erfließenden Rechte nicht verwehrt.
Die Auffassung des Rechtsmittelwerbers, die Verwaltungsbehörde habe gemäß § 172 Abs. 2 ForstG das Recht zu überprüfen, ob seine Behauptung, es bestehe schon seit unvordenklichen Zeiten ein entsprechendes Bringungsrecht, richtig sei, befindet sich mit dem Gesetz nicht im Einklang. Nach dieser Bestimmung sind die Forstbehörden lediglich befugt, im Rahmen der Vollziehung der Forstaufsicht (das ist gemäß § 172 Abs. 1 die behördliche Überwachung der Wälder) alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse des einzelnen Waldbesitzes, die für die Durchführung der forstgesetzlichen Bestimmungen Bedeutung haben, festzustellen (forstliche Durchforschung). Diese Bestimmung bedeutet jedoch nicht, daß die Forstbehörde über das Bestehen einer Dienstbarkeit oder über den Umfang des Eigentumsrechtes zu entscheiden hätte. Im übrigen hat der Beklagte, wie nochmals hervorgehoben werden soll, eine Entscheidung im Sinne des § 66 Abs. 4 ForstG oder des § 2 des Tiroler Güter- und Seilwegegesetzes nicht eingeholt. Entgegen der Auffassung des Beklagten besitzt die Forstbehörde nicht die Möglichkeit, dem Beklagten die Holzbringung aus dem vom Kläger in Anspruch genommenen Rechtsgrund der Freiheit seines Eigentums zu verbieten. Die vom Beklagten in diesem Zusammenhang erwähnte Bestimmung des § 172 Abs. 6 lit. e ForstG ermöglicht nur die Einstellung gesetzwidriger Fällungen oder Nebennutzungen im Falle der Nichtbeachtung forstrechtlicher Vorschriften durch Waldeigentümer, Einforstungsberechtigte oder andere Personen. Den Rechtsmittelausführungen des Beklagten über die Frage eines durch die Holzbringung hervorgerufenen Forstschadens und dessen Ersatz fehlt im Hinblick darauf, daß der Kläger sein Schadenersatzbegehren zurückgezogen hat, jede Relevanz. Das gleiche gilt aus demselben Grund für die Frage, ob die vom Beklagten vorgenommene Holzbringung fachgerecht und in Übereinstimmung mit den Vorschriften des Forstgesetzes durchgeführt wurde.
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