OGH 2Ob550/76

OGH2Ob550/764.11.1976

SZ 49/128

Normen

JN §1
Tiroler Flurverfassungslandesgesetz §71
JN §1
Tiroler Flurverfassungslandesgesetz §71

 

Spruch:

Die Zuständigkeit der Agrarbehörden zur Verhandlung und Entscheidung von Streitigkeiten über Eigentum und Besitz im Sinne des § 71 Abs. 5 lit. a TFlVfLG wird durch diese Bestimmung in keiner Weise eingeschränkt, sofern die betroffenen Grundstücke nur überhaupt in das Zusammenlegungsverfahren einbezogen sind

OGH 4. November 1976, 2 Ob 550/76 (OLG Innsbruck 5 R 78/76; LG Innsbruck 1 Cg 835/75)

Text

Die Streitteile sind Miteigentümer der Liegenschaft EZ 139 II KG B. In der Gemeinde B ist ein Grundzusammenlegungsverfahren anhängig, von dem auch die genannte Liegenschaft betroffen ist. Dieses Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft, und zwar bezüglich der zu der Liegenschaft gehörenden Bauparzelle durch Zivilteilung, bezüglich der restlichen Grundstücke durch Naturalteilung.

Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und erhob u. a. unter Hinweis auf das anhängige Grundzusammenlegungsverfahren die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges.

Das Erstgericht erklärte sich mit Beschluß vom 28. Jänner 1976 für unzuständig, erklärte das bisherige Verfahren für nichtig und wies die Klage kostenpflichtig zurück. Dieser Beschluß wurde im wesentlichen damit begrundet, daß die Rechtssache im Hinblick darauf, daß die den Streitteilen gemeinsame Liegenschaft EZ 139 II KG B in ein noch nicht abgeschlossenes Grundzusammenlegungsverfahren einbezogen ist, nach den Bestimmungen des § 34 Abs. 3 des Flurverfassungsgrundgesetzes und § 71 Abs. 4 des Tiroler Flurvertassungslandesgesetzes der Zuständigkeit des ordentlichen Gerichtes entzogen sei und daher die vom Beklagten geltend gemachte Unzulässigkeit des Rechtsweges tatsächlich vorliege.

Der dagegen erhobene Rekurs des Klägers hatte Erfolg. Das Rekursgericht hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf. Das Rekursgericht war der Ansicht, daß der vorliegenden Teilungsklage der Rechtsweg nicht verschlossen sei, weil ein die Zuständigkeit der Agrarbehörde begrundender Tatbestand nicht vorliege. Strittig sei nur, ob dem vom Kläger erhobenen Anspruch eines der im § 830 ABGB genannten Hindernisse entgegenstehe, nicht aber, in wessen Eigentum ein in das Zusammenlegungsverfahren einbezogenes Grundstück stehe. Der - Zuständigkeitstatbestand nach § 71 Abs. 5 lit. a TFlVfLG sei nicht erfüllt. Es lägen aber auch die Voraussetzungen für eine Zuständigkeit der Agrarbehörde nach § 71 Abs. 4 TFlVfLG nicht vor, die nur hinsichtlich der Verhandlung und Entscheidung über alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse gegeben sei, wenn sie zum Zwecke der Durchführung der Zusammenlegung in das Verfahren einbezogen werden müssen. Das Rekursgericht sehe keinen Grund, weshalb die Einbeziehung dieser Entscheidung in das Zusammenlegungsverfahren zum Zwecke seiner Durchführung unbedingt erforderlich wäre.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Beklagten Folge und stellte den Beschluß des Erstgerichtes wieder her,

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Revisionsrekurs ist zulässig. Die Bestimmung des § 527 Abs. 2 ZPO steht ihm nicht entgegen, denn es handelt sich nur scheinbar um einen aufhebenden Beschluß des Rekursgerichtes, der in Wahrheit aber eine Abänderung des Beschlusses des Erstgerichtes darstellt (Fasching IV, 441/442 und die dort zitierte Rechtsprechung, insbesondere ZBl, 1926/162 und GlUNF 1751).

Der Revisionsrekurs ist auch gerechtfertigt.

Das Rekursgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß nach § 1 JN die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen, soweit dieselben nicht durch besondere Gesetze vor andere Behörden oder Organe verwiesen wird, durch die ordentlichen Gerichte ausgeübt wird. Ob die ordentlichen Gerichte zur Entscheidung berufen sind, ob also der Rechtsweg zulässig ist, hängt davon ab, daß es sich um eine bürgerliche Rechtssache handelt, und, falls ein bürgerlichrechtlicher Anspruch geltend gemacht wird, daß dieser nicht durch ein Gesetz ausdrücklich vor eine andere Behörde verwiesen wurde. Soll aber eine solche Ausnahme geschaffen werden, dann muß sie in dem hiefür erforderlichen besonderen Gesetz klar und unzweideutig zum Ausdruck gebracht werden (VfGH vom 15. Oktober 1959, B 289/58, VfGHSlg. NF 3614 = JBl. 1960, 184 und 1 Ob 185/69).

Bei dem vorliegenden Rechtsstreit wegen Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft an einer Liegenschaft handelt es sich zweifelsfrei um eine bürgerliche Rechtssache. Es ist daher, wie das Rekursgericht ebenfalls richtig dargelegt hat, zu prüfen, ob Rechtssachen dieser Art dann ausdrücklich einer anderen Behörde zur Entscheidung übertragen sind, wenn die den Gegenstand der Teilungsklage bildende Liegenschaft in ein agrarbehördliches Zusammenlegungsverfahren einbezogen ist. Für die Begründung der Zuständigkeit der Agrarbehörde kommen im vorliegenden Fall offenbar nur die Bestimmungen des § 71 Abs. 4 und Abs. 5 lit. a TFlVfLG (Flurverfassungs-Landesgesetz für Tirol vom 16. Juli 1952, LGBl. 32, wiederverlautbart mit LGBl. 34/1969) in Betracht. Wenn auch bei dieser Prüfung im Hinblick auf § 1 JN eine ausdehnende Auslegung dieser Zuständigkeitsvorschriften nicht Platz greifen kann (so auch 1 Ob 185/69), so kann dem Rekursgericht dennoch nicht beigepflichtet werden, wenn es im vorliegenden Fall den Zuständigkeitstatbestand nach § 71 Abs. 5 lit. a TFlVfLG als nicht gegeben ansieht. Darnach erstreckt sich die Zuständigkeit der Agrarbehörde insbesondere auf Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken. Die Zuständigkeit der Agrarbehörde zur Verhandlung und Entscheidung derartiger Streitigkeiten wird, wie der Verfassungsgerichtshof zuletzt in seiner Entscheidung K I-1/76-10 vom 11. Juni 1976 ausgesprochen hat, durch diese Bestimmung in keiner Weise eingeschränkt, sofern die betroffenen Grundstücke nur überhaupt in das Zusammenlegungsverfahren einbezogen sind.

Die Klage auf Aufhebung der Gemeinschaft des Eigentums an einer Liegenschaft - durch Natural-, ebenso wie durch Zivilteilung - stellt aber eine Streitigkeit "über Eigentum" dar; dies auch dann, wenn die Eigentums- und Besitzverhältnisse an der zu teilenden Liegenschaft unter den Miteigentümern nicht strittig sind, denn das Ziel dieser Klage ist die Veränderung dieser Eigentumsverhältnisse.

Schon aus diesem Gründe ist für die vorliegende Streitigkeit die Zuständigkeit der Agrarbehörde gegeben, was Unzulässigkeit des Rechtsweges bewirkt. Es braucht daher auf die weitere Frage, ob eine Zuständigkeit der Agrarbehörde auch aus § 71 Abs. 4 TFlVfLG abgeleitet werden könnte, nicht mehr eingegangen zu werden.

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