OGH 7Ob286/00k

OGH7Ob286/00k6.12.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Öffentlich-rechtliche Weggenossenschaft *****, vertreten durch den Obmann Franz E*****, ebendort, dieser vertreten durch Mag. Udo Hohensasser, Rechtsanwalt in St. Veit/Glan, gegen die beklagten Parteien 1. Johannes S*****; 2. Johanna P*****; und 3. Adalbert P*****, sämtliche vertreten durch Dr. Gottfried Reif, Rechtsanwalt in Judenburg, wegen (eingeschränkt) S 70.000,-- sA über den Revisionsrekurs der zweit- und drittbeklagten Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichtes Leoben als Rekursgericht vom 12. Juli 2000, GZ 1 R 70/00m-18, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Bezirksgerichtes Neumarkt vom 14. Jänner 2000, GZ C 401/99 p-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs der zweit- und drittbeklagten Parteien wird zurückgewiesen.

Die zweit- und drittbeklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei zu Handen ihres Vertreters binnen 14 Tagen die mit S 5.358,14 (hierin enthalten S 893,02 USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Die zweit- und drittbeklagten Parteien sind Mitglieder der klägerischen Weggenossenschaft. Die Klägerin brachte vor, dass der Erstbeklagte auftrags der zweit- und drittbeklagten Parteien in der Nacht vom 23. auf den 24. 3. 1998 ungeachtet eines behördlichen Fahrverbotes für Fahrzeuge mit über 5 t Gesamtgewicht den Interessentenweg der klagenden Partei mit einem LKW mit einem Gesamtgewicht von zumindest 30 t insgesamt zweimal befahren habe, wodurch der Weg schwer beschädigt worden sei. Der zunächst mit S 100.000,-- und dann auf S 70.000,-- eingeschränkte Klagebetrag entspreche dem Sanierungsaufwand zur Wiederherstellung des vorigen Zustandes. Beim geltend gemachten Anspruch handle es sich um einen solchen aus dem Titel des Schadenersatzes im Rahmen ihrer Privatwirtschaftsverwaltung; der Erstbeklagte hafte für die Schäden im Rahmen der Erfüllungsgehilfenhaftung (zufolge Missachtung des Fahrverbotes), die zweit- und drittbeklagten Parteien überdies aufgrund des Verstoßes gegen die Satzung der Klägerin.

Die beklagten Parteien wendeten (und zwar ausdrücklich hinsichtlich aller drei beklagten Parteien) Unzulässigkeit des Rechtsweges ein, weil ein in der Satzung vorgesehenes Schlichtungsverfahren nicht eingehalten worden sei; außerdem ergebe sich aus der Satzung, dass selbst schuldhaft verursachte Schäden eines Mitgliedes nicht im Zivilrechtsweg, sondern im Verwaltungsweg in Form der Einforderung von Beitragsleistungen durchzusetzen seien.

Das Erstgericht gab der Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges in Ansehung der zweit- und drittbeklagten Parteien statt, erklärte das bisherige Verfahren hinsichtlich dieser Parteien für nichtig und wies die Klage insoweit zurück. Nach seiner Auffassung betreffe die Klageforderung Erhaltungskosten des Interessentenweges, welche die zweit- und drittbeklagten Parteien als Mitglieder der Klägerin schuldhaft herbeigeführt hätten, und für welche nach § 5 der Satzung nur der Verwaltungsweg vorgesehen sei.

Das Rekursgericht gab dem von der Klägerin gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurs Folge und änderte den angefochtenen Beschluss dahin ab, dass es die von den zweit- und drittbeklagten Parteien erhobene Prozesseinrede verwarf und dem Erstgericht die Fortsetzung des gesetzlichen Verfahrens auftrug. Nach seiner Auffassung sei der ordentliche Rechtsweg zu bejahen. Schon aus dem Klagebegehren ergebe sich, dass die Klägerin ihre Ansprüche nicht bloß auf Satzungsverstöße, sondern auch auf eine Schutzgesetzverletzung (nämlich § 1311 ABGB: Verstoß gegen das verfügte Fahrverbot) und deliktische Haftung (§§ 1293 ff ABGB) gegründet habe. Dass ein durch deliktisches Verhalten eines Mitgliedes eingetretener Schaden nur als Beitragsleistung im Verwaltungswege beglichen werden könnte und eine gerichtliche Geltendmachung ausgeschlossen sei, lasse sich aus der Satzung nicht ableiten. Der ordentliche Revisionsrekurs wurde für zulässig erklärt, weil der Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges besondere Bedeutung beizumessen sei und bei Prüfung des Klagebegehrens und der Klagebehauptungen mit dem formalen Inhalt der Satzung der Weggenossenschaft auch eine andere Lösung der Verfahrensfrage "möglich erscheint".

Der gegen diese Entscheidung des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs der zweit- und drittbeklagten Parteien ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Vorauszuschicken ist, dass - wie bereits weiter oben ausgeführt - die beklagten Parteien ihre Prozesseinrede der Rechtswegunzulässigkeit ausdrücklich auch auf die erstbeklagte Partei bezogen haben (S 3 ihres Schriftsatzes ON 7 = AS 37 oben); in der nachfolgenden Streitverhandlung vom 9. 12. 1999 erfolgte diesbezüglich keine Änderung ihres Vorbringens (ON 12). Die Ausführung im Beschluss des Erstgerichtes (zweiter Absatz in S 2 = AS 74), wonach (bloß) die zweit- und drittbeklagten Parteien diese Einrede erhoben hätten, entspricht damit nicht der Aktenlage. Eine Entscheidung hierüber ist daher noch ausständig (§ 261 ZPO).

Ob die Zivilgerichte zur Entscheidung berufen sind, ob also der Rechtsweg (= Gerichtsweg) gegeben ist, hängt davon ab, ob es sich um eine bürgerliche Rechtssache handelt und, falls ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch geltend gemacht wird, ob dieser nicht durch Gesetz ausdrücklich vor eine andere Behörde verwiesen wird (§ 1 JN; Ballon in Fasching I2 Rz 61 zu § 1 JN). Es entspricht der ständigen, einhelligen, in RIS-Justiz RS0045584 detailliert aufgelisteten und vom Rekursgericht auch beachteten oberstgerichtlichen Rechtsprechung, dass bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagssachverhalt (also die Klagebehauptungen) maßgebend sind; maßgeblich ist die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruches (zuletzt 9 Ob 249/00h), wofür wiederum der geltend gemachte Rechtsgrund von ausschlaggebender Bedeutung ist. Ohne Einfluss ist es hingegen, was der Beklagte einwendet oder ob der behauptete Anspruch begründet ist; es kommt nur darauf an, ob nach dem Inhalt der Klage ein privatrechtlicher Anspruch erhoben wird, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben. Soll von der Zuständigkeit der Gerichte eine Ausnahme geschaffen werden, so muss diese in dem dafür erforderlichen "besonderen Gesetz" (§ 1 JN) klar und unzweideutig zum Ausdruck gebracht werden; eine ausdehnende Auslegung von Vorschriften, die eine Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde normieren, ist unzulässig (4 Ob 333/99w; RIS-Justiz RS0045474).

Unter Zugrundelegung dieser allgemeinen Grundsätze, die auch im Schrifttum unbestritten sind (Mayr in Rechberger, ZPO2 Rz 6 vor § 1 JN; Fasching, Lehrbuch2 Rz 101 unter Hinweis auch auf § 40a JN, wonach - ebenfalls - "der Inhalt des Begehrens und des Vorbringens der Partei" maßgeblich ist, in welchem Verfahren eine Rechtssache zu behandeln und zu erledigen ist; Ballon, aaO Rz 73) hat die Klägerin ihren Anspruch jedenfalls auch (und schwerpunktmäßig) auf den Titel des Schadenersatzes und damit einen privatrechtlichen, eindeutig vor den ordentlichen Zivilgerichten durchzusetzenden Rechtsgrund gestützt. Insoweit besteht auch im Verhältnis der Rechtsbeziehungen zwischen einer (hier: Weg-)Genossenschaft und ihren Mitgliedern keine den Rechtsweg ausschließende Besonderheit oder gar Ausnahme (Ballon, aaO Rz 161 und 167).

Das Rekursgericht hat ebenso richtig erkannt, dass schon der Wortlaut des § 5 Z 3 der Satzung klar und unmissverständlich nur zum Ausdruck bringt, dass bei - schuldhafter - Herbeiführung von "sonstigen Kosten und Auslagen" durch ein Mitglied diese "von dem betreffenden Mitglied allein zu tragenden" sind, also die übrigen nicht auch zum (anteiligen oder sonstigen) Ersatz herangezogen werden können, jedoch nichts darüber besagt, dass ein (auch) durch deliktisches Verhalten eines solchen Mitgliedes eingetretener (und nach dem Vorgesagten eindeutig als zivilrechtlich zu qualifizierender) Schaden nur als "Beitragsleistung" angesehen und damit auch nur im Verwaltungswege beglichen, eingefordert und eingetrieben werden dürfte, mit anderen Worten also hiefür eine gerichtliche Geltendmachung ausgeschlossen würde. Der von der Klägerin ausdrücklich auch als ein solcher Schadenersatzanspruch qualifizierte und durch Sachbehauptungen entsprechend untermauerte Klageanspruch ist daher von der Durchsetzung vor den ordentlichen Gerichten im Sinne des § 1 JN nicht ausgeschlossen. Daran wird auch durch § 45 Abs 4 des Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes (LStVG) 1964 LBGBl 154 idgF nichts geändert, wird doch hierin ausdrücklich nur reglementiert, welche Bestimmungen Satzungen öffentlich-rechtlicher Wegegenossenschaften zu enthalten haben; der in lit i dieser Gesetzesstelle enthaltene Gesetzesauftrag zur Schlichtungsregelung wurde von der Klägerin gesetzeskonform in ihrer Satzung unter § 23 umgesetzt. Auch dies hat bereits das Rekursgericht zutreffend und ohne rechtliche Fehlbeurteilung erkannt. Dass die Nichteinhaltung eines gesetzlich vorgesehenen "Schlichtungsverfahrens (die klagende Partei hat die Durchführung eines solchen ausdrücklich behauptet [ON 10], ohne dass das Erstgericht hiezu freilich nähere Feststellungen getroffen hat) keine Unzulässigkeit des Rechtsweges bedeutet, entspricht gleichfalls der herrschenden Meinung (Mayr, aaO Rz 11; Ballon, aaO Rz 93 und 159).

Im Zusammenhang mit Revisionsrekursen betreffend die Bejahung oder Verneinung der Prozessvoraussetzung der Unzulässigkeit des Rechtsweges hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen, dass die Frage, ob ein von den beklagten Parteien genanntes Gesetz eine von ihnen behauptete (jedoch vom Rekursgericht verworfene) Ausnahmebestimmung iSd § 1 JN enthält, keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung ist (1 Ob 588/94; 4 Ob 333/99w). Dies hat auch für den vorliegenden Fall zu gelten. Das Rekursgericht ist - ausgehend von den vorgenannten Erwägungen und in Beachtung der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes - zu Recht zur Überzeugung gekommen, dass für das gegenständliche Klagebegehren der Rechtsweg offensteht. Die Verwerfung der Einrede der Rechtswegunzulässigkeit durch die (auch) zweit- und drittbeklagten Parteien erfolgte somit zu Recht, ohne dass in dem hiegegen erhobenen Revisionsrekurs eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO releviert wird. An den gegenteiligen Ausspruch des Rekursgerichtes ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden.

Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatz der Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung, weil sie darin auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses der Gegner hingewiesen hat (§§ 41, 46 Abs 2, 50 ZPO; 1 Ob 588/94).

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