Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz.
Text
Begründung
Der Kläger schloss bei der Beklagten am 7. 8. 1998 für seinen PKW Marke VW Passat Syncro 1,9 Highline TDI einen Vollkaskoversicherungsvertrag, dem - unstrittig - die (in ihrem Wortlaut nicht festgestellten) Allgemeinen Bedingungen für die KFZ-Kaskoversicherung (ABK/BV 98) zugrunde lagen. Anlässlich einer Geschäftsreise in Ungarn stellte er diesen Wagen am 28. 9. 2000 auf einem unbewachten Parkplatz vor einem Hotel in Kecskemet ab. Er verschloss ihn mittels Fernbedienung, wodurch automatisch auch die Alarmanlage aktiviert wurde. Als er am 29. 9. 2000 zum PKW gehen wollte, stellte er fest, dass dieser gestohlen worden war. In der unverzüglich erstatteten Anzeige führte er - wie auch in seiner an die Beklagte erstatteten Schadensmeldung vom 1. 10. 2000 - aus, dass er zwei Schlüsselgarnituren besitze.
Die Beklagte stellte jedoch am 9. 11. 2000 - nach Durchsicht der Unterlagen - fest, dass noch ein dritter Fahrzeugschlüssel "fehlen muss". Sie nahm neuerlich Kontakt mit dem Kläger auf. Dieser teilte ihr am 19. 11. 2000 mit, dass ihm auf die nunmehrige Anfrage hin eingefallen sei, dass er den dritten Schlüssel (Werkstattschlüssel aus Kunststoff) immer zusammen mit dem Haustorschlüssel und einigem Kleingeld in der abgedeckten Mittelkonsole des gestohlenen PKW aufbewahrt hatte, worauf die Beklagte den Versicherungsschutz ablehnte.
Der Kläger begehrt EUR 15.490,65 sA an Versicherungsleistung. Er habe an der Feststellung des Sachverhaltes mitgewirkt und den Diebstahl insbesondere sofort bei der Polizei in Ungarn und bei der Gendarmerie in Österreich angezeigt, sowie alle an ihn gestellten Fragen wahrheitsgemäß und vollständig beantwortet. Da es sich beim Werkstattschlüssel um einen Schlüssel aus Kunststoff handle, welchen der Kläger nie als "vollwertigen Schlüssel" angesehen habe, und der Kläger nach dem Verbleib dieses Schlüssels auch nie befragt worden sei, sei ihm auch nicht anzulasten, dass er diesen erst auf ausdrückliche Anfrage hin angegeben habe. Daraufhin habe er den Verbleib des Werkstattschlüssel sofort bekanntgegeben und aufgeklärt.
Die Beklagte wendete - soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung - Leistungsfreiheit gemäß § 6 Abs 3 VersVG infolge Verletzung der in den AVB normierten Aufklärungsobliegenheit, durch die vorsätzlich falsche Angabe, dass er lediglich über zwei Fahrzeugschlüssel verfüge, ein. Seine Rechtfertigung, es sei ihm erst über Anfrage des Mitarbeiters der Beklagten "eingefallen", dass er diesen Schlüssel aus Kunststoff immer zusammen mit dem Haustorschlüssel auf der Mittelkonsole mitgeführt habe, brauche wohl nicht weiter qualifiziert werden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, ohne die beantragten Zeugen und dem Kläger als Partei einzuvernehmen.
Den bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt und die weiteren, nach den vorgelegten Urkunden getroffenen Feststellungen (zur Ausstattung des gestohlenen PKW, den darin zurückgelassenen Gegenständen, aber auch dazu, dass der Kläger von der Existenz des Werkstattschlüssels und davon wusste, dass mit diesem sämtliche Schlösser aufgesperrt werden konnten, wenngleich er ihn nie verwendet hatte) bzw Negativfeststellungen (zur Frage, ob dieser Schlüssel in irgendeiner Form ausschlaggebend bei der Ausführung des Diebstahls gewesen sei, und auf welche Weise der Wagen tatsächlich gestohlen wurde) beurteilte es rechtlich dahin, dass weder die behauptete Leistungsfreiheit der Beklagten wegen grober Fahrlässigkeit des Klägers gemäß § 61 VersVG noch jene infolge Obliegenheitsverletzung nach § 6 VersVG vorliege. Die im Fahrzeug zurückgelassenen Gegenstände spielten deshalb nur eine völlig untergeordnete Rolle; nach den auch in Ungarn bestehenden mafiosen Methoden stehe nämlich der Diebstahl des gegenständlichen, in Ostländern bekanntermaßen gefragten Pkw-Modells im Vordergrund. Grobe Fahrlässigkeit sei dem Kläger aber auch wegen der Verwendung der Fernbedienung zum Zentralverriegeln des PKW nicht anzulasten. Ob sich die Diebe eines Scanners bedienten oder nicht, sei nicht bekannt. Die Tatsache, dass der Kläger den in der Fahrzeugkonsole (unversperrt) verwahrten Werkstattschlüssel nicht angeführt habe, spiele ebenfalls nur eine untergeordnete Rolle, weil der Schlüssel von außen nicht sichtbar gewesen sei. Die Diebe hätten den PKW daher auch ohne diesen Schlüssel "egal, wie immer" weggebracht und das Fahrzeug bekanntermaßen durch andere Maßnahmen als den Schlüssel in Gang bringen können. Hätte der Kläger den Werkstattschlüssel "sofort in den Berichten unverzüglich angeführt", wäre seitens der Beklagten in Bezug auf die Diebstahlsaufklärung nichts gewonnen gewesen.
Mit dem angefochtenen Urteil bestätigte das Berufungsgericht die Klagsstattgebung und sprach (zunächst) aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Zu der allein erhobenen Rechtsrüge der Beklagten hielt es zunächst fest, dass der Oberste Gerichtshof die Aufbewahrung eines "Serviceschlüssels" im unversperrten Handschuhfach eines in Ungarn auf der Straße abgesperrt mit aktivierter Alarmanlage und Wegfahrsperre geparkten PKW der Marke Audi A 6, 2,6 E (mangels "ungewöhnlichen Verstecks" [vgl RIS-Justiz RS0111476]) als grob fahrlässig iSd § 61 VersVG beurteilt habe. Um nach leg cit leistungsfrei zu werden, hätte der Versicherer aber auch die Kausalität zwischen dem Verhalten des Versicherten und dem Eintritt des Versicherungsfalles beweisen müssen (ZVR 2000/1, ZVR 1996/25). Diesen Beweis habe die Beklagte nicht erbracht. Sie könne sich daher nicht auf eine Leistungsfreiheit nach § 61 VersVG berufen.
Hinsichtlich der vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung nach § 6 Abs 3 VersVG (Verschleierungsabsicht wegen Verschweigens eines im Auto aufbewahrten Werkstattschlüssels) sei vorerst zu beachten, dass die Beweislast für den objektiven Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung den Versicherer treffe, dass also derjenige, der sich auf eine Bestimmung in AGB oder AVB berufe, deren Inhalt zu behaupten und zu beweisen habe, und dass AVB als AGB grundsätzlich nur insoweit Vertragsbestandteil werden, als sie vereinbart worden sind (7 Ob 69/01z [= SZ 74/83] ua). Die Parteien hätten zwar außer Streit gestellt, dass dem gegenständlichen Kaskoversicherungsvertrag die Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Kaskoversicherung (ABK/BV 98) zugrunde lägen, und es gingen auch beide Parteien übereinstimmend von einer Mitwirkungs- und Aufklärungsobliegenheit nach dem Versicherungsfall aus. Der genaue Inhalt der vertraglichen Obliegenheit sei jedoch unbekannt, weil sich die Beklagte auf einen bestimmten Punkt der maßgebenden AVB (ABK/BV 98) nicht berufen und diese (auch in der Sammlung von Fenyves/Koban, Österreichisches Versicherungsrecht AVB³ nicht enthaltenen) Bedingungen auch nicht vorgelegt habe.
Der Nachweis der objektiven Tatbestandes einer Obliegenheitsverletzung scheitere daher schon an der Frage, welche konkrete Ausgestaltung eine (allfällige) Mitwirkungs- und Aufklärungsobliegenheit (nach dem Versicherungsfall) in den ABK/BV 98 habe, weil nicht "ohne weiteres" davon ausgegangen werden könne, dass die maßgebenden AVB den Kläger verpflichtet hätten, neben den beiden "vollwertigen" Fahrzeugschlüsseln auch die Existenz und den Verbleib "des eben nicht vollwertigen bzw als Provisorium erscheinenden Werkstattschlüssels (s Beilage ./8) anzugeben". Außerdem habe der Kläger seine diesbezüglichen Angaben nach Rückfrage der Beklagten unverzüglich berichtigt, als diese noch keine wesentlichen und nicht mehr rückgängig zu machenden Maßnahmen für die Abwicklung des Versicherungsfalles gesetzt gehabt habe, und es sei auch nicht hervorgekommen, dass dadurch Möglichkeiten zur Aufklärung des gegenständlichen Pkw-Diebstahls verhindert worden wären. Schließlich wäre das Nichtangeben des "eben nicht vollwertigen bzw als Provisorium erscheinenden Werkstattschlüssels" in einem Fragebogen, in dem die Versicherung (die offenbar generell von der Existenz unterschiedlicher Schlüsseltypen bei bestimmten Fahrzeugmarken bzw -typen wisse) den Versicherten unklar nach "Schlüsseln" frage, und die auf Nachfrage unverzüglich erfolgende Berichtigung der Angaben, nur als bloß leicht fahrlässige (und daher nach § 6 Abs 3 VersVG sanktionslos bleibende) Verletzung einer derartigen Aufklärungsobliegenheit anzusehen. Es komme daher auf die Erbringung eines Kausalitätsgegenbeweises nicht an.
Da sich das Berufungsgericht auf einheitliche oberstgerichtliche Judikatur stütze und die Berufungsentscheidung lediglich der Einzelfallgerechtigkeit diene, sei hier keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zu lösen.
Den nunmehr vorliegenden, über Antrag der Revisionswerberin gemäß § 508 Abs 1 ZPO abgeänderten Zulassungsausspruch begründete das Berufungsgericht wie folgt:
Die Beklagte mache zur Frage, welche Obliegenheit nach Eintritt des Versicherungsfalls zwischen den Streitteilen vereinbart gewesen sei, geltend, dass die Aufklärungsobliegenheit des Art 5 Z 3 Punkt 1 AFIB 1993 gleichlautend in den gegenständlichen ABK/BV 1998 enthalten sei, dass beide Parteien von der Kenntnis des Erstgerichtes von den Versicherungsbedingungen ausgegangen seien, und dass diese Obliegenheit standardisiert in allen AVB gleichlautend enthalten sei. Andernfalls hätte das Erstgericht die Streitteile zur Vorlage der entsprechenden AVB anleiten müssen. Die dazu vom Berufungsgericht zitierte Entscheidung befasse sich mit den Voraussetzungen, unter denen AVB Vertragsinhalt würden, nicht jedoch mit der (hier entscheidenden) Beweislast der im Deckungsprozess beklagten - eine Obliegenheitsverletzung einwendenden - Versicherung, wenn außer Streit stehe, dass bestimmte AVB an sich Vertragsinhalt geworden seien. Denkbar wäre, von einer gerichtsbekannten bzw offenkundigen Tatsache auszugehen (§ 269 ZPO), wie dies etwa bei den AGB der österreichischen Kreditunternehmungen der Fall sei (SZ 56/120); andernfalls wäre (abweichend von § 297 ZPO) eine gerichtliche Aufforderung zur Urkundenvorlage zu verlangen. Das Berufungsgericht sei davon ausgegangen, dass eine zunächst eingetretene objektive Obliegenheitsverletzung durch nachträgliche Berichtigung wieder beseitigt werden könne, wenn Aufklärungsmöglichkeiten noch nicht verhindert worden seien. Zu einem vergleichbaren Fall liege - soweit ersichtlich - keine oberstgerichtliche Judikatur vor. Der zu SZ 63/54 entschiedene Sachverhalt, der dahin beurteilt wurde, dass der Versuch einer Täuschung genüge, auch wenn die wahre Sachlage dem Versicherer bekannt sei oder werde, wobei der Widerruf unbeachtlich sei, wäre mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar.
Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision der Beklagten wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im klagsabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt, die Revision der Gegenseite als unzulässig zurückzuweisen; in eventu, ihr nicht Folge zu geben und das angefochtene Urteil des Berufungsgerichtes zu bestätigen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist - wie die folgenden Ausführungen zeigen werden - zulässig und im Sinne einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen auch berechtigt.
Unter dem Titel Aktenwidrigkeit erhebt die Revisionswerberin zunächst den (unbegründeten) Vorwurf, das Berufungsgericht sei von den erstgerichtlichen Feststellungen abgegangen, dass der Kläger - wie jeder Autofahrer - gewusst habe, dass mit dem Werkstattschlüssel sämtliche Schlösser aufgesperrt werden könnten, weil es "offensichtlich vom Gedanken geleitet war", dass dieser Schlüssel nicht zur Inbetriebnahme des Fahrzeuges geeignet gewesen sei. Insoweit ist ihr mit der Revisionsbeantwortung zu erwidern, dass das Gericht zweiter Instanz in seiner Entscheidung (offenbar auch) von der zitierten Feststellung des Erstgerichtes ausgegangen ist, weil der angefochtenen Entscheidung nichts Gegenteiliges - wie etwa der in der Revision monierte "Gedanke" - zu entnehmen ist.
Auch auf den Einwand der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles (§ 61 VersVG) ist nicht mehr einzugehen: Die Revisionswerberin gesteht nämlich ausdrücklich als "richtig" zu, dass sie die Kausalität der groben Fahrlässigkeit für den Diebstahl bzw die Leistung der Versicherung zu beweisen gehabt hätte (Seite 8 der Revision), und zieht die diesbezügliche Beurteilung der Berufungsgerichtes, dass diesem Einwand nach den getroffenen Feststellungen keine Berechtigung zukommt - wie bereits die Zulassungsbegründung aufzeigt - nicht mehr in Zweifel. Welche konkreten Aufbewahrungsmöglichkeiten für Ersatzschlüssel (hier: Werkstattschlüssel aus Kunststoff) als grob oder nicht als grob fahrlässig anzusehen sind, hängt im Übrigen - wie bereits ausdrücklich ausgesprochen wurde - von den Umständen des Einzelfalls ab und lässt sich daher nicht generell, sondern nur einzelfallbezogen beantworten (7 Ob 14/03i mwN, ÖAMTC-LSK 2004/105).
Zu prüfen bleibt jedoch die geltend gemachte Obliegenheitsverletzung nach Eintritt des Versicherungsfalles iSd § 6 Abs 3 VersVG:
Obliegenheiten nach dem Versicherungsfall dienen dem Zweck, den Versicherer vor vermeidbaren Belastungen und ungerechtfertigten Ansprüchen zu schützen. Die Drohung mit dem Anspruchsverlust soll den Versicherungsnehmer motivieren, die Verhaltensregeln ordnungsgemäß zu erfüllen; ihr kommt eine generalpräventive Funktion zu (7 Ob 222/02a mwN, Schwintowski in Berliner Kommentar zum dVVG und öVersVG Rn 152 zu § 6; RIS-Justiz RS0116978). Nach ständiger Rechtsprechung trifft den Versicherer für das Vorliegen des objektiven Tatbestandes einer Obliegenheitsverletzung die Beweislast. Im Falle eines solchen Nachweises ist es dann Sache des Versicherungsnehmers, zu behaupten und zu beweisen, dass er die ihm angelastete Obliegenheitsverletzung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig begangen habe (RIS-Justiz RS0081313; zuletzt: 7 Ob 222/02a mwN). Eine nur leichte Fahrlässigkeit bleibt demnach ohne Sanktion. Gelingt dem Versicherungsnehmer der Beweis der leichten Fahrlässigkeit nicht, so steht ihm nach § 6 Abs 3 VersVG auch bei schlicht vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung der Kausalitätsgegenbeweis offen (7 Ob 105/02w; 7 Ob 222/02a mwN uva; Schauer, Das österreichische Versicherungsvertragsrecht3, 261 mwN; Prölss in Prölss/Martin VVG26 Rn 124 zu § 6). Unter Kausalitätsgegenbeweis ist der Nachweis zu verstehen, dass die Obliegenheitsverletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalles noch auf die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers einen Einfluss gehabt hat (7 Ob 105/02w; 7 Ob 222/02a mwN uva; RIS-Justiz RS0116979; zuletzt: 7 Ob 44/03a). Der Kausalitätsgegenbeweis ist strikt zu führen (RIS-Justiz RS0079993; RS0081225; zuletzt: 7 Ob 44/03a).
Nach § 6 Abs 3 VersVG (idF BGBl 1994/509) wird dem Versicherungsnehmer der Kausalitätsgegenbeweis somit auch bei (schlicht: RIS-Justiz RS0086335) vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung eröffnet und ist nur dann ausgeschlossen, wenn er die Obliegenheit mit Schädigungs- oder Verschleierungs- bzw Täuschungsvorsatz verletzt, also mit dem Vorsatz, die Leistungspflicht des Versicherers zu beeinflussen oder die Feststellung solcher Umstände zu beeinträchtigen, die erkennbar für die Leistungspflicht des Versicherers bedeutsam sind. Jener Versicherungsnehmer, der eine Obliegenheit mit dem Vorsatz verletzt, die Beweislage nach dem Versicherungsfall zu Lasten des Versicherers zu manipulieren (sog "dolus coloratus"), hat daher seinen Anspruch verwirkt (RIS-Justiz RS0081253; zuletzt: 7 Ob 14/03i mwN).
§ 6 Abs 3 VersVG idgF begnügt sich für den Ausschluss des Kausalitätsgegenbeweises also nicht mit dem schlichten Vorsatz in dem Sinn, dass der Versicherungsnehmer die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens kennt und die Obliegenheitsverletzung bewusst und gewollt begeht; es muss vielmehr hinzukommen, dass sich der Vorsatz auf die Verschlechterung der Beweislage zum Nachteil des Versicherers erstreckt. Nicht erforderlich hingegen ist es, dass der Versicherungsnehmer dabei geradezu und ausschließlich mit dem Ziel handelt, den Versicherer zu täuschen (Betrugsabsicht); es genügt, wenn der Versicherungsnehmer die Möglichkeit erkennt, dass die von ihm dargelegten oder unvollständig angegebenen Umstände, die für die Beurteilung der Leistungspflicht des Versicherers maßgeblich sind, letzteren beeinträchtigen oder fehlleiten können und er sich damit abfindet. Täuschung liegt nicht nur dann vor, wenn der Versicherungsnehmer einen Vermögensvorteil anstrebt, sondern auch dann, wenn er durch die Angaben unrichtiger Tatsachen einen für berechtigt gehaltenen Anspruch durchsetzen oder einfach "Schwierigkeiten" bei der Schadensfeststellung verhindern will (RIS-Justiz RS0109766; zuletzt: 7 Ob 14/03i).
Legt man dies zugrunde, wendet sich die Revision zu Recht auch dagegen, dass das Berufungsgericht in seiner abschließenden Beurteilung eine bloß leicht fahrlässige (und daher ohne Sanktion bleibende [RIS-Justiz RS0043728 [T4]) Verletzung der (unstrittigen) Aufklärungsobliegenheit des Klägers angenommen hat, obwohl deren "genauer Inhalt" - wie es selbst festhält - "nicht bekannt ist" (womit es offenbar auch erkannte, dass insoweit noch keine abschließende Beurteilung möglich ist, weil es diesen Teil der Berufungsentscheidung im Konjunktiv abgefasst hat: "Schließlich wäre das Nichtangeben des ... Werkstattschlüssels ... und die ...unverzüglich erfolgende Berichtigung ... als nur leicht fahrlässige Verletzung einer solchen Aufklärungsobliegenheit anzusehen" [Seite 10 letzter Abs der Berufungsentscheidung]). Da hiefür keine nachvollziehbare Begründung vorliegt, stellt dies keine taugliche Grundlage zur Beurteilung, ob der Kläger seiner Beweispflicht nachgekommen ist oder nicht, dar, weil eben keine Bewertung seiner Unterlassung in puncto Vorsatz, grobe oder leichte Fahrlässigkeit möglich ist.
Auch ist der Beurteilung entgegenzutreten, dass der von der Beklagten zu erbringende Nachweis des objektiven Tatbestandes einer Obliegenheitsverletzung, wie das Berufungsgericht meint, schon an der Frage scheitere, welche konkrete Ausgestaltung eine (allfällige) Mitwirkungs- und Aufklärungsobliegenheit (nach dem Versicherungsfall) in den nicht vorgelegten ABK/BV 98 habe: Findet sich doch im vorliegenden Fall sowohl in der Klage als auch in der Klagebeantwortung jeweils die Behauptung, dass dem Versicherungsvertrag die Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Kaskoversicherung (ABK/BV 98) zugrunde liegen; der Kläger hat diese (neben dem Versicherungsvertrag) sogar ausdrücklich als Beweismittel angeboten (Seite 3 der Klage). Aber auch was die konkrete Beantwortung der Frage nach dem Aufbewahrungsort der Kfz-Schlüssel betrifft, sind die Streitteile - wie das Berufungsgericht selbst aufzeigt - übereinstimmend von einer in den zugrundeliegenden ABK/BV 98 vereinbarten Mitwirkungs- und Aufklärungsobliegenheit des Versicherungsnehmers nach dem Versicherungsfall ausgegangen (vgl ON 3 Seite 4 = AS 14 vorletzter Abs bzw ON 4 Seite 3 f = AS 19 f).
Da sich beide Prozessparteien im Verfahren erster Instanz ausdrücklich auf die einschlägigen Bestimmungen der genannten Versicherungsbedingungen berufen haben (die Standpunkte differierten nur in der rechtlichen Beurteilung), stand der Inhalt der Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Kaskoversicherung (ABK/BV 98) außer Streit. Ein Tatsachengeständnis ist in Verfahren, die nicht vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht sind, der Entscheidung - abgesehen von hier nicht maßgebenden Ausnahmen - ungeprüft zugrunde zu legen (RIS-Justiz RS0040110; zuletzt: 3 Ob 30/02m mwN). Das gilt auch für Entscheidungen der Rechtsmittelinstanzen (SSV-NF 11/96 mwN; RIS-Justiz RS0040112 [T3]). Daher verwirklicht die Verwertung eines erstinstanzlichen Tatsachengeständnisses durch das Berufungsgericht selbst dann keinen Verfahrensmangel, falls das Erstgericht außer Streit stehende Tatsachen im angefochtenen Urteil nicht wiedergegeben haben sollte (RIS-Justiz RS0040095, RS0040101; vgl zuletzt: 3 Ob 30/02m). Nach Abforderung der genannten AVB von den Parteien hätte das Berufungsgericht die als fehlend betrachteten Feststellungen zum Inhalt der einschlägigen Versicherungsbedingungen somit ohne Verfahrensmangel und ohne einen besonderen Verfahrensaufwand selbst treffen können (vgl 3 Ob 30/02m [fehlende Feststellungen zum Inhalt eines Protokolls, auf das sich beide Parteien beriefen]). Da es zu den dann vorzulegenden Urkunden jeweils der Parteienerklärung bedarf, ob es sich dabei um die dem Versicherungsvertrag zugrunde gelegten Bedingungen handelt, war dem erkennenden Senat ein derartiger Nachtrag verwehrt.
Erst auf der dann so im fortzusetzenden Verfahren verbreiterten Tatsachengrundlage wird beurteilt werden können, ob dem Kläger tatsächlich nur eine leicht fahrlässige Verletzung der vereinbarten Obliegenheiten nach dem Versicherungsfall (hier: Angaben zu den Kfz-Schlüsseln) anzulasten ist, oder ob er grob fahrlässig bzw vorsätzlich allenfalls sogar mit Verschleierungsvorsatz gehandelt hat.
Abschließend ist zu der vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang erörterten Frage (Nichtangeben "des eben nicht vollwertigen bzw als Provisorium erscheinenden Werkstattschlüssels" im Fragebogen der Beklagten) aber noch festzuhalten, dass das Erstgericht hiezu lediglich folgende Feststellungen getroffen hat:
"Der Kläger wusste demnach (Anm: auf Grund des Inhalts seiner Anfragebeantwortung Beilage ./7) um den sogenannten Werkstattschlüssel, welchen er ständig in der Mittelkonsole des PKW aufbewahrt hatte, wenngleich er diesen, wie aus dem Schreiben Beilage ./7 hervorgeht, nie verwendet hatte. Mit anderen Worten, der Kläger musste daher um die Existenz von insgesamt drei Schlüsseln wissen. ... Der Kläger wusste - natürlich wie jeder Autofahrer auch - dass der Werkstattschlüssel ein solcher ist, mit dem sämtliche Schlösser der Fahrzeuges aufgesperrt werden können." (Seite 10/11 des Ersturteils).
Weitere Feststellungen zum Vorbringen des Klägers, er habe den Werkstattschlüssel nie als vollwertigen Schlüssel angesehen, weil es sich dabei um einen Schlüssel aus Kunststoff handle, wurden nicht getroffen. Aber auch davon, dass die Beklagte in ihrem Fragebogen (Beilage ./4), wie das Berufungsgericht meint, "unklar" nach den Kfz-Schlüsseln gefragt habe, kann angesichts der konkret und eindeutig formulierten, vom Kläger aber jeweils unrichtig beantworteten Fragen (Nr 5.: Wieviele Schlüssel erhielten Sie beim Kauf des KFZ? "2 Stk", Nr 8.: Wo befinden sich derzeit die Schlüssel? "Gendarmerie Windischgarsten" und Nr 9.: Wo befanden sich die einzelnen Schlüssel zum Zeitpunkt des Diebstahls? "1 [Stk] persönlich bei mir im Hotelzimmer, 1 Stk zu Hause im Büro") keine Rede sein.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes ist daher auch nicht davon auszugehen, dass die zunächst eingetretene objektive Obliegenheitsverletzung durch die - über Rückfrage der Beklagten vorgenommene - Berichtigung dieser Angaben beseitigt worden wäre. Auch nach Schwintowski, auf den sich das Gericht zweiter Instanz insoweit beruft, hat ein Versicherungsnehmer nämlich letztlich nur dann noch keine Obliegenheit verletzt, wenn er in der Schadensanzeige eine Formularfrage offenlässt und der Versicherer rückfragen kann. Der Verletzungstatbestand sei nämlich erst erfüllt, wenn der Versicherungsnehmer auch auf die Nachfrage nicht (richtig) reagiere (Schwintowski in Berliner Kommentar [zum dVVG und öVersVG] Rn 43 zu § 6 VersVG). Hier wurde aber nichts offen gelassen, sondern von vornherein nicht richtig geantwortet.
Demnach wäre der Beklagten aber - entgegen der in der Revisionsbeantwortung vertretenen Auffassung - der Nachweis gelungen, dass der Kläger die unstrittige, in ihrem "genauen Inhalt" aber (noch) "nicht bekannte" Aufklärungsobliegenheit (Seite 9 der Berufungsentscheidung) verletzt hat. Weist aber der Versicherer dem Versicherungsnehmer eine Obliegenheitsverletzung nach, so hat Letzterer - wie bereits ausgeführt - zunächst allein zu behaupten und zu beweisen, dass die ihm angelastete Obliegenheitsverletzung nicht in der Absicht erfolgte, den Versicherer zu täuschen, um sich die Versicherungsleistung zu erschwindeln oder die Abwicklung zu erleichtern bzw dass nur grobe Fahrlässigkeit vorliegt und die begangene Obliegenheitsverletzung keinen Einfluss auf die Leistungsverpflichtung des Versicherers genommen hat (7 Ob 222/02a; RIS-Justiz RS0116979 [T1]). Auch mangelndes Verschulden oder einen geringeren Verschuldensgrad als grobe Fahrlässigkeit (RIS-Justiz RS0079970) sowie mangelnde Kausalität hätte somit der Kläger zu beweisen gehabt (RIS-Justiz RS0043728).
Nach den zitierten Feststellungen erscheint im vorliegenden Fall aber nicht einmal ausgeschlossen, dass der Vorsatz des Klägers nicht doch (auch) darauf gerichtet war, durch die Angabe einer unrichtigen Tatsache (zwei statt richtig drei Fahrzeugschlüssel) Schwierigkeiten bei der Durchsetzung seines Anspruches zu verhindern, weil nicht festgestellt wurde, dass die vom ihm behaupteten entschuldigenden Umstände (er habe den Werkstattschlüssel aus Kunststoff nie als vollwertigen Schlüssel angesehen) tatsächlich vorliegen.
Die gegenteiligen rechtlichen Folgerungen des Berufungsgerichtes entbehren nämlich einer entsprechenden Tatsachengrundlage, weil das Erstgericht dazu lediglich den eben wiedergegebenen Sachverhalt festgestellt hat, und die beantragte Parteienvernehmung des Klägers nicht durchgeführt wurde. Zu den Motiven des Klägers für die Verschweigung des dritten Schlüssels sind bisher überhaupt keine Feststellungen getroffen worden. Derzeit kann daher noch nicht abschließend beurteilt werden, ob er die Möglichkeit erkannt hat, dass sein Verhalten die Leistungsfreiheit des Versicherers beeinträchtigen könnte und sich damit abgefunden hat, ob er also mit dem Vorsatz (zumindest in Form des dolus eventualis) gehandelt hat, die Beweislage nach dem Versicherungsfall zu Lasten des Versicherers zu manipulieren.
Dass derartige Angaben für den Umfang der Leistungspflicht bedeutsam (vgl dazu Schauer, Die Aufklärungspflicht nach dem Versicherungsfall in den Kfz-Versicherungen, VR 1996, 93 ff und die zu FN 11 zitierte Judikatur) und daher jedenfalls als täuschungsgeeignet zu beurteilten sind, kann aber - wie der erkennende Senat bereits mehrfach ausgesprochen hat - schon im Hinblick auf die Bedeutung des Aufbewahrungsortes von Kfz-Reserveschlüsseln für eine allfällige Leistungsfreiheit der Versicherung nach § 61 VersVG nicht zweifelhaft sein (7 Ob 17/01b, VersR 2001, 1539 = ZVR 2002/47, 196 mwN; RIS-Justiz RS0111476 [T1]; zuletzt: 7 Ob 14/03i).
Zur Beurteilung, ob dem Kläger der Entlastungsbeweis, dass ihm kein dolus coloratus zur Last liegt, gelingt, bedarf es daher ausdrücklicher Feststellungen über den Willen des Klägers zu seinem Verhalten. Diese sind im fortzusetzenden Verfahren nachzuholen. Erst dann kann über den Klagsanspruch abschließend entschieden werden (7 Ob 222/02a).
Der Revision war daher Folge zu geben und mangels Spruchreife nicht nur die Entscheidung des Berufungsgerichtes, sondern auch jene des Erstgerichtes aufzuheben. Im fortgesetzten Verfahren wird vom Erstgericht auf diesen Grundlagen und nach Feststellung des konkreten Inhalts der (unstrittig) in den ABK/BV 98 vereinbarten Mitwirkungs- und Aufklärungsobliegenheit, im Sinne der Grundsätze der dargestellten stRsp neu zu entscheiden sein.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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