OGH 7Ob44/03a

OGH7Ob44/03a19.3.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** , vertreten durch Dr. Ludwig Pramer, Dr. Peter Lindinger und Dr. Andreas Pramer, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. Georg H*****, und 2. Renate B*****, beide vertreten durch Dr. Paul Fuchs, Rechtsanwalt in Thalheim bei Wels, wegen (restlich) EUR 7.994,01 sA über die Revision der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 2. September 2002, GZ 21 R 188/02z-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Wels vom 26. April 2002, GZ 13 C 2651/01g-9, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der zweitbeklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen ihrer Vertreter binnen 14 Tagen die mit EUR 665,66 (hierin enthalten EUR 110,94 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Am 16. 8. 2000 lieferte die Zweitbeklagte mit einem bei der klagenden Partei haftpflichtversicherten Traktor (dessen Halter ihr Gatte war) Bauholz zur Wohnung des Erstbeklagten. Dort angekommen hielt sie an, ohne jedoch den Motor abzustellen. Der wegen einer Fußverletzung behinderte Erstbeklagte benötigte zum Absteigen vom Traktor länger als die Zweitbeklagte vermutete, sodass sie zu früh und ruckartig wiederum anfuhr und dabei die Hand des Erstbeklagten zwischen Fahrzeug und einem angrenzenden Gartenzaun einklemmte. Dessen dabei erlittene Verletzung sah für beide zunächst nur wie eine tiefe Schürfwunde bzw ein großer Kratzer aus und verspürte der Erstbeklagte zunächst auch keine Schmerzen. Im Wohnhaus des Erstbeklagten wurde dieser, weil die Wunde blutete, von seiner Gattin mit blutstillender Watte "verarztet", wobei alle Beteiligten weiterhin nur von einer harmlosen Verletzung ausgingen. Erst als sich die Schmerzen intensivierten, suchte der Erstbeklagte einen Hausarzt auf, der ihn ins Spital verwies, wo festgestellt wurde, dass der linke Zeigefinger gebrochen und eine Vene durchtrennt worden war, worauf er einen Gipsverband erhielt.

Erst eine Woche später sah die Zweitbeklagte zufällig den Erstbeklagten mit dem Gipsverband. Daraufhin machte sie bzw ihr Gatte sofort eine Unfallmeldung bei der klagenden Partei, wobei die Schadensmeldung vom 26. 9. 2000 aufgrund der Angaben der Zweitbeklagten vom Versicherungsvertreter verfasst wurde. Gleichzeitig trat auch der Rechtsvertreter des Erstbeklagten an die klagende Partei heran und schilderte das Unfallereignis wie wiedergegeben wahrheitsgemäß. Nach Vorliegen eines medizinischen Gutachtens anerkannte die klagende Partei eine Schmerzengeldsumme von S 110.000, welche im Juni 2001 auch ausbezahlt wurde.

Da es bei der klagenden Partei üblich ist, ab einer bestimmten Höhe der Versicherungssumme gewisse Fälle nochmals zu überprüfen, suchte nach Ausbezahlung der S 110.000 ein Versicherungsvertreter der Klägerin am 20. 6. 2001 den Erstbeklagten ohne Vorankündigung zu Hause auf und begab sich mit diesem auch zur Unfallstelle. Der Erstbeklagte fühlte sich dabei "überrumpelt"; da er strafrechtliche Konsequenzen für die Zweitbeklagte befürchtete - diese hatte bereits vor sechs Jahren einen schweren Traktorunfall verursacht, bei dem ihr Sohn schwer verletzt und hernach auch ein Strafverfahren gegen sie abgeführt worden war - , schilderte der Erstbeklagte dem Versicherungsvertreter gegenüber den Unfall nunmehr abweichend von seinen ursprünglichen Angaben dahingehend, dass der Motor bereits abgestellt und die Zweitbeklagte bereits vom Fahrzeug abgestiegen gewesen sei, sodass ihn (den Erstbeklagten) das Alleinverschulden treffe. Diese (falsche) Aussage wurde auch in einer Niederschrift so festgehalten. Von diesem Besuch des Versicherungsvertreters verständigte der Erstbeklagte hierauf telefonisch auch die Zweitbeklagte, "damit sie Bescheid wisse". Tatsächlich suchte eine Woche später derselbe Versicherungsvertreter auch die Zweitbeklagte auf, welche nunmehr gleichlautend ebenfalls falsche Angaben zum Unfallhergang (gleichermaßen auch niederschriftlich) machte.

Aufgrund dieser vorliegenden widersprüchlichen Angaben stellte die klagende Partei weitere Zahlungen ein und verlangte die Rückerstattung des bereits ausgezahlten verglichenen Schmerzengeldbetrages mit der Begründung, dass diese Zahlung lediglich aufgrund unwahrer Tatsachenbehauptungen erfolgt sei; gegenüber der Zweitbeklagten wurde auch argumentiert, dass sie es trotz Verkehrsunfalles mit Körperverletzung unterlassen habe, die Polizei zu verständigen, welche Obliegenheitsverletzung ein Leistungsverweigerungsrecht begründe.

Mit der am 9. 10. 2001 eingebrachten Mahnklage begehrte die Klägerin unter Wiederholung dieser Argumente die Verurteilung beider beklagten Parteien zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 124.370 samt 4 % Zinsen seit 26. 7. 2001. Die Zweitbeklagte habe durch ihre Verhaltensweise insbesondere auch gegen Art 9 Z 3.2 und 3.3.1 AKHB verstoßen, sodass im Sinne des Art 11 Abs 1 AKHB Leistungsfreiheit zumindest bis S 150.000 bestehe. Der Klagsbetrag setzte sich hiebei aus dem gezahlten Schmerzengeld zuzüglich Gutachter- sowie Erhebungs- und Bearbeitungskosten zusammen.

Die beklagten Parteien bestritten das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren gegen beide beklagten Parteien ab. Da der Erstbeklagte tatsächlich bei einem Unfall beim Betrieb des haftpflichtversicherten Traktors verletzt worden sei, stehe ihm der verglichene Schmerzengeldbetrag auch zu. Dass die Zweitbeklagte die nächste Gendarmeriedienststelle vom Unfall nicht verständigt habe, sei angesichts der Annahme beider Beteiligten über die Geringfügigkeit der Verletzung nur als leichte Fahrlässigkeit zu werten. Im gegenständlichen Fall hätte es auch "ohnedies keine relevanten Unfallspuren durch die Gendarmerie zu sichern gegeben". Der Normzweck der Vermeidung unbegründeter Versicherungsauszahlungen liege hier ebenfalls "zweifellos" nicht vor, weil die Auszahlung des Schmerzengeldes ja aufgrund (zunächst) richtiger Angaben erfolgt sei. Die späteren (abweichenden, falschen) Angaben hätten beide erst nach der Auszahlung des verglichenen Betrages getätigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei in Ansehung des Erstbeklagten nicht - dieser Entscheidungsteil erwuchs unangefochten in Rechtskraft - in Ansehung der zweitbeklagten Partei hingegen teilweise Folge und änderte die bekämpfte Entscheidung dahin ab, dass es die zweitbeklagte Partei zur Zahlung von EUR 7.994,01 (di der von der Klägerin geleistete Schadensbetrag von S 110.000) samt 4 % Zinsen seit 26. 7. 2001 verurteilte und das Mehrbegehren von EUR 1.044,31 - rechtskräftig - abwies. Die Abweisung des gesamten Klagebegehrens gegen den Erstbeklagten wurde - ebenfalls rechtskräftig - bestätigt. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht, soweit es die allein noch strittige Zweitbeklagte betrifft, zusammengefasst aus, dass diese durch ihre völlig unterschiedlichen Unfallschilderungen gegen die sie treffende Aufklärungsobliegenheit der polizeilichen Unfallmeldung und nach Möglichkeit zur Feststellung des Sachverhaltes beizutragen verstoßen habe, welche Pflicht auch bei geringfügigen, nicht nennenswerten Verletzungen bestehe. Da sie wegen ihres früheren Traktorunfalles einer neuerlichen strafgerichtlichen Verfolgung habe entgehen wollen, könne sogar Verschleierungs- bzw Täuschungsvorsatz im Sinne des § 6 Abs 3 Satz 2 VersVG nicht ausgeschlossen werden. Hiegegen habe sie auch keinerlei entschuldigende Umstände vorgebracht, sodass ihr auch der Kausalitätsgegenbeweis verwehrt sei. Damit sei aber die Klägerin ihr gegenüber leistungsfrei und gemäß § 158c iVm § 158f VersVG (im allein noch strittigen Umfang der geleisteten Schmerzengeldzahlung) rückgriffsberechtigt.

Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil die wesentlichen Fragen der Beweislastverteilung sowie des Bereicherungsrechtes im Einklang mit der oberstgerichtlichen Judikatur gelöst worden seien.

Gegen diese Entscheidung stellte die zweitbeklagte Partei einen Antrag auf Abänderung des Nichtzulassungsausspruches gemäß § 508 Abs 1 ZPO samt (auf den Revisionsgrund der unrichtigen Beurteilung gestützter) ordentlicher Revision mit dem Antrag, in Stattgebung des Rechtsmittels das Klagebegehren auch in Ansehung der zweitbeklagten Partei zur Gänze abzuweisen; hilfsweise wurde auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Das Berufungsgericht sprach hierauf aus, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei, weil - zusammengefasst - höchstgerichtliche Judikatur zu den Verständigungspflichten eines Lenkers nach § 4 Abs 2 Satz 2 StVO iVm den konkreten Behauptungs- und Beweispflichten beim dolus coloratus im Sinne des § 6 Abs 3 VersVG fehle.

Die klagende Partei brachte nach Freistellung eine Revisionsbeantwortung ein, in der beantragt wird, dem Rechtsmittel der Gegnerin keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 2 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig, weil sich die vom Gericht zweiter Instanz weitwendig formulierten Rechtsfragen zum Kausalitätsgegenbeweis schon mangels entsprechenden Vorbringens der Revisionswerberin in erster Instanz nicht stellen, ihre Ausführungen in der Revision sohin gegen das Neuerungsverbot verstoßen und im Übrigen das Berufungsgericht die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ohnedies bei seiner Entscheidung beachtet hat. Es kann daher genügen, der Revision der zweitbeklagten Partei gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO Folgendes kurz zu erwidern:

Auszugehen ist zunächst davon, dass der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, dass ein Versicherer, der einen Schaden liquidiert hat, obwohl Leistungsfreiheit gegeben ist, diese Leistungen unter den Voraussetzungen des § 1431 ABGB zurückverlangen kann (RIS-Justiz RS0033755, RS0078874, RS0080655). Dass diese Voraussetzungen gegenüber dem ursprünglichen Erstbeklagten, der durch den Unfall beim Betrieb des haftpflichtversicherten Traktors verletzt und dem aufgrund einer (zunächst) wahrheitsgemäß erstatteten Unfallmeldung ein (unstrittig angemessenes) Schmerzengeld in Höhe des noch strittigen Klagebegehrens ausgezahlt worden war, nicht erfüllt sind, steht aufgrund der diesem gegenüber erfolgten Klageabweisung inzwischen rechtskräftig fest.

Die klagende Versicherung stützt ihren Anspruch gegenüber der (ursprünglichen Zweit-)Beklagten nicht auf § 1431 ABGB, sondern auf eine behauptete Regressberechtigung zufolge Obliegenheitsverletzung nach Art 9 Z 3 Punkt 3.2 und Z 3 Punkt 3.3.1. AKHB 1995.

Der von der klagenden Partei erhobene Vorwurf, die Zahlung an den früheren Erstbeklagten sei nur auf Grund irreführender Angaben der (ursprünglichen Zweit-)Beklagten erfolgt, hat sich nicht bewahrheitet, sodass ihr keine Regressberechtigung nach Art 9 Z 3 Punkt 3.1 AKHB zusteht. Anders verhält es sich jedoch mit dem ebenfalls erhobenen Vorwurf der Obliegenheitsverletzung nach Art 9 Punkt 3.2 der AKHB (abgedruckt in Fenyves/Koban, Österr Versicherungsrecht² 89 ff), wonach bei Personenschäden die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu verständigen und gemäß Z 3.3.1 AKHB dem Versicherer längstens innerhalb einer Woche ab Kenntnis den Versicherungsfall unter möglichst genauer Angabe des Sachverhaltes schriftlich anzuzeigen, statuiert. Bei Verletzung einer dieser Obliegenheiten normiert Art 11 Z 1 AKHB die Leistungsfreiheit des Versicherers mit je S 150.000. Wie der erkennende Senat zu 7 Ob 240/99s und erst jüngst auch zu 7 Ob 232/02x ausgesprochen hat, ist es Zweck derartiger Aufklärungsobliegenheiten, den Versicherer in die Lage zu versetzen, eine sachgemäße Entscheidung über die Behandlung des Versicherungsfalles zu treffen, und alle Umstände klarzustellen, die für eine allfällige Ablehnung der Deckung oder für künftige Regressansprüche durch den Versicherer von Bedeutung sein können; insbesondere fällt darunter die objektive Prüfung der körperlichen Beschaffenheit des am Unfall beteiligten Versicherungsnehmers (oder des von ihm eingesetzten Lenkers) und seiner allfälligen Alkoholisierung oder Übermüdung. Der Versicherungsnehmer ist daher gehalten, allenfalls auch gegen seine eigenen Interessen zu handeln (SZ 59/59). Dieser nach den Feststellungen der Zweitbeklagten zu Recht anzulastenden Obliegenheitsverletzung hat diese nur eine ganz allgemeine Bestreitung entgegengesetzt und dazu kein weiteres Vorbringen erstattet (vgl AS 16). Sie hat es auch in ihrer Berufungsbeantwortung unterlassen, darauf hinzuweisen, dass sie für den Fall einer anderen rechtlichen Beurteilung, als sie das Erstgericht getroffen hat, bereit wäre zu beweisen, dass diese ihr anzulastende Obliegenheitsverletzung folgenlos geblieben sei, weil sie auf die Abwicklung des Versicherungsfalles keinen Einfluss gehabt habe. Auch in der Revision wird von ihr kein Vorwurf der mangelnden Anleitung zu einem derartigen Vorbringen durch das Berufungsgericht erhoben. Weist aber der Versicherer dem Versicherungsnehmer eine Obliegenheitsverletzung wie hier nach, so hat Letzterer zunächst allein zu behaupten und zu beweisen, dass die ihm angelastete Obliegenheitsverletzung nicht in der Absicht erfolgte, den Versicherer zu täuschen, um sich die Versicherungsleistung zu erschwindeln oder die Abwicklung zu erleichtern bzw dass nur grobe Fahrlässigkeit vorliegt und die begangene Obliegenheitsverletzung keinen Einfluss auf die Leistungsverpflichtung des Versicherers genommen hat (zuletzt 7 Ob 222/02a siehe RS0116979 mwN). In diesem Zusammenhang ist zunächst der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes entgegenzutreten, dass der (ursprünglichen Zweit-)Beklagten bei der vorliegenden Feststellungslage schon Täuschungs- bzw Verschleierungsabsicht zur Last zu legen sei. Grundsätzlich ist der an einem Verkehrsunfall schuldtragende Lenker gemäß § 4 Abs 2 zweiter Satz StVO gehalten, bei einer Personenverletzung "die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen". Das Wort "sofort" ist hiebei wörtlich auszulegen (ZVR 1962/228); die Verpflichtung hängt auch nicht - wie schon vom Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben - vom Grad der Schwere der Verletzung ab, sondern besteht auch bei Vorliegen "nicht nennenswerter Verletzungen" (ZVR 1965/22, 1976/36; RIS-Justiz RS0074194). Sie darf auch nicht unterbleiben, wenn der verletzten Person anderweitig bereits Hilfe geleistet wurde (ZVR 1965/133) und besteht auch unabhängig davon, ob der Verletzte die Verständigung der Polizei wünscht (RIS-Justiz RS0074169). Für die Unkenntnis dieser Verpflichtung hat grundsätzlich jedermann einzustehen (RIS-Justiz RS0074186). Sie ist streng auszulegen (RIS-Justiz RS0074157); Fahrlässigkeit genügt (RIS-Justiz RS0074165). Dieses Bewusstsein der (sofortigen) Verständigungspflicht ist bei einem KFZ-Lenker grundsätzlich als bekannt vorauszusetzen (ZVR 1980/30). Die Anzeigepflicht wird auch grundsätzlich mit dem Eintritt des Versicherungsfalles ausgelöst, besteht aber auch dann, wenn dem Kraftfahrer erst später Umstände zu Bewusstsein gekommen sind, aus denen er zu erkennen vermag, dass er einen Unfall mit Personenschaden verursacht hat (RIS-Justiz RS0074537).

Die Auffassung, dass zufolge der ursprünglich von allen Beteiligten als ganz leicht eingeschätzten Verletzung des ursprünglichen Erstbeklagten (nur ein Kratzer) keine Anzeige bei der Gendarmerie erforderlich ist, mag auf Grund der Umstände des Einzelfalles vertretbar sein, eine derartige Anzeige wäre jedoch in der Folge nach der offenkundig als schwer zu beurteilenden Verletzung des früheren Erstbeklagten ab dem Zeitpunkt, als er einen Gips trug und der (ursprünglichen Zweit-)Beklagten die Mitteilung machte, dass der Finger gebrochen und die Vene durchtrennt worden ist, sehr wohl erforderlich gewesen. Einer Annahme einer Täuschungs- und Verschleierungsabsicht steht jedoch das Zugeständnis des Verschuldens der Zweitbeklagten in der Schadensmeldung gegenüber der klagenden Versicherung entgegen, aus der auch dem Versicherer klar sein musste, dass keine Anzeige erfolgt ist. Aber auch letzterer Umstand kann die (ursprüngliche Zweit-)Beklagte nicht von den Folgen der begangenen Obliegenheitsverletzung befreien. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin hat nicht der Versicherer den Verdacht zu beweisen, dass ihm eine für die Versicherungsleistung relevante Beweisführung zu seinem Nachteil entgangen ist, sondern trifft den Versicherungsnehmer der Beweis, dass die Obliegenheitsverletzung keinen Einfluss auf die Versicherungsleistung ausgeübt hat. Dieser Beweis ist strikt zu führen, es genügt nicht, dass die Tatsacheninstanzen eine von mehreren Sachverhaltsvarianten als bewiesen annehmen, vielmehr muss vom Versicherungsnehmer bewiesen werden, dass alle anderen möglichen Sachverhaltsvarianten ausgeschlossen sind. In diesem Sinn hat aber die (ursprüngliche Zweit-)Beklagte nicht einmal eine Behauptung aufgestellt. Die nach der Lebenserfahrung hervorleuchtende Wahrscheinlichkeit, dass im vorliegenden Fall andere Sachverhaltsvarianten, als die von den Tatsacheninstanzen festgestellten, hier nicht getroffen hätten werden können, genügt für sich allein noch nicht zur Erbringung des Kausalitätsgegenbeweises, um die Folgen einer Obliegenheitsverletzung abzuwenden. Es kann daher zum nunmehr in der Revision erstatteten (jedoch als Neuerung unbeachtlichen) Kausalitätsgegenbeweis-Vorbringen genügen, darauf hinzuweisen, dass dieser auch scheitern hätte müssen, da er nach ständiger Rechtsprechung ja strikt zu führen ist (RIS-Justiz RS0079993) und nur solche Beweismittel dafür geeignet sind, die den unterdrückten Beweismitteln gleichwertig sind (7 Ob 240/99s mwN). An solchen Beweismitteln (Beweisanboten) fehlt es jedoch im vorliegenden Fall ebenfalls zur Gänze.

Sieht man davon ab, dass die von der Revisionswerberin für sich in Anspruch genommene Entscheidung 7 Ob 238/98w (veröffentlicht in VersR 2000, 1396 sowie in der MGA VersVG5 § 6/141) zur Kfz-Kaskoversicherung und daher zu einer anderen Bedingungslage ergangen ist, liegt der zitierten Entscheidung ein völlig anders gelagerter Sachverhalt (der allerdings in den beiden angegebenen Veröffentlichungszitaten nicht angegeben ist) zugrunde und kann daher nicht für die hier zu lösende Rechtsfrage herangezogen werden.

Damit zeigt sich - zusammenfassend -, dass die Revisionswerberin keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen vermag. Die unzulässige Revision ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die klagende Partei hat (ausreichend) auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage hingewiesen. Hiebei war allerdings ein Abstrich für den verzeichneten Streitgenossenzuschlag vorzunehmen, weil der Klägerin im Revisionsverfahren nur mehr eine, nämlich die zweitbeklagte Partei, als Gegner gegenübergestanden ist.

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