OGH 7Ob302/03t

OGH7Ob302/03t24.2.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Martin M*****, vertreten durch Mag. Erich Frenner, Rechtsanwalt in Saalfelden, gegen die beklagte Partei Dr. Gernot S*****, wegen Feststellung (Streitwert EUR 58.138,27), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 23. September 2003, GZ 4 R 129/03y-17, womit das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 30. April 2003, GZ 12 Cg 20/02t-9, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Eltern des Klägers waren je zur Hälfte Eigentümer eines Liegenschaftsanteiles, mit dem Wohnungseigentum untrennbar verbunden war. Der Beklagte, der mit den Eltern des Klägers seit mehr als 40 Jahre befreundet war, vertrat den Vater des Klägers (in der Folge: Vater) im Scheidungsverfahren. Im Scheidungsvergleich verpflichtete sich die Mutter des Klägers (in der Folge: Mutter), ihren Miteigentumsanteil an den Vater zu übertragen und willigte ausdrücklich ein, dass das zu ihren Gunsten ob des Anteils des Vaters einverleibten Belastungs- und Veräußerungsverbotes gelöscht werde. Die Eigentumsübertragung im Grundbuch und die Löschung des Belastungs- und Veräußerungsverbotes zugunsten der Mutter dürfe erst dann erfolgen, wenn sie bestätige, dass sie die Ausgleichszahlung erhalten habe. Weiters bot der Vater dem Kläger an, ob des dann in seinem alleinigen Eigentum stehenden Miteigentumsanteils, im Hinblick auf seine Absicht, diesen dem Kläger zu hinterlassen, diesem ein Veräußerungs- und Belastungsverbot einzuräumen. Die Mutter nahm dieses Anbot als gesetzliche Vertreterin des damals minderjährigen Klägers an. Der Vater gab im Vergleich seine ausdrückliche Einwilligung zur Einverleibung des Belastungs- und Veräußerungsverbotes zugunsten des Klägers. Er verpflichtete sich, die Kosten, Gebühren und Steuern, die mit der Eigentumsübertragung und den Grundbuchseintragungen verbunden sind, allein zu tragen.

Nach rechtskräftigem Abschluss des Scheidungsverfahrens erhielt der Beklagte vom Vater den Auftrag, den Scheidungsvergleich grundbücherlich durchzuführen. In der Folge teilte der Vater dem Beklagten mit, dass die grundbücherliche Einverleibung des Belastungs- und Veräußerungsverbotes zugunsten des Klägers nicht notwendig sei, da die Angelegenheit innerhalb der Familie geregelt worden sei. Der Beklagte hielt mit der Mutter keine Rücksprache. Am 15. 10. 1998 stellte die Mutter für das Grundbuchsgericht eine Bestätigung über die erfolgte Ausgleichszahlung aus. Die Einverleibung des Eigentumsrechtes des Vaters und der Löschung des Belastungs- und Veräußerungsverbotes zugunsten der Mutter erfolgte am 20. 10. 1998. Eine Antragstellung auf Einverleibung des Belastungs- und Veräußerungsverbotes zugunsten des Klägers unterblieb, wovon der Kläger bzw seine Mutter nicht verständigt wurden. Vor diesen Einverleibungen, aber nach Abschluss des Scheidungsvergleiches, belastete der Kläger die Miteigentumsanteile mit den Pfandrechten C-LNR 12 und C-LNR 13, laut Feststellungen des Erstgerichtes ohne Wissen des Klägers, des Beklagten und seiner Mutter. Der Kläger erfuhr erst im Jänner 2002 von dem zu seinen Gunsten einzutragenden Belastungs- und Veräußerungsverbot. Die Mutter forderte nunmehr den Beklagten auf, ein entsprechendes Grundbuchsgesuch einzureichen. Der Vater teilte dem Beklagten mit, dass er mit seinem Sohn eine andere Vereinbarung getroffen habe und dass die Einverleibung des Belastungs- und Veräußerungsverbotes nicht mehr erforderlich sei. Dies und dass der Akt auf drei Monate kalendiert werde, hielt der Beklagte mit Schreiben vom 21. 2. 2000 an den Vater fest, wovon er eine Durchschrift an die Mutter sandte. Ohne Rücksprache mit dem Kläger unterblieb sodann neuerlich eine grundbücherliche Einverleibung. Der Vater ließ nun weitere Pfandrechte auf dem Miteigentumsanteil eintragen. Das Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten des Klägers wurde letztlich im Jahr 2002 einverleibt.

Der Kläger begehrt nun die Feststellung, dass ihm der Beklagte für sämtliche Nachteile, welche ihm durch die Unterlassung der Einverleibung des im Scheidungsvergleich zu seinen Gunsten vereinbarten grundbücherlichen Belastungs- und Veräußerungsverbotes entstehen würden, zu haften habe. Weder er noch seine Mutter hätten eine Einwilligung zur Änderung der Vereinbarung gegeben. Der Beklagte wäre verpflichtet gewesen, das Veräußerungs- und Belastungsverbot einzuverleiben. Ein Schaden sei ihm dadurch entstanden, dass das Grundstück mit Pfandrechten nunmehr überbelastet sei. Der Kläger sei hinsichtlich des Scheidungsvergleiches seiner Eltern geschützter Dritter, sodass ihn der Beklagte durch die Verbücherung seines Rechtes vor Nachteilen hätte schützen müssen. Sein Feststellungsinteresse liege in der drohenden Verjährung der derzeit nicht möglichen Bezifferung des Schadens.

Der Beklagte beantragte die Klagsabweisung mit der Begründung, dass er nur den Vater (unentgeltlich) vertreten habe. Der Vater habe ihm den Auftrag erteilt, das Veräußerungs- und Belastungsverbot nicht verbüchern zu lassen, da dieses wegen Einigkeit mit der Mutter nicht mehr notwendig sei. Vor grundbücherlicher Durchführung des Scheidungsvergleiches habe der Vater vereinbarungswidrig zwei Pfandrechte einverleiben lassen, womit der Beklagte nicht hätte rechnen müssen. Die geschiedenen Ehegatten seien infolge Zustellung der Grundbuchsbeschlüsse über die Einverleibung des Eigentumsrechtes und die grundbücherliche Situation voll informiert gewesen. Der Kläger habe gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen, weil er nicht gegen seinen Vater vorgegangen sei.

Das Erstgericht stellte mit Urteil fest, dass der Beklagte dem Kläger für die Hälfte der zukünftigen Schäden hafte, die dadurch entstünden, dass er die grundbücherliche Durchführung des Scheidungsvergleiches zugunsten des Klägers unterlassen habe. Den Kläger treffe ein 50 % Mitverschulden, da er sich seit Kenntnis des Belastungs- und Veräußerungsverbotes nicht selbst um dessen Verbücherung gekümmert habe.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Parteien Folge und hob das angefochtene Urteil auf. Den Beklagten treffe als Vertragserrichter keine Haftung. Der damals minderjährige Kläger sei durch seine gesetzliche Vertreterin bei Abschluss der Vereinbarung vertreten gewesen. Der Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, den Kläger nach seiner Volljährigkeit vom Bestehen der ihm eingeräumten Rechte zu verständigen. Der Beklagte sei zur Verbücherung des Belastungs- und Veräußerungsverbotes bis zum 20. 10. 1998 weder berechtigt, geschweige denn verpflichtet gewesen. Zwischen dem 20. 10. 1998 und der Kenntniserlangung des Klägers vom Belastungs- und Veräußerungsverbot im Jänner 2000 seien jedenfalls keine pfandrechtliche Belastungen erfolgt. Hinsichtlich der Haftungsgrundlage der gesonderten Beauftragung des Beklagten mit der Verbücherung durch die Mutter des Klägers fehlten noch Feststellungen, und zwar einerseits zur Bevollmächtigung der Mutter durch den Kläger und andererseits über den Zugang des Schreibens Beilage ./8, wonach der Beklagte mitteilte, dass er eine Verbücherung aufgrund der Information durch den Vater unterlasse.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil oberstgerichtliche Judikatur zu einem hinreichend vergleichbaren Sachverhalt nicht habe aufgefunden werden können.

Der Rekurs ist zulässig, ihm kommt im Ergebnis - es bleibt bei der Aufhebung des Ersturteils - keine Berechtigung zu.

Im vorliegenden Rechtsfall ist - in noch größerem Umfang als vom Berufungsgericht ausgesprochen - die Sachverhaltsgrundlage noch nicht ausreichend abgeklärt, um eine abschließende rechtliche Beurteilung abgeben zu können. Soweit jetzt schon abzusehen, ist von Folgendem auszugehen:

Rechtliche Beurteilung

Zur Haftung eines (berufsmäßigen) Vertragserrichters, der die Interessen mehrerer Personen vertritt (Rechtsanwalt oder Notar), existiert eine umfangreiche Rechtsprechung (vgl RIS-Justiz RS0023549, RS0026349, RS0026380, RS0026419). Nach ständiger Rechtsprechung ist der als Vertragserrichter mehrerer Vertragspartner einschreitende Rechtsanwalt allen Vertragspartnern gegenüber zur sorgfältigen Wahrung ihrer Interessen verpflichtet. Die Vertragspartner können daher darauf vertrauen, dass sie der Vertragsverfasser vor Nachteilen schützt und für ihre rechtliche und tatsächliche Sicherheit sorgen wird (4 Ob 184/01i, 8 Ob 174/01y uva). Er hat daher alle Vertragsparteien mit gleicher Sorgfalt zu behandeln und vor Interessensgefährdungen zu bewahren. Belehrungs- und Aufklärungspflichten treffen ihn also allen Vertragspartnern gegenüber. Die Pflicht zur Beratung und Belehrung darf aber nicht überspannt werden (4 Ob 184/01i, RIS-Justiz RS0026349, RS0026584). Inwieweit nun die Aufklärungs- und Belehrungspflicht jeweils reicht, hängt von den Umständen des zu beurteilenden Einzelfalls ab (2 Ob 178/00s, 4 Ob 184/01i, 8 Ob 174/01y).

Aus dem Grundsatz, dass auch die an die Sorgfaltspflicht eines Rechtsanwaltes zu stellenden Anforderungen nicht überspannt werden dürfen, ergibt sich für den vertragsverfassenden Rechtsanwalt, dass er dann, wenn auch der Vertragspartner seines Klienten anwaltlich vertreten ist, nicht gehalten sein kann, diesen über rechtliche und wirtschaftliche Folgen des Vertragsabschlusses aufzuklären, von denen er mit Grund annehmen kann, dass sie vom Rechtsvertreter des Vertragspartners überblickt werden (8 Ob 645/87, 10 Ob 167/00g, 4 Ob 184/01i). Der Rechtsanwalt haftet auch ganz allgemein nach Vertragrecht für die Erfüllung der ihm erteilten Aufträge. Der Klient kann davon ausgehen, dass der Rechtsanwalt einen übernommenen Auftrag nicht nur dem Wortlaut, sondern nach dem bekannten Zweck des Geschäftes ausführt und ihn vor Nachteilen schützt (RIS-Justiz RS0026650, RS0038724).

Hier fehlt es bereits an konkreten Feststellungen zur Vertragslage, also welche Aufträge welche Personen an den Beklagten erteilten. So reichen schon die Feststellungen des Erstgerichtes nicht aus, um den Beklagten als "Vertragserrichter" - wie dies das Berufungsgericht tat - behandlen zu können. Ausdrücklich steht nur fest, dass der Beklagte den Vater im Scheidungsverfahren vertreten hat. Welche sonstigen ausdrücklichen oder stillschweigenden Vereinbarungen getroffen wurden, und wer den Vergleich verfasste, steht nicht fest. Insbesondere steht nicht ausdrücklich fest, ob der Beklagte jedenfalls einen allseitigen Verbücherungsauftrag hinsichtlich aller im Scheidungsvergleich getroffener Vereinbarungen hatte, auch wenn die im Scheidungsvergleich übernommene Verpflichtung des Vaters, die Kosten der Verbücherung zu übernehmen, und die Erklärung des Vaters an den Beklagten, die Verbücherung diesbezüglich zu unterlassen, darauf hindeuten.

Hatte der Beklagte den allseitigen Auftrag der Vertragsparteien, die Vereinbarungen grundbücherlich durchzuführen, war davon auch das dem Kläger gegenüber eingeräumte, von seiner Mutter als gesetzlicher Vertreterin angenommene Veräußerungs- und Belastungsverbot umfasst. Da der Vater sich laut Vergleich zur Tragung der Kosten der Verbücherung verpflichtete, entstanden für den Minderjährigen keine Verpflichtungen. Die Vereinbarung bedurfte daher nicht der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung. Der Beklagte war dann schon auf Grund dieses allseitigen Mandats zur unverzüglichen Einverleibung des Veräußerungs- und Belastungsverbotes gleichzeitig mit der Eigentumseinverleibung für den Vater verpflichtet.

Bei einem allfälligen - vom Vater behaupteten - Verzicht auf das den Kläger nur begünstigende Veräußerungs- und Belastungsverbot, wäre für dessen Rechtswirksamkeit eine pflegschaftsbehördlichen Genehmigung und die Zustimmung der Mutter im Sinne des § 154 Abs 3 ABGB notwendig gewesen. Mangels dieser Voraussetzungen konnte die einseitige Erklärung des Vaters, die Einverleibung des Rechtes solle unterbleiben, die Verpflichtung des Beklagten, der alle Interessen zu wahren hatte, die Einverleibung vorzunehmen, nicht aufheben.

Damit sich die Frage, ob der Beklagte bis zur Einverleibung des Eigentumsrechtes des Vaters zur Sicherung des Veräußerungs- und Belastungsverbotes verpflichtet gewesen wäre, überhaupt stellen könnte, bedürfte es geeigneter Feststellungen, dass der Beklagte Vertragerrichter war und entsprechende Verdachtsgründe für ein vertragswidriges Verhalten des Vaters vorhanden waren.

Im übrigen sind die Feststellungen des Erstgerichtes dazu unklar, wann und von wem die Anträge auf Einverleibung der Hypotheken CLNr 12 und 13 gestellt wurden. Nach (dem damals geltenden) § 9 WEG 1975 durften Ehegatten ihren Mindestanteil nämlich nicht verschieden belasten. Nach dem Sinn des § 9 Abs 1 WEG 1975 muss also verlangt werden, dass die Belastungen der Anteile der Ehegatten nicht nur gleichartig, sondern ident sind (RIS-Justiz RS0082807). Die Judikatur bejaht die Möglichkeit der Vereinbarung eines wechselseitigen Belastungs- und Veräußerungsverbotes im Fall des Ehegattenwohnungseigentums (RIS-Justiz RS0010790). Die Eltern des Klägers machten von dieser Möglichkeit Gebrauch. Sollten die Anträge zu CLNr 12 und 13 tatsächlich vor Einverleibung des Eigentums für den Vater gestellt worden sein, so müsste die Mutter als einverleibte Ehegattenwohnungseigentümerin bei der Antragstellung beteiligt gewesen sein und ein Vorgehen "ohne ihr Wissen" wäre (außer durch Fälschung ihrer Unterschrift) unmöglich. Nur wenn die Antragstellung nach Einverleibung des Eigentums für den Vater erfolgt ist, wäre dies durch ihn allein rechtlich möglich.

Zur Frage eines allfälligen Mitverschuldens der gesetzlichen Vertreterin des Klägers wäre auch zu prüfen, ob die Mutter im Zeitpunkt der Zustellung des das Hälfteeigentum des Klägers einverleibenden Grundbuchsbeschlusses noch anwaltlich vertreten war. War sie es nämlich nicht, so wäre ihr daraus, dass sie die unterlassene Einverleibung des Veräußerungs- und Belastungsverbotes nicht bemerkte, kein Vorwurf zu machen. Sie konnte auf die den Beklagten - wie oben dargelegt - treffende Pflicht, alle Interessen der Beteiligten zu wahren, vertrauen. Zur Beurteilung eines allfälligen Mitverschuldens des Klägers selbst, fehlt es noch an entsprechenden Feststellungen, wie das Berufungsgericht aufgezeigt hat. Außerdem bedarf es genauerer Feststellungen über die einzelnen Daten der Antragstellung und Einverleibung. Grundsätzlich darf ja der Klient, solange er nicht das Gegenteil weiß, darauf vertrauen, dass der Rechtsanwalt die ihm erteilten Aufträge erledigt und die Interessen des Klienten wahrt.

Nur wenn der Beklagte die Verpflichtung für alle Beteiligte für die Verbücherung nicht (auch nicht schlüssig) übernommen hätte, würde er mangels Pflichtwidrigkeit dem Kläger auch nicht haften. In diesem Fall wäre, wie vom Berufungsgericht bereits aufgetragen, eine allfällige spätere Beauftragung im Jahr 2000 durch den Kläger zu prüfen.

Da sich die Rechtssache im oben dargelegten Sinn noch als erörterungsbedürftig und die Feststellungen als ergänzungsbedürftig erweisen, ist der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichtes im Ergebnis richtig.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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