Spruch:
Die Revision der beklagten Parteien wird zurückgewiesen.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den klagenden Parteien die mit EUR 383,09 (darin EUR 63,85 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Kläger sind je zur Hälfte grundbücherliche Eigentümer des Grundstückes 52, zu dessen Lasten die Dienstbarkeit des "Gehens, Fahrens und Viehtreibens" für das angrenzende Grundstück 51/1 einverleibt ist. Dieses steht im Hälfteeigentum der Beklagten. Die einzige Möglichkeit, mit mehrspurigen Fahrzeugen auf den hinter dem Haus der Beklagten gelegenen Teil des Grundstücks 51/1 zu gelangen, besteht in der Zufahrt über das Grundstück der Kläger. Auf der Grundgrenze zwischen den beiden Liegenschaften befindet sich daher ein 5 m breites, zweiflügeliges Holztor.
Mit Dienstbarkeitsvertrag vom 31. 10. 1953 räumten die Rechtsvorgänger der Kläger den Rechtsvorgängern der Beklagten "die Dienstbarkeit des Fußsteiges, Viehtriebes und Fahrweges durch den Hof der Parzelle 52 ..., und zwar von der Bezirksstraße bis zum Tor, das sich zwischen den Höfen der Parzellen 51/1 und 52 ... befindet", ein. Des Weiteren wurde vereinbart: "Diese Dienstbarkeit steht nicht nur den Besitzern und Eigentümern der Parzelle 51/1 Baufläche, sondern auch sämtlichen im Haus wohnenden Mietparteien für ihre Wohnbedürfnisse, wie zum Beispiel: Holz- und Kohlenfuhren, zu." Die "Herhaltung dieses Weges" sollte ebenso wie die "Herhaltung des Tores" den Rechtsvorgängern der Beklagten zur Hälfte obliegen.
Bei Abschluss des Dienstbarkeitsvertrags hatten weder die Rechtsvorgänger der Kläger noch jene der Beklagten ein mehrspuriges Fahrzeug. In den Jahren bis zum Kauf des Grundstückes 51/1 durch die Beklagten fuhren Lieferanten im Auftrag der Rechtsvorgänger der Beklagten mit Pferdefuhrwerk oder Traktor "jeweils mit Anhänger", möglicherweise auch mit einem LKW, über das Grundstück 52 zum Grundstück 51/1, um den Rechtsvorgängern der Beklagten und deren Mieter Heizmaterial, Holz und Kohle, dem Mieter später auch Öl, zu liefern. Diese Fuhren erfolgten ein- bis zweimal jährlich und etwa bis Anfang der Achtzigerjahre. Wie lange Holzmaterial angeliefert wurde, konnte das Erstgericht nicht feststellen. Zu einem ebenfalls nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt installierten die Rechtsvorgänger der Beklagten im Haus eine Elektroheizung. Einer der Rechtsvorgänger der Beklagten fuhr zwischen 1993 und 1999 mit seinem PKW samt Anhänger etwa vier- bis fünfmal jährlich über das Grundstück 52 zum Grundstück 51/1, um das gemähte Gras und auch den Sträucherschnitt abzutransportieren. Darüber hinaus befuhr er in den Jahren 1993 und 1994 das Grundstück 52 mehrmals, um Holz aus dem auf dem Grundstück 51/1 befindlichen Schuppen wegzubringen. Zu anderen Zwecken wurde das Grundstück 52 niemals befahren. Die Rechtsvorgänger der Beklagten oder eine Verwandte betraten das Grundstück der Kläger, um die vier an der Nordseite ihres Hauses befindlichen Fenster zu putzen. Sie gingen aber dabei selten "weiter durch das im Garten gelegene Tor auf das Grundstück 51/1".
Die Beklagten wurden vor Abschluss des Kaufvertrags auf die bestehende Dienstbarkeit hingewiesen, ohne dass diese im Detail besprochen worden wäre. Der Viehtrieb wurde nicht erwähnt. Ende 1999 oder Anfang 2000 fuhr der Zweitbeklagte insgesamt zweimal mit seinem PKW über das Grundstück 52 auf das Grundstück 51/1. Daraufhin ließen die Kläger an der Grenze ihres Grundstückes zur Bezirksstraße ein elektrisches Tor anbringen, das die Beklagten nicht öffnen konnten. In dem beim Erstgericht von den Beklagten angestrengten Rechtsstreit wurden die Kläger mit Teilanerkenntnis vom 27. 11. 2001 schuldig erkannt, die Sperre des Schiebetores sowie jede weitere Beeinträchtigung der mit dem Dienstbarkeitsvertrag vereinbarten Grunddienstbarkeit des Geh-, Fahrt- und Vietriebsrechtes zu unterlassen. Die Kläger boten den Beklagten den Abschluss eines neuen Dienstbarkeitsvertrags an, mit dem diese berechtigt sein sollten, über das Grundstück 52 zum Grundstück 51/1 zu gehen und zu fahren, wobei das Fahrtrecht allerdings nur zum Zweck des Transports sperriger Güter wie beispielsweise Baumaterialien, Holz, Abfälle aller Art usw ausgeübt werden sollte. Die Beklagten lehnten jedoch eine derartige Vereinbarung ab.
Mit ihrer am 26. 11. 2001 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrten die Kläger die Feststellung, eine Dienstbarkeit des Fahrtrechtes über das Grundstück 52 als dienenden Grundstückes zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Grundstückes 51/1 bestehe mit Ausnahme von Fahrten zur Durchführung von Wirtschaftsfuhren zum Zwecke des Transports sperriger Güter, die einen Transport mittels Fahrzeugs notwendig machten, nicht; eine Dienstbarkeit des Geh- bzw Viehtriebsrechtes bestehe nicht; die Beklagten seien schuldig, alle Handlungen zu unterlassen, die sich als Ausübung solcher Dienstbarkeiten darstellten. Den Rechtsvorgängern der Beklagten sei mit Dienstbarkeitsvertrag vom 31. 10. 1953 nur ein Fahrtrecht für "Wirtschaftsfuhren" zum Zweck des Transports sperriger Güter, beispielsweise Baumaterialien, Holz, Kohle usw über das Grundstück 52 zum Grundstück 51/1 eingeräumt worden. Eine allenfalls weitergehende Dienstbarkeit sei wegen Nichtausübung bereits "erloschen".
Die Beklagten wendeten ein, dass ihnen aufgrund des Dienstbarkeitsvertrags ein uneingeschränktes Fahr- und Gehrecht sowie das Recht des Viehtriebs zustehe. Diese Dienstbarkeit sei nicht verjährt. Selbst eine allfällige Verjährung könnte den Beklagten wegen gutgläubigen Erwerbs nicht entgegengehalten werden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte aus, dass sich aus dem Dienstbarkeitsvertrag vom 31. 10. 1953 die von den Klägern behauptete Einschränkung des Fahrtrechts nicht ergebe. Im ersten Teil des Vertrags werde den Eigentümern des herrschenden Grundstücks und deren Rechtsnachfolgern die Dienstbarkeit des Fußsteigs, Viehtriebs und Fahrweges ohne jede Einschränkung eingeräumt. Nur im zweiten Teil, in dem diese Dienstbarkeit auch den Mietparteien zugestanden werde, finde sich die Einschränkung auf Wohnbedürfnisse, wie beispielsweise Holz- und Kohlefuhren. Diese Einschränkung beziehe sich somit nur auf die Mietparteien, weil es andernfalls sinnlos gewesen wäre, die beiden Vertragsteile textlich auseinanderzuhalten. Eine Verjährung der mit Vertrag vom 30. 10. 1953 eingeräumten Dienstbarkeit sei nicht eingetreten, weil die Dienstbarkeit jedenfalls bis in die Neunziger-Jahre des vorigen Jahrhunderts zumindest auf eine oder zwei von mehreren Arten ausgeübt worden sei.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass es feststellte, eine Dienstbarkeit des Fahrtrechts bestehe mit Ausnahmen von Fahrten zur Durchführung von Wirtschaftsfuhren zum Zwecke des Transports sperriger Güter, die einen Transport mittels Fahrzeugs notwendig machen, nicht. Es erkannte die Beklagten schuldig, alle Handlungen, die sich als Ausübung eines Fahrtrechts im weiteren Umfang darstellen, in Hinkunft zu unterlassen. Darüber hinaus bestätigte es das abweisliche Ersturteil und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 4.000, nicht jedoch EUR 20.000 übersteige. Die ordentliche Revision sei zulässig. Es sei eine Auslegung des Dienstbarkeitsvertrags unter Berücksichtigung von Natur und Zweck der Dienstbarkeit bei deren Einräumung sowie der ursprünglichen Bewirtschaftungsart und der vorhersehbaren Art der Ausübung vorzunehmen. Dabei sei zu beachten, dass der Dienstbarkeitsvertrag im Jahr 1953 geschlossen worden sei, also zu einer Zeit, in der wohl kaum vorstellbar gewesen sei, dass einmal jeder Privathaushalt über ein oder mehrere Kraftfahrzeuge verfügen werde, und dass mit diesen oft mehrere Fahrten täglich unternommen würden. Bei Einräumung eines Fahrtrechts im Jahre 1953 habe man eher an Fahrten gedacht, die dem Herbei- oder Wegschaffen von Sachen, die aufgrund ihrer Größe oder Menge den Einsatz eines Fahrzeugs erforderlich machten, dienten. Dass auch die Parteien des Dienstbarkeitsvertrags nur derartige Fahrten im Auge gehabt hätten, zeige sich schon aus der beispielsweisen Anführung von Holz- und Kohlefuhren. Soweit die Beklagten die Ansicht verträten, diese Einschränkung habe sich nur auf die jeweiligen Mietparteien bezogen, sei ihnen zu entgegnen, dass der Vertragstext für eine unterschiedliche Beurteilung des Fahrtrechts für die Liegenschaftseigentümer und jenes für die Mieter keine Grundlage biete. Keinesfalls sei die Vertragsformulierung so zu verstehen, dass den Eigentümern ein völlig unbeschränktes Fahrtrecht mit allen Fahrzeugen und zu jedem Zweck eingeräumt werden sollte, sei doch im Jahr 1953 nicht vorhersehbar gewesen, dass in Zukunft praktisch jede Familie ein Fahrzeug besitzen werde, mit dem Fahrten zu allen möglichen Zwecken unternommen würden. Auf den Zeitpunkt des Jahres 1953 abgestellt, habe ein Fahrtrecht also im Wesentlichen den Zweck gehabt, das Zubringen und Wegschaffen sperriger bzw schwerer Güter, die den Einsatz eines Kraftfahrzeugs erforderten, zu ermöglichen. Nur in diesem Umfang sei von den Parteien das Fahrtrecht vereinbart worden. Wollte man den Beklagten ein uneingeschränktes Fahrtrecht zugestehen, würde dies eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit bedeuten, wodurch eine massive Einschränkung der Lebensqualität der Kläger bewirkt würde. Eine Interessenabwägung könnte daher nie zugunsten der Beklagten ausfallen. Dem Einwand der Beklagten, sie hätten die Liegenschaft im Vertrauen auf den Grundbuchsstand erworben, sei entgegenzuhalten, dass in dem die Liegenschaft der Beklagten betreffenden Grundbuchsauszug die Dienstbarkeit lediglich ersichtlich gemacht gewesen sei. Eine derartige Ersichtlichmachung diene aber nur dazu, eine an anderer Stelle bestehende Eintragung aufzuzeigen, sodass ihr keinerlei rechtsbegründende Wirkung zukomme. Rechtsbegründend für den Erwerb der Grunddienstbarkeit sei ausschließlich die Einverleibung im Lastenblatt des dienenden Gutes.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision der Beklagten nicht zulässig.
Das aus dem Servitutstitel abzuleitende Ausmaß bzw der Umfang der Dienstbarkeit ist stets eine Frage der Auslegung dieses Titels im Einzelfall und stellt daher regelmäßig keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS-Justiz RS0042776; 9 Ob 72/00d; 8 Ob 278/01t; 1 Ob 131/02z). Das Berufungsgericht ist von der umfangreichen Rechtsprechung zu Inhalt und Ausmaß von Dienstbarkeiten nicht abgewichen, und es ist ihm auch bei der Vertragsauslegung keine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen, die aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit eine Korrektur durch den Obersten Gerichtshof erforderte:
Eine "gemessene" Dienstbarkeit liegt nur dann vor, wenn ihr Inhalt durch den Titel unzweifelhaft umschrieben ist. Sind demgegenüber Ausmaß und Umfang der dem Berechtigten zustehenden Befugnisse im Titel nicht eindeutig umschrieben, so liegt eine "ungemessene" Servitut vor (RIS-Justiz RS0011752). Nach allgemeinen servitutsrechtlichen Grundsätzen orientiert sich der Inhalt einer ungemessenen Servitut zwar am jeweiligen Bedürfnis des herrschenden Guts, doch findet ein solches Recht seine Grenzen in dessen ursprünglichem Bestand und der ursprünglichen Bewirtschaftungsart (SZ 42/10; SZ 52/99; SZ 56/60; 4 Ob 1620/95; 2 Ob 194/00v; 1 Ob 113/01a ua). Unbedeutende Änderungen der Benützungsart muss der Belastete hinnehmen, nicht aber Mehrbelastungen infolge Kultur- oder Widmungsänderungen. Die Art der Ausübung findet ihre Grenzen in einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Eigentümers des dienenden Gutes (RIS-Justiz RS0016368; RS0097856). Die Servitut soll zwar der fortschreitenden technischen Entwicklung angepasst, nicht aber wegen Vergrößerung des herrschenden Gutes oder Änderung der Betriebsart ausgedehnt werden. Ungemessene Dienstbarkeiten sind demnach auf den Zweck ihrer Bestellung einzuschränken (1 Ob 551/93; Hofmann in Rummel, ABGB3 § 484 Rz 1).
Entgegen der von den Revisionswerbern vertretenen Ansicht kommt es somit keineswegs auf das jeweilige Bedürfnis des herrschenden Gutes allein an, sondern es findet seine im Rahmen des Zumutbaren beweglichen Grenzen im ursprünglichen Bestand der Dienstbarkeit. Das Berufungsgericht hat diesen ursprünglichen Umfang des nach dem ersten Absatz des Dienstbarkeitsvertrags ungemessen eingeräumten Fahrtrechts logisch und nachvollziehbar dahin ausgelegt, dass nach den Gegebenheiten der Zeit, in der der Vertrag abgeschlossen wurde, ein Fahrrecht nur insoweit eingeräumt werden sollte, als es die Beschaffenheit der zu transportierenden Güter erforderte. Gegen diese Auslegung vermögen die Revisionswerber nichts Stichhaltiges ins Treffen zu führen, zumal sich das Berufungsgericht dabei auch auf die durchaus in diese Richtung weisende Formulierung des zweiten Absatzes des Dienstbarkeitsvertrags stützen konnte.
War aber das den Rechtsvorgängern der Beklagten eingeräumte Fahrtrecht in Wahrheit auf die Durchführung von erforderlichen Fuhren eingeschränkt, so bedeutete die Ausweitung auf beliebige Fahrten mit PKWs etwa bloß zum Zweck deren Abstellens, bei richigem Verständnis eine Änderung des Inhalts des Rechts und damit dessen weit über die Grenzen der Zumutbarkeit hinausgehende Ausdehnung.
Da das Berufungsgericht somit nicht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist und in der von ihm vorgenommenen Vertragsauslegung jedenfalls eine grobe Fehlbeurteilung nicht erkannt werden kann, ist die Revision zurückzuweisen.
In der Revisionsbeantwortung wurde auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen, sodass sie gemäß §§ 50, 41 ZPO zu honorieren ist.
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