OGH 9Ob72/00d

OGH9Ob72/00d5.4.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer, Dr. Spenling, Dr. Hradil und Dr. Hopf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karoline S*****, Pensionistin, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Poleschinski, Rechtsanwalt in Hartberg, gegen die beklagten Parteien 1) Wolfgang W*****, Kaufmann, *****, 2) Andrea W*****, *****, beide vertreten durch Dr. Hannes Gruber, Rechtsanwalt in Hartberg, 3) mj. Stefan W*****, Schüler, *****, vertreten durch den Vater Wolfgang W*****, *****, dieser vertreten durch Dr. Claudia Klimburg, Rechtsanwältin in Hartberg, wegen Löschung von Dienstbarkeiten, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 17. Jänner 2000, GZ 7 R 162/99s-60, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Ausmaß der Dienstbarkeit und der Umfang der dem Berechtigten zustehenden Befugnisse richten sich nach dem Inhalt des Titels, bei dessen Auslegung insbesondere Natur und Zweck der Dienstbarkeit zur Zeit ihrer Einräumung zu beachten sind (SZ 53/149; NZ 1997, 165; RIS-Justiz RS0011720; zuletzt EvBl 1999/204). Dabei ist auf Beschaffenheit und Verwendung der beteiligten Liegenschaften Bedacht zu nehmen (EvBl 1999/204). Das Berufungsgericht hat daher zu Recht bei der Auslegung des Vertrages über die Begründung der Dienstbarkeit auf deren Natur und Zweck bei ihrer Einräumung und in diesem Zusammenhang auf die damalige Beschaffenheit und die damalige Verwendung der Liegenschaften Bedacht genommen.

Ob die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des Umfangs der Dienstbarkeit zutrifft, ist eine Frage des Einzelfalles, die - von Fällen krasser Fehlbeurteilung abgesehen - nicht revisibel ist. Von einer krassen Fehlbeurteilung kann hier aber nicht die Rede sein, zumal nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen die Versorgung des Hauses der Rechtsvorgänger der Beklagten schon zum Zeitpunkt der Begründung der Dienstbarkeit über die Stiege zum Innenhof Nr. 17 erfolgte und die dabei verwendeten Fahrzeuge im Innenhof des Hauses Nr. 19 be- und entladen wurden. Dass unter diesen schon damals bestandenen Umständen die Dienstbarkeit im Sinne der Berechtigung der Rechtsvorgänger der Beklagten verstanden wurde, in den Innenhof des Hauses Nr. 19 einzufahren und zur Versorgung ihres eigenen Hauses ihre Fahrzeuge dort zu be- oder zu entladen, liegt bei dieser Sachlage nahe. Dazu kommt, dass die im Vertrag verwendete Formulierung "Durchfahrt- und Durchgehrecht durch die Einfahrt im Hause Nr. 19 ... zu dem .... Hause der" Rechtsvorgänger der Beklagten der vom Berufungsgericht vorgenommenen Auslegung keineswegs entgegensteht (vgl etwa die Entscheidung 6 Ob 80/98b, wonach ein einen Innenhof betreffendes Geh- und Fahrrecht bzw. Zufahrtsrecht begrifflich auch das Recht auf zumindest kurzfristiges Stehenbleiben inkludiert). Der Vorwurf einer unzulässigen Erweiterung der Dienstbarkeit oder der Annahme eines vom vereinbarten völlig abweichenden Rechtes ist daher unbegründet. Von Aktenwidrigkeit, Widersprüchlichkeit und Unüberprüfbarkeit der angefochtenen Entscheidung kann daher nicht die Rede sein.

Den Einwand der Revisionswerberin, dass die Beklagten kein diese Beurteilung rechtfertigendes Vorbringen erstattet hätten und dass die dafür maßgebenden Feststellungen "überschießend" seien, hat das Berufungsgericht unter Hinweis auf das Vorbringen der Beklagten, die Dienstbarkeit sei seit 1919 auch in der eben beschriebenen Form ausgeübt worden, verneint. Ob die dieser Rechtsauffassung zugrunde liegende Auslegung des Vorbringens der Beklagten zutrifft, ist ebenfalls eine Frage des Einzelfalles, die - soweit dem Berufungsgericht keine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen ist - nicht revisibel ist (RIS-Justiz RS0044273; zuletzt 9 ObA 280/98m). Auch in diesem Zusammenhang ist die Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes keineswegs unvertretbar, weil das dazu ins Treffen geführte Vorbringen der Beklagten deren (während des gesamten Verfahrens eingenommenen) Prozessstandpunkt, das Befahren des Innenhofes des Hauses Nr. 19 zum Zweck des Be- und Entladens der verwendeten Fahrzeuge sei eine vertragskonforme Ausübung der Dienstbarkeit, deutlich erkennen lässt. Demgemäß kommt der Frage, ob die Beklagten behaupteten, dass eine andere Ausübung der Dienstbarkeit gar nicht möglich gewesen wäre, untergeordnete Bedeutung zu. Zudem haben die Beklagten ohnedies vorgebracht, dass schon damals sämtliche Warenlieferungen über den Innenhof des Hauses Nr. 19 erfolgt seien, weil ein Einfahren mit schweren Fuhrwerken in den Innenhof des Hauses Nr. 17 nicht möglich gewesen sei (S 123 in ON 21).

Den schon in zweiter Instanz erhobenen Einwand der "entschiedenen Rechtssache" - und damit der Nichtigkeit des Verfahrens wegen Verstoßes gegen die Rechtskraft des Vorverfahrens 2 C 1894/96v des Erstgerichtes - hat das Berufungsgericht ausdrücklich verneint; nach ständiger Rechtsprechung kann dieser Nichtigkeitsgrund daher in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden, weil insoweit ein Beschluss des Berufungsgerichtes vorliegt, der gemäß § 519 ZPO unanfechtbar ist (Kodek in Rechberger, ZPO**2 Rz 2 zu § 503 mwN aus der Rechtsprechung). Dies gilt auch dann, wenn sich die zweite Instanz nur in den Entscheidungsgründen (allerdings mit dem Entscheidungswillen, die Nichtigkeit zu verneinen) mit dem Nichtigkeitsgrund auseinandergesetzt hat (SZ 68/20; SZ 70/45 ua). Auf den vom Berufungsgericht hervorgehobenen Umstand, dass die hier zu beurteilende Entscheidung mit der Vorentscheidung nach deren Inhalt (siehe insb. S 5 der Berufungsentscheidung des Vorprozesses) nicht in Widerspruch steht, ist daher inhaltlich nicht einzugehen.

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