OGH 8Ob236/02t

OGH8Ob236/02t24.4.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer, Dr. Spenling, Dr. Kuras und Dr. Lovrek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Martina Simlinger-Haas, Rechtsanwältin, 1030 Wien, Reisnerstraße 31, als Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen der R***** GmbH, wider die beklagten Parteien 1.) Beate S*****, 2.) Katharina S***** und 3.) mj. Josef S*****, vertreten durch Dr. Alexander Knotek, Rechtsanwalt in Baden, wegen Anfechtung (Streitwert EUR 327.027,75) und EUR 201.085,73 sA infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 28. Juni 2002, GZ 3 R 157/01g-30, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO)

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Selbst eine mangelhafte oder unzureichende Beweiswürdigung könnte im Revisionsverfahren nicht angefochten werden. Das Berufungsverfahren ist nur dann mangelhaft, wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage überhaupt nicht befasst hat (RIS-Justiz RS0043371; RS0043150). Davon kann hier keine Rede sein. Das Berufungsgericht ist auch nicht verhalten, sich mit jedem Argument des Berufungswerbers auseinanderzusetzen (10 ObS 228/91 ua). Mit ihrem Vorbringen bekämpft die Revisionswerberin in Wahrheit über weite Strecken in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Vorinstanzen, sodass sie nur darauf zu verweisen ist, dass das Regelbeweismaß der ZPO die hohe und nicht eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit ist (RIS-Justiz RS0110701; Rechberger in Rechberger ZPO² Rz 5 Vor § 266). Das Berufungsgericht hat auch keineswegs gegen den Grundsatz des § 215 Abs 1 ZPO, dass das Protokoll über Verlauf und Inhalt der Verhandlung vollen Beweis liefere, verstoßen, sondern im Ergebnis lediglich der abweichenden Aussage der Erstbeklagten über das Wohnrecht in einem Verfahren, in dem dieses keine Rolle spielte, in der Gesamtschau der Beweisergebnisse keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen. Anhaltspunkte dafür, die Wohnrechtseinräumung sei hinsichtlich der Zweit- und Drittbeklagten deshalb unwirksam, weil die pflegschaftsbehördliche Genehmigung durch Irreführung des Gerichts erwirkt worden sei, sind im Verfahren nicht hervorgekommen und hat die Klägerin auch kein diesbezügliches Vorbringen in erster Instanz erstattet. Der Hinweis auf die Unentgeltlichkeit der Einräumung des Wohnrechtes im Vertrag war für den Bereich des Pflegschaftsverfahrens jedenfalls zutreffend, stammte doch nach den vom Obersten Gerichtshof zugrundezulegenden Feststellungen die Einmalzahlung aus dem Kaufpreis der der Erstbeklagten gehörenden Liegenschaft und waren die Kinder weder dadurch noch durch sonstige Zahlungen finanziell belastet. Soweit die Vorinstanzen davon ausgegangen sind, weder die Erstbeklagte, noch deren im Jahr 1995 für sie verhandelnder geschiedener Ehegatte hätten von einer Benachteiligungsabsicht des Schuldners positive Kenntnis gehabt, liegt eine nicht revisible Tatsachenfeststellung vor (RIS-Justiz RS0064481). Die Rechtsfrage, ob dem Anfechtungsgegner oder dessen Vertreter die Benachteiligungsabsicht des Schuldners hätte auffallen müssen bzw. wie weit die Nachforschungspflicht des Anfechtungsgegners reicht, ist stets von den Umständen des Einzelfalles abhängig und daher - krasse Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht ausgenommen - nicht erheblich im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0101976). Ausgehend von den den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen, der geschiedene Ehegatte habe die Erstbeklagte im Zeitpunkt des Verfügungsgeschäftes im Jahr 1998 nicht mehr vertreten und habe ihr die ihm erstmals im Frühjahr 1998 bekannt gewordene schlechte finanzielle Lage der Unternehmensgruppe des Schuldners aus Rücksicht auf den schlechten Gesundheitszustand nicht mitgeteilt, ist die Beurteilung durch das Berufungsgericht nicht zu beanstanden, dass die Erstbeklagte keine Veranlassung gehabt habe, Benachteiligungs- oder Begünstigungsabsicht des Schuldners anzunehmen oder dessen Vermögensverhältnisse zu prüfen, zumal sie ihre Gegenleistung bereits erbracht hatte.

Entgegen der von der Revisionswerberin vertretenen Ansicht hat das Berufungsgericht die Anfechtbarkeit gemäß § 28 Z 2 KO aus den dargestellten Gründen mangels Vorwerfbarkeit der Unkenntnis verneint und nicht wegen Kongruenz der Leistung. Dieses Anfechtungshindernis hat es vielmehr - wie sich aus Seite 22 des Berufungsurteils klar ergibt - ausschließlich (richtigerweise: 6 Ob 52/99m) auf den Tatbestand des § 30 Abs 1 Z 1 KO bezogen.

Auch die Beurteilung der Kongruenz beziehungsweise Inkongruenz im Zusammenhang mit § 30 Abs 1 Z 1 KO ist stets und typisch einzelfallbezogen, sodass die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO grundsätzlich - abgesehen von grober Fehlbeurteilung - nicht gegeben sind (RIS-Justiz RS0111989; 3 Ob 44/00t; 7 Ob 246/01d ua). Die Anfechtung nach § 30 Abs 1 Z 1 KO setzt unter anderem voraus, dass die Beklagten eine Deckung erlangt haben, die sie nicht oder nicht in der Art oder nicht in der Zeit zu beanspruchen hatten (sogenannte inkongruente oder abweichende Deckung). Die Deckung ist somit dann nicht inkongruent, wenn rechtlich ein Anspruch auf sie besteht (RIS-Justiz RS0064664). Im Interesse der Durchsetzung des Zwecks dieser Vorschrift (Verhinderung der objektiven Begünstigung eines Gläubigers vor den anderen und damit Sicherstellung der Gleichbehandlung aller Gläubiger) sind an die eine Anfechtung ausschließende Kongruenz der Deckung strenge Anforderungen zu stellen (ÖBA 1997/608, ÖBA 1991/265; SZ 52/147). Die bewirkte Deckung darf sich nicht in einem nach der Gepflogenheit der Beteiligten oder der Verkehrsauffassung und der einschlägigen Lebensverhältnisse nicht unwesentlichen oder nicht üblichen Maße von der rechtlich gebührenden Deckung entfernt haben (SZ 46/57, SZ 57/87, SZ 71/74, EvBl 1984/64, ÖBA 1997/608, ZIK 1999, 134, ÖBA 1991/265, Koziol/Bollenberger in Bartsch/Pollak/Buchegger4, § 30 KO, Rz 18; König, Anfechtung2, Rz 241). Dies beruht auf dem Gedanken, die Begünstigung durch inkongruente Deckung sei eine so auffällige Tatsache, dass sich der begünstigte Gläubiger nicht damit entschuldigen kann, dass ihn kein Verschulden daran trifft, dass ihm die Begünstigung verborgen blieb (Ehrenzweig, Kommentar, 239; Koziol/Bollenberger, aaO; König aaO; Fink in ÖBA 1990, 840 [Glosse]). Die Behauptungs- und Beweislast für die Inkongruenz der Deckung trägt der Masseverwalter (ZIK 1999, 134, ÖBA 1990/231, König aaO Rz 250, Koziol/Bollenberger aaO § 30, Rz 43). Damit hat der Masseverwalter alle Umstände zu behaupten und zu beweisen, aus denen sich ergibt, dass die bewirkte Befriedigung inkongruent war (7 Ob 231/01y).

Dieser Behauptungs- und Beweislast ist die Klägerin insoweit nicht nachgekommen, als sie im Verfahren erster Instanz nicht das - nunmehr in den Mittelpunkt ihrer Revisionsausführungen zur Inkongruenz gestellte - Vorbringen erstattete, nach dem 31. 1. 1998 wäre das Wohnrecht nicht mehr zu verbüchern, sondern die Erstbeklagte auf Schadenersatzansprüche verwiesen gewesen. Eines entsprechenden Vorbringens und Beweisanbots hätte es schon deshalb bedurft, da der Inhalt des Vertrages Beil./2 keinesfalls zu dem Schluss zwingt, eine Verletzung der Pflicht des Eigentümers zur Verbücherung des Wohnrechtes bis zum genannten Termin solle nach dem Parteiwillen den Untergang des Anspruchs auf Verdinglichung bewirken. Ist aber von einem bestehenden Rechtsanspruch auf Verbücherung auszugehen, ist die Ansicht der Vorinstanzen, die Beklagten haben durch das angefochtene Verfügungsgeschäft nur das erhalten, was ihnen auf Grund des Vertrages zustand, auch unter gebotener Anlegung eines strengen Maßstabes keinesfalls grob unrichtig.

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