OGH 7Ob231/01y

OGH7Ob231/01y30.1.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Vogel, Dr. Schaumüller und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Hans R*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der J. L. B***** GmbH, ***** gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Finanzamt für den 23. Bezirk), vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen S 7,703.213,-- (Revisionsinteresse S 4,400.000,--), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 13. Juni 2001, GZ 3 R 37/01k-9, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Über das Vermögen der nunmehrigen Gemeinschuldnerin wurde mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 19. 7. 1999 das Ausgleichsverfahren, mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 13. 9. 1999 das Anschlusskonkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Ausgleichs- bzw Masseverwalter bestellt.

Am 6. 7. 1999 wurden von der nunmehrigen Gemeinschuldnerin S 4,400.000 an das Finanzamt für den 23. Bezirk gewidmet auf Umsatzsteuer für den Zeitraum Mai 1999 überwiesen.

Der Kläger ficht - soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist - diese Zahlung nach § 30 Abs 1 Z 1 KO mit der Begründung an, dass die 9 Tage vorzeitige Zahlung inkongruent sei (fällig am 15. 7. 1999).

Die Beklagte bestritt das Begehren mit der Begründung, dass geringfügig vorzeitige Zahlungen nicht zur Inkongruenz der Leistung führen, weil diese durchaus üblich und daher nicht verdächtig seien. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung im Sinn einer Klagsabweisung ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Klägers nicht zulässig. Als erheblich wird von der Revision aufgegriffen, dass das Berufungsgericht dem Masseverwalter und nicht der Beklagten die Behauptungs- und Beweislast dafür auferlegt hat, dass eine Gläubigerbenachteiligung durch die angefochtene Zahlung nicht eingetreten wäre bzw eine solche später nicht weggefallen wäre. Eine um neun Tage vorzeitige Zahlung sei inkongruent.

Die Anfechtung nach § 30 Abs 1 Z 1 KO setzt unter anderem voraus, dass die Beklagte eine Deckung erlangt hat, die sie nicht oder nicht in der Art oder nicht in der Zeit zu beanspruchen hatte (sogenannte inkongruente oder abweichend Deckung). Jede Leistung vor Fälligkeit erfüllt den Anfechtungstatbestand, und zwar auch dann, wenn die Fälligkeit noch vor der Konkurseröffnung eingetreten wäre (SZ 62/199 = ecolex 1990,85 = RdW 1990, 158 = ÖBA 1990, 836/241 (Fink) mwN). Im Interesse der Durchsetzung des Zwecks dieser Vorschrift (Verhinderung der objektiven Begünstigung eines Gläubigers vor den anderen und damit Sicherstellung der Gleichbehandlung aller Gläubiger) sind an die eine Anfechtung ausschließende Kongruenz der Deckung strenge Anforderungen zu stellen (ÖBA 1997/608, ÖBA 1991/265; SZ 52/147). Die bewirkte Deckung darf sich nicht in einem nach der Gepflogenheit der Beteiligten oder der Verkehrsauffassung und der einschlägigen Lebensverhältnisse nicht unwesentlichen oder nicht üblichen Maße von der rechtlich gebührenden Deckung entfernt haben (SZ 46/57, SZ 57/87, SZ 71/74, EvBl 1984/64, ÖBA 1997/608, ZIK 1999, 134, ÖBA 1991/265, Koziol/Bollenberger in Bartsch/Pollak/Buchegger4, § 30 KO, Rz 18; König, Anfechtung2, Rz 241). Dies beruht auf dem Gedanken, die Begünstigung durch inkongruente Deckung sei eine so auffällige Tatsache, dass sich der begünstigte Gläubiger nicht damit entschuldigen kann, dass ihn kein Verschulden daran trifft, dass ihm die Begünstigung verborgen blieb (Ehrenzweig, Kommentar, 239; Koziol/Bollenberger, aaO; König aaO; Fink in ÖBA 1990, 840 [Glosse]). Die Behauptungs- und Beweislast für die Inkongruenz der Deckung trägt der Masseverwalter (ZIK 1999, 134, ÖBA 1990/231, König aaO Rz 250, Koziol/Bollenberger aaO § 30, Rz 43). Dieser Rechtsansicht entspricht auch die Entscheidung SZ 62/199, nach der es dem Masseverwalter zum Nachteil gereichte, dass die allenfalls dennoch für eine Inkongruenz sprechenden Umstände im Verfahren nicht hervorkamen. Damit hat der Masseverwalter alle Umstände zu behaupten und zu beweisen, aus denen sich ergibt, dass die bewirkte Befriedigung inkongruent war.

Geringfügig vorzeitige Zahlungen führen per se noch nicht zur

Inkongruenz, weil diese durchaus üblich und daher im oben dargelegten

Sinn nicht verdächtig sind. Ob es nun für die Beurteilung der

Kongruenz lediglich des Beweises bedarf, dass die bewirkte

Befriedigung nicht wesentlich oder in unüblichem Maß von der

tatsächlich zustehenden entfernt ist (ÖBA 1997/608, ZIK 1999, 134,

ÖBA 1991/265, EvBl 1984/64, SZ 71/74, SZ 57/87, SZ 46/57 nennen keine

anderen Voraussetzungen) oder ob zusätzlich noch kein Anhaltspunkt

dafür bestehen darf, dass sich bis zu einer exakt in der Zeit

vorgenommenen Zahlung die für die angestrebte

Gläubigergleichbehandlung maßgeblichen Vermögensverhältnisse des

späteren Gemeinschuldners irgendwie geändert hätten (SZ 62/199 =

ecolex 1990,85 = RdW 1990, 158 = ÖBA 1990, 836/241 [kritisch Fink,

der die Ansicht vertritt, dass es darauf nicht ankomme]), ist für den vorliegenden Rechtsfall sohin nicht entscheidungsrelevant (hat doch der Masseverwalter jedenfalls die eine Inkongruenz begründenden Tatsachen zu beweisen) und kann daher dahingestellt bleiben. Das Berufungsgericht hat die um 9 Tage vorzeitige Befriedigung der Forderung der Beklagten als kongruent beurteilt, da es tolerierbar sei, wenn der Schuldner bei Erteilung des Überweisungsauftrages in Kauf nehme, dass seine Zahlung allenfalls um einige Tage verfrüht (also vor Fälligkeit) beim Gläubiger eintreffe. Es könne nicht von einem auffallenden und ungewöhnlichen Zahlungsvorgang vor Fälligkeit die Rede sein. Die Beurteilung, ob in einem Fall noch von einer kongruenten Deckung auszugehen ist, weil sie nicht wesentlich oder unüblich früher als zugestanden erfolgte, ist stets und typisch einzelfallbezogen (vgl. ZIK 1999, 134). Die Beurteilung des Berufungsgerichtes hält sich im Rahmen der vom Obersten Gerichtshof aufgestellten Grundsätze und ist nicht zu beanstanden (vgl auch Petschek/Reimer/Schiemer, S 333, FN 38, nach deren Ansicht bei einer Zahlung 9 Tage vor dem Fälligkeitstag eine mäßige Verfrühung vorliege, der es nach Auffassung des Verkehrs an einer wirtschaftlich wahrnehmbaren Inkongruenz fehle).

Es liegt daher keine im Sinne des § 502 ZPO erhebliche Rechtsfrage zur Entscheidung vor.

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