OGH 1Ob9/03k

OGH1Ob9/03k25.3.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Halis K*****, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen 10.735,13 EUR sA infolge ordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 11. Oktober 2002, GZ 14 R 129/02x-52, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 20. März 2002, GZ 32 Cg 26/97x-48, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz.

Text

Begründung

Dem Kläger, einem türkischen Staatsangehörigen, war eine bis zum 1. 1. 1994 befristete Aufenthaltsbewilligung für Österreich erteilt worden. Am 20. 12. 1993 beantragte er deren Verlängerung. Dieser Antrag wurde mit Bescheid der Verwaltungsbehörde erster Instanz vom 20. 2. 1994 unter Berufung auf § 6 Abs 3 AufG wegen Verspätung abgewiesen. Der Berufung des Klägers wurde mit Bescheid der Verwaltungsbehörde zweiter Instanz vom 4. 8. 1994 nicht Folge gegeben. Dagegen erhob der Kläger Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der den angefochtenen Bescheid mit Erkenntnis vom 10. 10. 1995, B 1980/94-9, aufhob und aussprach, dass der Kläger durch den aufgehobenen Bescheid in dem gemäß Art 8 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt worden sei.

Nachdem der berufungsbehördliche Bescheid ergangen war, wurde gegen den Kläger ein Ausweisungsverfahren eingeleitet, als dessen Ergebnis der Kläger mit Bescheid der Verwaltungsbehörde erster Instanz vom 10. 1. 1995 ausgewiesen wurde. Die Berufungsbehörde bestätigte diese Entscheidung mit Bescheid vom 23. 3. 1995. Der Verfassungsgerichtshof gab dem Antrag des Klägers, seiner Beschwerde gegen die Ausweisung aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, zwar mit Beschluss vom 21. 9. 1995, B 1359/95-7, Folge, lehnte jedoch mit Beschluss vom 28. 11. 1995, B 1359/95-9, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie mit Beschluss vom 25. 1. 1996, B 1359/95-12, zur Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof ab. Im Aufenthaltsverfahren wurde dem Kläger nach Aufhebung des Bescheids vom 4. 8. 1994 mit Bescheid der belangten Behörde vom 6. 2. 1996 die Aufenthaltsbewilligung für den Zweck "unselbständige Erwerbstätigkeit" vom 2. 1. 1994 bis 16. 9. 1996 erteilt. Das Ausweisungsverfahren wurde mit Bescheid der Verwaltungsbehörde erster Instanz vom 22. 3. 1996 wiederaufgenommen. Deshalb erklärte der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde gegen den Bescheid der Berufungsbehörde im Ausweisungsverfahren mit Beschluss vom 18. 6. 1998, 96/18/0040-12, "als gegenstandslos" und stellte das Verfahren ein.

Der Kläger begehrte den Zuspruch von 147.718,60 S (= 10.735,13 EUR) sA und brachte vor, die Verwaltungsbehörden hätten das Gesetz im Aufenthaltsverfahren nach den Gründen des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshof vom 10. 10. 1995 schikanös und daher in denkunmöglicher Weise angewendet. Deshalb sei grobes Organverschulden anzunehmen. Überdies habe der Kläger den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung selbst nach dem reinen Wortlaut des § 6 Abs 3 AufG rechtzeitig einbringen wollen, habe doch seine Mutter zur Einbringung eines Verlängerungsantrags in seinem Namen am 6. 12. 1993, dem letzten Tag der Frist, "beim MBA" vorgesprochen. Die Entgegennahme des Antrags sei allerdings unter Hinweis auf das Fehlen einer Arbeitsbestätigung abgelehnt worden. Am 9. 12. 1993 habe er die Antragstellung neuerlich vergeblich versucht. Bei dieser Gelegenheit habe ihn die Behörde wegen des Mangels einer Lohnbestätigung abgewiesen. Die Behörde habe durch die Verweigerung der Antragsentgegennahme ihre Rechtspflicht gemäß § 13 AVG vorsätzlich verletzt. Hilfsweise sei das Klagebegehren daher auch aus diesem Grund gerechtfertigt. Der Klageanspruch resultiere aus den durch das rechtswidrige und schuldhafte Organverhalten verursachten Kosten des Ausweisungsverfahrens sowie den Kosten der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof im Aufenthaltsverfahren unter Abzug des bereits im Erkenntnis vom 10. 10. 1995 zuerkannten Betrags. Dieser Anspruch sei nicht verjährt.

Die beklagte Partei wendete ein, der Klageanspruch sei verjährt. Der Bescheid vom 4. 8. 1994 sei noch vor dem 27. 8. 1994 zugestellt worden. Das Aufforderungsschreiben gemäß § 8 AHG sei bei der Finanzprokuratur am 31. 7. 1997 eingelangt. Somit habe die Erklärungsfrist gemäß § 8 Abs 1 AHG am 31. 10. 1997 geendet. Gleichzeitig sei die Fortlaufhemmung gemäß § 6 Abs 1 AHG weggefallen. Die deshalb wieder in Gang gesetzte Verjährungsfrist sei spätestens am 27. 11. 1997 abgelaufen. Die Klage sei indes erst am 28. 11. 1997 eingebracht worden. Das Klagebegehren sei jedoch - auch ungeachtet der Anspruchsverjährung - nicht gerechtfertigt, hätten sich doch die Entscheidungen der Verwaltungsbehörden nicht nur auf den klaren Wortlaut des Gesetzes, sondern auch auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs gestützt. Diese seien nicht befugt gewesen, die Anwendung eines Gesetzes wegen dessen allfälligen Kollision mit der Verfassungsrechtslage zu unterlassen. Demnach seien die maßgebenden Entscheidungen "zumindest vertretbar".

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Klageanspruch sei nicht verjährt. Die Verjährung habe erst mit Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom 10. 10. 1995 am 10. 11. 1995 begonnen. Nach diesem Erkenntnis hätten die Verwaltungsbehörden dem Aufenthaltsgesetz einen verfassungswidrigen, der ständigen Spruchpraxis des Verfassungsgerichtshofs widersprechenden und daher unvertretbaren Inhalt unterstellt.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und ließ die ordentliche Revision zu. Für den Vorwurf der Unvertretbarkeit eines Organverhaltens genüge nicht schon der Umstand, dass "ein Höchstgericht nachträglich einen Bescheid als gesetz- oder verfassungswidrig" erkannt habe. Die Frage nach der Vertretbarkeit eines Organverhaltens in Vollziehung der Gesetze sei nicht von den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts, sondern allein von den Amtshaftungsgerichten zu beurteilen. Die von den Verwaltungsbehörden angewendete Bestimmung des Aufenthaltsgesetzes sei ihrem Wortlaut nach unmissverständlich gewesen. Danach habe ein im Inland gestellter, jedoch verspäteter Antrag eines Fremden auf Verlängerung dessen Aufenthaltsbewilligung nicht erfolgreich sein können. Die Grenzziehung zwischen einer "verfassungskonformen und verfassungswidrigen Interpretation eines vom Wortlaut her nicht unklaren Gesetzes" sei dem Verfassungsgerichtshof vorbehalten. Die beklagte Partei berufe sich als Stütze für die Vertretbarkeit des zu beurteilenden Organverhaltens ferner mit Recht auf die Praxis des Verwaltungsgerichtshofs (17. 5. 1995, 95/21/0495) vor dem hier maßgebenden Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 10. 10. 1995. Danach sei ein verspäteter Verlängerungsantrag nicht materiell zu prüfen gewesen. Auch der Rechtsbehelf der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht in Betracht gekommen, weil die hier bedeutsame Frist eine materiell-rechtliche Frist sei. Die dem Klageanspruch zugrunde liegenden Bescheide hätten somit der Rechtsprechung eines Höchstgerichts entsprochen, sodass das Klagebegehren auch an § 2 Abs 3 AHG scheitern müsse. "Darauf, dass der Antrag deswegen zu Unrecht abgewiesen worden" sei, "weil nur durch einen Fehler der Behörde selbst eine Verspätung entstanden" sei - "wie dies in der in der Klage zitierten Berufung des Klägers im Anlassverwaltungsverfahren" anklinge -, habe "sich der Kläger im Amtshaftungsverfahren nicht gestützt", sei "doch der bloße Verweis in der Klage auf früheres Vorbringen im Verwaltungsverfahren kein Ersatz für eigenes Vorbringen im Zivilverfahren". Die Revision sei zulässig. Es bedürfe der Lösung der erheblichen Rechtsfrage, ob "der Berufungsbehörde eine Unvertretbarkeit ihrer Entscheidung", die sich auf eine verfassungswidrige Gesetzesauslegung gestützt habe, vorwerfbar sei.

Die Revision ist zulässig; sie ist im Rahmen ihres Aufhebungsbegehrens auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

I. Organverhalten - Vertretbarkeitsfrage

1. Erhebliche Rechtsfrage

Der Oberste Gerichtshof sprach jüngst in der Entscheidung 1 Ob 103/02g aus, es komme im Amtshaftungsprozess schon auf der für die Vorinstanzen bedeutsamen ersten Prüfungsstufe nicht auf die Richtigkeit, sondern nur auf die Vertretbarkeit der Rechtsauslegung bzw Rechtsausübung hoheitlichen Organverhaltens an; auf der im Revisionsverfahren relevanten zweiten Prüfungsstufe müsste aber auch noch die durch das Berufungsgericht vorgenommene Beurteilung des Organverhaltens als vertretbar eine gravierende Fehlbeurteilung der Umstände des Einzelfalls und insoweit geradezu unvertretbar sein. Die Zulässigkeit der Revision hänge somit nicht davon ab, ob das Berufungsgericht die Vertretbarkeitsfrage richtig gelöst habe. Bedeutsam sei vielmehr nur, ob deren Lösung auf einer gravierenden Fehlbeurteilung beruhe. Im Anlassfall geht es indes in erster Linie nicht um eine solche Beurteilung der Umstände des Einzelfalls. Es ist vielmehr die deshalb erhebliche Rechtsfrage zu klären, ob die Gründe des einer Beschwerde gegen einen individuellen Verwaltungsakt stattgebenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs den Spielraum der Zivilgerichte bei der Beurteilung der Vertretbarkeit des für den kassierten Verwaltungsakt maßgebenden Organverhaltens einschränken.

2. VfGH-Erkenntnis - Bindung

2. 1. Der Kläger hält die Ansicht des Verfassungsgerichtshofs über "die Gravidität der Rechtswidrigkeit" in den Gründen eines Erkenntnisses im Zivilprozess für bindend, sei doch der Verfassungsgerichtshof das für diese Beurteilung zuständige Gericht. Somit dürften die Amtshaftungsgerichte von der Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofs nicht abweichen. Diese Rechtsfolge ergebe sich aus der verfassungsrechtlichen Abgrenzung der Kompetenzen der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts als Bescheidprüfungsgerichtshöfe sowie aus der Entscheidung 1 Ob 31/94.

2. 2. Die Amtshaftungsgerichte sind bei der Beurteilung des Klagebegehrens an den Ausspruch des Verfassungsgerichtshofs im Erkenntnis vom 10. 10. 1995, B 1980/94-9, nur insoweit gebunden, als der Bescheid der belangten Behörde den Kläger in dem gemäß Art 8 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt habe. Demnach ist den Amtshaftungsgerichten die Annahme verwehrt, das hier als Klagegrund erörterte Organverhalten sei entgegen der Ansicht des Verfassungsgerichtshofs rechtmäßig gewesen. Damit ist jedoch nur die Frage nach der Rechtswidrigkeit des Organverhaltens als eine der Erfolgsvoraussetzungen des Klageanspruchs geklärt. Die Lösung der Frage, ob dem Organ auch Verschulden am rechtswidrigen Akt hoheitlicher Vollziehung - hier also die Unvertretbarkeit einer rechtswidrigen Entscheidung - vorzuwerfen ist, bleibt dagegen den Amtshaftungsgerichten vorbehalten.

Aus der verfassungsrechtlichen Abgrenzung der Zuständigkeiten der beiden Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kann - entgegen den Ausführungen des Klägers in dessen Rechtsmittel - für die von diesem angestrebte Bindung der Amtshaftungsgerichte an die Entscheidungsgründe verfassungsrechtlicher Erkenntnisse bei deren Beurteilung der Verschuldensfrage und damit auch der Frage nach der Vertretbarkeit der beanstandeten Rechtsauffassung des Organs nichts gewonnen werden. Nach den dafür maßgeblichen Bestimmungen Art 130 f und 144 B-VG) befinden nämlich die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts gleichermaßen über die in der Beschwerde behauptete Rechtswidrigkeit von Bescheiden, wobei dem Verfassungsgerichtshof die Prüfung vorbehalten ist, wenn der Beschwerdeführer durch den Bescheid in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet (Mayer, B-VG2 Art 133 I. 1 mwN). Voraussetzung für den Erfolg der Beschwerde ist ausschließlich die Bejahung der Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheids durch den Verwaltungsgerichtshof bzw dessen Verfassungsrechtswidrigkeit durch den Verfassungsgerichtshof. Dagegen kommt es für den Erfolg der Beschwerde keineswegs auch darauf an, ob der als unrichtig erkannten Rechtsauffassung der belangten Behörde auch ein Sorgfaltsverstoß im Sinne von Verschulden gemäß § 1 Abs 1 AHG und § 1295 Abs 1 ABGB zugrunde liegt, namentlich somit auch nicht, ob die Rechtsansicht des Organs nicht nur unrichtig ist bzw ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht verletzt, sondern auch unvertretbar ist. Soweit daher den Entscheidungsgründen des angerufenen Gerichtshofs Äußerungen entnommen werden können, die auf eine solche Wertung hindeuten, sind sie letztlich obiter dicta, gehören also nicht zur tragenden Begründung, sodass sie - schon mangels Zuständigkeit des Gerichtshofs zur Lösung dieser Rechtsfragen - keine Bindungswirkung entfalten können.

Weshalb gerade die Entscheidung 1 Ob 31/94 den Prozessstandpunkt des Klägers tragen soll, ist rätselhaft. Dort wurde ausgesprochen, dass die gesetzwidrige Erlassung einer Verordnung Amtshaftungsansprüche auslösen könne. Eine Verordnung werde auch dann "'angewendet'", wenn etwa die Beurteilung ihrer Gesetzmäßigkeit im Amtshaftungsverfahren nur die Vorfrage für die Entscheidung über einen Schadenersatzanspruch bilde. Habe der Verfassungsgerichtshof die vom Verwaltungsgerichtshof gegen die Rechtmäßigkeit einer Verordnung erhobenen Bedenken geprüft und verneint, so sei der Oberste Gerichtshof in analoger Anwendung des § 11 Abs 1 AHG an die Rechtsauffassung des Verfassungsgerichtshofs über die Rechtmäßigkeit der Verordnung insoweit gebunden, als deren Anfechtung durch den Verwaltungsgerichtshof gereicht habe. Dagegen sei die Vertretbarkeit der Rechtsauffassung des Verordnungsgebers allein von den Amtshaftungsgerichten zu beurteilen. Diese - einen generellen Verwaltungsakt betreffende - Entscheidung beruht daher bei der Lösung der erörterten Verschuldensfrage im Kern gerade auf jenen Erwägungen, die bereits die voranstehenden Ausführungen stützen. Demnach ist die vom Kläger aufgeworfene Bindungsfrage nicht im Sinne seines Prozesstandpunkts zu lösen. Es folgt vielmehr aus allen bisherigen Ausführungen zusammenfassend:

Die Amtshaftungsgerichte sind bei Beurteilung der Vertretbarkeit eines individuellen oder generellen Verwaltungsakts an die die Verschuldensfrage berührenden Wertungen in Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofs nicht gebunden.

3. Vertretbarkeitsfrage im Anlassfall

3. 1. Der Verfassungsgerichtshof führte in seinem Erkenntnis vom 10. 10. 1995, B 1980/94-a ua wörtlich aus:

"II. Die für die vorliegenden Beschwerdefälle maßgeblichen Bestimmungen des § 6 AufenthaltsG, BGBl. 466/1992 (in der zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide geltenden Fassung BGBl. 838/1992, 502/1993 und 314/1994), lauten:

§ 6 (1) Außer in den Fällen des § 7 Abs 1 wird die Bewilligung und deren Verlängerung auf Antrag erteilt. In dem Antrag ist der Zweck des vorgesehenen Aufenthaltes in Österreich genau anzugeben, und glaubhaft zu machen, daß kein Ausschließungsgrund (§ 5) vorliegt.

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung kann auch vom Inland aus gestellt werden.

(3) Anträge auf Verlängerung einer Bewilligung sind so rechtzeitig zu stellen, daß darüber vor Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung entschieden werden kann; solche Anträge sind jedenfalls spätestens vier Wochen vor diesem Zeitpunkt zu stellen. Wird über einen solchen Antrag nicht rechtzeitig vor Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung entschieden, so verlängert sich die Geltungsdauer bis zum Zeitpunkt der Entscheidung, längstens aber um sechs Wochen.

(4) ...

...

III. ...

2. ...

Die belangte Behörde geht davon aus, daß § 6 Abs 3 AufenthaltsG eine vierwöchige Frist festlegt, welche eine inhaltliche Auseinandersetzung mit Anträgen verbietet, die nach Ablauf dieser Frist gestellt wurden; sie wies daher die Anträge als verspätet ab.

2. 1. Diese Rechtsansicht der belangten Behörde unterstellt der angewendeten Rechtsvorschrift des § 6 Abs 3 AufenthaltsG zu Unrecht einen verfassungswidrigen Inhalt. Denn sie würde dazu führen, daß der Fremde bei Nichteinhaltung der vierwöchigen Frist trotz (noch) aufrechter Aufenthaltsgenehmigung gehalten wäre, den Antrag auf Verlängerung - entgegen § 6 Abs 2 AufenthaltsG - in jedem Fall vom Ausland aus zu stellen. § 6 Abs 2 AufenthaltsG regelt zwei Fallgruppen: ...

2. 2. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 16. Juni 1995 B 1611-1614/94 - es betraf Fremde, die sich lange Jahre im Inland rechtmäßig aufhielten oder hier geboren wurden und relativ kurze Zeit nach Ablauf der Aufenthaltsbewilligung vom Inland aus einen Antrag auf Verlängerung stellten - darlegte, würde die Anwendung der Regel, 'daß der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen ist, der Rechtsvorschrift nicht nur einen geradezu schikanösen Inhalt zumessen; es käme vielmehr ein solches Interpretationsergebnis auch mit Art 8 EMRK in Widerspruch, da es im Sinne des Gesetzesvorbehaltes des Abs 2 dieses Konventionsartikels - anders als in Mißbrauchsfällen - keinesfalls als notwendig angesehen werden kann, um eines der dort genannten Ziele zu erreichen, daß Antragsteller, die sich jahre- bzw. jahrzehntelang, ja teilweise sogar seit der Geburt rechtmäßig in Österreich aufgehalten haben, wegen einer relativ kurzen Versäumung einer Frist zur Ausreise aus dem Bundesgebiet gezwungen würden, nur damit sie einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom Ausland stellen können.' Dies gilt umso mehr für Fremde, die sich zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten, die aber den Antrag - wie hier - nicht spätestens vier Wochen vor Ablauf der Bewilligung gestellt hatten und bei denen gewichtige Interessen des Privat- und Familienlebens vorliegen.

2. 3. Die belangte Behörde vermeint, daß sie auf das Vorbringen der Beschwerdeführer in ihrer Berufung nicht weiter eingehen konnte, weil die vierwöchige Frist des § 6 Abs 3 AufenthaltsG eine zwingende Norm darstellt, die eine Abwägung mit Interessen des Privat- oder Familienlebens, die für die Erteilung der Bewilligung sprechen, nicht zuläßt. Dieses Verständnis ist jedoch nicht zwingend und käme mit Art 8 EMRK in Konflikt: Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in der imperativen Formulierung der Sichtvermerkversagungsgründe in § 10 Abs 1 FremdenG ('ist zu versagen' [VfGH 28. 2. 1994 B1364/93 und VfGH 11. 3. 1994 B966/93 und B1089/93]) und der Ausschließungsgründe des nicht gesicherten Lebensunterhaltes und der nicht gesicherten für Inländer ortsüblichen Unterkunft in § 5 Abs 1 AufenthaltsG ('darf ... nicht erteilt werden' [VfGH 16. 3. 1995 B2259/94]) kein Hindernis für die durch Art 8 EMRK gebotene Interessensabwägung erblickt. Es schließt auch die - ebenfalls imperative - Anordnung des § 6 Abs 3 AufenthaltsG unter Bezugnahme auf den Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung ('solche Anträge sind jedenfalls spätestens vier Wochen vor diesem Zeitpunkt zu stellen') eine Interessensabwägung nach Art 8 EMRK nicht aus; vielmehr gebietet der Grundsatz der verfassungskonformen Interpretation von Gesetzen (s dazu etwa VfSlg 12469/1990, 12501/1990, 12572/1990), daß die Behörde in Fällen wie den hier vorliegenden und zur Entscheidung stehenden, in denen zur Antragstellung auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung die vier-Wochen-Frist nicht gewahrt wurde, eine Abwägung der Privat- und Familieninteressen der Bewilligungswerber mit den öffentlichen Interessen vornimmt.

2. 4. Aufgrund ihrer verfehlten Rechtsansicht hat die belangte Behörde diese gemäß Art 8 EMRK gebotene Interessensabwägung unterlassen. Sie hat somit bei Erlassung ihrer Bescheide der Norm des § 6 Abs 3 AufenthaltsG einen verfassungswidrigen, weil Art 8 EMRK widersprechenden, Inhalt unterstellt, was die angefochtenen Bescheide mit Verfassungswidrigkeit belastet."

Dementgegen gelangte der Verwaltungsgerichtshof etwa noch in seinem Erkenntnis vom 17. 5. 1995, 95/21/0495 - im Einklang mit seiner vorangegangenen Praxis (siehe etwa 19. 1. 1995, 94/18/0961; 17. 11. 1994, 94/18/0748) - zu nachstehenden Schlussfolgerungen:

"1. Gemäß § 6 Abs 3 erster Satz AufG sind Anträge auf Verlängerung einer Bewilligung so rechtzeitig zu stellen, daß darüber vor Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung entschieden werden kann; solche Anträge sind jedenfalls spätestens 4 Wochen vor diesem Zeitpunkt zu stellen.

2. In der Beschwerde werden die maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde, daß die Geltungsdauer der dem Beschwerdeführer erteilten Aufenthaltsbewilligung mit 14. Dezember 1994 abgelaufen sei, und der Antrag auf Verlängerung der Bewilligung erst am 21. November 1994 gestellt wurde, nicht bestritten. Die Ansicht der belangten Behörde, daß der Verlängerungsantrag nach Ablauf der hiefür vorgesehenen gesetzlichen Frist gestellt worden sei, ist unter Zugrundelegung des unbestrittenen Sachverhaltes zutreffend.

3. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, § 6 Abs 3 leg cit bringe nicht klar den Willen des Gesetzgebers zum Ausdruck, somit die Verfassungsgemäßheit dieser Gesetzesbestimmung bezweifelt, vermag sich der Verwaltungsgerichtshof diesem Standpunkt nicht anzuschließen. Der Verwaltungsgerichtshof kann auch nicht erkennen, daß die Regelung des § 6 Abs 3 erster Satz zweiter Halbsatz AufG bei der gebotenen Durchschnittsbetrachtung den dem Gesetzgeber eingeräumten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum überschreiten würde; er sieht daher keine Veranlassung die vom Beschwerdeführer allenfalls angestrebte Überprüfung der Verfassungsgemäßheit dieser Bestimmung nach Art 140 Abs 1 B-VG zu veranlassen (vgl das hg Erkenntnis vom 1. Februar 1995, Zl. 95/18/0087).

4. Insoweit die Beschwerde eine Ergänzungsbedürftigkeit der betroffenen Feststellungen dahingehend erblickt, ob die rechtsunkundige gesetzliche Vertreterin des Beschwerdeführers über die Möglichkeit eines Wiedereinsetzungsantrages in den vorigen Stand belehrt worden ist oder nicht, genügt der Hinweis, daß die Stellung eines Verlängerungsantrages der Durchsetzung des materiell-rechtlichen Anspruches des Fremden auf Weitergewährung seines Aufenthaltsrechtes dient. Die dafür vom Gesetz vorgesehene Frist 'mit Ablauf der Geltungsdauer dieser Berechtigung' ist demnach eine materiell-rechtliche Frist, deren Nichteinhaltung zum Untergang des genannten Rechtsanspruches führt. Daraus folgt, daß gegen die Versäumung dieser Frist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 71 AVG nicht in Betracht kommt (vgl dazu das hg Erkenntnis vom 17. November 1994, Zl 94/18/0748).

5. Daß sich die belangte Behörde bei ihrer für den Beschwerdeführer negativen Entscheidung ausschließlich auf die verspätete Antragstellung gestützt hat, begründet keine Rechtswidrigkeit, da allein schon die Nichteinhaltung der Frist des § 6 Abs. 3 leg cit zwingend zur Versagung der vom Inland aus beantragten Aufenthaltsbewilligung führen mußte."

3. 2. Der den Wortlaut eines einfachen Gesetzes korrigierenden verfassungskonformen Auslegung - insbesondere auch durch den Verfassungsgerichtshof selbst - wird im Schrifttum mit beachtlichen Argumenten entgegengetreten, gerät doch dieser Lösungsansatz in Konflikt mit dem für die Aufhebung eines verfassungswidrigen Gesetzes bestimmenden System der verfassungsgerichtlichen Normenkontrolle (Handstanger, Verfassungskonforme oder berichtigende Auslegung? ÖJZ 1998, 169, 171 ff). Selbst Autoren, die - im Grundsätzlichen in Anlehnung an die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs - der Beachtung des Gebots verfassungskonformer Auslegung einfacher Gesetze durch die Verwaltungsbehörden das Wort reden, vertreten - so insbesondere auch unter Berufung auf die Rechtssprechung des Verfassungsgerichtshofs zu § 6 Abs 2 und 3 AufG - die Ansicht, "eine Billigkeit contra legem" lasse sich nur manchmal "noch als 'Auslegung' kaschieren" und erscheine "dann als solche verfassungsrechtlich geradezu geboten". Einem solchen Vorgehen seien indes Grenzen gesetzt. Die Verwaltungsbehörde dürfe sich über verfassungswidrige Gesetze, die ihr jenen Spielraum "zur angemessenen Berücksichtigung des Einzelfalles", den das verfassungsrechtliche, Verhältnismäßigkeitsprinzip in den Anlassfällen erfordere, nicht einräumen, nicht selbständig hinwegsetzen und sie "unter Berufung auf eine im konkreten Fall gebotene billige Entscheidung außer Acht" lassen. Käme auch "bei flexiblem Einsatz aller vertretbaren Auslegungsmethoden im Rahmen des Gesetzes eine dem Einzelfall angemessene Entscheidung" nicht mehr gefunden werden, so sei die Verwaltungsbehörde "rechtlich verpflichtet, unbillig zu entscheiden", und könne "bestenfalls die Partei über die Möglichkeit belehren, den VfGH anzurufen". Die "gesetzeskorrigierende Billigkeit" erfordere "ein besonders sorgsames Abwägen und Begründen". Entspreche eine "auf 'Billigkeit' gestützte Entscheidung diesen Kriterien", so lasse "sie sich - zwar nicht juristisch, aber ethisch - rechtfertigen" (Öhlinger, Die Verwaltung zwischen Gesetz, Billigkeit und Bürgernähe, ZfV 1999, 678, 680 ff).

Vor dem Hintergrund solcher rechtsdogmatischer Erwägungen, aber auch angesichts der unter 3. 1. erläuterten Tatsache, dass die dem Kläger als primärer Klagegrund dienende Behördenpraxis der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs - also der Rechtsprechung der zur Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung berufenen Gerichtsinstanz - entsprach, ist es nachgerade ausgeschlossen, die hier bedeutsame, den maßgebenden Bescheiden zugrunde gelegte Rechtsauffassung der Verwaltungsorgane als unvertretbar oder gar als schikanös zu beurteilen. Es wurde vielmehr nur der unmissverständliche Wortlaut des Gesetzes, gegen dessen Verfassungsmäßigkeit auch der Verwaltungsgerichtshof (so ausdrücklich: 3. 11. 1994, 94/18/0610), keine Bedenken hatte, befolgt. Auch der Verfassungsgerichtshof hielt im Anlassfall bloß eine korrigierende Auslegung des § 6 Abs 3 AufG an Hand des von ihm herangezogenen Grundsatzes des Schutzes des Familienlebens für geboten. Der aus dem unter 3. 1. referierten Erkenntnis ableitbaren Ansicht des Verfassungsgerichtshofs, die Verwaltungsbehörden hätten dem Kläger die Sachentscheidung über dessen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung geradezu schikanös verweigert, ist somit nicht beizutreten, sodass der vom Kläger erhobene Ersatzanspruch nicht mit Erfolg auf die Behauptung, die Verwaltungsbehörden hätten § 6 Abs 3 AufG in unvertetbarer Weise angewendet, gestützt werden kann.

4. Eventualklagegrund

a) Vorbringen

4. 1. Der Kläger stützte sein Begehren aber nicht nur auf das soeben erörterte Vorbringen, sondern brachte hilfsweise vor, die Verwaltungsbehörde erster Instanz habe die Entgegennahme eines schon nach dem bloßen Wortlaut des § 6 Abs 3 AufG rechtzeitigen Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung rechtswidrig und schuldhaft verweigert. Das Berufungsgericht tat diesen Klagegrund mit dem Hinweis ab, eine entsprechende Andeutung in der das Berufungsvorbringen im Aufenthaltsverfahren wiedergebenden Klageerzählung genüge für eine Sachprüfung nicht. Dabei überging es jedoch nicht nur den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Schriftsatz vom 31. 10. 2001 (ON 46), sondern auch dessen ergänzendes Vorbringen in der Verhandlungstagsatzung vom 14. 11. 2001 (ON 47 S. 2), mit dem er die in dem erwähnten Schriftsatz aufgestellten Behauptungen in verkürzter Form wiederholte. Der Kläger hätte gar nicht deutlicher zum Ausdruck bringen können, dass er das Klagebegehren hilfsweise auch auf das erwähnte Organverhalten stütze. Er macht (auch) insofern ganz offenkundig die von ihm seinen Behauptungen nach als Rettungsaufwand zur Vermeidung jenes Vermögensschadens, der sonst infolge der verweigerten Entgegennahme des schon nach dem bloßen Wortlaut des § 6 Abs 3 AufG rechtzeitig gestellten Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung durch eine Ausweisung und Abschiebung entstanden wäre, notwendigen Verfahrenskosten (Vertretungskosten) geltend. Wie noch aufzuzeigen sein wird, veranlasste das Berufungsgericht infolge seines Versehens die Vervollständigung des Klagevorbringens nicht, was wiederum Ursache von Feststellungsmängeln sein kann.

b) Verlängerungsantrag - Rechtslage

4. 2. Nach der Spruchpraxis des Verwaltungsgerichtshofs (14. 12. 1995, 95/18/0786; 18. 5. 1995, 95/18/0850; 19. 1. 1995, 94/18/0961) konnte ein Verlängerungsantrag gemäß § 6 Abs 3 erster Satz AufG nach § 13 Abs 2 AVG nur schriftlich eingebracht werden. Im Erkenntnis vom 18. 5. 1995, 95/18/0767, sprach dieser Gerichtshof ferner aus:

"Die Behauptung, die Beschwerdeführerin habe 'am 4.11.1994 fristgerecht den Antrag auf Verlängerung gestellt', ist im Lichte der folgenden Beschwerdeausführungen eindeutig dahin zu verstehen, daß die Beschwerdeführerin an diesem Tag lediglich erfolglos versucht habe, den Antrag zu stellen.

Wurde der Antrag aber tatsächlich erst am 15. November 1994 gestellt, dann steht - wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat - der Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung - zwingend - die Versäumung der rechtzeitigen Antragstellung entgegen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist des § 6 Abs 3 erster Satz 2. Halbsatz Aufenthaltsgesetz kommt entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht in Betracht ..., sodaß dem darauf Bezug nehmenden Beschwerdevorbringen die Grundlage fehlt. Abgesehen davon, daß es der Beschwerdeführerin frei gestanden wäre, den schriftlichen Verlängerungsantrag zur Wahrung der Frist jedenfalls rechtzeitig in der Einlaufstelle der erstinstanzlichen Behörde einzubringen, vermag sie aus dem oben angeführten Grund mit ihrem die 'Nichtannahme' ihres Antrages und die Verletzung der Manuduktionspflicht durch die erstinstanzliche Behörde betreffenden Vorbringen keine zur Aufhebung der angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit aufzuzuzeigen ..."

Nach dieser Rechtsansicht muss der Antragsteller an sich selbst für die rechtzeitige Einbringung seines (schriftlichen) Verlängerungsantrags in der Einlaufstelle der Verwaltungsbehörde Sorge tragen (idS auch VwGH 14. 12. 1995, 95/18/0786; VwGH 18. 5. 1995, 95/18/0850). Die von der Verwaltungshörde unterlassene Manuduktion des Antragstellers begründe insofern zumindest keine solche Rechtswidrigkeit, die die Aufhebung des Bescheids, mit dem ein schließlich doch eingebrachter, nach dem bloßen Wortlaut des § 6 Abs 3 AufG aber verspäteter schriftlicher Verlängerungsantrag abgewiesen wurde, zur Folge haben könne. Dem erörterten verwaltungsgerichtlichen Erkenntnis ist jedoch nicht anzunehmen, dass die rundweg verweigerte Entgegennahme eines rechtzeitig gestellten schriftlichen Verlängerungsantrags durch einen Sachbearbeiter der Verwaltungsbehörde - für sich betrachtet - schon deshalb nicht rechtswidrig sein könne, weil der Aufenthaltswerber selbst für die rechtzeitige Übergabe des Verlängerungsantrags in der behördlichen Einlaufstelle sorgen müsse und insoweit nicht einmal dessen Manuduktion erforderlich sei. Dies ist nicht zuletzt selbst wieder aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu erschließen, § 6 Abs 3 AufG bestimme eine nicht restituierbare materiell-rechtliche Frist, weshalb die für die Fristversäumnis maßgebenden Umstände - so auch eine Verletzung der Anleitungspflicht nach § 13a AVG - nicht von Bedeutung seien (30. 11. 1999, 95/18/1323; 27. 7. 1995, 95/19/0109).

c) Verwaltungsbehördliche Anleitungspflicht

4. 3. Gemäß § 13a AVG hat die Behörde Personen, die nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertreten sind, die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen in der Regel mündlich zu geben und sie über die mit diesen Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar verbundenen Rechtsfolgen zu belehren. Die Unterlassung, der Rechtspflicht zur Manuduktion zu entsprechen, ist somit rechtswidrig. Deshalb kann ein Amtshaftungsanspruch auch auf eine derartige Unterlassung gestützt werden dienen, wenn der Schadenseintritt durch pflichtgemäßes Handeln unterblieben wäre (siehe allgemein dazu SZ 71/196; SZ 66/77; SZ 64/126; SZ 64/86 uva).

d) Fristberechnung (§ 6 Abs 3 AufG)

4. 4. Es wurde bereits unter 3. 1. und 4. 2. erläutert, dass § 6 Abs 3 AufG eine materiell-rechtliche Frist bestimmte. Der Ablauf einer materiell-rechtlichen Frist des Verwaltungsrechts ist an sich in analoger Anwendung der §§ 902 f ABGB zu ermitteln, soweit es an spezifischen verwaltungsrechtlichen Regeln mangelt (Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht³ 482). Das Aufenthaltsgesetz enthielt keine Bestimmung zur Berechnung der Frist gemäß dessen § 6 Abs 3. Dennoch bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der im bürgerlichen Recht strittigen Frage, was bei der Fristrückrechnung zu gelten habe, wenn der letzte Tag der Frist auf einen Samstag, Sonn- oder gesetzlichen Feiertag oder auf einen sonstigen Tag fällt, an dem eine materiell-rechtliche Frist nicht enden kann (siehe dazu Binder in Schwimann, ABGB² § 903 Rz 12; Reischauer in Rummel, ABGB³ § 902 Rz 8 je mwN). Der Verwaltungsgerichtshof löste diese Frage in Vollziehung des § 6 Abs 3 AufG nämlich dahin, dass sich die Frist, vor deren Ablauf die schriftliche Antragstellung erfolgen musste, auf den nächstfolgenden Werktag verlängerte, wenn der letzte Fristtag auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder auf einen Tag, der wie ein gesetzlicher Feiertag zu behandeln ist, fiel (14. 12. 1995, 95/18/0786; 18. 5. 1995, 95/18/0850).

4. 5. Im konkreten Fall endete das ursprüngliche Aufenthaltsrecht des Klägers am 1. 1. 1994. Dieser Tag war ein Samstag. Demzufolge war der letzte Tag der vierwöchigen Frist gemäß § 6 Abs 3 AufG rein rechnerisch Samstag, der 4. 12. 1993. Nach den voranstehenden Erwägungen endete daher die vom Kläger einzuhaltende Antragsfrist erst am nächstfolgenden Werktag, dem 6. 12. 1993.

e) Ergänzungsbedürftigkeit - Klagevorbringen

5. 1. Nach den Klagebehauptungen sollen Verwaltungsorgane am 6. 12. 1993 die Entgegennahme eines Antrags des Klägers auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung verweigert haben, weil dessen Vertreterin keine Arbeitsbestätigung mitgehabt habe. Dieses Vorbringen lässt nicht erkennen, ob die Vertreterin des Klägers einen schriftlichen Antrag überreichen oder bloß ein mündliches Anbringen erstatten wollte. Diese Unklarheit wird im fortgesetzten Verfahren aufzuklären sein, hätte doch ein wirksamer Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach den Erläuterungen unter 4. 2. schriftlich gestellt werden müssen. Wäre ein solcher Antrag bei entsprechender verwaltungsbehördlichen Manuduktion den Erwägungen unter 4. 3. zufolge noch rechtzeitig in der Einlaufstelle der Verwaltungsbehörde erster Instanz eingebracht worden, so hätte das Fehlen einer für die Sacherledigung des Anbringens erforderlichen Urkunde gemäß § 13 Abs 3 AVG (auch) in der seinerzeit geltenden Fassung nur Anlass für die Erteilung eines befristeten Verbesserungsauftrags wegen Formgebrechens, nicht aber für die Verweigerung der Entgegennahme des Anbringens sein können. Wäre demnach ein Verlängerungsantrag am 6. 12. 1993 noch fristgerecht und wäre der Kläger überdies in der Lage gewesen, einem rechtmäßigen Verbesserungsauftrag zu entsprechen, und hätte er, was nach dem Verfahrensverlauf nach dem unter 3. 1. referierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs auf der Hand liegt, die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen für die Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung erfüllt, so wäre die am 6. 12. 1993 unterbliebene Manuduktion seiner Vertreterin, den schriftlichen Verlängerungsantrag in der behördlichen Einlaufstelle abzugeben, als rechtswidriges und wegen der unmissverständlichen gesetzlichen Anleitungspflicht auch als unvertretbares und deshalb schuldhaftes Verhalten zu beurteilen, das jene Vertretungskosten verursachte, die der Kläger aufwenden musste, um die Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung aufgrund eines nur nach dem bloßen Wortlaut des § 6 Abs 3 AufG verspätet gestellten Antrags doch noch zu erwirken und damit den Eintritt jenes Vermögensschadens hintanzuhalten, der andernfalls durch eine - auf rechtswidrigem und schuldhaftem Organverhalten im Aufenthaltsverfahren beruhende - Ausweisung und Abschiebung entstanden wäre. Weder ein solcher Vermögensschaden noch der nunmehr geltend gemachte Kostenaufwand wäre eingetreten, wenn die Verwaltungsbehörde erster Instanz einem schon nach dem bloßen Wortlaut des § 6 Abs 3 AufG rechtzeitigen Verlängerungsantrag stattgegeben hätte. Das Vorbringen des Klägers, die Entgegennahme seines Verlängerungsantrags sei von der Behörde am 6. 12. 1993 vorsätzlich verweigert worden, weist schlüssig auf eine unterlassene Manuduktion hin. Eine ausdrückliche Behauptung in dieser Richtung fehlt indes. Der Kläger wird daher im fortgesetzten Verfahren auch insofern zu einer Vervollständigung seines Vorbringens anzuleiten sein, sollte am 6. 12. 1993 die Entgegennahme eines schriftlichen Anbringens verweigert worden sein.

II. Verjährung

1. 1. Die beklagte Partei erhob die Einrede der Verjährung. Sie hielt diesen Einwand auch im Berufungsverfahren aufrecht. In diesem Kontext ist die Frage zu prüfen, ob die Bescheidbeschwerde des Klägers im Aufenthaltsverfahren, die das unter I. 3. 1. referierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs veranlasste, den Lauf der Verjährungsfrist für den geltend gemachten Amtshaftungsanspruchs beeinflusste.

1. 2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof keine Rettungsmaßnahme im Sinne des § 2 Abs 2 AHG, von deren Ergreifung das Entstehen eines Amtshaftungsanspruchs abhinge (SZ 72/51; SZ 72/28; SZ 71/7). Daraus darf jedoch nicht der Gegenschluss gezogen werden, dass eine solche Beschwerde als Rettungsmaßnahme anderer Art zur Hintanhaltung eines sonst durch ein rechtswidriges und schuldhaftes Organverhalten in Vollziehung der Gesetze eintretenden Vermögensschadens ausschiede. Im Anlassfall gelang es dem Kläger gerade mit Hilfe des Marsches durch die Instanzen bis zum Verfassungsgerichtshof, den Eintritt jenes Vermögensschadens zu vermeiden, der sonst infolge der - auf rechtswidrigem und schuldhaftem Organverhalten im Aufenthaltsverfahren beruhenden - Ausweisung und Abschiebung verursacht worden wäre. Aus dem Wesen der Rettungspflicht nach § 2 Abs 2 AHG wurde im Übrigen abgeleitet, dass der Geschädigte den Beginn der Anspruchsverjährung nur nicht durch Ergreifung offenbar aussichtsloser Abhilfemaßnahmen hinausschieben könne. Das gilt für Schäden aus fehlerhaften Hoheitsakten, die durch Rettungsmaßnahmen nicht mehr abwendbar und daher unabänderlich sind (1 Ob 199/00x; SZ 72/51). Umgekehrt kann jedoch die Verjährung des Anspruchs auf Ersatz eines auf dem Boden einer ex ante-Beurteilung aussichtsreichen und daher zweckmäßigen Rettungsaufwands zur Abwendung des Eintritts eines bestimmten (anderen) Schadens nicht schon in Gang gesetzt werden, ehe noch der Erfolg oder Misserfolg der zweckmäßig ergriffenen Rettungsmaßnahme feststeht. Daraus folgt im Einklang mit der vom Erstgericht vertretenen Auffassung, dass die Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des vom Kläger investierten Rettungsaufwands nicht vor der Zustellung des Erkenntnisses des unter I. 3. 1. referierten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom 10. 10. 1995 beginnen konnte. Da die vorliegende Klage bereits am 28. 11. 1997 eingebracht wurde, kann der Klageanspruch jedenfalls nicht verjährt sein.

III. Ergebnis

Nach allen bisherigen Erwägungen ist derzeit eine abschließende rechtliche Beurteilung des erhobenen Amtshaftungsanspruchs noch nicht möglich. Die Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen erweist sich somit als unvermeidlich. Das Erstgericht wird den Kläger im fortzusetzenden Verfahren zur Erstattung des unter I. 5. 1. erläuterten klärenden Vorbringens anzuleiten haben. Je nach dessen Ergebnis wird entweder das Beweisverfahren zu ergänzen oder sogleich neuerlich zu entscheiden sein.

IV. Kosten

Der Vorbehalt der Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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