OGH 8ObA21/03a

OGH8ObA21/03a20.3.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Schenk und Mag. Gabriele Jarosch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Armin E*, vertreten durch Mag. Peter Prechtl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1. J* GmbH & Co. KG und 2. J* GmbH, beide *, vertreten durch Dr. Dieter Brandstätter, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen EUR 13.184,03 sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 14. Jänner 2003, GZ 15 Ra 110/02t‑31, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2003:E68912

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

 

 

 

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

Eine Frage des Verfahrensrechtes im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO vermag die Beklagte nicht aufzuzeigen. Ob nach den konkreten Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, stellt regelmäßig eine Frage des Einzelfalles dar, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt (vgl RIS‑Justiz RS0042828 mwN zuletzt 1 Ob 71/02a). Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass der Kläger nach den Feststellungen im Rahmen des Führerscheinentzuges an eine bestimmte Einrichtung zur Nachschulung verwiesen wurde. Zu einer konkreten Möglichkeit der Nachschulung auch bei einer anderen, als dieser vom Kläger kontaktierten Einrichtung (vgl § 19 Führerscheingesetz), und einer Verpflichtung des Klägers, auch diese anderen Einrichtungen zu kontaktieren, hat die Beklagte kein Vorbringen erstattet.

Den Argumenten der Rechtsrüge ist entgegenzuhalten, dass nach § 27 Z 2 AngG insbesondere dann ein wichtiger Grund, der den Dienstgeber zur vorzeitigen Entlassung berechtigt, vorliegt, wenn der Angestellte unfähig ist, die versprochenen oder die den Umständen nach angemessenen Dienste zu leisten. Es muss sich dabei um eine "dauernde", nicht bloß vorübergehende Dienstunfähigkeit handeln, die von so langer Dauer ist, dass dem Arbeitgeber nach den Umständen des Einzelfalles eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann (vgl zuletzt OGH 8. 8. 2002 8 ObA 157/02z mwN = RIS‑Justiz RS0029336, Arb 10.108, Arb 11.144, RdW 1987, 268, RdW 1991, 23; DRdA 1994, 320). Gerade bei einer partiellen Dienstunfähigkeit wird von der Obliegenheit des Arbeitgebers ausgegangen, dem nur mehr beschränkt leistungsfähigen Arbeitnehmer nach Möglichkeit Arbeiten zuzuweisen, zu deren Verrichtung er auch weiterhin in der Lage ist, wobei allerdings nur solche Verweisungstätigkeiten in Betracht kommen, die auch dem Arbeitgeber vernünftigerweise zumutbar sind. Der Arbeitgeber ist also nicht verpflichtet, seinen Betrieb umzuorganisieren, um eine in Betracht kommende Tätigkeit überhaupt erst zu schaffen (OGH 13. 6. 2002 8 ObA 79/02d = ecolex 2002/361 [zust. Mazal] = DRdA 2002, 518; RIS‑Justiz RS0082303). Die Obliegenheit, dem Arbeitnehmer tunlichst andere Tätigkeiten zuzuweisen, gilt beim Verlust einer Lenkerberechtigung besonders dann, wenn das Lenken von Fahrzeugen nicht den wesentlichen Inhalt der vereinbarten Tätigkeit darstellt, sondern nur dazu dient, den Arbeitnehmer zu seinem jeweiligen Einsatzort zu bringen (vgl OGH 4. 9. 2002 9 ObA 196/02t; RIS‑Justiz RS0065145).

Das Berufungsgericht ist von diesen Grundsätzen ausgegangen. Die Anwendung im Einzelfall stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne das § 502 Abs 1 ZPO dar, soweit nicht eine Fehlbeurteilung vorliegt, die aus Gründen der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen ist (vgl RIS‑Justiz RS0042405; RIS‑Justiz RS0113306, RIS‑Justiz RS0042834).

Davon kann hier aber nicht ausgegangen werden.

Der mit dem Kläger vorweg für 6 Monate befristet vereinbarte Arbeitsvertrag (16. 8. 1999 bis 16. 2. 2000) wurde nach dem Entzug des Führerscheins (Herbst 1999) unbefristet verlängert. Die zur Tätigkeit des Klägers als Projektleiter (Anboterstellung, Betreuung der Baustellen etc) gehörenden Baustellenbesuche wurden durch Mitnahme des Klägers organisiert. Allerdings wurde im Februar 2000 auch vereinbart, dass der Kläger bis 1. 5. 2000 wieder den Führerschein besitzen müsse. Die Absolvierung der im Rahmen des Führerscheinentzuges geforderten Nachschulung war bei der vorgeschriebenen Einrichtung aber nach der dem Kläger erteilten Auskunft erst im Herbst 2000 möglich. Ab 1. 5. 2000 bis 1. 11. 2000 befand sich der Kläger dann jedoch wegen eines Schlüsselbeinbruches und weiterer Leiden im Krankenstand und wurde unmittelbar danach entlassen.

In der Beurteilung des Berufungsgerichtes, dass zu diesem Zeitpunkt nicht von einer dauernden Dienstunfähigkeit, die die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen würde, auszugehen war, weil der Arbeitgeber ja bereits mehrfach gezeigt hatte, dass die Arbeitsabläufe auch anders organisiert werden konnten und sich auch nach Ablauf des 1. 5. 2000 hinsichtlich des Führerscheines nicht erkundigte, kann keine Fehlbeurteilung im dargestellten Sinne gesehen werden. Auch ist nicht ersichtlich, warum es hier den Beklagten nicht zumutbar sein sollte, den Kläger nach Beendigung des Krankenstandes zur Absolvierung der Nachschulung aufzufordern.

Insgesamt vermag die Revision der Beklagten keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO darzustellen.

 

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