OGH 8ObS54/02b

OGH8ObS54/02b16.5.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Friedrich Stefan und Dr. Vera Moczarski als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Maria F*****, vertreten durch Dr. Heinz Kassmannhuber, Rechtsanwalt in Steyr, wider die beklagte Partei IAF-Service GesmbH, Geschäftsstelle Linz, 4021 Linz, Gruberstraße 63, wegen 30.747,88 EUR an Insolvenzausfallgeld, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. November 2001, GZ 11 Rs 349/01z-34, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend ist, dass der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 26. 4. 2001 zu 8 ObS 249/00a (= EvBl 2001/171 = ZIK 2001/229 = wbl 2001/224

ua) dem Gerichthof der Europäischen Gemeinschaften Fragen betreffend die Vereinbarkeit der Judikatur zum Eigenkapital ersetzenden Gesellschafterdarlehen mit der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers vorgelegt hat. Die abweisende Entscheidung des Berufungsgerichtes beruht jedoch primär nicht auf der Beurteilung der Entgeltrückstände der Klägerin als Eigenkapital ersetzende Gesellschafterdarlehen. Das Berufungsgericht stützte sich vielmehr vor allem darauf, dass nach ständiger Rechtsprechung die Überwälzung des Finanzierungsrisikos für die Arbeitslöhne auf den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds, wenn dem Arbeitnehmer bewusst sein muss, dass er die Gegenleistung für seine Arbeit nicht vom Arbeitgeber, sondern vom Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds bekommen könnte und er deshalb weiter arbeitet, als unzulässig und sittenwidrig angesehen wird (vgl zuletzt etwa OGH 24. 1. 2002 8 ObS

305/01p mwN= 16. 8. 2001, 8 ObS 183/01x mwN = OGH 8 ObS 206/00b = RdW

2001/462 = wbl 2001/91 = ZIK 2001/117 uva).

Ausreichend für die Annahme einer sittenwidrigen Risikoüberwälzung

ist schon der bedingte Vorsatz, also dass dem Handelnden die

Überwälzung des Finanzierungsrisikos auf den

Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds bewusst ist und er sich mit dem verpönten

Erfolg zumindest abfindet (OGH 8 ObS 206/00b = RdW 2001/462 = wbl

2001/91 = ZIK 2001/117 mwN). Dann, wenn ein Arbeitnehmer trotz

längerer Nichtzahlung des Lohnes im Unternehmen tätig bleibt und nicht versucht, sein Entgelt ernstlich einbringlich zu machen, indiziert dies in der Regel, dass er beabsichtigt - oder zumindest in Kauf nimmt - in der Folge seine offenen Lohnansprüche gegen den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds geltend zu machen (vgl zuletzt OGH 24. 1. 2002 8 ObS 305/01p mwN = 16. 8. 2001 8 ObS 183/01 mwN = OGH 8 ObS 206/00b = RdW 2001/462 = wbl 2001/91 = ZIK 2001/117 mwN; RIS-Justiz RS00112127; DRdA 1999/51, 375 [Geist] ebenso 8 ObS 183/98i; 8 ObS 295/98k; ähnlich 8 ObS 306/98b = DRdA 1999, 494 = RdW 2000/82; 8 ObS 153/00h; 8 ObS 4/00x uva). Hinzu können noch weitere besondere Anhaltspunkte für ein "Naheverhältnis" zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kommen, die auf einen fehlenden Interessengegensatz oder besondere Informationen hindeuten.

Inwieweit allein aus dem langen Stehenlassen der Entgelte der zumindest bedingte Vorsatz der Verlagerung des Finanzierungsrisikos geschlossen werden kann, ist im Rahmen des "Fremdvergleiches" zu beurteilen, ob also auch ein "unbeteiligter Arbeitnehmer im Unternehmen verblieben wäre (vgl etwa 24. 1. 2002 8 ObS 305/01p mwN =

8 ObS 183/01x mwN = OGH 8 ObS 206/00b = RdW 2001/462 = wbl 2001/91 =

ZIK 2001/117 mwN = DRdA 1999/51, 375, 8 ObS 56/00v = WBl 2000/216; 8

ObS 153/00h; 8 ObS 4/00x; 8 ObS 5/00v; 8 ObS 58/00p mwN ua WBl 1999, 174). Hinzu kommen aber noch die anderen Umstände - Nahbeziehungendie auf eine Verlagerung des Finanzierungsriskos schließen lassen. Die aus dieser Rechtsprechung abzuleitenden Grundsätze wurden vom Berufungsgericht bei seiner Entscheidung herangezogen. Ausgehend davon könnte deren Anwendung im Einzelfall nur dann eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 46 Abs 1 ASGG darstellen, wenn dem Berufungsgericht dabei eine die Rechtssicherheit beeinträchtigende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl etwa OGH 21. 2. 2002 8 ObS 182/01z mwN). Davon ist hier aber nicht auszugehen. Die Klägerin, die bei der Gemeinschuldnerin nicht nur 25 % Gesellschafterin, Einzelprokuristin, und bis 4. 7. 1993 auch Lebensgefährtin des Hauptgesellschafters und Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin war, hatte auch deren kaufmännische Leitung über und war über die Außenstände informiert. Sie war an den Schwarzgelttransaktionen der Gemeinschuldnerin beteiligt, bei denen auch Arbeitnehmerentgelte teiweise schwarz bezahlt wurden. Sie hat von den Konten der Gemeinschuldnerin über 7 Mio S bar behoben, ohne dass festgestellt werden konnte, wofür diese Gelder verwendet wurden. Sie hatte von der Zahlungsunfähigeit der Gemeinschuldnerin Kenntnis bzw hätte davon Kenntnis haben müssen. Sie wurde in diesem Zusammenhang auch wegen des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 1 und 2 sowie Abs 3 letzter Satz StGB verurteilt. Im Zeitpunkt der Konkurseröffnung am 18. 11. 1993 hatte sie bereits seit Mai 1993 nur noch vereinzelt Gehaltsteilzahlungen bekommen. Ausgehend davon kann die Beurteilung des Berufungsgerichtes im Rahmen des Fremdvergleiches, einen bedingten Vorsatz hinsichtlich der Überwälzung des Finanzierungsrisikos zu erschließen, nicht als Fehlbeurteilung im obigen Sinne angesehen werden. Soweit die Klägerin releviert, dass Sie ja nur wegen fahrlässiger Krida, nicht aber wegen vorsätzlicher Krida strafrechtlich verurteilt worden sei, ist ihr schon entgegenzuhalten, dass sich der strafrechtlich relevante Vorsatz im Zusammenhang mit dem Kridadelikt - Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit, Befriedigungsvereitelung - von der hier entscheidenden Frage, ob ein bedingter Vorsatz bestand, das Finanzierungsrisiko auf den Fonds zu überwälzen, unterscheidet. Auch wenn die Entgeltrückstände der Klägerin erst mehrere Monate betragen haben, kommen doch hier verschiedene andere Umstände hinzu, die auf das Vorliegen eines solchen bedingten Vorsatzes schießen lassen. Neben den Nahebeziehungen der Klägerin zur den maßgeblichen Organen der Gemeinschuldnerin, ihrer Beteiligung an dieser, ihrer wesentlichen Stellung im Betrieb (kaufmännische Leitung und die damit verbundene Übersicht über den Geschäftsgang) fallen auch die nicht aufgeklärten Schwarzgeldtransaktionen - Schwarzzahlungen an Arbeitnehmer etc - ins Gewicht, da diese gerade im Hinblick auf die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Gemeinschuldnerin erfolgten. Mit diesen Schwarzgeldzahlungen hat es die Klägerin im übrigen auch in Kauf genommen, dass allenfalls bereits befriedigte Entgeltansprüche vom Fonds erneut bezahlt werden müssen.

Ausgehend von der oben dargestellten Judikatur zeigt die Revision jedenfalls keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 46 Abs 1 ASGG auf.

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