OGH 8ObS183/98i

OGH8ObS183/98i22.12.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Senatsrat Dr. Kurt Scherzer und Dr. Christoph Klein als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ing. Wilhelm W*****, vertreten durch Kosch & Partner Rechtsanwälte Kommanditpartnerschaft in Wiener Neustadt, wider die beklagte Partei Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen Wien, Niederösterreich und Burgenland, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17-19, wegen S 803.408,57 netto sA, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. April 1998, GZ 9 Rs 52/98b-26, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 7. Oktober 1997, GZ 5 Cgs 185/96i-20, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, daß das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei hat die Kosten der Verfahren aller drei Instanzen selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit 1. 1. 1987 Angestellter einer in der Folge in Konkurs verfallenen Gesellschaft mbH. Da das Unternehmen in ernste wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet, erhielt der Kläger in der Zeit vom 1. 10. 1994 bis 31. 5. 1995 keinerlei Gehaltszahlungen. Zwischen den Parteien des Arbeitsvertrages gab es zwar immer wieder Gespräche hinsichtlich der rückständigen Zahlungen, jedoch drohte der Kläger, dem die schlechte finanzielle Lage seines Arbeitgebers bekannt war, nie seinen vorzeitigen Austritt an. Die Mitarbeit des Klägers war für den Fortbestand des Unternehmens wichtig. Auch der Sohn des Klägers arbeitete in diesem Unternehmen. Als der Kläger das Pensionsalter erreicht hatte, wurde das Dienstverhältnis am 31. 5. 1995 einvernehmlich aufgelöst und am nächsten Tag in der Form neu begründet, daß die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Gleitpension gegeben waren. Dieses Dienstverhältnis wurde für einen Zeitraum bis 31. 5. 1998 abgeschlossen. Der Kläger bezog in der Folge eine Gleitpension in der Höhe von S 14.000 und hatte einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf ein Gehalt von monatlich S 25.875 brutto, 14mal jährlich. Zwischen den Parteien des Arbeitsvertrages bestand Übereinstimmung dahin, daß dem Kläger das Gehalt nicht ausbezahlt werde, um die Betriebssanierung zu ermöglichen.

Am 29. 3. 1996 wurde über das Vermögen der Dienstgeberin des Klägers der Konkurs eröffnet. Der Masseverwalter führte den Betrieb bis Ende Juni 1996 fort. Da die Mitarbeit des Klägers für die Unternehmensfortführung notwendig war und er auch nicht vorzeitig austreten wollte, kündigte der Masseverwalter das Dienstverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 14. 6. 1996 zum 6. 8. 1996. Der Masseverwalter bezahlte dem Kläger Entgelt für zwei Arbeitswochen. Darüber hinaus erhielt der Kläger aus dem zweiten Dienstverhältnis keine Lohnzahlungen.

Der Kläger meldete sämtliche unberichtigte Forderungen aus den beiden Arbeitsverhältnissen im Konkurs an, hinsichtlich der hier streitverfangenen Forderungen hat der Masseverwalter noch keine Erklärung abgegeben.

Mit seiner am 2. 10. 1996 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt der Kläger für das zweite Dienstverhältnis die Abfertigung sowie Kündigungsentschädigung, berechnet bis zum vereinbarten Ende des Dienstverhältnisses, weiters Gehalt für die Zeit vom 1. 6. 1995 bis 28. 3. 1996 sowie Urlaubs- und Weihnachtsentgelt für das Jahr 1995, für die Zeit vom 1. 1. 1996 bis 28. 3. 1996, vom 7. 8. 1996 bis 31. 12. 1996 und vom 1. 1. 1997 bis 1. 10. 1998 sowie Urlaubsentschädigung vom 1. 6. 1998 bis 1. 10. 1998 im Gesamtbetrag von S 803.408,57. Die Tätigkeit des Klägers im Unternehmen habe in der Betreuung sämtlicher technischer Agenden bestanden. Aufgrund seiner technischen Kenntnisse sei der Kläger für den Betrieb unverzichtbar gewesen. Als der Kläger im Mai 1995 das Pensionsalter erreicht habe, habe ihn der Geschäftsführer gebeten, nicht in Pension zu gehen, sondern Gleitpension in Anspruch zu nehmen. Dies auch im Hinblick darauf, daß der Sohn des Klägers im Unternehmen in Ausbildung gestanden sei und gehofft wurde, er werde in einigen Jahren die Fähigkeiten seines Vaters erreichen. Der Kläger habe sich daher bereit erklärt, bis zu seinem 63. Lebensjahr weiterhin für das Unternehmen in einer Form tätig zu sein, die es ihm gestattete, gleichzeitig Gleitpension zu beziehen. Das Dienstverhältnis habe durch Kündigung des Masseverwalters am 6. 8. 1996 geendet. Zu diesem Zeitpunkt seien die nun mit Klage geforderten Beträge unberichtigt gewesen. Da die Dauer des Dienstverhältnisses bis 31. 5. 1998 vereinbart gewesen sei, stünden dem Kläger Kündigungsentschädigung sowie Sonderzahlungen bis zu diesem Zeitpunkt zu. Die Beklagte habe zu Unrecht die Zahlung der bei ihr geltend gemachten Beträge verweigert, indem sie sich darauf berufen habe, daß die Vereinbarung sittenwidrig sei. Dies treffe nicht zu. Der Kläger habe die Vereinbarung mit seinem Dienstgeber deshalb getroffen, weil er für das Unternehmen unverzichtbar gewesen sei und infolge seiner langen Beschäftigungszeit auch eine persönliche Bindung zu seinem ehemaligen Arbeitgeber bestanden habe. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten seien dem Kläger zwar bekannt gewesen, doch sei die vollständige Sanierung des Unternehmens erhofft worden.

Die Beklagte wendete dagegen ein, der Kläger habe laut eigener Auskunft seit 1. 10. 1994 von seinem Arbeitgeber kein Entgelt erhalten. Trotzdem habe er ein neues auf drei Jahre befristetes Dienstverhältnis abgeschlossen. Auch aus diesem seien keine Lohnzahlungen erfolgt. Aus dem am 1. 6. 1995 geschlossenen Arbeitsvertrag könne der Kläger keine Ansprüche ableiten, da die Vereinbarung nichtig und sittenwidrig sei. Der Kläger habe unter Berücksichtigung der konkreten Umstände bei Abschluß des "befristeten Arbeitsvertrages" wissen müssen, daß er weiterhin nicht entlohnt würde. Das Zahlungsrisiko sei daher in sittenwidriger Weise auf den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds überwälzt worden. Darüber hinaus liege eine anfechtbare Rechtshandlung im Sinn des § 31 Abs 1 Z 2 KO vor. Dem Kläger sei die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin im Zeitpunkt des Abschlusses des Dienstverhältnisses bekannt gewesen. Die Vereinbarung eines auf Jahre hinaus befristeten Dienstverhältnisses stelle ein die anderen Konkursgläubiger benachteiligendes Verhalten dar.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte zur rechtlichen Beurteilung aus, daß der am 1. 6. 1995 geschlossene Arbeitsvertrag gemäß § 879 Abs 1 ABGB jedenfalls insoweit nichtig sei, als dadurch das Risiko des Insolvenzfalls auf den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds überwälzt werden sollte. Die Stundung von Entgeltansprüchen über einen derart langen Zeitraum rechtfertige es, eine beabsichtigte Risikoüberwälzung zu unterstellen.

Das Gericht zweiter Instanz hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Die im gegenständlichen Fall anwendbare Rechtslage vor dem IRÄG 1997 sehe bezüglich der aufrechten nicht verjährten Ansprüche keine zeitliche Beschränkung vor. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, daß eine stillschweigende Vereinbarung der Stundung der Entgeltansprüche als solche als sittenwidrig zu beurteilen sei. Die Vereinbarung eines Teilzeitdienstverhältnisses ab dem 60. Lebensjahr des Klägers verstoße nicht gegen die guten Sitten, weil der Kläger durch weitere Arbeitstätigkeit die Voraussetzungen für eine höhere Alterspension gemäß § 261b ASVG erwerben konnte, die ohne Zweifel auch zur Bestreitung seines Lebensunterhalts diene. Allerdings habe dem Kläger aufgrund längerer Nichtzahlung des Entgelts klar sein müssen, daß seine Ansprüche unter Umständen vom Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds getragen werden müssen, weshalb die Vereinbarung der dreijährigen Unkündbarkeit eines, wenn auch für das Unternehmen unverzichtbaren, Dienstverhältnisses nicht zu rechtfertigen sei. Mußten beide Vertragsteile bereits bei Abschluß des befristeten Dienstvertrages damit rechnen, daß bei Scheitern der Sanierungsbemühungen mangels Kündbarkeit die bei Ende des Dienstverhältnisses fällig werdende Abfertigung sowie Teile des Entgelts bis zum Ende der Befristung nur zu Lasten des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds zu realisieren sein würden, dann handle es sich um eine gemäß § 879 Abs 1 ABGB ungültige Vereinbarung zu Lasten Dritter. Dies betreffe allerdings nur die Vereinbarung der Befristung (= Ausschluß der Kündigungsmöglichkeit) des vereinbarten Teilzeitdienstverhältnisses, nicht das Dienstverhältnis als solches. Der Auffassung der Beklagten, für die Ansprüche des Klägers aus der Vereinbarung des befristeten Dienstverhältnisses stünde nach § 1 Abs 3 Z 1 IESG kein Insolvenz-Ausfallgeld zu, könne nicht gefolgt werden, weil gemäß § 31 Abs 3 KO die Anfechtung ausgeschlossen sei, wenn die anfechtbare Rechtshandlung - wie hier - früher als sechs Monate vor der Konkurseröffnung vorgenommen worden sei. Das Erstgericht werde im fortgesetzten Verfahren Feststellungen über die Höhe der geltend gemachten Ansprüche auf der Basis der Beendigung des Dienstverhältnisses durch den Masseverwalter gemäß § 25 KO sowie des dem Kläger zustehenden Schadenersatzanspruches gemäß § 25 Abs 2 KO zum nächstmöglichen Kündigungstermin, das wäre der 30. 9. 1996, zu treffen habe.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Rekurs des Klägers ist - wenngleich nicht in dem von ihm angestrebten Sinn - berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits in seiner Entscheidung SZ 61/249 ausgesprochen, daß Vereinbarungen, bei deren Abschluß die Parteien damit rechnen mußten, sie gingen im Ergebnis zu Lasten des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds gemäß § 879 Abs 1 ABGB, ungültig seien. Entgegen der vom Rekurswerber vertretenen Ansicht ist das Vorliegen derartiger Sittenwidrigkeit nicht nur im Rahmen der Anfechtungstatbestände der Konkursordnung und der Anfechtungsordnung wahrzunehmen. Dies kann auch nicht den vom Rekurswerber zitierten Entscheidungen 8 ObS 20/94 und 8 ObS 13/95 entnommen werden, weil Gegenstand dieser Entscheidungen der Antrag an den Verfassungsgerichtshof war auszusprechen, daß der erste Satz des § 7 Abs 1 IESG in der Stammfassung verfassungswidrig sei bzw war und demgemäß ausdrücklich auf den - hier nicht gegebenen - Fall des Vorliegens einer im Sinne dieser Gesetzesstelle bindenden Entscheidung abgestellt wurde. Nur dann erhebt sich nämlich die Frage, ob ein Anspruchsausschluß oder eine Anspruchsbegrenzung nach dem IESG vorliegt und daher die Beklagte ungeachtet der Bindungswirkung die Berechtigung des Anspruchs selbständig prüfen kann. Nach dem Grundtenor der beiden zitierten Entscheidungen werde diese Prüfungsbefugnis unter anderem durch die Bestimmung des § 1 Abs 3 Z 1 IESG darauf beschränkt, ob die Ansprüche durch nach der Anfechtungsordnung oder der Konkursordnung anfechtbare Rechtshandlungen erworben wurden und umfasse nicht die sonstige rechtsmißbräuchliche privatrechtliche Gestaltung von Vereinbarungen.

Außerhalb der durch die nachfolgenden Novellierungen des § 7 Abs 1 IESG entschärften Bindungsproblematik hat es jedenfalls dabei zu verbleiben, daß auch, wenn eine anfechtbare Rechtshandlung nicht vorliegt, Ansprüche dann nicht im Sinne des § 1 Abs 2 IESG gesichert sind, wenn die ihnen zugrundeliegende Vereinbarung unwirksam ist. Dies hat der erkennende Senat jüngst in seiner Entscheidung 8 ObS 192/98p dargestellt und ausgeführt, der Umstand, daß der Arbeiter trotz Nichtzahlung des Lohns im Unternehmen tätig bleibe und nicht versuche, die Beträge ernstlich einbringlich zu machen, indiziere in der Regel, daß er beabsichtige, in der Folge seine offenen Lohnansprüche gegen den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds geltend zu machen. Derartige Vereinbarungen oder Verhaltensweisen, die auf eine Verlagerung des Finanzierungsrisikos des Arbeitgebers zu Lasten eines Dritten, nämlich des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds hinauslaufen, mit der Absicht, mit der Gegenleistung nicht den Arbeitgeber, sondern den Fonds zu belasten, seien nichtig (WBl 1995, 75; ZIK 1996, 172). Gleiches gelte auch dann, wenn die Absicht des Arbeitnehmers nicht vordergründig darauf gerichtet gewesen sei, den Fonds sittenwidrig zu schmälern, sondern dies nur mit bedingtem Vorsatz in Kauf genommen worden sei (ZIK 1996, 172; 8 Ob 1023/95). Aus der zwischenzeitig erfolgten zeitlichen Limitierung des Anspruchs auf Insolvenz-Ausfallgeld für laufendes Entgelt für Zeiten vor der Konkurseröffnung sei nur zu schließen, daß nunmehr das Zuwarten mehr als sechs Monate (§ 3a IESG idF IESG-Nov 1997, BGBl I 107) keinesfalls zu tolerieren und ein längeres Zuwarten jedenfalls als mißbräuchlich zu gelten habe. Vor und nach der IESG-Nov 1997 könne aber bei Hinzutreten besonderer Umstände - zB genaue Kenntnis der finanziellen Verhältnisse des Unternehmens, Nahebeziehung zum Unternehmer, verbunden mit der Absicht, dadurch die Weiterführung des Unternehmens zu ermöglichen - das Zuwarten mit der Beendigung des Dienstverhältnisses und die nachfolgende Geltendmachung von Insolvenz-Ausfallgeld gegenüber dem Fonds sittenwidrig sein.

An dieser Rechtsansicht ist festzuhalten. Die besonderen aus den Feststellungen hervorleuchtenden Umstände des Falles indizieren, daß der Kläger die sittenwidrige Schmälerung des Fonds zumindest mit bedingtem Vorsatz in Kauf genommen hat. Der sogenannte "Fremdvergleich" zeigt, daß wohl kaum ein Arbeitnehmer, der nicht durch besonders gelagerte Interessen mit dem Unternehmen verbunden ist, durch rund sieben Monate das Fehlen jedweder Entgeltzahlung widerspruchslos hingenommen hätte. Völlig unverständlich muß aber bleiben, daß der Kläger trotz dieser Tatsache und, obwohl er bereits das Pensionsalter erreicht hatte, einen neuen auf drei Jahre befristeten Dienstvertrag abschloß, wobei zwischen den Vertragspartnern von vornherein stillschweigende Übereinkunft bestand, er werde auch weiterhin kein Gehalt erhalten. Diese Vorgangsweise wird nur dann einigermaßen verständlich, wenn neben die möglicherweise gegebene Hoffnung auf Betriebssanierung der Gedanke trat, im Falle des Scheiterns der Bemühungen jedenfalls nach den Bestimmungen des IESG abgesichert zu sein.

Zum Einwand des Rekurswerbers, das gesamte Verfahren habe keine Beweisergebnisse gebracht, die es rechtfertigen würden anzunehmen, dem Kläger hätte klar sein müssen, daß seine Entgeltansprüche unter Umständen vom Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds getragen werden müßten, ist vorerst hervorzuheben, daß streitgegenständlich ausschließlich Ansprüche aus dem zweiten Dienstverhältnis des Klägers sind, wobei jene Zeit, die der Kläger nach Konkurseröffnung im Auftrag des Masseverwalters Arbeitsleistungen erbrachte, ausdrücklich nicht als Anspruchsgrundlage herangezogen wurde. Wie sich aus dem in Kopie im Akt erliegenden Bescheid vom 4. 7. 1996 ergibt, wurde dem Kläger für seine nicht klagsgegenständlichen Ansprüche gegenüber seinem ehemaligen Arbeitgeber von der Beklagten insgesamt S 744.086 an Insolvenz-Ausfallgeld zuerkannt. Zur Beurteilung der verbleibenden Beobachtungszeiträume ist auf die ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats zu verweisen, daß Zweck des IESG in seinem Kernbereich das Hintanhalten der von den Arbeitnehmern typischerweise nicht abwendbaren und absicherbaren Gefahren des gänzlichen oder teilweisen Verlustes der Entgeltansprüche auf die sie zur Bestreitung des Lebensunterhalts angewiesen sind, ist (SZ 64/54; SZ 66/124; SZ 67/14; 8 ObS 192/98p uva). Aus dieser Zielsetzung ergibt sich, daß eine völlig atypische Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, die nicht auf die Erzielung von Entgelt zur Bestreitung des Lebensunterhalts gerichtet ist, nach den Bestimmungen des IESG nicht gesichert sein kann. Sollte der Kläger tatsächlich eine Belastung des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds nicht einmal in Kauf genommen haben - das Berufungsgericht hat die diesbezügliche Tatsachenrüge unerledigt gelassen - wäre seinem Klagebegehren trotzdem der Erfolg zu versagen, weil das Eingehen eines neuen Arbeitsverhältnisses, nachdem bereits sieben Monate kein Entgelt gezahlt wurde und auch weiterhin zumindest bis zu einer jedenfalls nicht sicher terminisierbaren erhofften Sanierung nicht bezahlt werden sollte, nicht als Aufnahme eines vom Schutzbereich des IESG umfaßten Arbeitsverhältnisses angesehen werden kann. Daran vermag auch die Überlegung des Berufungsgerichts nichts zu ändern, daß der Kläger durch die gewählte Konstruktion möglicherweise später einen höheren Pensionsanspruch haben könnte, weil auch diese, die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses betreffende, Erwartung nicht vom Kernbereich des Schutzzwecks erfaßt ist.

Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche sind daher nicht nach dem IESG gesichert, weshalb auf die bereits vor der IESG-Novelle 1997 bestehende Anspruchsbegrenzung des § 3 Abs 3 IESG ebensowenig eingegangen werden muß wie darauf, daß in Anbetracht der Anspruchsbegrenzung ein selbständiger Abfertigungsanspruch mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 23 Abs 1 AngG nicht erworben werden konnte.

Der Oberste Gerichtshof kann gemäß dem auch in Sozialrechtssachen anwendbaren (Kuderna ASGG2, 279) § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO über einen Rekurs gegen einen Beschluß des Berufungsgerichtes nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO durch Urteil in der Sache selbst erkennen, wenn die Sache zur Entscheidung reif ist, wobei diese Entscheidung auch zum Nachteil des Rekurswerbers ausfallen kann (SZ 59/171; SSV-NF 5/96; 9 ObA 143/95 ua). Eine derartige Sachentscheidung des Obersten Gerichtshofs verstößt nicht gegen das Verbot der reformatio in peius, weil der Rekurswerber mit seinem Aufhebungsbegehren im Rekurs Recht bekommen hat. Dadurch ist gemäß § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO die Sachentscheidungsbefugnis an den Obersten Gerichtshof devolviert, der sie nun im Rahmen der noch unerledigt gebliebenen Berufungsanträge ausübt (SZ 64/191; Fasching ZPR2 Rz 1983).

Dem Rekurs des Klägers ist daher Folge zu geben, der angefochtene Beschluß aufzuheben und in der Sache selbst im Sinn der Abweisung des Klagebegehrens zu erkennen.

Die Entscheidung über die Kosten der Verfahren aller drei Instanzen beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Voraussetzungen für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden weder geltend gemacht noch sind sie sonst aus den Akt ersichtlich. Daß dem Rekurs des Klägers im Ergebnis Folge gegeben wurde, bedeutet kein Obsiegen im Sinn des § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG, weil er in der Hauptsache zur Gänze unterlegen ist.

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