OGH 9ObA143/95

OGH9ObA143/9527.9.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Fritz Stejskal und Dr.Heinz Nagelreiter als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Austro Control Österreichische Gesellschaft für Zivilluftfahrt mbH, Schnirchgasse 11, 1030 Wien, vertreten durch Neudorfer, Griensteidl, Hahnkamper & Stapf, Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien, wider die beklagte Partei Zentralausschuß für die Austro Control Österreichische Gesellschaft für Zivilluftfahrt mbH, Schnirchgasse 11, 1030 Wien, vertreten durch Dr.Vera Kremslehner ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung gemäß § 34 Abs 2 ArbVG, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.April 1995, GZ 33 Ra 162/94-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 7.Juli 1994, GZ 29 Cga 74/94b-10, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst wie folgt zu Recht erkannt:

Das Klagebegehren, es werde festgestellt, daß die externen Arbeitsstätten im Betrieb der klagenden Partei bei der Flugverkehrskontrollzentrale (1030 Wien, Schnirchgasse 11) und an den Flughäfen Wien, Graz, Klagenfurt, Innsbruck, Salzburg und Linz keine Betriebe im Sinne des § 34 ArbVG darstellen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.058,88 S bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin 676,48 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei hat aufgrund des Bundesgesetzes vom 28.Dezember 1993, BGBl 1993/898, am 1.Jänner 1994 als GmbH mit dem Sitz in Wien als Nachfolgerin des Bundesamtes für Zivilluftfahrt ihre Tätigkeit aufgenommen. Die früheren kollektivvertragsunterworfenen Bediensteten des Bundesamtes sind seither Bedienstete der klagenden Partei (§ 7 Abs 1 leg cit).

Die klagende Partei ist organisatorisch in eine Geschäftsleitung mit dem Sekretariat und den Stabsstellen Kontrolle des Dienstbetriebs, fliegerärztliche Untersuchungsstelle, Buchhaltung, Finanzplanung und Controlling sowie neun Fachabteilungen, und zwar für Rechtsangelegenheiten (Abteilung 1), Flugsicherungsbetrieb (Abteilung 2), flugsicherungstechnische Einrichtungen (Abteilung 3), Wetterdienst (Abteilung 4), automatisierte Datenverarbeitung (Abteilung 5), Luftfahrzeuge und Luftfahrtgerät (Abteilung 6), Flugbetrieb und Flugüberwachung (Abteilung 7), Wirtschaftsangelegenheiten (Abteilung 8) sowie Koordination und Organisation (Abteilung 9) gegliedert. Der Sitz dieser Zentrale (Geschäftsleitung) ist Wien 3, Schnirchgasse 11. Dort sind 193 Arbeitnehmer beschäftigt. Die Flugverkehrskontrollzentrale ist in einem gegenüberliegenden Gebäude untergebracht und hat einen Personalstand von 312 Angestellten. Die Flugsicherungsstellen sind an den Flughäfen in gemieteten Räumen untergebracht und haben folgende Personalstände: Wien-Schwechat 211, Graz 55, Klagenfurt 58, Innsbruck 48, Salzburg 56 und Linz 61. Der Abschluß der Mietverträge und der Verträge mit Reinigungsfirmen sowie die Zahlung von Mietzinsen, Betriebskosten und Reinigungskosten erfolgt durch die Zentrale. An den örtlichen Flugsicherungsstellen sind den zentralen Abteilungen 2, 3 und 4 unterstellte Mitarbeiter der Fachdienste Betrieb, Technik und Wetter tätig, in Wien-Schwechat und Graz auch der Abteilung 6 (Prüfstelle) unterstellte Arbeitnehmer, in der Flugverkehrskontrollzentrale nur den Abteilungen 2, 3 und 5 unterstellte Mitarbeiter der Fachdienste Betrieb, Technik und EDV. Vor Ort sind jeweils Fachdienstleiter bestellt, die gegenüber den in ihrem Fachbereich Tätigen weisungsbefugt sind, die disziplinäre Aufsicht ausüben, Dienst- und Urlaubspläne festlegen und die Einhaltung der von der Zentrale ausgehenden Dienstvorschriften, etwa in bezug auf Überstunden, überwachen. Eine gemeinsame Leitung aller in einer Flugsicherungsstelle arbeitenden Angestellten sämtlicher Fachdienste besteht nicht. Die jeweiligen Fachdienstleiter sind unabhängig voneinander der jeweiligen Zentralabteilung berichtspflichtig.

Im Rahmen der Dienstleistung Flugsicherung ist die Flugverkehrskontrollzentrale für die Überwachung sämtlicher Flugbewegungen über einer Höhe von 12.000 Fuß zuständig, alle Flugbewegungen in geringerer Höhe, insbesondere der Start- und Landeverkehr fallen in das Aufgabengebiet der örtlichen Flugsicherungsstellen. Diese Stellen sind für ihr jeweiliges Gebiet im Rahmen der ihnen zugewiesenen Höhenschicht allein verantwortlich und verfügen vor Ort über die nötigen technischen Einrichtungen. Sie sind jeweils zur Erfüllung ihrer Aufgaben auf die Zusammenarbeit untereinander und auch mit ausländischen Flugsicherungsstellen angewiesen, soweit es die Meldung von gebiets- und grenzüberschreitenden Flügen betrifft.Auch die Flugverkehrskontrollzentrale greift für die Erfüllung ihrer Aufgaben auf die mit EDV verfügbaren Daten der einzelnen Flugsicherungsstellen zu. Die Wetterdienste sind der Natur der Sache nach auf gebietsüberschreitende Zusammenarbeit angewiesen.

Sämtliche finanziellen Angelegenheiten werden von der Zentrale der klagenden Partei besorgt, insbesondere die Buchhaltung, die Lohnverrechnung, die Zahlung der Gehälter und des Sachaufwandes. Aus der an jeder Flugsicherungsstelle bestehenden, von einem der Fachdienstleiter verwalteten Handkasse dürfen nur Anschaffungen bis zu einem Wert von 5.000,-- S getätigt werden. Über sämtliche größeren Anschaffungen entscheidet die Zentrale, allenfalls nach Einholung von Kostenvoranschlägen durch die Flugsicherungsstellen vor Ort.

Für die Personalplanung, Ausschreibung von freien Stellen, die Aufnahme und Kündigung von Personal ist ausschließlich die Zentrale zuständig; den Fachdienstleitern an den Flugsicherungsstellen stehen keine verbrieften Mitspracherechte zu. In der Praxis kommt es allerdings zu inoffiziellen Einflußnahmen durch Empfehlungen, etwa dahin, welcher der Bewerber besser in das vorhandene Team passen würde. Die Dienstpläne und Urlaubspläne wurden bisher nach den von der Zentrale vorgegebenen Bedingungen in Übereinkunft zwischen den Fachdienstleitern und den Dienstsstellenausschüssen festgelegt.

Die Schulung von Mitarbeitern ist zentral geregelt. Aufbauend auf einem gemeinsamen Grundkurs müssen die jeweiligen Mitarbeiter an der für ihren späteren Einsatz vorgesehenen Flugsicherungsstelle eine ortsspezifische Einschulung von mehreren Jahren mit dazwischenliegenden bzw abschließenden "Rating"-Prüfungen absolvieren. Der Abschluß einer derartigen Ausbildung berechtigt nur zum Einsatz an der jeweiligen örtlichen Flugsicherungsstelle; bei längerer Nichtausübung der Tätigkeit geht diese Berechtigung verloren und muß eine neuerliche Einschulung absolviert werden. Hingegen können Mitarbeiter des Wetterdienstes bereits nach einer Einschulungsphase von mehreren Tagen auch an anderen Flugsicherungsstellen eingesetzt werden. Die Überwachung der Ausbildung vor Ort obliegt dem jeweiligen Fachdienstleiter.

Für den Dienst an den jeweiligen Flugsicherungsstellen sind internationale Vorschriften und von der klagenden Partei zentral erstellte Dienstvorschriften maßgebend. Die Erstellung eines zentralen Betriebshandbuches sowie lokaler Betriebshandbücher für die einzelnen Außenstellen ist in Arbeit.

Die Einnahmen aus der Dienstleistungstätigkeit der klagenden Partei werden von der Zentrale verrechnet und kassiert. Die Einnahmen bestehen aus den Überfluggebühren, die mit der in Brüssel ansässigen Euro-Control verrechnet werden, den Gebühren für die von den einzelnen Flughäfen gemeldeten Anflüge sowie jenen für Spezialdienstleistungen wie Zulassung und Verlängerung von Bewilligungen für Luftfahrtgerät und die Ausstellung von Personalausweisen.

Die Anfluggebühren werden je nach Flughafen verschieden kalkuliert. Die von der klagenden Partei daraus erzielten Einnahmen richten sich nach der Größe und Verkehrsfrequenz des Flughafens und nicht unmittelbar nach dem zeitlichen oder inhaltlichen Umfang der an den jeweiligen Flugsicherungsstellen erbrachten Dienstleistungen.

Bei Errichtung der klagenden Partei bestanden im Bereich des Bundesamtes für Zivilluftfahrt neben der beklagten Partei weitere 13 Dienststellenausschüsse, nämlich in der Zentrale, weiters je einer an den Flugsicherungsstellen Salzburg, Linz, Klagenfurt, Innsbruck und Graz sowie vier in der Flugverkehrskontrollzentrale und drei in der Flugsicherungsstelle Wien.

Am 1.März 1994 faßte die beklagte Partei den Beschluß, bis zum 30. Juni 1994 Betriebsratswahlen für die Zentrale der klagenden Partei, die Flugverkehrskontrollzentrale sowie die Flugsicherungsstellen an den Flughäfen Wien, Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Linz und Salzburg abzuhalten und teilte diese Absicht der klagenden Partei mit Schreiben vom 2.März 1994 mit.

Die klagende Partei begehrt die Feststellung, daß die externen Arbeitsstätten im Betrieb der klagenden Partei, nämlich jene bei der Flugverkehrskontrollzentrale und an den Flughäfen Wien, Graz, Klagenfurt, Innsbruck, Salzburg und Linz keine Betriebe im Sinn des § 34 ArbVG darstellen. Der Betrieb der klagenden Partei sei nicht örtlich, sondern funktionell gegliedert. Die Betriebseinheit zwischen Zentrale und Flugverkehrskontrollzentrale könne schon aufgrund der räumlichen Gegebenheiten vorausgesetzt werden. Aber auch die externen Arbeitsstätten bildeten ungeachtet ihrer Unterbringung im selben Gebäude (Flughafengebäude) und ihrer räumlichen Distanz zu den vorgesetzten Abteilungen keine organisatorischen Einheiten im Sinne des § 34 Abs 1 ArbVG. Auch wenn die Außenstellen als Flugsicherungsstellen bezeichnet würden, seien sie keine Betriebe, da sie ihre Leistungen aufgrund der von der Zentrale vorgegebenen Regeln erbrächten und keine ökonomische und soziale Eigenständigkeit hätten. Die kaufmännische Gestion erfolge in der Zentrale, die Zentrale plane den Personalbedarf, führe die arbeitsrechtliche Korrespondenz und nehme die Lohnverrechnung vor; auch die Buchhaltung obliege der Zentrale, sie verhandle mit den Flughäfen als Vermietern über die Mietverhältnisse und veranlasse die Zahlung von Mietzinsen und Betriebskosten, auch in Angelegenheiten der externen Arbeitsstätten obliege die Vertretung der Zentrale. Schließlich bestünde an den Arbeitsstätten in den Flughäfen keine einheitliche Betriebsleitung, vielmehr berichte jeder der drei dortigen Fachdienste jeweils an die zuständige Abteilung in der Zentrale. Daß ein Betriebshandbuch für den ganzen Betrieb der klagenden Partei ausgearbeitet werde, bestätige den Umstand, daß es sich nur um einen Betrieb handle; die lokalen Betriebshandbücher wiesen nur Ergänzungen für den Bedarf des jeweiligen Standortes auf. Die räumliche Nähe oder Entfernung spiele für das Vorhandensein eines Betriebes keine Rolle. Die Dienstleistung Flugsicherung werde im Zusammenspiel zwischen den Zentralabteilungen aller Fachdienste an sämtlichen Arbeitsstellen einschließlich der Flugsicherungsstellen gemeinsam erbracht.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. In den einzelnen Flugsicherungsstellen werde mit technischen Mitteln die Erzielung bestimmter selbständiger Arbeitsergebnisse fortgesetzt verfolgt. Aufgabe der Flugsicherungsstellen sei die Durchführung der Flugverkehrsdienste, das seien der Flugverkehrskontroll-, Fluginformations- und Flugberatungsdienst, die luftfahrtbehördliche Abfertigung sowie der Such- und Rettungsdienst. Neben diesen Flugverkehrsdiensten hätten die Flugsicherungsstellen den Flugwetterdienst - das ist Wetterbeobachtung, Flugwetterberatung und Flugwettervorhersage - durchzuführen. Mit Ausnahme der Flugverkehrskontrollzentrale nehme jede Flugsicherungsstelle diese Aufgaben in einem örtlich abgegrenzten Bereich, dem local approach unit, wahr. Das gesamte Bundesgebiet sei in sechs solche jeweils einer Flugsicherungsstelle zugeordnete local approach units unterteilt. Der Luftraum der local approach units reiche nur bis zu einer bestimmten Höhe; der darüber hinausgehende Luftraum werde für das gesamte Bundesgebiet von der Flugverkehrskontrollzentrale betreut, die daher über einer bestimmten Höhe für das gesamte Bundesgebiet den Flugverkehrskontroll-, Fluginformations-, Such- und Rettungsdienst wahrnehme. In allen Flugsicherungsstellen sei ein Fachdienst Technik eingerichtet. Dieser technische Fachdienst warte und betreue die an jeder Flugsicherungsstelle vorhandenen technischen Anlagen, die es dieser ermöglichten, die Aufgaben des Flugsicherungsbetriebsdienstes und des Flugsicherungswetterdienstes selbständig und unabhängig von anderen Stellen wahrzunehmen. Die Aufgabe der Zentrale sei im wesentlichen administrativ; dennoch werde ein Großteil der administrativen Tätigkeit, wie die gesamte Stundenverrechnung (Führung der Dienstübersichten für jeden einzelnen Bediensteten mit Dienststunden nach Dienstplan, Überstunden, Feiertags-, Nacht- und Sonntagsstunden), die Erstellung bzw. jede Änderung der monatlichen Dienstpläne, die Genehmigung und Einteilung von Urlauben an der jeweiligen Flugsicherungsstelle besorgt. Die Dienstleistung "Flugsicherung" werde hingegen ausschließlich an den Flugsicherungsstellen erbracht; bei der Erbringung dieser Dienstleistung arbeiteten die an den einzelnen Flugsicherungsstellen eingesetzten Dienstnehmer selbständig und eigenverantwortlich. Die Vorschriften, nach denen die Flugsicherung durchgeführt werde, seien international standardisiert. Aufgrund dieser Vorschriften bzw. der dazu erlassenen nationalen Gesetze und Verordnungen habe die klagende Partei Dienstvorschriften erlassen, nach denen die Flugsicherungsstellen ihre Arbeit durchzuführen hätten. Diese Dienstanweisungen änderten jedoch nichts an der Selbständigkeit der einzelnen Flugsicherungsstellen. Für die einzelnen Flugsicherungsstellen gebe es eine Betriebsleitung; diese liege aber nicht in der Hand einer einzigen Person, sondern es sei für jeden an der Flugsicherungsstelle eingerichteten Fachdienst jeweils ein Fachdienstleiter vorhanden. Er habe nicht nur die Aufgabe, den jeweiligen Fachdienst vom Arbeitsablauf her zu leiten, sondern es obliege ihm darüber hinaus die Personalführung seines Fachdienstes, zu der neben der Erstellung des Dienstplanes und der Sicherstellung der Urlaubsabwicklung auch die disziplinäre Aufsicht über die Bediensteten seines Fachdienstes gehöre. Weiters sei der Fachdienstleiter für die Ausbildung am Arbeitsplatz verantwortlich und erstelle auch Dienstanweisungen für das ihm unterstellte Personal. Ein weiteres Argument für die Selbständigkeit der einzelnen Flugsicherungsstellen sei die arbeitsplatzbezogene spezielle Ausbildung, die nur durch einen Lehrer erfolgen dürfe, der an der betreffenden Flugsicherungsstelle Dienst mache. Schließlich sei eine wirksame Betreuung der Belegschaft an den einzelnen Flugsicherungsstellen insbesondere in Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Linz und Salzburg schon aufgrund der örtlichen Entfernung zur Zentrale der klagenden Partei von dort aus nicht möglich. Darüber hinaus erfordere auch die Anzahl der Beschäftigten in der Flugverkehrskontrollzentrale und der Flugsicherungsstelle Wien-Schwechat sowie in der Zentrale der klagenden Partei jeweils einen eigenen Betriebsrat.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die einzelnen Arbeitsstätten der klagenden Partei nicht als Betrieb anzusehen seien, weil eine gemeinsame örtliche Leitung und damit eine einheitliche Organisation fehle. Die jeweiligen Fachdienstleiter seien nur gegenüber den ihrer Abteilung angehörigen Mitarbeitern weisungsberechtigt, nicht aber gegenüber den Mitarbeitern anderer Fachdienste. Darüber hinaus werde ein wesentlicher Teil des Betriebszweckes nicht von den einzelnen Flugsicherungsstellen erbracht, da sie für sich allein nicht in der Lage seien, den Luftraum über ihrem Gebiet zur Gänze zu sichern, sondern durch die Höhenbeschränkung auf die gleichzeitige Tätigkeit der Flugverkehrskontrollzentrale angewiesen seien. Sie erbrächten daher nur einen unselbständigen Teil der Gesamtdienstleistung der klagenden Partei. Darüber hinaus müßten wegen der organisatorischen Struktur des Unternehmens die Betriebsräte der einzelnen Teilbetriebe fast alle ihre Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte gegenüber Organen der Zentrale ausüben, weil sie innerhalb des Teilbetriebes für ihre Anliegen keinen entscheidungsbefugten Ansprechpartner hätten.

Über Berufung der beklagten Partei hob das Berufungsgericht das Ersturteil auf, verwies die Sache zur neuerlichen Entscheidung und Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück und sprach aus, daß das Verfahren erst nach Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses fortzusetzen sei (richtig: daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei). Es vertrat die Auffassung, daß die einzelnen Flugsicherungsstellen insoweit ein selbständiges Produkt herstellten, als sie für ihren örtlichen Bereich ausschließlich für die Flugsicherheit der an sie übergebenen Luftfahrzeuge bis zum Verlassen dieses Bereichs zu sorgen hätten. Entscheidend sei aber, ob eine einheitliche Organisation vorliege; gebe es mehrere Betriebsleiter, müsse nur eine auf das Produkt und den Betriebsablauf bezogene Abstimmung der Willensbildung gewährleistet sein. Die Feststellungen, daß die in den einzelnen Flugsicherungsstellen tätigen Fachdienstleiter nur für ihren Fachbereich zuständig seien und keine gemeinsame Leitung sämtlicher Fachdienste bestehe, reichten zur endgültigen Beurteilung, ob ein einheitlicher Betrieb vorliege, nicht aus. Im fortgesetzten Verfahren werde zu prüfen sein, ob - in ein und derselben Arbeitsstelle - die einzelnen Fachdienste tatsächlich völlig unabhängig seien oder ob eine notwendige gemeinsame Willensbildung in irgendeiner Weise gewährleistet sei, etwa bei der Frage der Abstimmung der Diensteinteilung der Fachbereiche oder der Vertretung der Sicherungsstellen nach außen; es könne nicht völlig von der Hand gewiesen werden, daß organisatorische Fragen zu lösen seien, die nicht nur einen einzelnen Fachbereich, sondern die Arbeitsstätte als Ganzes beträfen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der klagenden Partei aus den Gründen der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß zu beheben und das Ersturteil wiederherzustellen.

Die beklagte Partei beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist, soweit er sich gegen den Aufhebungsbeschluß richtet, berechtigt.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß das von der klagenden Partei erhobene Begehren auf Feststellung, daß die externen Arbeitsstätten im Betrieb der klagenden Partei bei der Flugverkehrskontrollzentrale und an den einzelnen Flughäfen keine Betriebe im Sinne des § 34 ArbVG darstellten, im Zusammenhang mit dem Vorbringen der klagenden Partei, an diesen Arbeitsstätten existierten überhaupt keine selbständigen Betriebe, die am Sitz der Geschäftsleitung befindliche Zentrale, die Flugverkehrskontrollzentrale und die an den einzelnen Flughäfen bestehenden Flugsicherungsstellen bildeten insgesamt einen Betrieb, im Sinne der herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandstheorie (siehe Fasching ZPR2 Rz 1155 ff sowie 1164; SZ 48/113; SZ 59/14 ua) dahin zu verstehen ist, daß an diesen Arbeitsstätten überhaupt keine weiteren Betriebe der klagenden Partei bestehen.

Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung (Strasser in Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht3 II 253; Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht5 189; Cerny in Cerny/Haas-Laßnigg/Schwarz, Arbeitsverfassungsrecht II 146; Arb 10.016; 10.525; DRdA 1995/7 sowie ZfVB 1990/456 und 1992/1333) ist wesentliches Merkmal des Betriebsbegriffes die organisatorische Einheit, die in der Einheit des Betriebsinhabers, des Betriebszwecks und der Organisation zum Ausdruck kommen muß.

Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, erbringt die einzelne Flugsicherungsstelle jedenfalls insoweit eine selbständige Dienstleistung, als sie für ihren örtlichen, auch der Flughöhe nach begrenzten Bereich mittels der an der Arbeitsstätte befindlichen technischen Einrichtungen alleinverantwortlich für die Flugsicherheit der an sie übergebenen Luftfahrzeuge zu sorgen hat; ebenso erbringt die Flugverkehrskontrollzentrale in Wien 3 mit der Überwachung sämtlicher Flugbewegungen im Bundesgebiet über einer Flughöhe von 12.000 Fuß eine eigenständige Dienstleistung. Daß es sich jeweils um selbständige Leistungen handelt, zeigt im übrigen auch schon die gesonderte Honorierung dieser Dienstleistungen (vgl. auch Strasser in Floretta/Strasser Handkomm ArbVG 202 sowie 204 ff; Arb 10.525 mwH).

Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen wird diese Dienstleistung an den örtlichen Flugsicherungsstellen sowie in der Flugverkehrskontrollzentrale von den dem Fachbereich Betrieb zugehörigen, dem jeweiligen örtlichen Fachdienstleiter unterstellten Arbeitnehmern erbracht. Dieser ist gegenüber den in seinem Fachbereich tätigen Angestellten weisungsbefugt, übt die disziplinäre Aufsicht aus, legt Dienst- und Urlaubspläne fest, hat die Einhaltung der von der Zentrale erlassenen Dienstvorschriften zu überwachen und ist gegenüber der Zentrale berichtspflichtig. Damit wird zumindest der Fachbereich Flugsicherung zur Erreichung eines selbständigen Betriebszweckes jeweils von einer Person geleitet, wodurch jedenfalls für diesen Bereich eine organisatorische Einheit vorliegt. Da die einheitliche Organisation vor allem in der produktionstechnischen Leitung hervortritt, ist sie noch nicht entscheidend beeinträchtigt, wenn bestimmte administrative, kaufmännische oder wirtschaftliche Agenden getrennt in einer Zentrale für eine Reihe von Betriebsstätten gemeinsam geführt werden (siehe Strasser in Floretta/Strasser, Handkomm ArbVG 202; derselbe in Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht3 II 254; Cerny aaO 146 f; Schwarz/Löschnigg aaO 190; Arb 10.016); insbesondere geht der Betriebscharakter nicht deshalb verloren, weil Personalangelegenheiten für mehrere Betriebe gemeinsam von der Unternehmensspitze bearbeitet werden (Arb 10.525). Bei Zweifeln über die Betriebseigenschaft ist im Sinne der Zielsetzungen des ArbVG auf eine Einheit abzustellen, in deren Rahmen eine wirksame Tätigkeit der Belegschaftsvertretung, insbesondere was die Ausübung der Mitwirkungsrechte betrifft, tatsächlich möglich ist. Hiebei kommt der räumlichen Entfernung insofern eine gewisse Bedeutung zu, als die Belegschaftsvertretung eine möglichst weitgehende Personen- und Sachnähe zu den von ihr vertretenen Arbeitnehmern und deren Arbeitsstätte haben soll (siehe Strasser in Floretta/Spielbüchler/Strasser, HandkommzArbVG 203; derselbe in Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht3 II 254; Arb 10.672; vgl DRdA 1995/7).

Soweit für die wirksame Ausübung der Mitwirkungsrechte in Anlehnung an die herrschende deutsche Lehre und Rechtsprechung gefordert wird, daß der Betriebsrat eine über entsprechende Kompetenzen im Bereich der der Mitbestimmung unterliegenden sozialen und personellen Angelegenheiten verfügende örtliche Betriebsleitung vorfindet (siehe S.Gahleitner, Zum Betriebsgriff-Betriebsleitung durch mehrere Unternehmen, DRdA 1995, 18 ff [19]; vgl Richardi im Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht I § 30 Rz 9) ist dem zu erwidern, daß diesem Erfordernis im deutschen - anders als das österreichische Recht eine Legaldefinition des Betriebes nicht enthaltenden - Betriebsverfassungsrecht im Hinblick auf die weitgehende Gleichstellung von Betrieb und räumlich entferntem Betriebsteil - für dessen Leitung weitergehende Kompetenzen in diesen Angelegenheiten nicht gefordert wurden (siehe Entscheidung des BAG vom 29.Mai 1991, NZA 1992, 74) - nach § 4 Satz 1 des deutschen Betriebsverfassungsgesetzes weniger Bedeutung zukommt, als im österreichischen Betriebsverfassungsrecht, nach dem eine derartige Gleichstellung nicht von vornherein gegeben ist, sondern gemäß § 35 Abs 1 ArbVG unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen erst durch rechtsgestaltenden Spruch des Gerichtes zustandekommt. Soweit allerdings in der neueren deutschen Rechtsprechung auch für den Betriebsteil gefordert wird, daß in ihm der wesentliche Kern der der betrieblichen Mitstimmung unterliegenden Arbeitgeberfunktionen auszuüben ist (siehe Entscheidung des BAG vom 29.Jänner 1992, NZA 1992, 894) wird dies in der deutschen Lehre zu Recht kritisiert, weil die Orientierung an dem formalen Merkmal der Leitungsorganisation zwar dem Richter die Sache sehr erleichtert, die Frage der Errichtung von Betriebsräten aber damit ins Belieben des Unternehmers stellt und somit riskiert, daß durch die heute eher zur Regel gewordenen und rascher wechselnden flexiblen Formen der Leitungsorganisation den Betriebsräten "die Basis ihrer Arbeit unter den Füßen weggezogen wird" (siehe Trümmer in Däubler ua, Betriebsverfassungsrecht4 § 4 Rz 45). Im übrigen wird auch von einem Teil der deutschen Lehre zum Betriebsbegriff der belegschaftsbezogenen Arbeitnehmernähe gegenüber der mit der Entscheidungsnähe verbundenen Fixierung auf den arbeitgeberseitigen Leitungsapparat der Vorzug gegeben, weil dies dem grundsätzlichen Anliegen des Betriebsverfassungsrechtes als Organisationsrecht für die Handlungsorganisation der Arbeitnehmer besser entspricht, als die Orientierung an arbeitgeberbezogenen Momenten (siehe Trümmer aaO § 1 Rz 45). Auch der erkennende Senat hält mit der herrschenden österreichischen Lehre und Rechtsprechung daran fest, daß dem Betrieb als organisatorischer Einheit ein gewisses Mindestmaß an Selbständigkeit lediglich in produktionstechnischer Hinsicht, nicht aber bezüglich der der Mitbestimmung unterliegenden Personalangelegenheiten zukommen muß (siehe Arb 10.525 mwH; Strasser in Floretta/Strasser, HandkommzArbVG 202 f; derselbe in Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht3 II 253 f; Schwarz/Löschnigg aaO 189 f; Cerny aaO 146 f; Marhold in Mayer-Maly/Marhold, Österreichisches Arbeitsrecht II 124 f), zumal der Betriebsbegriff anders als im deutschen Rechtsbereich im § 34 Abs 1 ArbVG definiert ist und nach dieser Definition die organisatorische Einheit auf die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse mit technischen oder immateriellen Mitteln zu beziehen ist. Offenbar unter Berücksichtigung auch der österreichischen Lehre und Rechtsprechung vertritt im übrigen S.Gahleitner nicht die Auffassung, daß die Betriebsleitung befugt sein müsse, sämtliche personellen und sozialen Maßnahmen im Betrieb alleinverantwortlich ohne Rücksprache mit der Unternehmensleitung durchzuführen, sondern läßt es vielmehr genügen, daß die Betriebsleitung grundsätzlich als Ansprechpartner des Betriebsrates kompetent sei und zur Verfügung stehe, unabhängig davon, wie letztlich die Willensbildung bei dem als Betriebsinhaber anzusehenden Unternehmen vor sich gehe (siehe S.Gahleitner aaO 19). Selbst bei Zugrundelegung dieser Auffassung weisen nun die örtlichen Fachdienstleiter der klagenden Partei ausreichende Kompetenzen in dem der personellen und sozialen Mitbestimmung unterliegenden Bereich auf. Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen sind die örtlichen Fachdienstleiter gegenüber ihren unterstellten Mitarbeitern nicht nur hinsichtlich der technischen Abläufe weisungsberechtigt, sondern obliegt ihnen auch die disziplinäre Aufsicht, die Erstellung von Dienst- und Urlaubsplänen und die Überwachung der Einhaltung der von der Zentrale erlassenen Dienstvorschriften und kommt ihnen in der Praxis ein nicht unerheblicher faktischer Einfluß auf die Personalentscheidungen der Zentrale - etwa im Wege von Empfehlungen, welcher Bewerber besser in das vorhandene Team passen würde - zu, sodaß sie selbst bei Zugrundelegung der von S.Gahleitner aaO vertretenen Grundsätze als geeignete Ansprechpartner des Betriebsrates anzusehen wären.

Da damit zumindest für den Flugsicherungsbetrieb sowohl in der Flugverkehrskontrollzentrale als auch an den Flugsicherungsstellen der Flughäfen Wien, Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Linz und Salzburg jeweils eigene Betriebe bestehen, ist die Sache im Sinne der Abweisung des die Feststellung des Nichtbestehens weiterer Betriebe an diesen Arbeitsstätten anstrebenden Klagebegehrens spruchreif, ohne daß es weiterer, nur zur Klärung der nicht entscheidungswesentlichen Frage, ob an diesen Arbeitsstellen jeweils nur ein oder mehrere Betriebe bestehen, dienenden Erhebungen bedürfte.

Der Oberste Gerichtshof kann gemäß § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO über einen Rekurs gegen einen Beschluß des Berufungsgerichtes nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO durch Urteil in der Sache selbst erkennen, wenn die Sache zur Entscheidung reif ist, wobei diese Entscheidung auch zum Nachteil des Rekurswerbers ausfallen kann (SZ 59/171; SSV-NF 5/96; Fasching ZPR2 Rz 1983). Der Oberste Gerichtshof kann daher, auch wenn nur der in erster Instanz siegreiche Kläger den Aufhebungsbeschluß bekämpft hat, das Klagebegehren im Sinne des unerledigt gebliebenen Berufungsantrages des Beklagten abweisen (SZ 64/191).

Dem Rekurs der klagenden Partei war daher Folge zu geben, der angefochtene Beschluß aufzuheben und in der Sache selbst im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens zu erkennen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf den §§ 58 Abs 1 Satz 1 ASGG und 41, 50 Abs 1 ZPO. Mangels Bewertung durch den Kläger war hiebei gemäß § 56 Abs 2 JN iVm § 4 RAT von einem Streitwert von 30.000,-- S auszugehen (9 ObA 223/93; Beschluß vom 9.2.1995 in 8 ObA 317/94).

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