OGH 8ObS58/00p

OGH8ObS58/00p28.9.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Johann Holper und Dr. Pipin Henzl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei DI Dr. Günther S*****, vertreten durch Mag. Georg Riha, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen für Wien, Niederösterreich und Burgenland, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen S 957.852,29 s. A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. November 1999, GZ 8 Rs 122/99s-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 14. Dezember 1998, GZ 34 Cgs 80/98m-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanzen haben den Sachverhalt rechtlich richtig beurteilt, weshalb es gemäß § 510 Abs 3 ZPO ausreicht, auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteils zu verweisen. Ergänzend ist anzumerken:

Zweck des IESG ist in seinem Kernbereich das Hintanhalten der von den Arbeitnehmern typischerweise nicht abwendbaren und absicherbaren Gefahr des gänzlichen oder teilweisen Verlustes der Entgeltansprüche, auf die diese zur Bestreitung des Lebensunterhaltes angewiesen sind (SZ 64/54; 66/124; 67/14 und 142; 8 ObS 57/00s uva).

Ein "Fremdvergleich" zeigt, dass normalerweise ein Arbeitnehmer unter den gegebenen Umständen (keine Lohnzahlung durch ein Jahr) das Arbeitsverhältnis nicht aufrecht erhalten hätte, sondern vorzeitig ausgetreten wäre, sodass sich das finanzielle Risiko des Verlustes seiner Entgeltansprüche in Grenzen gehalten hätte.

Bleibt der Arbeitnehmer trotz Nichtzahlung des Lohns im Unternehmen tätig und versucht er auch gar nicht ernstlich die Beträge einbringlich zu machen, so indiziert dies in der Regel, dass er beabsichtigte, in der Folge seine offenen Lohnansprüche gegen den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds geltend zu machen; derartige Vereinbarungen oder Verhaltensweisen, die auf eine Verlagerung des Finanzierungsrisikos des Arbeitgebers zu Lasten eines Dritten, nämlich des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds hinauslaufen, sind diesem gegenüber unwirksam (WBl 1995, 75; ZIK 1996, 172). Gleiches gilt auch dann, wenn die Absicht des Arbeitnehmers nicht vordergründig darauf gerichtet war, den Fonds sittenwidrig zu schmälern, sondern dies nur mit bedingtem Vorsatz in Kauf genommen wurde (ZIK 1996, 172; 8 Ob 1023/95; ZIK 1999, 216).

Selbst wenn der Arbeitnehmer die eventuelle Inanspruchnahme des Fonds nicht bedacht haben sollte und ihm kein bedingter Vorsatz vorgeworfen werden könnte, steht dennoch kein Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld zu, weil die atypische, einem Fremdvergleich nicht standhaltende Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, mit der der Arbeitnehmer zur Finanzierung des Unternehmens beitrug, nicht vom Schutzzweck des IESG erfasst ist. Dem Kläger stand es selbstverständlich frei, im Unternehmen tätig zu bleiben, auch wenn er monatelang keinen Lohn erhielt, er hat dann aber keine Ansprüche gegen die Beklagte, weil ein atypisches Arbeitsverhältnis, das nicht auf die Erzielung von Entgelt zur Bestreitung des Lebensunterhalts gerichtet war, vorlag (WBl 1999, 174; 8 ObS 295/98k; 8 ObS 306/98b; 8 ObS 57/00s u. a.).

Aus der zwischenzeitig erfolgten zeitlichen Limitierung des Anspruchs auf Insolvenz-Ausfallgeld für laufendes Entgelt für Zeiten vor der Konkurseröffnung ist nur zu schließen, dass nunmehr das Zuwarten mehr als sechs Monate (§ 3a IESG idF IESG-Nov 1997, BGBl I 107) zum Verlust der Sicherung führt. Daraus folgt aber nicht, dass ein Lohnrückstand von sechs Monaten für die Zeit vor Konkurseröffnung (oder einem nach § 1 Abs 1 IESG gleichgestellten Sachverhalt) jedenfalls gesichert ist. Vor und nach der IESG-Novelle 1997 sind Ansprüche aus dem Zweck des Gesetzes in seinem Kernbereich nicht entsprechenden Arbeitsverhältnissen nicht gesichert, sodass der Kläger - dem die schlechte finanzielle Situation seines Dienstgebers schon aus dem früheren Dienstverhältnis, in dem er keinen Lohn erhielt, und durch die nunmehr ausdrücklich zur Ersparung der Dienstgeberbeiträge zur Sozialversicherung gewählte Umgehungskonstruktion des monatlichen Abschlusses von Werkverträgen bekannt war - auch nicht für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung rückständigen Lohn gegen den Fonds erfolgreich geltend machen kann (WBl 1999, 174; 8 ObS 295/98k; 8 ObS 306/98b).

Der Klärung der Frage, inwieweit die durch den Abschluss von

(Schein-)Werkverträgen unter anderem bewirkte Nichabfuhr der

Arbeitgeberbeiträge gemäß § 12 Abs 1 Z 4 IESG ebenfalls - ungeachtet

des vom Berufungsgericht sehr eingehend behandelten Wesens einer

Pflichtversicherung - einen Leistungsausschluss durch den Beklagten

bewirken könnte (vgl VfGH B 655/88 = infas 1990, A 63; EvBl 1991/17;

8 ObS 52/97y; ablehnend: VwGH 89/11/0109 = ZfVB 1990/1246), bedarf es

bei dieser Sachlage nicht.

Der Revision ist nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Voraussetzungen für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden weder geltend gemacht noch sind sie sonst aus dem Akt ersichtlich.

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