OGH 6Ob82/02f

OGH6Ob82/02f18.4.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Herbert H*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der T*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Friedrich H. Knöbl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei F***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Salpius & Partner, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 1,920.000 S (= 139.531,84 EUR), über die außerordentliche Revision und den Rekurs der klagenden Partei gegen das Teilurteil und den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 19. Dezember 2001, GZ 2 R 125/01t-51, womit über die Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 30. März 2001, GZ 2 Cg 287/96x-42, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Die außerordentliche Revision wird mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

2. Der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss wird mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinne des § 519 Abs 2 ZPO iVm § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag der beklagten Partei auf Zuspruch von Kosten für die Rekursbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die klagende Kraftfahrzeugshändlerin (nach der Eröffnung des Konkurses über ihr Vermögen: der Masseverwalter) begehrt von der beklagten Generalimporteurin nach der Kündigung des Händlervertrages vom 28. 2. 1995 gestützt auf die analoge Anwendung des § 24 HVertrG 1993 eine Ausgleichszahlung von 1,920.000 S. Die Klageforderung steht dem Grunde nach aufgrund des rechtskräftigen Teilzwischenurteils des Oberlandesgerichtes Linz vom 14. 7. 1999 als zu Recht bestehend fest. Die Revision der Beklagten gegen dieses Teilzwischenurteil war zurückgewiesen worden (6 Ob 247/99p). Zur Entscheidung über die Höhe hatte das Berufungsgericht das klagestattgebende Urteil des Erstgerichtes zur Verfahrensergänzung aufgehoben und zur Frage eines prozentmäßigen Abzugs vom Provisionsanspruch wegen der sogenannten Sogwirkung der Marke ausgeführt, dass der Abzug im Rahmen der Billigkeitsprüfung im Wege einer Schätzung nach § 273 ZPO mit (höchstens) 25 % festgestellt werden könne. Den Umfang der Sogwirkung der Marke und das Abwanderungsrisiko (also die Abwanderung von Kunden von Fahrzeugen der Beklagten zu dem nach der Kündigung vom Händler vertriebenen anderen Markenprodukt) habe jedenfalls die beklagte Importeurin zu behaupten und zu beweisen.

Im zweiten Rechtsgang stellte das Erstgericht das Klagebegehren als mit 1,092.000 S (= 79.358,73 EUR) zu Recht und mit 828.000 S als nicht zu Recht bestehend fest (P 1.), stellte die Gegenforderung von 11,275.984 S als nicht zu Recht bestehend fest (P 2.), erkannte die Beklagte für schuldig, dem Kläger 1,092.000 S zu zahlen (P 3.) und wies das Mehrbegehren von 828.000 S (= 60.173,11 EUR) ab (P 4.). Das Erstgericht ging bei der Klagestattgebung von einem durchschnittlichen Neuwagenumsatz von rund 1,680.000 S brutto und einem nach § 273 ZPO eingeschätzten Abzug von 25 % wegen der Sogwirkung der Marke und von 10 % wegen der Abwanderung zur Nachfolgemarke der Gemeinschuldnerin aus. Die Klageabweisung stützte das Erstgericht auf die jüngere oberstgerichtliche Judikatur, dass das Ersatzteilgeschäft in die Berechnung des Ausgleichsanspruchs nicht einzubeziehen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und bestätigte die Teilabweisung des Klagebegehrens mit Teilurteil. Es hob über Berufung der Beklagten das der Klage teilweise stattgebende Urteil des Erstgerichtes (in den P 1. und 3.) zur Verfahrensergänzung auf. Das Berufungsgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, dass das Ersatzteilgeschäft auf die Höhe des Ausgleichsanspruchs keinen Einfluss habe und zitierte dazu die neuere oberstgerichtliche Judikatur seit der Entscheidung 4 Ob 79/99t (dieser folgend 1 Ob 359/99x; 7 Ob 161/00b; 8 Ob 74/00s und 6 Ob 218/00b). Das Berufungsgericht sei an seine im ersten Rechtsgang geäußerte gegenteilige, auf die Entscheidung 9 Ob 2065/96h gestützte Auffassung nicht gebunden. Es läge auch in der Frage des Abzugs aus dem Titel der Sogwirkung der Marke und des Abwanderungsrisikos keine Bindung an die im ersten Rechtsgang geäußerte Anwendbarkeit des § 273 ZPO vor. Das Erstgericht übersehe das zu diesen Themen von der Beklagten erstattete Vorbringen, dass die Sogwirkung der Marke und das Abwanderungsrisiko Abzüge von je 50 % rechtfertigten, weil die klagende Vertragshändlerin eine deutlich unter dem österreichischen Durchschnitt liegende Verkaufsleistung aufgewiesen habe, sodass die Sogwirkung der Marke eine besondere Rolle spiele. Die Marke sei am Markt gut eingeführt und genieße Verkehrsgeltung. Die klagende Händlerin hätte nur einen niedrigeren "Kundenzufriedenheitsspiegel" erreicht. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes habe die Beklagte mit diesem Vorbringen konkrete Behauptungen zu den Bemessungsfaktoren aufgestellt, die mit dem pauschalen Hinweis auf § 273 ZPO nicht entkräftet werden dürften. Der Sachverhalt könne (u.a.) auch mit dem beantragten Gutachten eines Marktforschungsinstitutes nachgewiesen werden.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision gegen das Teilurteil nicht zulässig, der Rekurs an den Obersten Gerichtshof gegen den Aufhebungsbeschluss hingegen zulässig sei, weil mit der Berufungsentscheidung möglicherweise von der oberstgerichtlicher Judikatur über die "Beweisfähigkeit von Sogwirkung und Abwanderungsrisiko abgewichen sein könnte" und der Frage, inwieweit Meinungs- bzw Marktforschungsstudien zulässige Beweismittel seien, erhebliche Bedeutung zukomme.

Mit seiner außerordentlichen Revision beantragt der Kläger die Abänderung dahin, dass dem Teilbegehren von 828.000 S (= 60.173,11 EUR) stattgegeben werde.

Mit dem "ordentlichen Revisionsrekurs" (richtig: Rekurs) beantragt der Kläger die Abänderung dahin, dass das der Klage teilweise stattgebende Urteil des Erstgerichtes wieder hergestellt werde. Mit ihrer Rekursbeantwortung beantragt die Beklagte, dem Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Beide Rechtsmittel sind mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig:

I. Zur Revision:

Revisionsgegenstand ist der auf das Ersatzteilgeschäft gestützte Ausgleichsanspruch. Das Berufungsgericht ist der ständigen jüngeren oberstgerichtlichen Rechtsprechung gefolgt, wonach beim Ersatzteilgeschäft als bloßem Nebenprodukt des Werkstättenbetriebs nicht zu erwarten ist, dass der Unternehmer nach Auflösung des Vertragsverhältnisses noch Vorteile ziehen könne (RS0112214). Selbst wenn das Berufungsgericht an seine gegenteilige Rechtsauffassung im Aufhebungsbeschluss grundsätzlich gebunden war, bedeutet sein Abgehen im zweiten Rechtsgang keinen Revisionsgrund, wenn sich seine zweite Ansicht - wie hier - als richtig erweist (RS0042173; RS0042181). Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers wurde im ersten Rechtsgang mit der Entscheidung des Revisionsgerichtes vom 15. 12. 1999, 6 Ob 247/99p, die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, das der vereinzelt gebliebenen und nun überholten Entscheidung 9 Ob 2065/96h folgte, keineswegs bestätigt. Die behauptete Bindung des Obersten Gerichtshofs selbst (vgl dazu RS0043723) liegt hier schon deshalb nicht vor, weil anlässlich der Zurückweisung der außerordentlichen Revision gegen das Teilzwischenurteil des Berufungsgerichtes im ersten Rechtsgang die Frage der Berücksichtigung des Ersatzteilgeschäfts ausdrücklich nicht entschieden sondern als zur Höhe der Klageforderung gehörig und deswegen als nicht revisibel erachtet worden war (gegen den Aufhebungsbeschluss war der Rekurs an den Obersten Gerichtshof vom Berufungsgericht damals nicht zugelassen worden).

II. Zum Rekurs:

1. Der Rekurswerber begründet auch die Spruchreife der Sache über das Teilbegehren, dem das Erstgericht stattgegeben hatte, mit der Überbindung von Rechtsansichten im Aufhebungsbeschluss des ersten Rechtsganges. Auch hier gilt, dass die Rechtsansicht über die Anwendbarkeit des § 273 ZPO dem Erstgericht nicht vom Obersten Gerichtshof überbunden worden war. Auch das Berufungsgericht selbst hatte - entgegen seiner im zweiten Rechtsgang vertretenen Auffassung - nicht die Einschätzung nach § 273 ZPO überbunden, sondern im Einklang mit der oberstgerichtlichen Judikatur (RS0106003; RS0062520) auf die Behauptungs- und Beweislast des Importeurs zum Thema des Umfangs der Sogwirkung der Marke und des Abwanderungsrisikos hingewiesen, die Ausmittlung dieser Umstände nach § 273 ZPO nur als "denkbar" bezeichnet und die Erörterung dieser verfahrensrechtlichen Fragen mit den Parteien angeordnet. Wenn die Beklagte zu den genannten Themen im zweiten Rechtsgang ein konkretes Sachverhaltsvorbringen erstattete und Beweise anbot, kann aus der als bloße Möglichkeit angeführten Anwendbarkeit des § 273 ZPO keine Bindungswirkung in dem Sinne abgeleitet werden, dass die Ermittlung des konkret behaupteten Sachverhalts nicht stattfinden dürfte, auch wenn dies zu einem vermehrten Prozessaufwand aufgrund eines erst in einer sehr späten Verfahrensphase erstatteten Parteivorbringens führt.

2. Zur Rechtsfrage, ob das von der Beklagten zum Thema der Sogwirkung der Marke beantragte Gutachten eines Marktforschungsinstitutes (Beweisantrag S 8 zu ON 40) ein zulässiges Beweismittel darstellt, führt der Rekurswerber nichts aus. Die Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes zu dieser verfahrensrechtlichen Frage beschäftigen sich mit der Zulässigkeit von Meinungsumfragen und Marktforschungsstudien in dem Sinn, dass diese im Prozess vom Gericht angeordnet werden und dann als Beweismittel Verwendung finden sollen. Eine vom Gericht einzuholende Marktforschungsstudie hatte die Beklagte aber gar nicht beantragt. Ihr Beweisantrag war auf die Begutachtung schon vorliegenden Zahlenmaterials und vorliegender Meinungsumfragen durch einen Sachverständigen "aus dem Bereich der Marktforschung" gerichtet, also auf die Durchführung des in der ZPO geregelten Sachverständigenbeweises, der es bezweckt, dem Gericht das aus beruflicher Erfahrung gewonnene Fachwissen eines Sachverständigen zugänglich zu machen. Ob das von der Beklagten angeführte Fachgebiet (der Marktforschung) richtig gewählt war oder ob ein Sachverständiger aus der Kraftfahrzeugbranche besser geeignet wäre, oder ob allenfalls aus beiden Fachgebieten Sachverständige zu bestellen wären, ist hier nicht zu entscheiden. Einerseits hatte die Beklagte einen zulässigen Sachverständigenbeweis beantragt, andererseits führt der Kläger in seinem Rekurs zu der vom Berufungsgericht für erheblich erachteten Rechtsfrage nichts aus. Selbst wenn das Berufungsgericht für seinen Zulässigkeitsausspruch eine erhebliche Rechtsfrage releviert hätte, müsste hier die Zulässigkeit des Rekurses gegen den Aufhebungsbeschluss verneint werden, weil der Rekurswerber diese Rechtsfrage nicht aufgreift (Kodek in Rechberger ZPO2 Rz 3 vor § 502; RdW 1998, 454 mwN; 4 Ob 604/95).

Kosten für die Rekursbeantwortung waren nicht zuzusprechen, weil die Beklagte auf die Unzulässigkeit des Rekurses nicht hingewiesen hat.

Stichworte