OGH 4Ob604/95

OGH4Ob604/9525.6.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** registrierte Genossenschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Andreas Widschwenter, Rechtsanwalt in Wörgl, wider die beklagte Partei Joachim S*****, vertreten durch Dr.Georg Huber, Rechtsanwalt in Kufstein, wegen S 70.227 sA, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 18.August 1995, GZ 4 R 434/95-18, womit dem Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Kufstein vom 11.Juni 1995, GZ 2 C 485/94v-14, Folge gegeben und die Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit verworfen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.871,04 (darin enthalten S 811,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt Zahlung von ÖS 70.227 sA aufgrund eines zwischen ihrer Rechtsvorgängerin, der R***** registrierte Genossenschaft mbH und dem Beklagten abgeschlossenen Abstattungskreditvertrages. Dieser diente der Finanzierung eines von der S***** GmbH mit dem Sitz in Deutschland angebotenen Timesharing-Vertrages betreffend eine Ferienanlage in der Türkei. Der Beklagte - er ist in Deutschland wohnhaft - unterfertigte Timesharing-Vertrag und Kreditvertrag in Deutschland.

Der Kreditvertrag enthält eine Gerichtsstandsvereinbarung, wonach der Kreditnehmer "in allen Streitigkeiten aus diesem Rechtsgeschäft die Gerichtsbarkeit des Bezirksgerichtes Kufstein anerkennt".

Zur Begründung der Zuständigkeit des angerufenen Bezirksgerichtes Kufstein berief sich die Klägerin auf die Gerichtsstandsvereinbarung und führte aus, das Vermögen der R***** registrierte Genossenschaft mbH sei mit Verschmelzungsvertrag vom 16.12.1991 auf sie übergegangen. Die Gerichtsstandsvereinbarung wurde urkundlich nachgewiesen, die infolge Verschmelzung erfolgte Gesamtrechtsnachfolge der Klägerin vom Beklagten nicht bestritten.

Der Beklagte wendete mangelnde inländische Gerichtsbarkeit ein; er sei deutscher Staatsbürger, Anknüpfungspunkte, die die Zuständigkeit eines österreichischen Gerichtes begründen könnten, fehlten.

Nach abgesonderter Verhandlung wies das Erstgericht die Klage mangels inländischer Gerichtsbarkeit zurück; es verneinte das Vorliegen die inländische Gerichtsbarkeit begründender Anknüpfungspunkte.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin Folge, verwarf die Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf. Von der in Lehre und Rechtsprechung angewendeten Indikationentheorie ausgehend sei eine ausreichende Inlandsbeziehung schon dadurch gegeben, daß der Beklagte nach dem hier anzuwendenden § 905 Abs 2 ABGB seine Zahlungspflicht aus dem Kreditvertrag an der Niederlassung der Klägerin in Österreich zu erfüllen habe. Eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, inwieweit bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung ausländische und völkerrechtliche Privatrechts- und Verfahrensrechtsnormen heranzuziehen seien, fehle; da dieser Frage im Hinblick auf die zunehmende Internationalisierung des Privatrechtsverkehrs erhebliche Bedeutung zukomme, sei die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses auszusprechen gewesen.

Der Beklagte beantragt in seinem Revisionsrekurs die Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes und die Zurückweisung der Klage wegen mangelnder inländischer Gerichtsbarkeit.

Die Klägerin bestritt die Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 528 Abs 1 ZPO; sie beantragte, das Rechtsmittel zurückzuweisen und hilfsweise, den Beschluß des Rekursgerichtes vollinhaltlich zu bestätigen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Beklagten ist nicht zulässig.

§ 528 ZPO bindet die Zulässigkeit des Revisionsrekurses daran, daß die Entscheidung über das Rechtsmittel von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. Die Anfechtung der Entscheidung des Rekursgerichtes ist daher nur dann möglich, wenn der Rechtsmittelwerber die unrichtige Lösung einer in diesem Sinn erheblichen Rechtsfrage geltend macht (JBl 1992, 794). Nur in diesem Fall hat der Oberste Gerichtshof aus Anlaß des Rekurses die rechtliche Beurteilung durch das Rekursgericht in jeder Richtung zu überprüfen. Hat das Gericht zweiter Instanz zu Recht ausgesprochen, daß der Revisionsrekurs zulässig sei, macht der Rechtsmittelwerber dann aber nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, ist der Rekurs trotz des Ausspruchs der Zulässigkeit durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen (Kodek in Rechberger ZPO Rz 3 vor § 502).

Der Beklagte nimmt in seinem Revisionsrekurs auf die vom Rekursgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage nicht Bezug. Er macht vielmehr (ohne das Vorliegen und die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung selbst in Frage zu stellen) geltend, es fehle im vorliegenden Fall an ausreichenden, die inländische Gerichtsbarkeit begründenden Anknüpfungspunkten; das Erstgericht habe die inländische Gerichtsbarkeit allein aufgrund der vorliegenden Gerichtsstandsvereinbarung bejaht und sei damit von der herrschenden Lehre und Rechtsprechung abgewichen.

Dieses Vorbringen ist mit Rücksicht auf die bereits bestehende, im folgenden dargestellte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der inländischen Gerichtsbarkeit im Fall einer Gerichtsstandsvereinbarung nach § 104 JN - von der das Rekursgericht nicht abgewichen ist - nicht geeignet, die Zulässigkeit des Revisionsrekurses zu begründen.

Die inländische Gerichtsbarkeit im Sinn der inländischen Zuständigkeit ist eine selbständige allgemeine Prozeßvoraussetzung, deren Vorliegen primär (SZ 62/101; ecolex 1995, 887) und unabhängig von der Frage der örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes nach innerstaatlichem Recht zu beurteilen ist. Sie besteht nach herrschender Lehre und Rechtsprechung für alle Zivilrechtssachen, die durch positiv-gesetzliche Anordnung, völkerrechtliche Regelungen oder zufolge eines durch die inländische Verfahrensordnung anerkannten Anknüpfungspunktes an das Inland - zB einen inländischen Gerichtsstand - vor die österreichischen Gerichte verwiesen sind (ZfRV 1994/46; zuletzt 1 Ob 2034/96s).

Liegt jedoch ein inländischer Gerichtsstand ohne hinreichende Nahebeziehung zum Inland vor, ist die inländische Gerichtsbarkeit zu verneinen (ZfRV 1994/46; JBl 1994, 343; EvBl 1994/154; ZfRV 1995/26; RdW 1996, 63; Mayr in Rechberger ZPO Rz 4 zu § 28 JN).

Eine gültige und wirksame Gerichtsstandsvereinbarung der Parteien bildet nach der herrschenden Rechtsprechung einen - auch von anderen Verfahrensordnungen wie dem EUGVÜ oder dem Lugano Parallelabkommen (insbes Art 17) international allgemein anerkannten - Anknüpfungspunkt an das österreichische Inland (JBl 1994, 343; ecolex 1995, 887; WBl 1995, 426). Die darin liegende vertragliche Unterwerfung unter die internationale Zuständigkeit der inländischen Gerichte wird unter der Voraussetzung einer hinreichenden Inlandsbeziehung des Streitgegenstandes oder der Parteien anerkannt (JBl 1994, 343; ZfRV 1994/46; ZfRV 1995/26), wobei der im Inland gelegene - den allgemeinen Gerichtsstand begründende - Sitz oder Wohnort des Klägers regelmäßig als ausreichende Inlandsbeziehung angesehen wird (JBl 1994, 343; ecolex 1995, 887; ZfRV 1995/26; ZfRV 1995/46).

Die von der Rekurswerberin zitierte Entscheidung 6 Ob 557/94 (veröffentlicht in WBl 1995, 165) ist auf den gegenständlichen Fall einer Gerichtsstandsvereinbarung nach § 104 JN nicht anwendbar. Sie betraf Entgeltforderungen eines österreichischen Exporteurs für Warenlieferungen ins Ausland, wobei sich der Kläger auf das Vorliegen eines Fakturengerichtsstandes nach § 88 Abs 2 JN berufen hatte. In dieser Entscheidung verneinte der Oberste Gerichtshof die inländische Zuständigkeit unter Bedachtnahme auf die im (von Österreich wohl unterzeichneten jedoch noch nicht ratifizierten Lugano-Übereinkommen) zum Ausdruck kommende überragende Bedeutung des allgemeinen Gerichtsstands des Beklagten und die von diesem Übereinkommen eröffnete Möglichkeit, die Klage beim Gericht des Erfüllungsortes anhängig zu machen (Art 5 Z 1) unter ausdrücklichem Hinweis darauf, daß die dort eingeklagte Geldschuld mangels anderer vertraglicher Vereinbarung im Ausland zu erfüllen sei. Die bloß einseitige Erklärung des Lieferanten in der mit der Ware übersendeten Faktura bilde weder eine vertragliche Vereinbarung des Erfüllungsortes, noch verstärke sie die zur Begründung der inländischen Gerichtsbarkeit noch nicht ausreichende Inlandsbeziehung.

Die in der zit.Entscheidung dargelegten Grundsätze sind entgegen der Ansicht des Rekurswerbers auf den gegenständlichen Fall schon deshalb nicht anwendbar, weil diesem eine ausdrückliche, im Kreditvertrag formulierte (und von ihm auch unterfertigte) Gerichtsstandsvereinbarung nach § 104 JN zugrunde liegt, während die Entscheidung 6 Ob 557/94 = WBl 1995, 165 den Fall eines durch einseitige Übersendung der Rechnung begründeten Fakturengerichtsstandes zum Inhalt hatte.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes steht daher mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage des Inlandsbezuges bei Vorliegen einer Gerichtsstandsvereinbarung nach § 104 JN, wonach der im Inland gelegene Sitz des Klägers ausreicht, in Einklang. Die vom Rekurswerber angesprochene erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO liegt nicht vor.

Der Revisionsrekurs des Beklagten ist daher unzulässig.

Da die Klägerin in ihrer Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, waren Kosten zuzusprechen (§§ 41, 50 ZPO).

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