OGH 9Ob78/00m

OGH9Ob78/00m6.9.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer, Dr. Spenling, Dr. Hradil und Dr. Hopf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef F*****, Kaufmann, *****, vertreten durch Dr. Josef Kaiblinger, Rechtsanwalt in Gunskirchen, wider die beklagte Partei Birgit H*****, Selbständige, *****, vertreten durch Dr. Jörg Brunhuemer, Rechtsanwalt in Gmunden, wegen S 61.463,96 sA (Revisionsinteresse S 58.727,96), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 11. November 1999, GZ 22 R 405/99m-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Gmunden vom 18. August 1999, GZ 2 C 1075/98m-20, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Der Antrag der Revisionsgegnerin auf Zuspruch von Kosten des Revisionsverfahrens wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die Beklagte beauftragte die K***** & Partner KEG im Juni 1997 mit der Errichtung eines Hauses, die wiederum ihrerseits im August 1997 beim Kläger im eigenen Namen die Herstellung und Lieferung von Fenstern für das Bauvorhaben der Beklagten bestellte. Nachdem der Kläger die Fenster geliefert und auftragsgemäß Rechnung vom 30. 9. 1997 über S 91.463,96 an die K***** & Partner KEG gelegt hatte, ersuchte Letztere den Kläger, Rechnung direkt an die Beklagte zu legen; es habe sich um einen "Vermittlungskauf" gehandelt. Über Drängen des Klägers leistete die Beklagte im Februar und April 1998 2 Teilzahlungen von S 16.000 und S 14.000. Über das Vermögen der K***** & Partner KEG wurde am 20. 11. 1998 der Konkurs eröffnet.

Der Kläger begehrt von der Beklagten S 61.463,96 sA mit der Behauptung, die K***** & Partner KEG habe ihn im Namen und auf Rechnung der Beklagten mit der Herstellung und Lieferung von Fenstern beauftragt. Zuletzt stützte sich der Kläger auch auf ein konstitutives Anerkenntnis der Beklagten.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen, und wendete ein, dass sie dem Kläger keinen Auftrag erteilt habe. Die Teilzahlung sei nur aufgrund des massiven Drucks des Klägers geleistet worden, nachdem die K***** & Partner KEG in finanzielle Schwierigkeiten geraten sei. Die Fensterlieferung des Klägers sei überdies mangelhaft, weshalb eine Gegenforderung von S 60.600 aufrechnungsweise eingewendet werde.

Das Erstgericht stellte das Bestehen der Klageforderung mit S 58.727,96 sA und das Nichtbestehen der Gegenforderung der Beklagten fest, gab dem Klagebegehren hinsichtlich des Teilbetrages von S 58.727,96 sA statt und wies das Mehrbegehren von S 2.736 sA ab. Es vertrat unter Zugrundelegung des eingangs wiedergegebenen Sachverhaltes die Rechtsansicht, dass zwar kein Auftrag der Beklagten an den Kläger über die Lieferung von Fenstern, wohl aber infolge zweier Teilzahlungen ein konstitutives Anerkenntnis der Beklagten vorliege. Sie hafte daher für den Preis der Lieferung. Aufgrund der festgestellten Mängel stehe ihr aber ein Preisminderungsanspruch im Umfang der teilweisen Klageabweisung zu.

Das Berufungsgericht änderte infolge Berufung der Beklagten das erstgerichtliche Urteil im Sinne der gänzlichen Klageabweisung ab. Ob ein konstitutives Anerkenntnis vorliege, sei durch Auslegung des Parteiwillens im Einzelfall zu ermitteln. Ein (schlüssiges) konstitutives Anerkenntnis könne nur dann angenommen werden, wenn kein vernünftiger Grund übrig bleibe, am Vorliegen einer entsprechenden Willenserklärung zu zweifeln. Auch der Kläger habe erkennen müssen, dass es der Beklagten um keine Regulierung der gesamten Verbindlichkeit, sondern lediglich um einen Zahlungsaufschub und eine Vermeidung der Klageführung des Klägers gegangen sei. Aus den beiden nach einem Ansuchen um Zahlungsaufschub geleisteten Teilzahlungen könne noch nicht auf ein konstitutives Anerkenntnis der Restschuld geschlossen werden, weil die Beklagte damit, auch wenn sie keinen Rückforderungsvorbehalt getätigt habe, nicht eindeutig zum Ausdruck gebracht habe, dass sie die Schuld ohne Rücksicht auf ihren rechtlichen Bestand zur Gänze bereinigen wolle. Die ordentliche Revision sei gemäß § 502 Abs 1 ZPO zuzulassen, weil keine jüngere Judikatur des Obersten Gerichtshofes vorliege, ob unter Hinweis auf Zahlungsschwierigkeiten geleistete Teilzahlungen nach ihrem objektiven Erklärungswert vom Gläubiger als Anerkennung der Restforderung zumindest dem Grunde nach gewertet werden können, wenn hinsichtlich des Zahlungsgrundes kein Vorbehalt erfolgt sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Ersturteil wiederhergestellt werde.

Die Beklagte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht zulässig. Der Oberste Gerichtshof ist gemäß § 508a Abs 1 ZPO an einen Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulässigkeit der Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nicht gebunden.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes ist die Revision nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist (§ 502 Abs 1 ZPO). Der Revisionswerber begründet nicht, weshalb er meint, dass diese Voraussetzungen hier vorliegen, sondern beschränkt sich auf Ausführungen zum Vorliegen eines schlüssigen konstitutiven Anerkenntnisses. Auch die Revisionsgegnerin nimmt zur Frage der (Un-)Zulässigkeit der Revision nicht näher Stellung.

Im Revisionsverfahren ist unstrittig, dass zwischen den Parteien kein Auftragsverhältnis betreffend die Herstellung und Lieferung von Fenstern bestand. Strittig ist lediglich, ob die Beklagte dessen ungeachtet eine nicht gegen sie, sondern nur gegen die K***** & Partner KEG bestehende Forderung des Klägers konstitutiv anerkannte und damit unabhängig von dem bestehenden Schuldgrund eine neue selbständige Verpflichtung schuf.

Ob eine Erklärung überhaupt ein Anerkenntnis darstellt (RIS-Justiz RS004468), hängt ebenso wie die Frage, ob ein bloß deklaratorisches oder bereits konstitutives Anerkenntnis vorliegt, von den Umständen des Einzelfalls ab (Ertl in Rummel, ABGB2 Rz 7 zu § 1380; Schwimann/Harrer/Heidinger, ABGB2 § 1375 Rz 6; SZ 51/176; EvBl 1979/45; RdW 1989, 62 ua) und ist daher - von Fällen krasser Fehlbeurteilung abgesehen - wie auch in den sonstigen Fällen der Vertragsauslegung im Einzelfall (RIS-Justiz RS0042776, RS0042936) keine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0017965; 1 Ob 318/97i; 7 Ob 178/99y ua).

Bei der Auslegung des Parteiwillens im Einzelfall sind vor allem die mit dem Anerkenntnis verfolgten Zwecke, die beiderseitige Interessenlage und die allgemeine Verkehrsauffassung über die Bedeutung eines solchen Anerkenntnisses maßgebend (RIS-Justiz RS0032666). Ein konstitutives Anerkenntnis kann sowohl ausdrücklich als auch schlüssig zustande kommen (Schwimann/Harrer/Heidinger aaO § 1375 Rz 8 mwN). Ob zwei Teilzahlungen aus der Sicht des Empfängers als schlüssiges Anerkenntnis verstanden werden durften (ZVR 1960/80; SZ 30/7; SZ 45/66; MietSlg 32.242; RIS-Justiz RS0014276), stellt ebenfalls eine nach den konkreten Umständen zu lösende Frage des Einzelfalles und somit ebenfalls in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage dar (RIS-Justiz RS0113193).

Von einer krassen Fehlbeurteilung des Berufungsgerichtes kann hier keine Rede sein. Das Berufungsgericht hat die im gegenständlichen Fall für und gegen das Vorliegen eines konstitutiven Anerkenntnisses sprechenden Umstände sorgfältig gegeneinander abgewogen. Auch ein allfälliger Vorbehalt bei der Zahlung (SZ 58/95) kann nur einer von mehreren je nach Lage der sonstigen Umstände des Einzelfalles relevanten Aspekte sein, der für oder gegen ein konstitutives Anerkenntnis spricht. Da auch beim konstitutiven Anerkenntnis die Vertrauenstheorie gilt, kommt es nicht auf die Absicht des Erklärenden, sondern darauf an, welchen Eindruck der andere aus diesem Verhalten haben musste (EvBl 1981/122; RIS-Justiz RS0014279). Je mehr bei den Parteien das Bewusstsein von der Unsicherheit der Rechtslage hervortritt, um so eher ist ein konstitutives Anerkenntnis anzunehmen (EvBl 1981/122; 9 Ob 132/99y ua); je mehr es zurücktritt, um so eher ist ein solches zu verneinen. Im Zweifel wie man aber einer derartigen Erklärung die weniger weitgehende Wirkung des Geständnisses zuschreiben (Ertl aaO mwN; RIS-Justiz RS0032522). In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass für den Kläger das Bestehen seines Klageanspruches sowohl vor dem Prozess (zu Zeiten des vermeintlichen Anerkenntnisses) als auch während des Prozesses völlig unstrittig war, behauptete er doch stets eine Auftragserteilung durch die Beklagte. Erst zuletzt verlegte sich der Kläger unter Aufrechterhaltung seines bisherigen Vorbringens auch auf das Vorliegen eines konstitutiven Anerkenntnisses (ON 16, AS 82).

Eine derartige Einzelfallentscheidung ist durch den Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Norm korrigiert werden müsste (RZ 1992/50; RZ 1994/45; RIS-Justiz RS0042769). Ein derartiger grober Beurteilungsfehler ist dem Berufungsgericht aber nicht unterlaufen. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Vertragsauslegung hält sich vielmehr im Rahmen der Rechtsprechungsgrundsätze zu § 914 ABGB. Ob auch eine andere Auslegung vertretbar gewesen wäre, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und ist keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0042776, RS0042936; 4 Ob 53/97s; 4 Ob 171/97v; 1 Ob 318/97i; 9 ObA 67/00v).

Kosten der Revisionsbeantwortung waren nicht zuzuerkennen, weil die Revisionsgegnerin auf die Unzulässigkeit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision nicht hingewiesen hat (RIS-Justiz RS0035962).

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