OGH 1Ob214/99y

OGH1Ob214/99y25.1.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Zdravko K*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Kresimir H*****, derzeit unbekannten Aufenthalts, vertreten durch Dr. Maximilian Geiger, Rechtsanwalt in Graz als Zustellkurator (§ 116 ZPO), wegen 211.600 S sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 15. April 1999, GZ 4 R 54/99i-27, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 8. Juni 1999, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 16. Dezember 1998, GZ 22 Cg 23/98a-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 10.665 S (darin 1.777,50 S USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger ist Inhaber eines kroatischen Unternehmens, der Beklagte war alleiniger Geschäftsführer und (Mit-)Gesellschafter einer Gesellschaft mbH mit dem Sitz in Graz (im folgenden nur Gesellschaft). Am 11. September 1996 stellte der Beklagte namens der Gesellschaft dem Kläger für die Lieferung einer Biege- und einer Blechbohrmaschine Kaufpreise von 122.000 S und 89.600 S in Rechnung. Eine näher bezeichnete kroatische Bank (im folgenden nur Bank) räumte dem Kläger - gegen Verpfändung seines Hauses und seiner Werkstätte - für den Maschinenkauf einen zweckgebundenen Kredit ein und überwies auf Grund der Rechnung vom 11. September 1996 auftrags des Klägers am 27. September 1996 die Kreditvaluta von 211.600 S auf das näher bezeichnete österr. Bankkonto der Gesellschaft. Die Streitteile hatten vereinbart, dass der Kläger eine Provision von 5 % des "Gesamtkreditvolumens" (gemeint offenbar: Geschäftsvolumens) erhalten sollte; tatsächlich behielt der Beklagte die gesamte "Kreditsumme" (gemeint: den von der Bank zufolge der Rechnung vom 11. September 1996 überwiesenen Betrag) für sich. Am 24. Jänner 1997 übertrugen der Beklagte und seine Ehegattin und Mitgesellschafterin ihre Geschäftsanteile von je 250.000 S an der Gesellschaft an einen Dritten. Die Gesellschaft wurde am 20. Jänner 1998 amtswegig im Firmenbuch gelöscht.

Der Kläger begehrte vom Beklagten nach Vertragsrücktritt die Rückzahlung des Akontos von 211.600 S sA für die beim Beklagten (persönlich) bestellten, aber nicht gelieferten beiden Maschinen. Zur Dartuung des seinerzeit strittigen Gerichtsstands nach § 92a JN behauptete der Kläger noch, das gegen den Beklagten eingeleitete Strafverfahren wegen Verdachts des schweren Betrugs nach den §§ 146, 147 Abs 2 StGB sei nach dessen Ausschreibung zur Verhaftung wegen dessen Flucht abgebrochen worden. Im Strafverfahren habe der Beklagte seine Zahlungspflicht gegenüber dem Kläger dem Grunde und der Höhe nach anerkannt. Der Kläger habe gegen den Beklagten einen deliktischen Schadenersatzanspruch, weil er die Rücküberweisung des Akontos nicht vorgenommen habe. Im Übrigen sei der Beklagte Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen und seien "bei gerichtlich zu ahndenden Strafdelikten direkte Schadenersatzansprüche der Gläubiger gegen den oder die Geschäftsführer anzuerkennen".

Der Beklagte wendete ua die mangelnde Passivlegitimation ein.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte noch fest, der Kläger habe die Rechnung der Gesellschaft vom 11. September 1996 der Bank präsentiert, um von dieser einen für einen (vorgetäuschten) Maschinenkauf zweckgebundenen Kredit zu erhalten; er habe gemeinsam mit dem Beklagten der Bank einen Kredit für einen Maschinenkauf mit der Vorspiegelung, dass die Gesellschaft diese Maschinen liefern werde, herausgelockt. Tatsächlich hätten beide gewusst, dass mit dem Kredit kein Maschinenkauf gewollt und weder der Beklagte noch die Gesellschaft, die sich mit Kreditvermittlung befasst habe, zur Maschinenlieferung in der Lage gewesen sei. In rechtlicher Hinsicht folgerte das Erstgericht daraus im Wesentlichen, dass die zugrundeliegende, die Bank vorsätzlich benachteiligende Vereinbarung wegen Strafgesetzwidrigkeit iSd § 879 Abs 1 ABGB absolut nichtig und die Rückforderbarkeit selbst über die vereinbarte 5 %ige Provision hinaus auch für den Restbetrag unter den Schädigern wegen des hier zum Tragen kommenden Verbotszwecks gemäß § 1174 Abs 1 erster Satz ABGB bzw § 877 ABGB nicht in Frage komme. Zweck der strafgesetzlichen Verbotsnormen sei zwar die Missbilligung einer Vermögensverschiebung, aber nur zwischen Schädiger und Geschädigtem, nicht jedoch zwischen mehreren Schädigern untereinander.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung aus anderen Erwägungen. Die erstgerichtliche Feststellung, das Vorgehen der Parteien sei einvernehmlich dazu bestimmt gewesen, die Bank zu einer Kreditierung des Klagebetrags zu verleiten, finde im Parteienvorbringen keine Deckung, sodass daraus die Abweisung des Klagebegehrens nicht in Frage komme und überdies der (hier fehlenden) Feststellung bedurft hätte, dass die (Kredit-)Verbindlichkeit des Klägers bei der Bank noch aufrecht sei. Unbestritten stehe aber fest, dass der Beklagte im Namen der von ihm als einzigem Geschäftsführer vertretenen Gesellschaft die Rechnung über die vom Kläger (als mit ihm persönlich getroffen) behauptete Vereinbarung zur Lieferung der beiden Maschinen gegen Vorauszahlung der 211.600 S ausgestellt und auf Grund dieser Rechnung die Bank den Rechnungsbetrag auf das Konto der Gesellschaft überwiesen habe. Wesentlicher Sinngehalt der vom Erstgericht im Rahmen des Vorbringens getroffenen - wenn auch vom Kläger als bestritten anzunehmenden - Feststellungen sei (unter Außerachtlassung des überschießenden Teils) jedenfalls, dass das Erstgericht die vom Kläger behauptete Vereinbarung, der Beklagte (persönlich) habe die Lieferung der Maschinen zugesichert, nicht als erwiesen angenommen habe. Vertragspartner sei vielmehr die Gesellschaft mbH gewesen. Dass tatsächlich (im Fall einer Liefervereinbarung) die Gesellschaft der Geschäfts-, der Beklagte aber nur der Gesprächspartner des Klägers gewesen war, erhelle nicht nur aus vielen - im Einzelnen genannten - Passagen der Parteiaussage des Klägers, sondern auch aus zwei Beilagen und der Aussage des Beklagten im Strafverfahren. Dieser habe dort am 18. Juli 1997 als Beschuldigter vernommen auch angegeben, die Rechnung sei von der "Firma" (gemeint: Gesellschaft) ausgestellt und das Geld auf deren Konto überwiesen worden, die - mittlerweile veräußerte - "Firma" hafte für die Verbindlichkeit gegenüber dem Kläger. Daraus ergebe sich aber eindeutig, dass das Erstgericht zutreffend nicht als erwiesen angenommen habe, der Beklagte sei Partner des vom Kläger behaupteten Vertrags. Daran scheitere eine Stattgebung des Klagebegehrens aus der Kaufvereinbarung. Eine solche aus dem Rechtsgrund des vom Beklagten im Rahmen des Strafverfahrens erstatteten Anerkenntnisses scheitere daran, dass sich dieses nur auf die Verbindlichkeit der Gesellschaft beziehen und im Übrigen nur als deklarativ angesehen werden könne.

Der Kläger habe noch vorgebracht, dass der Beklagte als Geschäftsführer gemäß § 25 Abs 1 GmbHG die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden habe. Dazu habe der Kläger aber, abgesehen vom Fehlen des erforderlichen Tatsachensubstrats, übersehen, dass Gläubigerin solcher Ansprüche die Gesellschaft sei. Es fehle aber auch jedes Tatsachenvorbringen für die Annahme eines in diesem Zusammenhang (straf-)gerichtlich zu ahndenden Delikts des Beklagten als Geschäftsführer, das dem Kläger einen Direktanspruch gegen ihn ermögliche. Welcher Zusammenhang hier mit der vom Kläger in seinem Schriftsatz ON 10 AS 37 ventilierten Haftungsübernahme im Hinblick auf die Veräußerung der Geschäftsanteile des Beklagten (und seiner Ehegattin) an der Gesellschaft bestehen solle, sei nicht erkennbar.

Rechtliche Beurteilung

Die von der zweiten Instanz nachträglich im Verfahren nach § 508 ZPO idFd WGN 1997 zugelassene Revision der klagenden Partei ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

a) Bedacht zu nehmen ist nach stRspr nur auf solche überschießenden Beweisergebnisse, die in den Rahmen eines geltend gemachten Klagegrunds oder einer bestimmten Einwendung fallen (stRspr: SZ 61/135, 1 Ob 2297/96t uva, zuletzt 5 Ob 334/98y, 9 ObA 112/99g; RIS-Justiz RS0037964, RS0037552 und RS0040318; Fasching, Lehrbuch2 Rz 661 und 899). Dadurch, dass die zweite Instanz den vom Erstgericht zur Begründung der Klageabweisung herangezogenen Grund als nicht gegeben erachtete, ist der Kläger jedenfalls nicht beschwert.

b) Soweit das Klagebegehren auf einen Rückforderungsanspruch (Rückabwicklung eines nicht erfüllten Kaufvertrags) gestützt wird, billigte die zweite Instanz im nicht revisiblen Tatsachenbereich die erstinstanzliche Feststellung, Vertragspartner des Kläger sei nicht der Beklagte, sondern die von ihm vertretene Gesellschaft gewesen, und verneinte deshalb die Passivlegitimation. Dem kann der Oberste Gerichtshof nicht entgegentreten. Auf das behauptete Anerkenntnis im Strafverfahren kommt der Kläger im Rechtsmittel nicht mehr zurück.

c) Die Haftung nach § 25 Abs 1 GmbHG begründet eine organisationsrechtliche Verantwortung der Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft. Gläubigerin von Ansprüchen gemäß § 25 GmbHG kann daher nur die Gesellschaft selbst sein; sie allein ist aktiv legitimiert (4 Ob 2154/96k = HS 27.200 ua; Koppensteiner, GmbHG, § 25 Rz 5, 26).

d) Soweit das Klagebegehren auf einen deliktischen Anspruch gestützt wird, ist festzuhalten: Gläubiger einer Gesellschaft mbH, die für ihre Forderungen im Vermögen der Gesellschaft keine oder keine zureichende Deckung gefunden haben, können den oder die Geschäftsführer der Gesellschaft mbH nach allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen (§§ 1293 ff ABGB) auf Ersatz des Schadens in Anspruch nehmen, den ihnen die organschaftlichen Vertreter durch schuldhafte Verletzung eines gerade oder auch zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger erlassenen Gesetzes zugefügt haben (SZ 59/1, SZ 64/160, SZ 67/128, je mwN ua; RIS-Justiz RS0023887). Über den Bereich der Schutzgesetzverletzung hinaus kann auch die Verletzung absoluter Rechtsgüter oder die sittenwidrige Schädigung durch die Geschäftsführer deren Haftpflicht begründen (HS XVI/XVII/7). Auch wer bei Ausübung der Tätigkeit als Geschäftsführer einer GmbH gegen die Gläubiger gerichtete strafbare Handlungen begeht, haftet den Gläubigern persönlich für den Schaden (stRspr: SZ 42/104, SZ 50/75 uva, zuletzt 1 Ob 2269/96z = ÖBA 1997, 738; RIS-Justiz RS0023677).

Zum behaupteten Anspruchsgrund einer persönlichen deliktischen Haftung des Beklagten als Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH verneinte das Berufungsgericht das Vorliegen ausreichender Tatsachenbehauptungen durch den Kläger. Der Frage, ob einzelne Behauptungen ausreichen, den Klageanspruch schlüssig zu begründen, kommt keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Ob ein Vorbringen so weit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht bzw wie weit ein bestimmtes Vorbringen einer Konkretisierung zugänglich ist, ist gleichfalls eine Frage des Einzelfalls (10 Ob 516/94 ua), der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt, und entzieht sich deshalb der Beurteilung als erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO. Eine auffallenden Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz, die jedenfalls einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte, ist nicht zu erkennen. Eine allfällige Verletzung der materiellen Prozessleitungspflicht des Erstgerichts nach § 182 ZPO kann der Oberste Gerichtshof nach stRsp nicht wahrnehmen, wenn in der Berufung ein solcher Mangel nicht gerügt wurde, kann doch das Berufungsgericht Verfahrensmängel nur bei deren Rüge aufgreifen, so dass die Nichtberücksichtigung eines ungerügt gebliebenen Verfahrensfehlers durch das Gericht zweiter Instanz keinen Mangel des Berufungsverfahrens bilden kann (4 Ob 1521/96 mwN ua). Der Kläger hat in der Mängelrüge seiner Berufung nur beanstandet, dass das Erstgericht zwar "überschießende" Feststellungen, aber keine Feststellungen zu Rückzahlungen des Klägers auf den erhaltenen Kredit gegenüber der Bank getroffen habe, nicht aber auch, dass das Erstgericht ihn zu keinem weiteren Vorbringen zu seinem deliktischen Schadenersatzanspruch angeleitet habe.

Kollisionsrechtliche Fragen stellen sich nicht. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 41 und 50 ZPO ZPO. Die beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels ausdrücklich hingewiesen.

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