OGH 6Ob159/69

OGH6Ob159/692.7.1969

SZ 42/104

Normen

GesmbH.-Gesetz §25
GesmbH.-Gesetz §56 (3)
GesmbH.-Gesetz §64 (2)
Strafgesetz §486 (1) Z2
GesmbH.-Gesetz §25
GesmbH.-Gesetz §56 (3)
GesmbH.-Gesetz §64 (2)
Strafgesetz §486 (1) Z2

 

Spruch:

Der Geschäftsführer einer Gesellschaft m. b. H. ist den Gläubigern der Gesellschaft aus einem unmittelbar gegen sie gerichteten, nicht nur im Namen der Gesellschaft gesetzten deliktischen Verhalten - hier: fahrlässige Krida - persönlich schadenersatzpflichtig.

Das Eingehen neuer Schulden i.S. des § 486 (1) Z. 2 StG. schädigt die alten und die neuen Gläubiger.

Entscheidung vom 2. Juli 1969, 6 Ob 159/69.

I. Instanz: Bezirksgericht für Handelssachen Wien; II. Instanz:

Handelsgericht Wien.

Text

Die Beklagte war Geschäftsführerin und Gesellschafterin der S.- GmbH., über deren Vermögen mit Beschluß des HG. Wien vom 14. November 1967 der Konkurs eröffnet wurde, wodurch die Gesellschaft aufgelöst wurde. Die Konkursgläubiger dritter Klasse gingen völlig leer aus; es besteht keine Hoffnung, daß an diese Gläubiger irgendeine Quote zur Ausschüttung gelangen könnte. Die Beklagte wurde wegen Vergehens der fahrlässigen Krida strafgerichtlich rechtskräftig verurteilt, u. zw. unter anderem deshalb, weil sie von Mitte 1966 bis zum 14. November 1967 als Geschäftsführerin der obgenannten Firma fahrlässig ihre Gläubiger dadurch benachteiligte, daß sie in Kenntnis ihrer Zahlungsunfähigkeit neue Schulden einging, Schulden bezahlte sowie das Ausgleichsverfahren bzw. die Eröffnung des Konkurses nicht rechtzeitig beantragte.

Unbestritten ist, daß die Klägerin der Gemeinschuldnerin Waren im Wert von 4597.50 S laut Faktura vom 26. Juli 1967 verkaufte und lieferte, ohne im Hinblick auf die obigen Umstände Zahlung zu erhalten.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes die Zahlung des genannten Fakturenbetrages. Die Beklagte bestreitet jeden Kausalzusammenhang zwischen ihrem strafgerichtlich geahndeten Verhalten und dem Schaden der Klägerin und meint überdies, die Klägerin hätte sich im Konkursverfahren gegen die Gemeinschuldnerin einen Exekutionstitel verschaffen können.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und meinte, die Beklagte hafte als Organ einer juristischen Person persönlich für den Schaden, den sie als Organ einem Dritten zugefügt habe, auch wenn die juristische Person mitverpflichtet sei. Das Erstgericht bejahte einen adäquaten Kausalzusammenhang zwischen der deliktischen Verhaltensweise der Beklagten und der Nichtzahlung der Rechnung der Klägerin und meinte überdies, es bestehe auch ein Rechtswidrigkeitszusammenhang.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, wonach der Geschäftsführer einer Gesellschaft m. b. H. für Schäden hafte, die er einem Dritten schuldhaft zugefügt habe. In der Frage der Kausalität führte das Berufungsgericht aus, es sei die erste Voraussetzung eines Schadenersatzanspruches aus unerlaubter Handlung, daß der Geschädigte die Verursachung des Schadens durch seinen Gegner beweise. Die Klägerin habe zu beweisen, daß das Schadensereignis überhaupt eine Folge des schädigenden Verhaltens der Beklagten gewesen sei, was zunächst eine Frage der rein tatsächlichen Gegebenheiten des besonderen Falles sei. Das Berufungsgericht vermißte ausreichende Feststellungen in erster Instanz und trug dem Erstgericht auf, im fortgesetzten Verfahren unter Beachtung der Bindung an den Spruch des verurteilenden Straferkenntnisses genau festzustellen, welche bestimmten Handlungen und Unterlassungen der Beklagten als ein, wenn auch nur leichtes, Verschulden im Sinne der Deliktshaftung in Betracht kämen. Sodann werde ermittelt werden müssen, ob diese Handlungen oder Unterlassungen Bedingung für den eingeklagten Schaden der Klägerin gewesen seien.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Sehr ausführlich behandelt die Beklagte im Rekurs die grundsätzliche Frage, ob sich aus einem deliktischen Verhalten des Geschäftsführers einer Gesellschaft m. b. H., abgesehen von der daraus entspringenden Verpflichtung der Gesellschaft selbst, auch eine persönliche Schadenersatzpflicht des Geschäftsführers ergeben könnte. Die Beklagte verneint diese grundsätzliche Frage und vertritt die Auffassung, daß die Klage schon aus diesem Grund abgewiesen werden müßte.

Daß die Frage einer persönlichen Schadenersatzpflicht des Geschäftsführers als Organ neben der Verpflichtung der juristischen Person in der Literatur und in der Judikatur verschieden beantwortet wurde, hat schon das Erstgericht sehr ausführlich und anschaulich dargestellt. Beide Vorinstanzen haben sich zu der Auffassung bekannt, § 1295 ABGB. habe für derartige Fälle ungeachtet der besonderen Bestimmungen der §§ 56 (3) und 64 (2) GmbHG. zu gelten.

Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung Rspr. 1937 Nr. 66 in einem ähnlichen Fall die Haftung der Geschäftsführer verneint (siehe dazu die ablehnende Besprechung durch Wahle). Es soll sich nach dieser Entscheidung aus den §§ 56 (3) und 64 (2) GmbHG. ergeben, daß nur in den dort angeführten Fällen (falsche Angaben bei Herabsetzung des Stammkapitals sowie Unterlassung der Anmeldung oder falsche Angaben bei Einforderung von Zahlungen auf die Stammeinlagen) die Gläubiger unmittelbar die Geschäftsführer wegen der von ihnen begangenen rechtswidrigen Handlungen auf Schadenersatz in Anspruch nehmen können. Das wird auch vielfach vom Schrifttum ausgesprochen (siehe insbesondere Pisko, Lehrbuch S. 432, Hämmerle, Lehrbuch[2] II S. 191, Schilling in Hachenburg GesmbHG. Anmerkung 10 zu § 36; letzterer macht nur bei vorsätzlicher Schädigung eine Ausnahme). Im allgemeinen trifft dies wohl zu. Der Geschäftsführer handelt in der Regel namens der Gesellschaft. Ein von ihm gesetztes rechtswidriges Verhalten wird der Gesellschaft zugerechnet, so daß ihn keine persönliche Ersatzpflicht trifft. Vielmehr begehrt die Gesellschaft die Rechtsverletzung, und sie ist den Gläubigern verantwortlich; sie kann bei den Geschäftsführern Rückgriff nehmen. Aus diesem Grund trifft das Gesetz in den §§ 10 (5) und 25 (5) und

(7) GmbHG. besondere Maßnahmen zum Schutz der Gläubiger. Aber in diesen Fällen handelt es sich um keinen unmittelbaren Eingriff des Geschäftsführers in Rechte der Gläubiger. In den Fällen der §§ 56 und 64 GmbHG. könnte immerhin ein Zweifel darüber bestehen, ob sich die dort vorausgesetzten rechtswidrigen Handlungen der Geschäftsführer unmittelbar gegen den Gläubiger richten; das Gesetz hat aber die persönliche Haftung der Geschäftsführer ausgesprochen. Zutreffend nehmen die Untergerichte mit Wahle a.a.O. an, daß damit nicht eine sonstige Haftung der Geschäftsführer für an den Gläubigern begangene Rechtsverletzungen ausgeschlossen wurde. Vorausgesetzt für eine solche Haftung muß aber werden, daß sich das rechtswidrige Verhalten des Geschäftsführers unmittelbar gegen die Gläubiger richtet und daß er es nicht nur im Namen der Gesellschaft gesetzt hat.

Vergeblich sucht die Beklagte in ihrem Rekurs darzutun, nicht sie, sondern die Gesellschaft habe das Delikt begangen. Subjekt einer strafbaren Handlung kann immer nur eine natürliche und keine juristische Person sein. Wenn also das Gesetz ein bestimmtes Verhalten unter Strafsanktion stellt, dann ergibt sich daraus, daß es sich um ein Delikt der physischen Person handelt, die es gesetzt hat. Zutreffend führt das Erstgericht aus, daß sich die strafbare Handlung der Beklagten gegen die Gläubiger gerichtet habe. Daß nur diese und nicht die Gesellschaft dadurch verletzt worden sind, ergibt die Erwägung, daß es bei persönlichen Schuldnern niemand anderen als den Gläubiger gibt, der durch die fahrlässige Krida getroffen werden könnte, so daß diese strafbare Handlung notwendigerweise an den Gläubigern begangen sein muß. Die Schädigung ist daher dem Täter persönlich zuzurechnen. Ein strafrechtlich verpönter Angriff gegen Rechte eines anderen schafft also zwischen dem Täter und dem Verletzten unmittelbare Rechtsbeziehungen, wenn ersterer auch für einen Dritten dabei tätig war.

Der Hinweis der Beklagten auf § 1 (1) AHG., wonach das Organ dem Beschädigten unmittelbar nicht haftet, geht fehl. Dort handelt es sich um einen ausdrücklichen Ausschluß wegen der besonderen Verhältnisse im öffentlichen Dienst und nicht um einen Umkehrschluß, wie ihn die Entscheidung Rspr. 1937 Nr. 44 gezogen hat.

Es ist also den Untergerichten so weit beizutreten, daß die Beklagte für das von ihr an den Gläubigern begangene Vergehen diesen gegenüber unmittelbar haftet. Die Rechtsansicht der Entscheidung Rspr. 1937 Nr. 44 kann daher nicht aufrecht erhalten werden (in diesem Sinn auch Gellis, Kommentar zum GmbHG. S. 77, wenn auch dessen Vergleich zur Aktiengesellschaft wegen der Verschiedenheit der Gesetzeslage nicht den zwingenden Schluß ergibt, daß auch bei der Gesellschaft m. b. H. allgemein eine unmittelbare Haftung der Geschäftsführer gegeben sei). Ob und unter welchen Voraussetzungen der Geschäftsführer dem Dritten noch in anderen Fällen unmittelbar haftet, ist hier nicht zu untersuchen.

Dem Berufungsgericht muß auch darin gefolgt werden, daß das unbestrittene Parteivorbringen der Klägerin über die Entstehung der Schuld und der im Strafurteil festgestellte Sachverhalt, der gemäß § 268 ZPO. der Entscheidung zugrunde gelegt werden muß, noch nicht ausreichen, um zu einem der Klage stattgebenden Urteil zu gelangen.

Punkt 1. des Spruches des Strafurteils ist für die Beurteilung dieser Rechtssache belanglos, weil sich die dort festgestellten Tathandlungen, nämlich die Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit, nur auf die Zeit bis 1966 erstreckt haben, die Forderung der Klägerin aber erst 1967 begrundet worden ist. Das Verhalten der Beklagten richtet sich daher in diesem Punkt nicht gegen die Klägerin.

Was nun Punkt 2. des oben angeführten Urteilsspruchs (Verurteilung nach § 486 (1) Z. 2 StG.) anlangt, so meint das Berufungsgericht, es müsse festgestellt werden, welche bestimmten Handlungen oder Unterlassungen der Beklagten als Verschulden (gemeint wohl als schuldhaftes Verhalten) in Frage kommen. Die zweite Instanz scheint also das strafbare Fehlverhalten der Beklagten nur darin zu erblicken, daß die Forderung der Klägerin uneinbringlich wurde, nicht aber schon in dem Umstand, daß die Schuld von zweifelhafter Einbringlichkeit überhaupt entstanden ist. Im Anschluß an die Denkschrift zur Konkursordnung (S. 186), daß straflos sei, wer neue Schulden eingeht, um alte zu bezahlen, nahmen Altmann (Die Krida und ähnliche Delikte S. 39) sowie Weiser (JBl. 1915 S. 267) an, das Eingehen neuer Schulden richte sich gegen die alten Gläubiger. Diese Auffassung ist aber in Lehre und Rechtsprechung überholt. Löffler (bei Bartsch - Pollak[1] S. 542) führt aus, daß das Eingehen neuer Schulden im Sinn des § 486 (1) Z. 2 StG. zwei Fälle umfasse, nämlich

1. Schädigung der alten Gläubiger dadurch, daß keine angemessene Gegenleistung in die Masse gelangt, demnach ein fahrlässiges Gegenstück zur betrügerischen Krida, und 2. Schädigung der neuen Gläubiger dadurch, daß diese keine Gegenleistung erhalten, also ein fahrlässiges Gegenstück zum Betrug. Dieser Rechtsansicht treten Jacob in Altmann - Jacob II S. 925, Malaniuk II/1 S. 328, Rittler[2]

II S. 243 Anm. 58, SSt. V 97; SSt. IX 11; RiZ. 1936 S. 298, EvBl. 1953 Nr. 366, RiZ. 1957 S. 54, SSt. XXXVII 56 = EvBl. 1967 Nr. 296 bei. Dieser Meinung muß beigepflichtet werden. Den in den genannten Belegstellen, insbesondere bei Löffler a.a.O., angeführten Gründen sei noch hinzugefügt, daß § 486 (1) Z. 2 StG. in keiner Weise die Annahme rechtfertigt, das Vergehen richte sich nur gegen die alten Gläubiger.

Hat also die Beklagte die fragliche Schuld in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft begrundet, so ist der ursächliche Zusammenhang zwischen ihrer strafbaren Handlung und dem Schaden gegeben. Wäre die Schuld nicht eingegangen worden, hätte die Klägerin keinen Schaden erlitten. Der Schaden der Klägerin ist durch eine Verletzung der Vorschrift entstanden, die solche Nachteile verhindern soll. Vorausgesetzt muß jedoch werden, daß die Beklagte den Kauf selbst getätigt oder den Abschluß durch eine allgemeine oder besondere Ermächtigung herbeigeführt hat. Nur wenn sich dies nicht feststellen lassen sollte, wird im Sinn der Ausführungen der zweiten Instanz darauf einzugehen sein, ob und wie weit die Forderung der Klägerin durch das fahrlässige Verhalten der Beklagten uneinbringlich geworden ist.

Ein allfälliger Exekutionstitel gegen die dem Konkurs verfallende Gesellschaft m. b. H. wäre praktisch wertlos gewesen. Die Beklagte kann den gegen sie gerichteten Anspruch jedenfalls nicht mit dem Hinweis auf eine solche Möglichkeit abwehren.

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