Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung
Der Beklagte war mit Beschluß der Gesellschafter vom 18.7.1989 zum Geschäftsführer der Klägerin mit Einzelvertretungsbefugnis bestellt worden; die Bestellung zum Geschäftsführer ist durch Beschluß der Gesellschafter vom 4. bzw 5.12.1990 widerrufen worden. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist (ua) das Baumeistergewerbe.
Mit der Behauptung, daß ihr der Beklagte während des Zeitraumes seiner Geschäftsführertätigkeit einen enormen Schaden zugefügt habe, begehrte die Klägerin den Ersatz von 3,121.214,19 S sA, welcher Betrag wie folgt aufgeschlüsselt wurde:
1. Der Beklagte habe ihr am 4.12.1990 nicht den Kassenstand laut Kassabuch in Höhe von 1,801.085,67 S, sondern nur 1,711.969,56 S ausgefolgt. Über den Fehlbetrag von 89.116,11 S habe der Beklagte keine Auskunft gegeben und ihn bislang noch nicht an die Klägerin abgeführt.
2. Der Beklagte habe der Gesellschaftskasse für Spesen, die aber nicht im Zusammenhang mit einer Tätigkeit für die Gesellschaft entstanden waren und daher zu Unrecht verrechnet worden seien, 93.050,50 S entnommen.
3. Er habe Zahlungen für die Gesellschaft im Gesamtbetrag von 64.025,82 S geleistet, die eine Fehldisposition gewesen seien, weil ihnen gar keine Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüberstanden.
4. Die vom Beklagten geführte Baukasse weise einen Fehlbestand von 1,744.044,91 S auf, welchen er titellos vereinnahmt bzw zu Unrecht ausgegeben habe.
5. Für von ihm gelegte Honorarnoten habe sich der Beklagte Honorare von insgesamt 999.176,85 S auszahlen lassen, für die er aber keine Gegenleistungen erbracht habe.
6. Auch nach seiner Abberufung als Geschäftsführer am 4.12.1990 habe der Beklagte noch über das Gesellschaftsvermögen disponiert, indem er 131.800 S behoben und titellos vereinnahmt habe.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er habe seine Geschäftsführertätigkeit ordnungsgemäß und in Übereinstimmung mit den getroffenen Absprachen sowie den ihm erteilten Ermächtigungen ausgeübt. Er habe die gesamte, von einem Steuerberatungsbüro ordnungsgemäß geführte Buchhaltung der Klägerin im Büro der Steuerberatungskanzlei übergeben. Über die Verwendung eines Betrages von 89.116,11 S habe er Auskunft gegeben. Er habe auch nicht etwa zu Unrecht verrechnete Spesen oder rechtsgrundlose Fehlzahlungen zu vertreten. Schließlich habe er auch nicht Beträge titellos vereinnahmt bzw Ausgaben und rechtsgrundlose Honorare einbehalten. Die Klägerin habe vielmehr Urkunden nachträglich verändert.
Das Erstgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 2,880.462,25 S sA und wies das Mehrbegehren im Umfang von 240.751,09 S (richtig: 240.751,94 S) sA ab. Der abweisende Teil des Ersturteils ist in Rechtskraft erwachsen. Das Erstgericht stellte fest, daß das vom Beklagten geführte Kassabuch per 4.12.1990 einen Kassastand von 1,801.085,67 S aufgewiesen habe, dort aber eine von ihm erst nach seiner Abberufung als Gesellschafter vorgenommene Entnahme von 131.800 S als Eingang aufscheine, sodaß der tatsächliche Kassastand per 11.12.1990 1,872.456,67 S betragen habe; es fehlten daher insgesamt 152.703,07 S, (da der Beklagte insgesamt nur 1,719,753,60 S übergeben habe). Die Spesenabrechnungen des Beklagten (über den Betrag von insgesamt 93.050,50 S) seien von ihm "ohne Veranlassung getätigt worden". Es sei nicht erweisbar, daß der Klägerin durch die Zahlungen des Beklagten an die Gebietskrankenkasse im Umfang von 64.025,82 S ein Schaden entstanden ist, bestehe doch kein Hinweis darauf, daß die entsprechenden Vorschreibungen der Gebietskrankenkasse dem Beklagten anzulasten wären. Hinsichtlich der (Baukassen-)Abrechnung der Großbaustelle E***** könnten die Fremdleistungen der Firma F***** maximal in Höhe der Differenz zwischen den in der 10.Teilrechnung (mit 1,123.151,32 S) abgerechneten Teilleistungen einerseits und den in der Schlußrechnung der Klägerin (mit 2,758.683,15 S) verrechneten Arbeiten andererseits gelegen sein (sodaß sich ein Fehlbetrag von 1,635.531,83 S ergebe). Es sei äußerst unwahrscheinlich, daß an den Beklagten ein Honorar von 999.176,85 S auszuzahlen gewesen wäre.
Rechtlich folgerte das Erstgericht daraus, daß der Beklagte seine Obliegenheiten zur ordnungsgemäßen Aufbewahrung von Belegen und Geschäftsunterlagen verletzt habe, weshalb er der Klägerin gemäß § 25 GmbHG für den entstandenen Schaden von insgesamt 2,880.462,25 S ersatzpflichtig sei.
Das Berufungsgericht wies auch den strittig gebliebenen Teil der Klageforderung zur Gänze ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die Berechtigung der Gesellschaft zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen nach § 25 GmbHG hänge von der materiellrechtlichen Voraussetzung einer entsprechenden Beschlußfassung der Gesellschafter gemäß § 35 Abs 1 Z 6 GmbHG ab, für deren Vorliegen die Klägerin behauptungs- und beweispflichtig sei. Im vorliegenden Fall habe die Klägerin die Fassung eines derartigen Beschlusses durch die Gesellschafter weder behauptet, noch könne eine solche den Feststellungen oder den Verfahrensergebnissen entnommen werden. Dieser Mangel der Sachlegitimation der Klägerin sei anläßlich der allseitigen rechtlichen Überprüfung wahrzunehmen, sodaß sich eine Behandlung der Mängel- und Beweisrüge der Berufung erübrige.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Klägerin ist schon deshalb zulässig, weil das Berufungsgericht die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes mißverstanden hat; das Rechtsmittel ist auch im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.
Obwohl die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 8.2.1990, 6 Ob 747/89 (SZ 63/16 = RdW 1990, 285 = ecolex 1990, 357) zwar bisher die einzige ist, die zum Problemkreis der §§ 25, 35 Abs 1 Z 6 GmbHG ergangen ist, wurde sie aber doch nicht nur ausführlich begründet und mehrfach veröffentlicht; gegenteilige Entscheidungen liegen nicht vor; die Entscheidung ist auch vom Schrifttum ohne Kritik übernommen worden (Koppensteiner, GmbHG Rz 29 zu § 25 und Rz 34 zu § 35). Sofern die Klägerin daher die Kernaussagen dieser Entscheidung in Zweifel zu ziehen versucht, liegt keine im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage vor (Kodek in Rechberger, ZPO Rz 3 zu § 502 6.Absatz). Demgegenüber erweist sich aber der Vorwurf der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens - jedenfalls im Ergebnis - als berechtigt:
Wäre die Meinung des Berufungsgerichtes in dieser Form richtig, wäre das Klagebegehren unschlüssig gewesen; es hätte daher nicht ohne vorangegangenen Verbesserungsversuch (§ 182 ZPO) abgewiesen werden dürfen (Fucik in Rechberger, ZPO Rz 1 und 4 zu § 182 und die dort angeführte Rsp). In Wirklichkeit hat aber das Berufungsgericht die auf den Fall der Entscheidung SZ 63/16 zugeschnittenen Rechtssätze - ebenso wie offenbar auch Koppensteiner aaO - mißverstanden: Dort war ja das Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses im Sinne des § 35 Abs 1 Z 6 GmbHG schon vom Erstgericht mit den Parteien erörtert worden; die Klägerinnen hatten den Rechtsstandpunkt vertreten, daß ihre Klage einer derartigen "Genehmigung" nicht bedürfe, dann aber doch Urkunden vorgelegt, aus denen sich ein entsprechender Gesellschafterbeschluß (Zustimmung des früheren Alleingesellschafters) nicht ergab. In diesem Zusammenhang sind die Ausführungen des Obersten Gerichtshofes über eine diesbezügliche Behauptungs- und Beweislast der klagenden Gesellschaft zu verstehen. Das heißt aber nicht, daß eine klagende GmbH in jedem Fall einer auf § 25 GmbHG gestützten Schadenersatzklage gegen ihren (hier: früheren) Geschäftsführer schon die Fassung eines Gesellschafterbeschlusses gemäß § 35 Abs 1 Z 6 GmbHG dartun müßte und andernfalls die Klage unschlüssig wäre. Gläubigerin von Ansprüchen gemäß § 25 GmbHG kann ja nur die Gesellschaft selbst sein; sie allein ist aktiv legitimiert (Koppensteiner aaO Rz 5 und 26 zu § 25). Daß ihre Sachlegitimation überdies nur dann gegeben ist, wenn auch ein entsprechender Gesellschafterbeschluß vorliegt, ist daher regelmäßig nicht von Amts wegen zu prüfen, sondern nur auf entsprechende Einwendung (= Sachbehauptung) des Beklagten (Fucik aaO Rz 2 vor § 1 und die dort angeführte Rsp sowie SZ 34/186; MietSlg 35.742 ua), welche dann die erwähnte Behauptungs- und Beweislast der klagenden Gesellschaft auslöst. Einen derartigen Einwand hat aber der Beklagte nicht erhoben. Das Berufungsgericht durfte daher auf diesen, auch durch die Feststellungen nicht indizierten, die Sachlegitimation der Klägerin betreffenden Umstand in einem von der Parteiendisposition beherrschten Verfahren gar nicht von Amts wegen zurückkommen.
Die dem Berufungsgericht unterlaufene Verletzung der Parteiendisposition hat aber zur Folge, daß die Mängel- und Beweisrüge der Berufungswerberin behandelt werden muß, sodaß sich eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidung als unumgänglich erweist.
Diese Erwägungen müssen bereits zur Aufhebung des Urteils des Berufungsgerichtes führen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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