OGH 10Ob516/94

OGH10Ob516/944.10.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier, Dr.Bauer, Dr.Ehmayr und Dr.Steinbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*****, vertreten durch Dr.R.Kaan, Dr.H.Cronenberg, Dr.H.Radl und Dr.St.Moser, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Dr.***** R*****, vertreten durch Dr.Ernst Gruber, Rechtsanwalt in Wien, wegen 8,000.000 S sA, infolge von Rekursen beider Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 10.März 1994, GZ 3 R 172/93-15, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 18.Mai 1993, 27 Cg 22/92-10, aufgehoben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Rekurse beider Partei werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die klagenden Partei begehrt vom Beklagten die Zahlung eines Betrages von 8 Millionen Schilling mit der Behauptung, er habe über Auftrag der klagenden Partei Verträge im Zusammenhang mit dem Kauf bzw der Weiterführung eines *****werkes verfaßt. Dabei sei dem Beklagten zufolge seiner besonderen Fachkompetenz ein weitgehender Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt gewesen. Den Organen des L***** sei es bei der Auftragserteilung an den Beklagten besonders auf dessen wirtschaftliche Kompetenz angekommen; dieser habe daher nicht nur gewöhnliche anwaltliche Kenntnisse einzubringen gehabt, sondern außergewöhnliche Kenntnisse auf rechtlichem und wirtschaftlichem Gebiet. Der Beklagte habe seine Verpflichtungen nicht entsprechend wahrgenommen. Er habe die Bonität des Vertragspartners und die Aufbringung der Eigenmittel durch diesen nicht geprüft, es verabsäumt, die Begründung des Eigentumsvorbehaltes der klagenden Partei an mit Förderungsmitteln angeschafften Investitionsgütern sicherzustellen und der klagenden Partei rechtzeitig den Abbruch des Projektes und die Schließung des Werkes zu empfehlen. Die klagende Partei habe dadurch einen Schaden von ***** Millionen Schilling erlitten, von dem vorläufig ein Teil in Höhe des Klagebegehrens geltend gemacht werde.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Er sei ausschließlich mit der anwaltlichen Vertretung der klagenden Partei, nicht jedoch mit deren technischer und wirtschaftlicher Beratung betraut gewesen. Im Rahmen dieser Tätigkeit sei ihm kein Fehler unterlaufen. Eine weitergehende Absicherung der klagenden Partei sei nicht möglich gewesen und hätte auch zu keinem anderen Ergebnis geführt. Der klagenden Partei sei das Risiko des Unternehmens bekannt gewesen; sie sei dieses bewußt eingegangen. Es sei nicht Aufgabe des Beklagten gewesen, die klagende Partei von ihrer ***** Willensrichtung abzubringen. Jedenfalls treffe die klagende Partei ein Eigenverschulden in einem Ausmaß, daß die Voraussetzungen für eine "Culpa-Kompensation" vorlägen. Die klagende Partei habe auch ihre Schadensminderungspflicht verletzt; sie habe das Förderungsprojekt nicht gestoppt und ihre Verwertungsmöglichkeiten nicht genutzt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Ausgehend von den von ihm getroffenen Feststellungen gelangte es zum Ergebnis, daß dem Beklagten ein Verstoß gegen Sorgfaltspflichten nicht vorzuwerfen sei.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil über Berufung der klagenden Partei auf und verwies es zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück, wobei es aussprach, daß der Rekurs gegen diese Entscheidung zulässig sei. Es erörterte grundsätzlich die Frage der Verpflichtungen des Rechtsanwaltes bei seiner Tätigkeit als Vertragsverfasser und der sich daraus ergebenden Haftung. Da die klagende Partei aber behauptet habe, der Auftrag an den Beklagten sei über die einen Anwalt sonst treffenden Vertragspflichten hinausgegangen, sei der genaue Umfang des dem Beklagten erteilten Auftrages zu prüfen. Das Verfahren sei mangelhaft geblieben, weil das Erstgericht hiezu von der klagenden Partei beantragte Beweise nicht aufgenommen habe. Ein Mangel des erstgerichtlichen Verfahrens liege auch darin, daß das Erstgericht keine Beweise darüber aufgenommen habe, ob der Beklagte zu Unrecht behauptet habe, der Vertragspartner habe bereits ***** Millionen Schilling investiert, was für das weitere finanzielle Engagement der klagenden Partei ursächlich gewesen sei. Zu erörtern werde auch sein, welcher konkrete Kunstfehler dem Beklagten im Zusammenhang mit der eigentumsrechtlichen Absicherung der klagenden Partei in Beziehung auf die angeschafften Investitionsgüter unterlaufen sei bzw welche andere Lösung zu wählen gewesen wäre sowie in welchem Umfang die klagende Partei Vermögensnachteile erlitten habe, die ohne die behaupteten Sorgfaltsverletzungen des Beklagten nicht eingetreten wären.

Gegen diesen Beschluß richtet sich einerseits der Rekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neue Entscheidung im Sinne des Prozeßstandpunktes der klagenden Partei aufzutragen.

Der Beklagte beantragt andererseits mit seinem gegen den Aufhebungsbeschluß gerichteten Rekurs, daß in der Sache selbst im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteiles entschieden werde.

Beide Parteien beantragen jeweils dem Rechtsmittel der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 519 Abs 2 iVm § 519 Abs 1 Z 2 ZPO ist der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche fehlt oder uneinheitlich ist.

Das Berufungsgericht hat die Grundsätze zur Haftung des Rechtsanwaltes für Fehler bei seiner Tätigkeit als Vertragserrichter im Sinne der diesbezüglich einheitlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dargestellt. Daß ein Rechtsanwalt dann, wenn er die Wahrnehmung der Interessen der Partei über die bloße anwaltliche Tätigkeit hinaus zugesagt hat, in diesem weiteren Rahmen zu haften hat, ergibt sich aus §§ 1298, 1299 ABGB (so SZ 43/221). Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO werden damit nicht angesprochen.

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß die klagende Partei im Verfahren behauptet habe, der Beklagte habe es auch übernommen, ihre wirtschaftlichen Interessen bei der Abwicklung wahrzunehmen; es erachtete das Beweisverfahren zu dieser Frage ergänzungsbedürftig. Dem hält der Beklagte entgegen, die klagende Partei habe ein entsprechendes Vorbringen nicht erstattet; bei den entsprechenden Ausführungen handle es sich nur um rechtliche Schlußfolgerungen aus Tatsachenbehauptungen, die jedoch keine Grundlage für diese Schlüsse böten. Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozeßbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist jedoch eine Frage des Einzelfalles, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt.

Dasselbe gilt, soweit das Berufungsgericht ergänzende Beweisaufnahmen zur Behauptung einer angeblich unrichtigen Information der klagenden Partei durch den Beklagten für notwendig erachtete sowie bezüglich der Punkte, hinsichtlich derer das Berufungsgericht dem Erstgericht die weitere Erörterung des Vorbringens mit den Parteien aufgetragen hat. Die klagende Partei hat ihr Begehren ua darauf gestützt, daß es der Beklagte unterlassen habe, ihre eigentumsrechtliche Absicherung in Ansehung der aus den Förderungsmitteln getätigten Investitionen sicherzustellen. Sie hat behauptet, daß ihr ein Schaden in einer das Klagebegehren übersteigenden Höhe entstanden sei. Das Berufungsgericht erachtete ein ergänzendes Vorbringen zu diesen Punkten erforderlich; die klagende Partei hätte konkreter darzustellen, welche andere Absicherung zu wählen gewesen wäre sowie den behaupteten Schaden näher zu konkretisieren. Auch ob das bisher erstattete Vorbringen so weit spezifiziert ist, daß es als Anspruchsgrundlage hinreicht bzw wie weit ein bestimmtes Vorbringen einer Konkretisierung zugänglich ist, ist eine Frage des Einzelfalles. Im übrigen kann der Oberste Gerichtshof dem nicht entgegentreten, daß das Berufungsgericht das Verfahren zu einzelnen Fragen ergänzungsbedürftig erachtet (JBl 1992, 785; JBl 1990, 332 uva).

Das Berufungsgericht erklärte den Rekurs gegen seine Entscheidung für zulässig. Das Berufungsgericht darf die Zulässigkeit des Rekurses nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO jedoch nur aussprechen, wenn es die Voraussetzungen für gegeben erachtet, unter denen nach § 502 ZPO die Revision zulässig ist (§ 519 Abs 2 ZPO). Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit des Rekurses an die Beurteilung des Gerichtes zweiter Instanz über das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nicht gebunden (§ 526 Abs 2 ZPO). Da - wie dargestellt - erhebliche Rechtsfragen, die im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO qualifiziert wären, nicht aufgezeigt werden und sich nach dem Inhalt der Berufungsentscheidung auch nicht stellen, waren die Rekurse zurückzuweisen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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