Spruch:
Dem Revisionsrekurs der Gläubigerin S*****-Gesellschaft mbH wird nicht Folge gegeben.
Dem Revisionsrekurs der Gemeinschuldnerin wird teilweise Folge gegeben.
Dem Revisionsrekurs des Masseverwalters wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss, der in seinem Punkt I. als unangefochten unberührt bleibt, wird in seinem Punkt II. insoweit bestätigt, als er das Erstgericht als örtlich unzuständig erkannt und die Konkurssache an das Landesgericht Steyr überwiesen hat; darüber hinaus wird er in seinem Ausspruch über die (teilweise) Nichtigerklärung des vor dem Erstgericht durchgeführten Konkursverfahrens ersatzlos aufgehoben und in seinem Punkt II. 2. aufgehoben.
Die Konkurssache wird zur neuerlichen Entscheidung über den Rekurs der Gläubigerin S*****-Gesellschaft mbH gegen den Beschluss vom 14. 4. 1999 (ON 9) unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund an das Rekursgericht zurückverwiesen.
Text
Begründung
Über Antrag der Gemeinschuldnerin wurde über deren Vermögen am 12. 4. 1999 das Konkursverfahren eröffnet (ON 3). Über Antrag des Masseverwalters bewilligte das Konkursgericht mit Beschluss vom 13. 4. 1999 die Schließung des Unternehmens der Gemeinschuldnerin. Am 14. 4. 1999 bewilligte das Konkursgericht auf Grund mit Zustimmung der Gemeinschuldnerin gestellten Antrags des Masseverwalters den Verkauf des Unternehmens sowie die Übertragung des der Gemeinschuldnerin gehörenden 100 %igen Geschäftsanteils an einem ungarischen Unternehmen an eine Gesellschaft mbH in deren Firma Vor- und Familienname des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin aufscheint (ON 9).
Die Gemeinschuldnerin hatte laut Firmenbuch ursprünglich ihren Sitz in einem zum Sprengel des Landesgerichtes Steyr gehörenden Bezirk. Bei einer am 11. 3. 1999 (also rund einen Monat vor Konkurseröffnung) abgehaltenen außerordentlichen Generalversammlung der Gemeinschuldnerin fassten die Gesellschafter den Beschluss, den Sitz in einen zum Sprengel des Erstgerichts gehörigen Bezirk zu verlegen. Diese Sitzverlegung wurde am 25. 3. 1999 in das Firmenbuch eingetragen. Unter der nunmehrigen Geschäftsadresse befindet sich das Privathaus des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin. Das Gebäude ist mangels entsprechender Beschriftung oder Beschilderung äußerlich nicht als Firmensitz erkennbar, es sind auch keine für die Gemeinschuldnerin reservierten Parkplätze vorhanden. Dienstnehmer der Gemeinschuldnerin sind unter dieser Anschrift nicht tätig. Im Wohnzimmer des Hauses befindet sich ein Büroschrank, beinhaltend Kalkulationsunterlagen, Vergleichsanbote und Saldenlisten, sowie ein Kopiergerät und ein PC. Laut Mitteilung des Geschäftsführers verbringt er in diesem Haus etwa die Hälfte seiner Arbeitszeit und betreut von dort aus auch eine Einzelfirma und eine weitere Gesellschaft mbH, deren Geschäftsführer er ebenfalls ist.
Der Produktionsbetrieb, die Auslieferung, der gesamte Bürobetrieb (Buchhaltung, Fakturierung, Mahnwesen, Lohnverrechnung, Finanzkontrolle, Planung, Einkauf und Verkauf mit Ausnahme der Außendienstmitarbeiter, Lagerverwaltung und Produktionsleitung) sowie das gesamte Inventar und Betriebsvermögen befinden sich am ursprünglichen im Sprengel des Landesgerichtes Steyr gelegenen Unternehmenssitz, wo auch der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin ein eigenes Büro hat. Es waren dort zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung 176 Arbeitskräfte beschäftigt. Der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin hatte im Herbst 1998 den Plan, sich aus dem Tagesgeschäft zurückzuziehen und sich auf das Controlling und Neuentwicklungen zu beschränken. Zu diesem Zweck richtete er sich in seinem Privathaus einen Arbeitsplatz ein. Die Sitzverlegung hatte nach Angaben des Geschäftsführers den Zweck, in die Zuständigkeit eines anderen Finanzamts zu gelangen. Der Geschäftsführer übt seine Leitungstätigkeit, so auch Besprechungen mit den Abteilungsleitern, täglich in der Zeit von 10 bis 12 Uhr sowie von 15 bis 17 Uhr in seinem Büro im Betriebsgebäude aus.
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Gericht zweiter Instanz im Punkt II. 1. dem Rekurs einer Gläubigerin gegen den Konkurseröffnungsbeschluss teilweise Folge, sprach aus, dass das Erstgericht örtlich unzuständig sei, hob die von ihm durchgeführten Verfahren und die getroffenen Entscheidungen - mit Ausnahme der Konkurseröffnung (samt Erlassung des Konkursediktes, Bestellung des Masseverwalters und Bestimmung der Frist für die Anmeldung von Konkursforderungen) sowie der bereits erfolgten Forderungsanmeldungen - als nichtig auf und überwies die Konkurssache zur Weiterführung des Konkursverfahrens nach der am 12. 4. 1999 erfolgten und aufrecht bleibenden Konkurseröffnung an das Landesgericht Steyr. Im Punkt II.
2. verwies es die Konkursgläubigerin mit ihrem Rekurs gegen den die Unternehmensveräußerung bewilligenden Beschluss auf seine Entscheidung zu Punkt 1. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000 übersteige sowie dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Rekurslegitimation der Gläubigerin sei gegeben, weil sie bereits in ihrem ersten Rekurs vorgebracht habe, auf Grund von Warenlieferungen Forderungen gegen die Gemeinschuldnerin von zumindest S 900.000 zu haben. Am 14. 5. 1999 sei eine formelle Forderungsanmeldung beim Konkursgericht eingelangt, aus deren Beilagen ersichtlich sei, dass durch die Konkurseröffnung vier von der Gläubigerin ausgestellte und von der Gemeinschuldnerin akzeptierte Wechsel notleidend geworden seien. Der weitaus überwiegende Teil der angemeldeten Ansprüche sei vom Masseverwalter mittlerweile anerkannt worden. Bereits das Vorbringen der Gläubigerin in ihrem Rekurs habe inhaltlich eine Forderungsanmeldung dargestellt, weil sowohl ein Forderungsbetrag als auch die Tatsachen, auf die sich die Forderung gründen, angegeben gewesen seien. Die Gläubigerin sei daher zwar zum Rekurs legitimiert, jedoch sei ihr Vorbringen, die Gemeinschuldnerin habe den Konkurs von langer Hand geplant, um sich zum Schaden der Gläubiger von Forderungen zu befreien und das Unternehmen im Familienbesitz zu erhalten, nicht dazu geeignet, das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Konkurseröffnung in Frage zu stellen. Aktiva von S 52,800.000 stünden Passiva von rund S 176,500.000 gegenüber. Die Gemeinschuldnerin habe nach dem Bericht des Masseverwalters im Jahr 1995 letztmalig positiv bilanziert. Danach sei es zu ständig steigenden Bilanzverlusten gekommen, sodass nach den Jahresabschlüssen 1996 bis 1998 bilanzmäßige Überschuldung vorliege. Die Zahlungsunfähigkeit sei dadurch eingetreten, dass die Hausbank zum 8. 4. 1999 sämtliche Überweisungsaufträge gestoppt habe, weil sie der Auffassung gewesen sei, eine weitere Finanzierung des Unternehmens sei angesichts der aus dem schwebenden finanzamtlichen Prüfungsverfahren zu erwartenden Abgabenforderung nicht mehr vertretbar. Allerdings mache die Gläubigerin auch geltend, dass die aus dem Firmenbuch ersichtliche Sitzverlegung nur deshalb vorgenommen worden sei, um die Zuständigkeit für das Konkursverfahren zum Erstgericht zu verschieben. Nach § 63 Abs 1 KO sei der Gerichtshof erster Instanz als Konkursgericht zuständig, in dessen Sprengel der Gemeinschuldner sein Unternehmen betreibe. Das Rekursgericht habe bereits ausgesprochen, dass die Zuständigkeit durch das tatsächliche Betreiben des Unternehmens begründet werde, eine bloß zum Schein erfolgte Sitzverlegung sei unmaßgeblich. Betrachte man die im Konkursverfahren zu Tage getretenen Umstände, sei die Sitzverlegung als bloße Scheinhandlung zu qualifizieren. Anhaltspunkte dafür, dass mit der Sitzverlegung faktische Änderungen in der Leitung und Führung des Unternehmens einhergegangen wären, seien nicht vorhanden. Dass der Geschäftsführer den "überwiegenden Teil seiner täglichen Arbeit" in seinem Privathaus verrichte, sei nicht glaubhaft, zumal die Behauptung offen lasse, ob die so aufgewendete Arbeitszeit überhaupt der Leitung des gemeinschuldnerischen Unternehmens diene oder den anderen vom Geschäftsführer geleiteten Unternehmen. Es bestehe daher für das Rekursgericht kein Zweifel daran, dass das von der Rekurswerberin relevierte Argument der örtlichen Unzuständigkeit des Erstgerichtes stichhaltig sei. Gemäß § 44 Abs 1 JN sei die örtliche Unzuständigkeit in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen, wobei diese Entscheidungskompetenz auf Grund zulässigen Rechtsmittels auch dem Gericht zweiter Instanz zustehe. Eine erst nach Verfahrenseinleitung wahrgenommene Unzuständigkeit ziehe regelmäßig die Aufhebung des vorangegangenen Verfahrens und der in ihm gefällten noch nicht in Rechtskraft erwachsenen Entscheidungen nach sich. Allerdings hätte eine Aufhebung auch des Konkurseröffnungsbeschlusses und der mit ihm verbundenen Rechtswirkungen gewichtige in ihrer vollen Tragweite gar nicht absehbare Folgen. Sie wäre auch deshalb nicht wünschenswert, weil nach der Aktenlage die materiellen Voraussetzungen für die Konkurseröffnung eindeutig gegeben gewesen seien und somit auch durch das vor der Sitzverlegung zuständige Landesgericht gleich dem Erstgericht entschieden worden wäre. Auch gehe es der Gläubigerin gar nicht so sehr um die Beseitigung der Konkurseröffnung als vielmehr um die Verhinderung des vom Erstgericht genehmigten Unternehmensverkaufs. Es sei schon mehrfach ausgesprochen worden, dass die Verletzung der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht unbedingt eine Nullität zur Folge haben müsse, und zwar insbesondere dann nicht, wenn dadurch rechtlich geschützte Interessen nicht beeinträchtigt wurden. Ein solcher Fall liege in Ansehung der Konkurseröffnung vor, sei doch durch deren Aufhebung keinerlei Vorteil für die Gläubiger zu erwarten. Es sei daher auch im Sinne der Bestimmung des § 44 Abs 3 JN sachgerecht, die Konkurseröffnung einschließlich der Bestellung des Masseverwalters und der Fristbestimmung zur Anmeldung der Konkursforderungen sowie die Forderungsanmeldungen von der Nichtigkeit auszunehmen. Das übrige Verfahren sei hingegen als nichtig aufzuheben und die Konkurssache gemäß § 44 Abs 1 JN an das örtliche zuständige Landesgericht zu überweisen.
Gegen Punkt II.1. dieses Beschlusses richten sich die Revisionsrekurse der Gemeinschuldnerin, der Gläubigerin S*****-GmbH und des Masseverwalters.
Die Gemeinschuldnerin beantragt, ihn aufzuheben, soweit damit das Landesgericht Wels für örtlich unzuständig erklärt und das von diesem durchgeführte Verfahren und die von ihm getroffenen Entscheidungen - mit Ausnahme der Konkurseröffnung sowie der bereits erfolgten Forderungsanmeldungen - als nichtig aufgehoben wurde.
Die Gläubigerin beantragt, ihn dahin abzuändern, dass das gesamte vom Landesgericht Wels bisher durchgeführte Verfahren als nichtig aufgehoben werde.
Der Masseverwalter beantragt, ihn dahin abzuändern, dass das vom Landesgericht Wels durchgeführte Verfahren und die von ihm getroffenen Entscheidungen - vorbehaltlich der Entscheidung über die Rekurse des genannten Gläubigers und eines weiteren Gläubigers gegen die konkursbehördliche Genehmigung des Unternehmensverkaufes - vollinhaltlich aufrecht bleiben, hilfsweise, ihn in diesem Umfang aufzuheben und dem Rekursgericht diesbezüglich eine neuerliche Entscheidung aufzutragen.
Der Revisionsrekurs der Gläubigerin ist nicht berechtigt. Hingegen ist der Revisionsrekurs des Masseverwalters berechtigt und der der Gemeinschuldnerin teilweise berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Nach der Anordnung des § 71c Abs 1 KO können Beschlüsse des Konkursgerichts, mit denen der Konkurs eröffnet oder der Antrag auf Konkurseröffnung abgewiesen wird, von allen Personen, deren Rechte dadurch berührt werden, angefochten werden. Voraussetzung der Rekurslegitimation ist demnach - nach ständiger Rechtsprechung gilt dies ganz allgemein im Konkursverfahren (SZ 45/106; SZ 62/115; 8 Ob 27/88; 8 Ob 54/89; RdW 1993, 243 ua) -, dass der Rekurswerber in seinem Recht verletzt ist; ein bloß wirtschaftliches Interesse genügt nicht. Demgemäß kommt die Rekurslegitimation hinsichtlich des Eröffnungsbeschlusses grundsätzlich dem Gemeinschuldner und den Gläubigern bescheinigter Konkursforderungen zu (RdW 1993, 243; 8 Ob 15/93). Konkursforderungen sind Forderungen von Gläubigern, denen vermögensrechtliche Ansprüche an den Gemeinschuldner zur Zeit der Konkurseröffnung zustehen (§ 51 Abs 1 KO). Die Glaubhaftmachung (Bescheinigung) hat das gegenüber der Beweisführung im engeren Sinn eingeschränkte Ziel, dem Richter die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit einer Tatsache zu vermitteln; der Grundsatz der Unmittelbarkeit des Verfahrens gilt nicht (ÖBl 1981, 121; 8 Ob 27/88). Dass die hier einschreitende Konkursgläubigerin den Bestand ihrer Forderung ausreichend bescheinigt hat, hat das Rekursgericht ausführlich dargelegt. Diese Ausführungen werden auch von der Gemeinschuldnerin, die als Einzige die Rekurslegitimation der Gläubigerin auch noch im Revisionsrekurs bekämpft, nicht in Zweifel gezogen. Sie vermeint allerdings, dass es der Gläubigerin deswegen an der Berechtigung zur Erhebung des Rekurses gefehlt habe, weil von ihr zu diesem Zeitpunkt die Forderung im Konkursverfahren noch nicht angemeldet worden sei. Es muss hier nicht weiter darauf eingegangen werden, ob tatsächlich in jedem Fall Voraussetzung der Rechtsmittellegitimation auch die Realisierung des Konkursteilnahmeanspruchs durch Anmeldung der Forderung ist, wie dies das Rekursgericht unter Hinweis auf seine Vorentscheidung EvBl 1991/204 meint (zumindest für den Fall der Abweisung des Eröffnungsantrages verneinend: SZ 43/51; 8 Ob 27/88), weil - worauf bereits das Rekursgericht verwiesen hat - die Forderungsanmeldung im Rekurs jedenfalls ausreichend ist (SZ 43/51). Die Rechtsmittellegitimation der hier einschreitenden Konkursgläubigerin ist daher zu bejahen.
Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist nur mehr die Frage der gemäß §§ 171 KO, 44 Abs 1 JN in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen und somit auch aus Anlass eines zulässigen Rechtsmittels wahrzunehmenden örtlichen Unzuständigkeit des Erstgerichts und der sich daraus ergebenden Folgen. Gemäß § 63 Abs 1 KO ist für das Konkursverfahren der Gerichtshof erster Instanz (Konkursgericht) zuständig, in dessen Sprengel der Gemeinschuldner sein Unternehmen betreibt oder mangels eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Der bereits vor dem Inkrafttreten des IRÄG 1982 im § 63 Abs 1 KO enthaltene Ausdruck "sein Unternehmen betreibt" wurde von Lehre und Rechtsprechung dahin ausgelegt, dass unter "Betriebsort" jener Ort zu verstehen ist, von dem aus das Unternehmen geleitet wird, nicht also zB der bloße Standort der Fabrik (Bartsch/Pollak II 52; I 328; Petschek/Reimer/Schiemer 14; 7 Nd 18/57). Die Leitung des Unternehmens vom Ausland her führte demgemäß zur Verneinung dieses Gerichtsstandes (Bartsch/Pollak II 52; Petschek/Reimer/Schiemer 15). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber des IRÄG 1982 einen anderen Sinngehalt des im § 63 Abs 1 KO neuerlich verwendeten Ausdrucks "betreibt" zugrundegelegt hätte, ergeben sich aus den Gesetzesbeilagen nicht (3 BlgNR 15. GP 48 f; 1147 BlgNR 15. GP Zif 19). Demgemäß wird der "Betriebsort" weiterhin von Kriterien der "Leitung" des Unternehmens her bestimmt (RdW 1990, 256). Besteht ein Betriebsort im dargestellten Sinne, muss in Anbetracht der im § 63 Abs 1 letzter Halbsatz KO angeordneten Subsidiarität nicht näher untersucht werden, ob der registermäßige Sitz des Unternehmens im Wege der Bestimmungen der §§ 66 Abs 1, 75 Abs 1 JN für die Zuständigkeitsbestimmung irgendeine Bedeutung erlangen könnte (offenbar verneinend RdW 1990, 256).
Vergleicht man die Bestimmung des § 75 Abs 1 JN mit jener des § 63 Abs 1 KO, zeigt sich, dass den praktischen Bedürfnissen des Konkursverfahrens Rechnung tragend im § 63 Abs 1 KO die Zuständigkeitsbestimmung nach den tatsächlichen Verhältnissen im Vordergrund steht, während gemäß § 75 Abs 1 JN rein formelle Gegebenheiten wie gesetzliche Bestimmungen, Satzung, Statut oder Vertrag primär zuständigkeitsbestimmend wirken (Mayr in Rechberger ZPO, Rz 1 zu § 75 JN). Nur sekundär wird mit dem letzten Satz des § 75 Abs 1 JN auf die tatsächlichen Verhältnisse, nämlich darauf abgestellt, dass als Sitz des Unternehmens im Zweifel jener Ort zu gelten habe, wo die Verwaltung geführt wird (vgl GesRZ 1980, 219; GesRZ 1982, 53). Gemäß Art 53 LGVÜ sowie dem gleichlautenden Art 53 EuGVÜ hat das Gericht bei der Entscheidung darüber, wo sich der Sitz von Gesellschaften und juristischen Personen befindet, die Vorschriften seines Internationalen Privatrechts anzuwenden. § 10 IPRG normiert als Personalstatut einer juristischen Person oder einer sonstigen Personen- oder Vermögensverbindung die Träger von Rechten und Pflichten sein kann, das Recht des Staates, in dem der Rechtsträger den tatsächlichen Sitz seiner Hauptverwaltung hat. Betrachtet man nun diese beiden jeweils auf die konkreten Verhältnisse abstellenden Bestimmungen sowie die unter derselben Prämisse stehende Zuständigkeitsvorschrift der Konkursordnung, verbietet es sich, die konkursrechtliche Zuständigkeitsanknüpfung nur nach jenem Ort vorzunehmen, von welchem aus der Geschäftsführer unter Ausnutzung moderner Telekommunikationstechnik behauptet, seine Anweisungen zu erteilen. Um von einer zuständigkeitsbegründenden Leitung des Unternehmens sprechen zu können, bedarf es vielmehr einer jeweils von der Betriebsgröße abhängigen Mindestausstattung. Der Zweck der Zuständigkeitsnorm gebietet es, Gegebenheiten zu fordern, die dem zuständigen Konkursgericht bzw dem von ihm bestellten Masseverwalter die Möglichkeit geben, sich rasch einen Überblick über die Unternehmenssituation zu verschaffen. Ist es zudem - wie im vorliegenden Fall - erforderlich, dass der Geschäftsführer in nicht unerheblichem Maß (hier: rund vier Stunden täglich) im Betriebsgebäude, wo sich die gesamte Verwaltung und auch sein Büro befindet, anwesend ist, um unter anderem persönliche Besprechungen mit den Abteilungsleitern abzuhalten, dann ist diese Tätigkeit als eine solche der täglich erforderlichen faktischen Leitung des Unternehmens und damit als zuständigkeitsbegründend zu sehen. Die vom Geschäftsführer an seinem Wohnsitz entfaltete Tätigkeit muss demgegenüber zurücktreten, weil das bloße Entwickeln von Unternehmensstrategien sowie fallweise telefonische Kontaktaufnahmen oder Anordnungen jedenfalls für die Annahme, das Unternehmen werde vom Wohnsitz des Geschäftsführers aus betrieben, d.h. im Sinne effizienter Verwaltung geleitet, nicht ausreicht. Das Gericht zweiter Instanz hat daher zu Recht gemäß § 171 KO, § 44 Abs 1 JN die Unzuständigkeit des Erstgerichts ausgesprochen und die Konkurssache dem unstrittig zuständigen Landesgericht Steyr überwiesen.
Das Rekursgericht zitiert Mayr in Rechberger, ZPO § 44 JN Rz 1, wonach eine (sachliche oder örtliche) Unzuständigkeit einen Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 3 ZPO bilde. Diese Rechtsansicht ist allerdings nicht für alle Verfahren, in denen gemäß § 41 Abs 3 JN die Zuständigkeitsprüfung von Amts wegen vorzunehmen ist, in gleichem Maße zutreffend. In der von Mayr zitierten Belegstelle SZ 55/178 wurde der vom örtlich unzuständigen Exekutionsgericht bewilligte Strafvollzug auf Grund eines Unterlassungstitels ohne weitere Begründung als nichtig im Sinne der genannten Gesetzesstelle aufgehoben. Diese Rechtsprechung wurde in der Folge - soweit überblickbar - für den Bereich des Exekutionsrechts (ausgenommen einstweilige Verfügungen) lückenlos beibehalten (SZ 70/76; 3 Ob 357/97i; 3 Ob 393/97h; 3 Ob 63/99g ua). Begründend wurde dem Nichtigkeitsausspruch nunmehr beigefügt, dass gerade deshalb, weil die Hereinbringungsexekution dem titulierten Rechtsanspruch des betreibenden Gläubigers in einem förmlichen Verfahren zum Durchbruch verhelfen solle, die für das gesamte gewählte Exekutionsverfahren bindende von einem unzuständigen Gericht erlassene Exekutionsbewilligung nicht mit einer vom unzuständigen Gericht erlassenen Provisorialmaßnahme im Rahmen eines Sicherungsverfahrens verglichen werden könne, für welche die Rechtsprechung die Nichtigkeitssanktion verneine, weil dort nur eine vorläufige Sicherung eines bescheinigten aber erst in einem ordentlichen Verfahren zu prüfenden Anspruchs Verfahrensgegenstand sei (3 Ob 63/99g). Während im Verfahren zur Erlassung einstweiliger Verfügungen nach ebenso gesicherter Rechtsprechung die Unzuständigkeit des Gerichts nicht die Nichtigkeit der Entscheidung zur Folge hat (SZ 25/309; SZ 47/109; JBl 1983, 652; 2 Ob 330/97m), ist die Judikatur betreffend das Außerstreitverfahren nicht völlig einheitlich. Bei weitem überwiegend wird jedoch der Standpunkt vertreten, dass die örtliche Unzuständigkeit des Erstgerichtes im Außerstreitverfahren keine Nichtigkeit begründe (SZ 24/339; SZ 45/31; SZ 51/140; EvBl 1980/78). In der jüngeren und nunmehr - soweit überblickbar einheitlichen - Rechtsprechung wurde der Standpunkt vertreten, eine Nichtigkeit könne im Verfahren Außerstreitsachen in einer Verletzung der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nur dann erblickt werden, wenn sich dieser Gerichtsfehler auf die Erledigung der Sache durch Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen ausgewirkt habe (3 Ob 632/81; 5 Ob 756/82; 2 Ob 594/83; 7 Ob 547/86; 1 Ob 677/89). Das Konkursverfahren ist mit dem Exekutionsverfahren und der in den zitierten Entscheidungen hervorgehobenen besonderen Förmlichkeit desselben geradezu nicht vergleichbar, ist es doch gekennzeichnet durch eine Vielzahl beteiligter Personen mit jeweils verschiedenen oft widerstreitenden Interessen sowie sehr weitgehenden Auswirkungen der Konkurseröffnung und des Erfordernisses der Anpassung an faktische Gegebenheiten und der Berücksichtigung weitestgehend wirtschaftlich bestimmter Überlegungen. Diese Verfahrensbesonderheiten hat der erkennende Senat in seiner Rechtsprechung bereits wiederholt hervorgehoben, so etwa bei Beurteilung der Rekurslegitimation von Konkursgläubigern im Verwertungsverfahren (vgl SZ 69/124 mwH). Das Konkursverfahren ist eher dem Außerstreitverfahren vergleichbar und weist zudem insgesamt den Charakter eines Sicherungsverfahrens auf. In beiden Verfahrensarten wird aber - wie dargestellt - von der Rechtsprechung Nichtigkeit von Verfahrenshandlungen eines örtlich unzuständigen Erstgerichts nicht oder nur sehr zurückhaltend angenommen. Dies muss auch für das Konkursverfahren gelten, weil nur so die Verfahrenszwecke ausreichend gewährleistet werden können (vgl § 44 Abs 3 JN). Es hat daher auch für das Insolvenzverfahren der Grundsatz zu gelten, dass die Verletzung der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit grundsätzlich Nichtigkeit nicht begründen kann. Dass sich der Gerichtsfehler unmittelbar auf die Erledigung der Sache durch Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen ausgewirkt hätte, wird in den Rechtsmitteln nicht behauptet und ist auch sonst nicht ersichtlich.
Während somit dem Revisionsrekurs der Konkursgläubigerin ein Erfolg zu versagen ist, ist in Stattgebung des Revisionsrekurses des Masseverwalters und teilweiser Stattgebung des Revisionsrekurses der Gemeinschuldnerin der angefochtene Beschluss durch ersatzlose Behebung des die Nichtigkeit betreffenden Ausspruches abzuändern.
Das Rekursgericht wird im fortgesetzten Verfahren über den in Anbetracht seiner vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht im Ergebnis zurückgewiesenen Rekurs der Konkursgläubigerin gegen den Beschluss ON 9 zu entscheiden haben.
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