OGH 3Ob357/97i

OGH3Ob357/97i17.12.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei S*****bank ***** vertreten durch Dr.Arnold, Rechtsanwalt-Kommandit-Partnerschaft, Wien, wider die verpflichtete Partei Walter M*****, wegen DM 157.083,76 samt Anhang, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 13.Oktober 1997, GZ 46 R 451/97g, 46 R 452/97d-21, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der betreibenden Partei wird gemäß § 78 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Auf Antrag der betreibenden Partei erklärte das Exekutionsgericht Wien einen ausländischen Exekutionstitel (deutscher Notariatsakt) am 11.2.1997 für vollstreckbar (ON 2) und bewilligte gleichzeitig der betreibenden Partei die Fahrnis- und die Forderungsexekution nach § 294a EO (ON 1). Beim Verpflichteten hatte die betreibende Partei eine Adresse im 13.Wiener Gemeindebezirk angegeben.

Gegen beide Beschlüsse erhob der Verpflichtete Rekurs. Das Rekursgericht stellte daraufhin den Akt dem nunmehr für die genannte Anschrift zuständigen Bezirksgericht Hietzing zur Zustellung des Rekurses gegen die Vollstreckbarerklärung an die Betreibende und zu Zwischenerhebungen zurück.

Mit dem angefochtenen Beschluß hob es die angefochtenen Beschlüsse auf und überwies die Exekutionssache gemäß § 44 JN dem zuständigen Bezirksgericht Donaustadt. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, daß nach den durchgeführten Erhebungen der Verpflichtete bereits seit 7.3.1996 seinen ständigen Wohnsitz im 22. Wiener Gemeindebezirk gehabt habe, sodaß das Exekutionsgericht, bei dem der Antrag am 20.1.1997 eingelangt war, gemäß §§ 82 und 18 EO unzuständig gewesen sei. Exekutionsbewilligungen und Vollstreckbarkeitserklärungen fielen nicht unter die Verfügungen im Sinn des § 44 Abs 3 JN.

Weiters sprach das Rekursgericht aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs unzulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist nicht zulässig.

Zu Unrecht sieht die Revisionsrekurswerberin die Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO als gegeben an, weil zur Streitfrage der Vollstreckbarkeit der Erklärung eines ausländischen Exekutionstitels durch ein (bloß örtlich) unzuständiges Bezirksgericht und der (naturgemäß darauf aufbauenden) Exekutionsbewilligung durch eben ein solches unzuständiges Gericht Judikatur des Obersten Gerichtshofs fehle, und darüber hinaus das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur einstweiligen Verfügung und von der maßgeblichen Literatur abweiche.

Was das zweite Argument angeht, genügt es, darauf hinzuweisen, daß der Bestimmung des § 528 Abs 1 ZPO in keiner Weise zu entnehmen ist, daß es eine für den Obersten Gerichtshof "maßgebliche Literatur" gebe und daß im bisherigen Verlauf des vorliegenden Exekutionsverfahrens noch kein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gestellt wurde.

Richtig ist zwar, daß zur mit der EO-Novelle 1995 eingeführten Bestimmung des § 82 EO noch keine Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes ergangen sind. Diese Bestimmung wirft aber keine spezifischen Rechtsfragen auf. Solche vermag die Revisionsrekurswerberin auch nicht darzulegen.

Wie von ihr selbst richtig erkannt wird, unterscheiden sich Erkenntnis- und Exekutionsverfahren wesentlich. Ungeachtet des Umstandes, daß gerade mit der EO-Novelle 1995 die Zuständigkeitsregeln dse Exekutionsverfahrens grundlegend neu gestaltet wurden, hat es der Gesetzgeber nicht für erforderlich gehalten, eine dem § 261 Abs 6 ZPO entsprechende Bestimmung für das Exekutionsverfahren einzuführen.

Die Auffassung des Rekursgerichtes, daß die Verletzung der nicht prorogablen Zuständigkeitsregeln der Exekutionsordnung Nichtigkeit gemäß § 477 Abs 1 Z 3 ZPO bewirkt, entspricht der seit Jahrzehnten einhelligen Rechtsprechung (etwa SZ 41/180 = EvBl 1969/193 = RPflSlgE 1969/163; SZ 55/178; EvBl 1973/147, EvBl 1974/112; EvBl 1975/227; zuletzt ecolex 1996, 243 = GesRZ 1996, 45 = JUS Z 1970 = RPflSlgE 1996/18 und 3 Ob 2433/96g) und der herrschenden Meinung der Lehre (Holzhammer, Zwangsvollstreckungsrecht4 72; Fasching, Kommentar I 280; Rechberger, Die fehlerhafte Exekution 173; Rechberger/Simotta, Exekutionsverfahren2 Rz 65 und Rechberger/Oberhammer, Exekutionsrecht Rz 22). Die von der Revisionsrekurswerberin ins Treffen geführte abweichende Ansicht von Heller/Berger/Stix (I 170 f) wurde bereits mehrfach, zuletzt in der zitierten E 3 Ob 108/95 (= ecolex 1996, 273) ausdrücklich abgelehnt. Die Ausführungen im Revisionsrekurs bieten keinen Anlaß, von dieser Ablehnung abzurücken. Auch in der Rechtslehre ist Heller/Berger/Stix, soweit ersichtlich, nur Rechberger (Die fehlerhafte Exekution 175) teilweise gefolgt, er will aber die von den genannten Autoren als von der Nichtigkeit nicht umfaßt angesehenen richterlichen Pfand- oder Befähigungsrechte nur bei der Gefahr eines unwiederbringlichen Schadens aufrecht erhalten, wofür es im vorliegenden Fall schon an Behauptungen oder Feststellungen fehlt, sodaß darauf nicht weiter eingegangen werden muß. Die hauptsächlich von rechtspolitischen Erwägungen getragenen Argumente von Heller/Berger/Stix berücksichtigen zudem nicht, daß die Zuständigkeitsregeln gerade auch das verfassungsgesetzlich geschützte Recht auf den gesetzlichen Richter (Art 83 Abs 2 B-VG) gewährleisten sollen.

Entgegen der Ansicht der betreibenden Partei kann, was die Zuständigkeitsregelung angeht, die Exekutionsbewilligung, insoweit sie nur ein richterliches Pfand- oder Befriedigungsrecht begründet oder ein solches begründet werden soll, keinesfalls mit einstweiligen Verfügungen gleichgehalten werden. Für diese gibt es eigene Zuständigkeitsregeln im § 387 Abs 1 EO, soweit "in der Hauptsache" schon ein Prozeß oder ein Exekutionsverfahren anhängig ist. Daraus wird von der nunmehr einhelligen Rechtsprechung (zB SZ 21/78 und zahlreiche E zu RIS-Justiz RS 0005045) abgeleitet, daß das Prozeßgericht (Exekutionsgericht) erster Instanz solange zuständig bleibt, als der Rechtsstreit nicht rechtskräftig beendet ist, und daß die einmal begründete Zuständigkeit auch nicht durch den späteren Umstand geändert werden kann, daß der Prozeß beim angerufenen Gericht nicht mehr anhängig ist (eine Ausnahme besteht nur, wenn bereits die Klage a limine zurückgewiesen wurde - EvBl 1978/183 = SZ 51/62; 2 Ob 549/78; 4 Ob 103/94). Schon aus diesen Grundsätzen wird zu Recht gefolgert, daß auch im Falle einer Überweisung des Exekutionsverfahrens nach § 44 JN einstweilige Verfügungen des Exekutionsgerichtes nicht als nichtig aufgehoben werden können. Gerade auf sie erstreckt sich ja die Unzuständigkeit des Exekutionsgerichtes, welches den Exekutionsantrag nicht sofort zurückgewiesen hat, nicht.

Zu Unrecht beruft sich die Revisionsrekurswerberin auch auf die Materialien zu § 84a EO. In dieser ebenfalls durch die EO-Novelle 1995 eingeführten Bestimmung geht es nicht um die Aufrechterhaltung von Maßnahmen durch unzuständige Gerichte. Während in Abs 1 die Möglichkeit der Verbindung der Anträge auf Vollstreckbarerklärung auf Bewilligung der Exekution und die Verpflichtung der Gerichte, zugleich über beide Anträge zu entscheiden, geregelt wird, verpflichtet Abs 2 das Exekutionsgericht, von Amts wegen mit dem weiteren Vollzug der Exekution innezuhalten, wenn bis zur Vornahme von Verwertungshandlungen über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung noch nicht rechtskräftig entschieden wurde. Mit der letztgenannten Anordnung soll, wie aus den EB zur RV hervorgeht, Art 39 des LGVÜ entsprochen werden. Auch wenn darin von "Maßnahmen zur Sicherung" die Rede ist und nach den EB dieser Regel am besten dadurch entsprochen wird, daß vor Rechtskraft der Vollstreckbarerklärung alle Exekutionsschritte bis zur Verwertung durchgeführt werden können, wird in den Erläuternden Bemerkungen in keiner Weise zum Ausdruck gebracht, daß solche Sicherungsmaßnahmen auch aufrecht bleiben sollen, wenn sie von unzuständigen Gerichten getroffen werden.

Auch die Änderung der Bezirksgerichtsorganisation in Wien liefert kein tragendes Argument für die Ansicht der Revisionsrekurswerberin, war es doch auch vor dieser möglich, daß Verpflichtete von einem Bezirksgerichtssprengel in einen anderen übersiedeln.

Noch viel weniger als die Exekutionsbewilligung selbst kann aber die Vollstreckbarerklärung bei ausländischen Exekutionstiteln als eine zur Sicherung der Partei oder des Zweckes des Verfahrens nötige Verfügung (nicht, wie im Revisionsrekurs: Vorkehrung) qualifiziert werden, dient doch diese nicht bloß als Grundlage für das zugleich eingeleitete Exekutionsverfahren, sondern bewirkt gemäß § 84b EO, daß der ausländische Exekutionstitel künftig wie ein inländischer zu behandeln ist.

Schließlich kann der Ansicht der Revisionsrekurswerberin schon deshalb nicht beigepflichtet werden, weil sie darauf hinausliefe, die Zuständigkeitsregeln der EO zu bloßen Empfehlungen zu degradieren. Betreibende Gläubiger könnten nach dieser Ansicht, ohne Nachteile in der Sache befürchten zu müssen, durch Angabe falscher Anschriften der Verpflichteten bei jedem beliebigen österreichischen Bezirksgericht Exekutionsbewilligungen erwirken. (Folgte man der weiteren irrigen Ansicht, dem Verpflichteten fehlte auch noch die Beschwer für Rekurse gegen diese Bewilligungen unzuständiger Gerichte, fielen auch noch die Kostenfolgen weg.) Dadurch würde auch das Prorogationsverbot des § 51 EO ad absurdum geführt.

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