OGH 6Ob119/99i

OGH6Ob119/99i29.9.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Boris K*****, vertreten durch Dr. Georg Zanger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Georg P***** KG, ***** vertreten durch Fiebinger & Pollak, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 240.000 S) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 28. Jänner 1999, GZ 15 R 191/98p-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 24. September 1998, GZ 38 Cg 37/98-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 11.430 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahren (darin 1.905 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist als gebürtiger Russe Hauptgesellschafter und Geschäftsführer der A***** Handelsgesellschaft mbH in Wien (im folgenden nur Handelsgesellschaft). Die beklagte Partei betreibt eine Buchhandlung in Wien und vertreibt - auch nach einer Unterlassungsaufforderung durch den Kläger - das 1998 unter den SSBN Nr 3-49203867-0 erschienene Buch "Die Roten Bosse - Rußlands Tycoone übernehmen die Macht in Europa", in dem folgende vom Kläger inkriminierten Textpassagen enthalten sind:

- "Die ... (Handelsgesellschaft) ist verbunden mit der Firma A*****

Schweiz, *****, und O*****-Handelsgesellschaft, *****. Als

Geschäftsführer der Firma ... (Handelsgesellschaft) und

O*****-Handelsgesellschaft zeichnet ... (Kläger), wobei er als

Gesellschafter mit 98 % beteiligt ist."

Der Kläger sieht durch die genannten Textpassagen, die ihn als Mitglied der russischen Mafia darstellen, seinen Kredit gefährdet und seinen wirtschaftlichen Ruf beeinträchtigt, zumal er als Geschäftsführer und Inhaber der Handelsgesellschaft internationale Kontakte pflege. Im Buch finde weder eine Distanzierung des Autors von den genannten Anschuldigungen statt noch lasse die Aufmachung des Buches einen anderen Schluß zu als den, daß der Kläger bewußt in die Gruppe der "Roten Bosse" eingeordnet werde und vom Publikum als solcher identifiziert werden solle. Der Kläger habe jedoch niemals Kontakte zur sogenannten russischen organisierten Kriminalität gepflogen.

Die beklagte Partei wendete im wesentlichen ein, als bloßer Händler weder an der inhaltlichen Gestaltung noch an der Herstellung des Buches teilzunehmen, sie verbreite bloß die Tatsache einer fremden Behauptung. Da sie die im Buch enthaltenen Mitteilungen in keiner Weise zur eigenen Sicht der Dinge mache, könne sie auch nicht als Verbreiter der Äußerungen iSd § 1330 ABGB angesehen werden. Als bloßer Buchhändlerin sei es der beklagten Partei auch praktisch unmöglich, alle von ihr vertriebenen Bücher durchzusehen und juristisch zu bewerten. Da das Publikum den Inhalt der Bücher nicht mit der eigenen Meinung des Buchhändlers identifiziere, sei eine ausdrückliche Distanzierung durch den Buchhändler nicht erforderlich. Durch den Verkauf des Buches erfolge kein unverhältnismäßiger Eingriff in die durch § 1330 ABGB geschützten Interessen des Klägers, weil die darin kolportierten Mitteilungen im Hinblick auf das öffentliche Aufklärungsinteresse über die organisierte Kriminalität gerechtfertigt seien. Das Buch verfolge dabei die entscheidende Funktion, die Öffentlichkeit auf neue Erscheinungsformen der Kriminalität im Bereich des organisierten Verbrechens aufmerksam zu machen und auf diese Weise zur Bewußtseinsbildung der Allgemeinheit beizutragen, sodaß die beklagte Partei im Interesse der öffentlichen Aufklärung und somit nicht rechtswidrig gehandelt habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren wegen mangelnder Passivlegitimation der beklagten Partei, die nicht Verbreiterin sei, ab. Im Verkauf des Buches sei ein "wertneutraler, nicht identifizierter" Vertrieb von Äußerungen Dritter zu erblicken. Eine Buchhandlung trete wie Rundfunk und Fernsehen als "Markt" zum Vertrieb verschiedener Ansichten und Denkrichtungen in Erscheinung, ohne daß sich der Buchhändler mit dem Inhalt der von ihm vertriebenen Bücher identifiziere. Eine ausdrückliche Distanzierung vom Inhalt der vom Händler verkauften Bücher sei dabei gar nicht erforderlich, weil für den Konsumenten schon aufgrund der Eigenschaft der beklagten Partei als bloßer Buchhändlerin erhelle, daß diese die in den von ihr vertriebenen Büchern vertretenen Ansichten nicht zur eigenen Sicht der Dinge mache, sondern bloß als Markt verschiedener Ansichten dritter Personen fungiere. In dieser Funktion sei es der beklagten Partei unmöglich, den Inhalt der von ihr verkauften Bücher zu kennen, sie sei auch nicht dazu verpflichtet, sich über deren Inhalt zu informieren. Zum objektiven Verletzungstatbestand des § 1330 ABGB gehöre jedoch auch die Kenntnis der Verletzung eines fremden Rechtsgutes, weil man nichts verbreiten könne, von dessen Existenz man nichts wisse. Da der beklagten Partei das Buch bloß vertrieben habe, auf dessen inhaltliche Gestaltung sie keinerlei Einfluß habe ausüben können, und auch eine Verpflichtung zur Überprüfung des Inhaltes der von ihr vertriebenen Bücher verneint werden müsse, könne der beklagten Partei aus dem Vertrieb allein kein Vorwurf gemacht werden, zumal von einem Buchhändler nicht verlangt werden könne, den Inhalt aller von ihm verkauften Bücher zu kennen und diesen rechtlich richtig zu bewerten. Buchhandlungen führten naturgemäß nicht bloß Bücher, mit deren Inhalten sie sich identifizierten, sondern seien als Unternehmer bestrebt, den Konsumenten eine möglichst breite Angebotspalette an Büchern zu bieten, sodaß es unmöglich sei, den Inhalt jedes zum Verkauf angebotenen Buches zu kennen und danach eine Auswahl zu treffen, welche Bücher in das Angebot aufgenommen werden und welche nicht. Da somit Buchhändler idR keine Kenntnis vom Inhalt der von ihnen vertriebenen Büchern haben, könnten sie nicht als "Verbreiter" von unwahren, kreditschädigenden Tatsachenbehauptungen iSd § 1330 Abs 2 ABGB angesehen werden. Im vorliegenden Fall komme noch dazu, daß über die bloße Kenntnis des Inhalts der Äußerungen noch eine juristische Wertung der beklagten Buchhandlung erforderlich wäre, ob dadurch ein tatbestandsmäßiges Verhalten iSd § 1330 ABGB verwirklicht werden könne.

Die zweite Instanz bestätigte das Ersturteil, sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 52.000 S, nicht aber 260.000 S übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. In rechtlicher Hinsicht vertrat das Berufungsgericht im wesentlichen die Auffassung, die Rechtswidrigkeit sei hier im Spannungsverhältnis zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz zu verneinen. Folgend dem BGH (BGHZ 66, 182 = NJW 1976, 1198) habe der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung SZ 64/36 = JBl 1991, 796 die Auffassung vertreten, dort, wo Rundfunk und Fernsehen nur als "Markt" verschiedener Ansichten und Richtungen in Erscheinung treten, widerspreche es der Funktion und dem öffentlichen Auftrag solcher Medien, sie als Verbreiter von solchen Äußerungen anzusehen, mit denen sie sich ersichtlich nicht identifizierten. Dies müsse erst recht dann gelten, wenn der "Verbreiter" nichts anderes als der Organisator eines solchen Marktes von Meinungen anderer sei, die als solche käuflich erworben werden könnten. Der Kläger stelle diese Grundsätze offenbar auch nicht in Zweifel und berufe sich der Sache nach auf die Grenzen dieser Rechtslage, wie sie in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes MR 1995, 32 (4 Ob 123/94 = ÖBl 1996, 45) ihren Ausdruck finde. In diesem Fall sei eine Vertriebsgesellschaft als Gehilfe eines unmittelbaren Täters nach dem UWG verurteilt worden, weil sie dessen gesetzwidriges Verhalten durch ihren Vertrieb bewußt gefördert hätte. Der unmittelbare Täter, ein deutscher Medieninhaber, hätte ein wettbewerbswidriges Gewinnspiel angekündigt, sodaß das Höchstgericht dem Vertriebsunternehmen eine Verletzung der Pflicht zur Unterbindung des angekündigten Verstoßes angelastet habe. Eine solche Kontrolle sei auch zumutbar, weil es genüge, ein Exemplar der jeweiligen Zeitschrift durchzublättern.

Ein Buch über die organisierte Kriminalität, das nicht im Unverbindlichen bleibe, sondern Namen nenne, greife in die Interessen der hiebei genannten Personen ein. Wenn Gesellschafter oder verantwortliche Bedienstete der beklagten Gesellschaft das Buch nicht schon gelesen haben sollten, hätten sie aus dem Schreiben des Klagevertreters nur entnehmen können, daß gerade der Kläger eine der solcherart betroffenen Personen gewesen sei und die gegen ihn gerichteten Behauptungen als unrichtig bezeichnet würden. Diese Bestreitung der Richtigkeit sei jedoch ganz allgemein und formelhaft gehalten, sodaß sie für sich allein keinerlei Beweiswert gehabt hätten und keinen Anlaß dafür geben mußte, an der Richtigkeit der im Buch aufgestellten Behauptungen zu zweifeln. Bei der Interessenabwägung spreche für den Kläger der Persönlichkeitsschutz, für die Gegenseite das Recht der freien Meinungsäußerung und das gerechtfertigte Interesse der Öffentlichkeit, über Umtriebe der organisierten Kriminalität aufgeklärt zu werden. Wollte man der Rechtsauffassung des Klägers folgen, müßte jeder Buchhändler einen Titel sofort aus dem Sortiment nehmen, wenn sich eine Person durch in diesem Buch aufgestellte Behauptungen verletzt fühle (§ 1330 ABGB) und der Buchhändler nicht zufällig die Möglichkeit habe, die Richtigkeit der gerade in diesem Buch von unter tausenden in seinem "Laden" befindlichen zu beweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt.

a) Der Kläger stützt seinen Unterlassungsanspruch auf § 1330 Abs 1 und Abs 2 ABGB. Wenn jemandem durch Ehrenbeleidigung ein wirklicher Schaden oder Entgang des Gewinnes verursacht wurde, ist er nach § 1330 Abs 1 ABGB berechtigt, den Ersatz zu fordern. Gemäß § 1330 Abs 1 erster Satz ABGB gilt dies auch dann, wenn jemand Tatsachen verbreitet, die den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen eines anderen gefährdet und deren Unwahrheit er kannte oder kennen mußte.

Beides sind Fälle deliktischer Haftung (1 Ob 36/89 = SZ 64/36 = JBl

1991, 796 = ÖBl 1991, 161; 6 Ob 20/95 = SZ 68/97 = JBl 1996, 111 =

ÖBl 1996, 156 = MR 1995, 97 [Korn]) ua). § 1330 Abs 1 ABGB schützt

die Ehre der Person, Abs 2 leg. cit. auch ihren sogenannten wirtschaftlichen Ruf (SZ 68/97 uva, zuletzt 6 Ob 37/98d = MR 1998, 328).

b) Nach stRspr und herrschender Lehre bedeutet das "Verbreiten" einer Tatsache nach § 1330 Abs 2 ABGB das Mitteilen dieser Tatsache, und zwar sowohl das Äußern eigener Überzeugung als auch das Weitergeben der Behauptung eines Dritten (zB in einem Artikel, Leserbrief, Interview etc), ohne sich mit dessen Äußerungen zu identifizieren (ÖBl 1993, 244 mwN; 6 Ob 30/95 = SZ 68/136 = MR 1996, 25 = ecolex 1995, 892; Reischauer in Rummel2, § 1330 ABGB Rz 14; Harrer in Schwimann2, § 1330 ABGB Rz 23; Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht 53; Zeiler, Persönlichkeitsschutz, Handbuch für die Praxis 14). Im Hinblick auf den Schutzzweck des § 1330 Abs 2 ABGB ist allein auf die Störung abzustellen, an der jemand beteiligt ist. Eine intellektuelle Beziehung des Verbreiters zu dem weitergegebenen Gedankeninhalt wird daher nicht für erforderlich gehalten; vielmehr wird schon das "technische Verbreiten" - etwa durch Zeitung, Rundfunk oder Fernsehen - grundsätzlich von § 1330

ABGB erfaßt (ÖBl 1991, 161 mwN; 4 Ob 94/93 = ÖBl 1993, 243 = GRURInt

1994, 857 = ecolex 1993, 737 = RdW 1993, 364; SZ 68/136;

Korn/Neumayer aaO 53 f). Nach § 1330 Abs 2 ABGB haftet demnach, wer verursacht, daß die Tatsache einem größeren Kreis von Menschen bekannt wird (ÖBl 1993, 243; SZ 68/136). Die Verletzungshandlung kann auch in der Weitergabe der Behauptungen eines Dritten bestehen, ohne daß sich der Verbreiter mit der Äußerung identifizieren müßte; Täter ist in diesem Fall jeder Verbreiter der Tatsachenbehauptungen (SZ 69/113 = JBl 1996, 789 = MR 1996, 146).

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen dem intellektuellen Verbreiter, also demjenigen, der zu der Äußerung eine individuelle geistige Beziehung hat, und dem bloß technischen Verbreiter, dem eine solche Beziehung fehlt. Der Medieninhaber eines periodischen

Druckwerks (SZ 68/136) oder der Verleger eines Buches (4 Ob 59/93 =

MuR 1993, 144 [Neumayer] = ecolex 1993, 689; ÖBl 1993, 243, je mwN;

SZ 68/136; RIS-Justiz RS0031855) werden als intellektuelle Verbreiter angesehen. Der Buchhändler ist weder Verleger noch Medieninhaber iSd § 1 Abs 1 Z 8 MedienG ist (11 Os 155/82 = EvBl 1984/31). Bereits in der Entscheidung ÖBl 1993, 243 (referierend Zeiler aaO 14) wurde ausgesprochen, es könne eine Begrenzung des bloß technischen Verbreiters, etwa eines Zeitungsboten, unter den Gesichtspunkten des Rechtsschutzbedürfnisses und der Zumutbarkeit notwendig sein, ohne dies freilich näher auszuführen. In der deutschen Rechtslehre zu § 97 dUrhG wird die Auffassung vertreten, keine urheberrechtliche Verantwortung treffe denjenigen, der lediglich Hilfsdienste leiste, den Kartenverkäufer, die Platzanweiserin, den Kabelleger, den Setzer, den Zeitungsausträger. Je größer aber die Entscheidungsbefugnis sei, desto eher werde auch die Verantwortlichkeit bejaht, oft ohne Verschulden (Wild in Schricker2, Urheberrecht, § 97 dUrhG Rz 38). Ohne näher darauf einzugehen, ob sich der Verbreiterbegriff nach § 1330 ABGB und dem UrhG deckt, können diese Erwägungen auch hier fruchtbar gemacht werden. In der deutschen Rechtslehre (Steffen in BGB-RGRK12, § 824 ABGB Rz 25) wird auch das "technische" Verbreiten durch die an der Herstellung (Drucker, Kameramann) oder am Vertrieb (Grossist, Importeur, Buchhändler, Bibliothekar) Beteiligten grundsätzlich von § 824 ABGB erfaßt. Der erkennende Senat billigt diese Auffassung. Damit wird freilich deutlich: Der Buchhändler mit seiner Entscheidungsbefugnis als Unternehmer ist - entgegen der in der Revisionsbeantwortung vertretenen Auffassung - jedenfalls "technischer Verbreiter" der in den von ihm vertriebenen Büchern enthaltenen Tatsachen und Wertungen iSd § 1330 ABGB.

c) Jeder Unterlassungsanspruch setzt aber die Rechtswidrigkeit der begangenen oder drohenden Eingriffshandlung voraus (SZ 68/97, SZ 68/136 ua, je mwN). Sowohl die Ehre wie der wirtschaftliche Ruf einer Person sind absolute Rechte (SZ 64/36, SZ 68/97, je mwN uva). Zwar ist der Angriff auf die absoluten Rechte der Ehre und des wirtschaftlichen Rufes einer Person - wozu die Behauptung, jemand gehöre in Österreich zur "Russen-Mafia", zweifellos zählt - schon ein Indiz für die Rechtswidrigkeit, diese kann aber im Einzelfall ausgeschlossen sein, wenn für das Handeln oder Unterlassen ein besonderer Rechtfertigungsgrund vorlag (SZ 68/136 ua), das heißt, die Rechtswidrigkeit bzw Rechtfertigungsgründe sind auch bei einem verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch zu beachten (SZ 56/124, SZ 68/136 ua; Reischauer aaO Rz 23). Die Rspr zählt § 1330 Abs 2 dritter Satz ABGB zu den Rechtfertigungsgründen (SZ 60/138), ohne daß § 1330 ABGB eine abschließende Regelung der Rechtfertigungsgründe enthielte (MR 1992, 19, 205). Weitere Rechtfertigungsgründe ergeben sich vielmehr durch eine umfassende Interessenabwägung (SZ 61/210, SZ 64/36, SZ 68/97 uva; Reischauer aaO Rz 7a; Korn/Neumayer aaO 59 f mwN) aus Geboten und Verboten der gesamten Rechtsordnung (SZ 68/136 mwN). Stets müssen die Interessen am gefährdeten Gut auch die Interessen des Handelnden und die der Allgemeinheit gegenübergestellt werden (SZ 64/36, SZ 68/97 ua; Korn/Neumayer aaO 60 mwN). Eine Überspannung des Schutzes der Persönlichkeitsrechte würde zu einer untragbaren Einschränkung der Interessen anderer und auch jener der Allgemeinheit führen (SZ 56/124, SZ 68/97 ua). Bei dieser Interessenabwägung kommt es auf die Art des eingeschränkten Rechtes, die Schwere des Eingriffes, die Verhältnismäßigkeit am verfolgten Recht und den Grad der Schutzwürdigkeit dieses Interesses an (SZ 61/210, SZ 68/97, SZ 68/136 ua; Korn/Neumayer aaO 60). Als Rechtfertigungsgründe wurden in der Rspr Art 10 MRK (Recht zur freien Meinungsäußerung, freilich nicht auf der Basis unwahrer Tatsachenbehauptungen; zuletzt MR 1998, 328), Art 17a StGG, medienrechtliche - auch bei Ansprüchen nach § 1330 ABGB zu berücksichtigende (SZ 68/136) - Regelungen nach § 6 MedienG, das Interesse der Öffentlichkeit an einer ordnungsgemäßen Rechtspflege (SZ 56/74, SZ 64/36), die Ausübung eines Rechtes (Prozeßhandlungen, Anzeigen etc) und die Ausübung eines öffentlichen Mandates (SZ 64/36) angesehen (Zeiler aaO 24 ff mwN aus der Rspr).

Wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten, müssen sich Rundfunk und Fernsehen Tatsachenbehauptungen von Teilnehmern einer Live-Sendung dann nicht zurechnen lassen, wenn sich schon aus der Art der Sendung ergibt, daß das Medium nur Diskussions- und Meinungsforum ist. Selbst dadurch, daß der Rundfunk Äußerungen Dritter ausstrahlt, ohne sich von ihnen zu distanzieren, identifiziert er sich noch nicht mit diesen Ansichten; auch der Fernsehteilnehmer ordnet solche Äußerungen nicht dem Medium, sondern dem Gesprächsteilnehmer zu. Anderes gilt nur dann, wenn solche Tatsachenbehauptungen erkennbar zur eigenen Sicht der Dinge gemacht und damit eigenständig verbreitet werden (SZ 64/36; 6 Ob 2071/96v; RIS-Justiz RS0031976). Wenn aber unwahre Tatsachenbehauptungen im wesentlichen kommentarlos wiedergegeben werden, trete doch das Unternehmen in solchen Fällen nur als "Markt" verschiedener Ansichten und Richtungen in Erscheinung. Nach Auffassung des erkennenden Senates stellt ein Buchhändler einen vergleichbaren "Markt" der verschiedensten, hier in Büchern veröffentlichten Meinungen Dritter dar. Zutreffend erkannten die Vorinstanzen, daß der Buchhändler als Unternehmer bestrebt ist, eine breite Angebotspalette an Büchern auf dem Markt den Kaufinteressenten anzubieten. Die Öffentlichkeit weiß auch, daß es dem Buchhändler regelmäßig verwehrt ist, auf den Inhalt eines Buches Einfluß zu nehmen, und daß es ihm auch nicht darauf ankommt, die in einem bestimmten Buch vertretenen Ansichten zu seiner eigenen Sicht der Dinge zu machen. Seine Aufgabe ist vielmehr in der Regel nur der Vertrieb der in den Büchern vertretenen Tatsachen und Meinungen Dritter an das interessierte Publikum, somit eine rein technisch-kaufmännische Angelegenheit. Um die im Interesse der Öffentlichkeit liegende tägliche Tätigkeit des Buchhandels nicht über Gebühr zu erschweren und den Buchhändler auch nicht in einer unzumutbaren Weise mit einer Zensur der von ihm vertriebenen Bücher zu überfordern, obliegt dem Buchhändler grundsätzlich keine Prüfungspflicht in Ansehung der von ihm vertriebenen Bücher. In der deutschen Rechtslehre (Steffen aaO Rz 33 mwN) wird die Prüfungspflicht für Druckwerke nach dem Aufgabenbereich, die dem einzelnen bei Herstellung und Vertrieb zugewiesen ist, abgestuft. In erster Linie sei der Verleger als "Herr" der Veröffentlichung für die Wahrheitsprüfung verantwortlich. Die technischen Mitarbeiter könnten sich darauf verlassen, daß eine derartige Prüfung und Interessenabwägung von anderen Kontrollinstanzen wahrgenommen werde. Sie haben erst dann eigene Prüfungspflichten, wenn konkreter Anlaß zu Zweifeln an der ordnungsgemäßen Erfüllung dieser Aufgaben besteht. Diese Erwägungen erscheinen auch für den österr. Rechtsbereich bei der Interessenabwägung für den Buchhändler sachgerecht: Der Buchhändler ist somit nur bei - hier nicht einmal behaupteten - Kennen oder bei Kennenmüssen der Unwahrheit von kreditschädigenden Tatsachen, die in den von ihm vertriebenen Büchern enthalten sind, zur Unterlassung verpflichtet. Zuletzt vertrat der erkennende Senat in seiner Entscheidung 6 Ob 164/98f (RIS-Justiz RS0031666) die Auffassung, die Rechtswidrigkeit des Verhaltens bestehe im Bereich des "Kennenmüssens" darin, daß die Unrichtigkeit der Tatsachen bei Einhaltung der objektiv gebotenen Sorgfalt erkennbar ist und die Tatsachen dennoch verbreitet werden. Daran ist grundsätzlich festzuhalten. Im vorliegenden Fall hat sich der Klagevertreter in seinem Schreiben vom 18. März 1998 an die beklagte Partei mit der Aufforderung zur Unterlassung des weiteren Vertriebes des Buches begnügt und nur die Abschrift eines gleichartigen Schreibens vom selben Tag an den Verleger beigelegt, in welchem die inkriminierten Textstellen im einzelnen angeführt und als unwahre Tatsachenbehauptungen bezeichnet wurden. Daraus war indes für die beklagte Buchhändlerin nicht ersichtlich, daß die inkriminierten Behauptungen tatsächlich tatsachenwidrig wären. Dadurch wurde auch keine weitere, im allgemeinen unzumutbare Prüfungspflicht ausgelöst.

Die in der Entscheidung 4 Ob 89/92 (MR 1995, 55 [Walter] = EvBl

1993/58 = ecolex 1993, 159 = ZfRV 1993, 151) - auf die sich der Revisionswerber bezieht - vertretene Auffassung, der technische Verbreiter habe nach entsprechender Information eine Prüfpflicht, betraf einen auf den Bildnisschutz nach § 78 UrhG bezüglichen Rechtsfall, der mit dem vorliegenden nicht vergleichbar ist; dort war auch kein Buchhändler beklagt.

Die Frage, ob die Grundsätze der sogenannten Zitatenjudikatur (vgl dazu Zöchbauer, Korrektes Zitat und zivilrechtliche Ehrenbeleidigung in WBl 1999, 289 ff mwN) auch auf Buchhändler angewendet werden könnten, stellt sich nicht mehr. Auch die Frage, ob der Buchhändler in Kenntnis einer gerichtlichen Entscheidung gegen den Autor, den Medieninhaber oder Verleger wegen in einem Buch enthaltenen ehrenbeleidigenden oder kreditschädigenden Äußerungen zur Unterlassung einer weiteren Verbreitung verpflichtet wäre, kann hier ebenso auf sich beruhen wie die Frage nach der Unterlassungsverpflichtung von Verlagsbuchhandlungen.

Die Unterlassungspflicht der beklagten Partei muß im vorliegenden Fall wegen Vorliegens eines Rechtfertigungsgrundes in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen verneint werden. Der Revision kann daher kein Erfolg beschieden sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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