Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Der Beklagte ist Obmann und führender Sprecher einer im Nationalrat vertretenen politischen Partei. Die Klägerin ist aufgrund einer Nominierung einer anderen politischen Partei in einem Wiener Gemeindebezirk Bezirksrätin.
Am 17.7.1995 präsentierte der Beklagte in einer Pressekonferenz den Anwesenden eine Anzeige des Landesgendarmeriekommandos ***** an die Staatsanwaltschaft. Diese Anzeige enthielt eine Sachverhaltsdarstellung zum sogenannten "Ebergassing-Attentat", bei dem zwei Beteiligte getötet worden waren. Ein in der Anzeige namentlich Genannter wurde der Mittäterschaft an diesem Anschlag sowie an weiteren Sprengstoffanschlägen verdächtigt. Gegen diesen richtete sich die 57 Seiten umfassende Anzeige wegen der Delikte der vorsätzlichen Gefährdung durch Sprengmittel im Sinne der §§ 12, 173, 278 StGB und § 36 WaffenG. In der Anzeige wurde unter anderem auch über einen Vorfall berichtet, wonach bei der Planung eines Sprengstoffattentats zur Verhinderung der Durchführung von Bergepanzern der NATO auf der Westbahn in Tirol eine Bekannte des angezeigten Verdächtigen namens Jasmin, die als die Klägerin identifiziert habe werden können, unbedingt habe mitwirken wollen, was der Verdächtige aber abgelehnt habe, weil die Klägerin im Falle irgendeiner Kontrolle aufgrund ihrer früheren Protestaktionen für die "RAF" als polizeibekannt ein zu großes Risiko sei. Die Klägerin sei unter ihrem früheren Namen vom Amtsgericht Berlin-Tiergarten am 10.2.1982 wegen schweren Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte und wegen schweren Landfriedensbruchs verurteilt worden.
Bei der Präsentation der Strafanzeige in der Pressekonferenz wies der Beklagte darauf hin, daß insgesamt 40 Anschläge der politischen "Linken" zugeordnet werden könnten, mindestens sechs davon seien den Verantwortlichen des Attentats von Ebergassing zuzuordnen. Er führte auch die Klägerin namentlich an und erklärte, daß sie unter ihrem früheren Namen als "RAF-Terroristin" in Deutschland zu 18 Monaten Haft verurteilt worden sei und daß sie an einem Anschlag auf die Westbahn gegen die Berge-Panzer der NATO teilnehmen habe wollen.
Mit ihrer am 27.7.1995 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die Klägerin die Unterlassung der Behauptungen a) daß sie "als RAF-Terroristin in Deutschland zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt worden sei" sowie Behauptungen gleichen Inhalts und b) daß sie "außerdem an dem Anschlag auf die Westbahn gegen die Berge-Panzer teilnehmen habe wollen" sowie inhaltsgleicher Behauptungen. Die Klägerin begehrt ferner den Widerruf dieser Behauptungen und die Veröffentlichung des Widerrufs und stellte zur Sicherung des Unterlassungsanspruches einen auf die Erlassung eines Unterlassungsgebotes hinsichtlich der angeführten Behauptungen gerichteten Sicherungsantrag. Die Tatsachenbehauptungen des Beklagten seien unwahr und gefährdeten den wirtschaftlichen Ruf der Klägerin. Es sei dem Beklagten gelungen, einen Skandal hervorzurufen. Die Presse habe über die Verdächtigungen ausführlich berichtet. Der Beklagte habe in der Pressekonferenz vorgegeben, sich bei seinen Behauptungen auf eine von ihm zitierte Strafanzeige stützen zu können. Nicht einmal dies treffe zu, da sich in der Anzeige für den Vorwurf, die Klägerin sei als "RAF-Terroristin" verurteilt wroden, kein Anhaltspunkt finde. Es gehe nicht an, daß der Beklagte aus einer Anzeige des Landesgendarmeriekommandos ***** an die Staatsanwaltschaft, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sei, einen Verdacht zitiere, obwohl in der Anzeige der Informant nicht genannt werde, und daß der Beklagte diese Verdächtigung als Tatsache hinstelle. Gegen die Klägerin sei keine Anzeige erstattet worden. Sie sei als Kauffrau und Politikerin tätig. Die Auswirkungen der Rufschädigung seien für sie nicht zu überblicken und durch Geldersatz nicht auszugleichen.
Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und des Sicherungsantrages. Zu diesem äußerte er sich im wesentlichen dahin, daß die Klägerin als Politikerin im Blickpunkt des öffentlichen Interesses stehe. Es bestehe ein Interesse an Informationen über ihre Person. Der Beklagte habe aus der Strafanzeige des Landesgendarmeriekommandos ***** korrekt zitiert. Dabei handle es sich um fundierte Ermittlungsergebnisse. Es bestehe ein aktuelles Informationsinteresse der Öffentlichkeit wegen des in Österreich herrschenden Bombenterrors. Es müsse zulässig sein, sorgfältigst recherchierte Erhebungsergebnisse in der Öffentlichkeit zu zitieren. Die Äußerungen des Beklagten seien vom Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit gemäß Art 10 MRK geschützt. Er habe aus der Strafanzeige wahrheitsgemäß zitiert. Die Klägerin sei in Deutschland zweimal verurteilt worden. Die Art der Delikte und die Umgebung, in der ein Delikt begangen worden sei (gemeint: im Rahmen illegaler Hausbesetzungen), rechtfertigten den getätigten Hinweis. Die Verurteilung der Klägerin stehe in unmittelbarem Zusammenhang mit Sympathiekundgebungen für "RAF-Terroristen". Die Klägerin habe tatsächlich gegenüber dem flüchtigen Verdächtigen des Attentats von Ebergassing ausdrücklich ihre Absicht bekundet, bei einem geplanten Anschlag auf der Westbahn mitwirken zu wollen.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es beurteilte den im wesentlichen schon wiedergegebenen Sachverhalt dahin, das Bescheinigungsverfahren habe ergeben, daß die beiden vom Beklagten in der Pressekonferenz erhobenen Vorwürfe sich tatsächlich aus den kriminalpolizeilichen Erhebungen ergeben würden. Es sei nicht erforderlich, daß die Wiedergabe des Erhebungsergebnisses wortgetreu sein müsse. Es genüge die im Tatsachenkern richtige Wiedergabe. Nach den polizeilichen Erhebungen habe die Klägerin früher an Protestaktionen für die "RAF" teilgenommen und hiefür eine strafgerichtliche Verurteilung erlitten. Die Strafhöhe von 18 Monaten ergebe sich aus den Angaben der Klägerin. Der allgemeine Sprachgebrauch rechtfertige daher die Bezeichnung der Klägerin als seinerzeitige "RAF-Terroristin". Wegen dieses Verständnisses eines nicht unbedeutenden Teils der österreichischen Bevölkerung sei es nicht notwendig, sich mit der Definition des Terrorismus auseinanderzusetzen. Auch beim zweiten Vorwurf habe sich der Beklagte auf die präsentierten kriminalpolizeilichen Erhebungen stützen können.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin Folge und erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Es übernahm die erstinstanzlichen Feststellungen mit Ausnahme derjenigen, daß sich beide Vorwürfe tatsächlich aus den in der Anzeige zusammengefaßten kriminalpolizeilichen Erhebungen ergeben würden, und stellte selbst ergänzend fest, daß der Beklagte in der Pressekonferenz vom 17.7.1995 im Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen die Klägerin erklärt habe:
"Die F***** verlangen, daß Petrovic in ihrer Partei Ordnung macht, weil es nicht tragbar ist, unter der Maske des Biedermanns wirkliche Brandstifter zu beherbergen" (S 10 in ON 10). In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus, daß der Beklagte den Beweis der Richtigkeit der von ihm behaupteten rufschädigenden und beleidigenden Tatsachen zu erbringen gehabt hätte. Die Tatsachenbehauptungen bestünden nicht nur in der Behauptung der erfolgten Strafanzeige und der darin enthaltenen verschiedenen Verdachtsgründe gegen die Klägerin. Der Beklagte habe vielmehr zum Ausdruck gebracht, daß die Vorwürfe zu Recht bestünden. Darüber hinaus sei unter Verbreiten im Sinne des § 1330 ABGB nicht nur die Mitteilung eigener Überzeugung, sondern auch die fremder Behauptungen zu verstehen. Die Richtigkeit seiner Behauptungen hätte der Beklagte aber in keiner Weise beweisen können. Die Behauptung, die Klägerin sei als "RAF-Terroristin" in Deutschland verurteilt worden, ergebe sich nicht einmal aus der Strafanzeige. Die Klägerin sei wegen schweren Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte und wegen schweren Landfriedensbruches vorbestraft. Dabei handle es sich um keine Verurteilungen wegen "Terrorismus" oder "RAF-Terrorismus". Der weitere Vorwurf, die Klägerin habe an einem Anschlag auf die Westbahn teilnehmen wollen, finde sich zwar in der Strafanzeige, in dieser werde aber kein Beweis für die Verdächtigung angeführt.
Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000,-- S übersteige und daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Gegen die einstweilige Verfügung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß der Sicherantrag abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Mit der ihr freigestellten Rekursbeantwortung beantragt die Klägerin, den außerordentlichen Revisionsrekurs zurückzuweisen; hilfsweise wird beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Beklagten ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.
Zu beurteilen sind Zitate des Beklagten aus einer Strafanzeige der Sicherheitsbehörde an die Staatsanwaltschaft. Der weiterverbreitete Sachverhalt enthält rufschädigende Tatsachenbehauptungen über die Klägerin, die gleichzeitig auch Ehrenbeleidigungen darstellen. Der Klägerin werden die Verurteilung wegen begangener Straftaten und ein Versuch, an einer strafbaren Handlung teilzunehmen, vorgeworfen. Die Richtigkeit der Behauptungen steht nicht fest. Dies geht zu Lasten des Beklagten, den die Beweislast für die Richtigkeit der verbreiteten Tatsachen trifft. Bei der Verletzung des absolut geschützten Gutes der Ehre haftet der Täter deliktisch. Der Verletzte hat einen verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch. Täter ist jeder Verbreiter von die Ehre eines anderen verletzenden Tatsachenbehauptungen, also auch derjenige, der die Behauptungen eines Dritten weitergibt, ohne daß sich der Verbreiter mit der Äußerung identifizieren müßte. Tatbildlich ist auch eine ehrenbeleidigende Äußerung in Vermutungsform.
Die angeführten Grundsätze vertritt der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung. Der Rekurswerber steht bei seinen Rekursausführungen zum Thema der Richtigkeit der Tatsachenbehauptungen offenkundig auf dem Standpunkt, er habe die Richtigkeit zumindest im Tatsachenkern nachgewiesen, weil er den Inhalt der Strafanzeige im wesentlichen richtig wiedergegeben habe. Ihn trifft jedoch nicht nur die Beweislast hinsichtlich der wahrheitsgetreuen Wiedergabe der fremden Äußerungen (der Sicherheitsbehörde), sondern auch hinsichtlich der Richtigkeit der in Vermutungsform geäußerten Vorwürfe, weil unter Verbreiten jede Weitergabe fremder Behauptungen - auch wenn diese nur in Vermutungsform einen Tatverdacht aussprechen - anzusehen ist, etwa auch das nur technische Verbreiten in einer Zeitung oder im Fernsehen (EvBl 1991/61), auch wenn sich der Verbreiter mit der wiedergegebenen Äußerung nicht identifiziert. In der in SZ 64/36 veröffentlichten Entscheidung war die Frage zu beurteilen, ob eine Fernsehanstalt bei Tatsachenbehauptungen Dritter, die im Rahmen einer Live-Sendung geäußert wurden, als Verbreiterin im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB aufzufassen sei. Der Oberste Gerichtshof gelangte zur Auffassung, daß sich die Anstalt unwahre Tatsachenbehauptungen von Diskussionsteilnehmern dann nicht zurechnen lassen müsse, wenn sie diese im Rahmen eines "Meinungsforums" im wesentlichen kommentarlos wiedergegeben habe und nur als "Markt" verschiedener Ansichten und Richtungen in Erscheinung getreten sei. Dies gelte jedenfalls dann nicht, wenn die Fernsehanstalt die fremden Äußerungen erkennbar zur eigenen Sicht der Dinge gemacht habe, also eine "eigenständige" Verbreitung vorliege. Letzteres liegt ohne jeden Zweifel auch hier vor. Der Beklagte hat aus eigenem politischen Interesse fremde Äußerungen, nämlich die in der Strafanzeige aufscheinenden Vorwürfe einer abgeurteilten Straftat und des Wunsches der Klägerin, sich an einer konkreten Straftat zu beteiligen, nach den ergänzenden Feststellungen des Rekursgerichtes mit der Aufforderung an die Obfrau der Partei, welcher die Klägerin nahesteht, verbunden, die wirklichen "Brandstifter" zu entfernen. Da die Äußerungen des Beklagten nicht isoliert, sondern im Gesamtzusammenhang zu verstehen sind (vgl MR 1990, 184), geht aus der ergänzenden Feststellung hinreichend deutlich hervor, daß sich der Beklagte den die Klägerin betreffenden Inhalt der Strafanzeige zur eigenen Sicht der Dinge gemacht hat. An der Tatbildlichkeit des Verbreitens rufschädigender fremder Äußerungen besteht daher kein Zweifel.
Der Unterlassungsanspruch des Verletzten ist verschuldensunabhängig. Die Haftung des Täters setzt aber (selbstverständlich) die Rechtswidrigkeit der Eingriffshandlung voraus. Zur Frage, ob die wahrheitsgetreue Wiedergabe eines in einer Strafanzeige einer Sicherheitsbehörde geschilderten Sachverhalts gerechtfertigt sein kann, insbesondere wenn die Strafanzeige einen im öffentlichen Leben stehenden Politiker betrifft, und ob allenfalls ein aus § 6 Abs 2 Z 4 MedienG abzuleitender allgemeiner Rechtfertigungsgrund bejaht werden kann, fehlt eine oberstgerichtliche Rechtsprechung. Dazu hat der erkennende Senat folgendes erwogen:
Wenn in einem Medium der objektive Tatbestand der üblen Nachrede hergestellt wird, hat der Verletzte nach dem seit 1.7.1993 in Kraft stehenden § 6 Abs 1 MedienG (idF der Mediengesetznovelle 1992) einen Entschädigungsanspruch für die erlittene Kränkung. Dieser Anspruch steht nach Abs 2 Z 4 leg cit dann nicht zu, wenn es sich um eine wahrheitsgetreue Wiedergabe der Äußerung eines Dritten handelt und ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Kenntnis der zitierten Äußerung bestand. Mit der Frage der Haftung eines Medieninhabers, in dessen Zeitschrift ehrverletzende Äußerungen eines anonym gebliebenen Interviewpartners wiedergegeben wurden, hatte sich der erkennende Senat in der Entscheidung 6 Ob 30/95 (veröffentlicht in ecolex 1995, 892) zu befassen. Er ist zum Ergebnis gelangt, daß dem Medieninhaber einer periodischen Druckschrift auch in Ansehung eines aus § 1330 ABGB abgeleiteten Unterlassungsanspruchs der durch die MedienG-Novelle 1992 neu geschaffene Rechtfertigungsgrund des § 6 Abs 2 Z 4 MedienG zugutekommen könne. Gegen eine analoge Anwendung der in §§ 6 f MedienG angeordneten Ausnahmebestimmungen auf den im ABGB geregelten Tatbestand hat sich Wilhelm in seiner Entscheidungskritik (ecolex 1995, 877) gewandt und vor allem den Umstand hervorgehoben, daß die vom Gesetzgeber verfügte Zurücknahme einer in einer lex specialis angeordneten Sanktion (§ 6 Abs 1 MedienG) nicht auch auf die lex generalis (§ 1330 ABGB) bezogen werden dürfe. Eine nähere Untersuchung dieses Themas und eine Auseinandersetzung mit dieser Lehrmeinung kann hier unterbleiben, weil es jedenfalls nicht angeht, eine für den Bereich bestimmter in Medien verbreiteter Ehrenbeleidungen getroffene Regelung, die eine Sanktion gegen den Medieninhaber anordnet (und im § 6 Abs 2 Z 4 MedienG bei rechtfertigenden Umständen wieder entfallen läßt), im Wege der Analogie auch auf andere Personen auszudehnen. Die Aufgaben und der Tätigkeitsbereich von Medien und ihrer Inhaber unterscheiden sich von den Aufgaben der Politiker in so mannigfaltiger Weise, daß dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden kann, er habe die Regelung nur versehentlich nicht auch für Politiker getroffen. Eine im Wege der Analogie zu schließende planwidrige Gesetzeslücke liegt nicht vor. Da es aber immerhin auch zum Aufgabenbereich von Politikern gehört, die Öffentlichkeit über relevante Sachverhalte unter dem Blickwinkel des Allgemeinwohls zu informieren, wozu zweifellos auch die Information über den politischen Gegner gehört, ist die Frage zu stellen, ob nicht wegen des jedermann zustehenden Rechts auf freie Meinungsäußerung ein Grund vorliegt, der die Weitergabe fremder rufschädigender Äußerungen rechtfertigt, sodaß es an der Rechtswidrigkeit mangelte. Diese ist auch beim verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch zu prüfen. Nicht jeder Eingriff in das Recht der Ehre ist wegen des Charakters als absolut geschütztes Gut a priori und unabänderlich rechtswidrig, andernfalls müßte bei jedem einmal erfolgten Eingriff der Unterlassungsklage stattgegeben werden. Die Verletzung der Ehre eines anderen indiziert zwar die Rechtswidrigkeit; diese kann aber nur aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung beurteilt werden. Stets müssen den Interesen am gefährdeten Gut die Interessen des Handelnden und diejenigen der Allgemeinheit gegenübergestellt werden, wobei es bei der Interessenabwägung auf die Art des eingeschränkten Rechtes, die Schwere des Eingriffes, die Verhältnismäßigkeit zum verfolgten Zweck und den Grad der Schutzwürdigkeit dieses Interesses ankommt (SZ 64/36 mwN). Verfassungsrechtliche Grundlage der Meinungsfreiheit sind vor allem Art 13 StGG, wonach jedermann das Recht hat, durch Wort, Schrift, Druck oder bildliche Darstellung seine Meinung innerhalb der gesetzlichen Schranken frei zu äußern, sowie der im Art 10 Abs 1 MRK jedermann eingeräumte Anspruch auf freie Meinungsäußerung.
Der Beklagte zitierte in seiner Eigenschaft als Sprecher einer wahlwerbenden Partei aus einer Strafanzeige einen Sachverhalt, der die Vertreterin einer anderen politischen Partei betraf. Notwendiges und in einer Demokratie auch wünschenswertes Ziel der Äußerung von Politikern ist die Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Der erkennende Senat hatte zur Frage des Stellenwertes des in Art 10 MRK verbrieften Rechts auf freie Meinungsäußerung im Zusammenhang mit Äußerungen eines Politikers über einen anderen Politiker in seiner Entscheidung 6 Ob 18/94 (veröffentlicht in MR 1995, 177) zu befinden. Auch wenn es dort um die Beurteilung eines in die Ehre eines anderen eingreifenden Werturteils ging, während hier überprüfbare Tatsachenbehauptungen zu beurteilen sind, sind die zur Interessenabwägung angestellten Erwägungen auch hier maßgeblich, weil an der Weitergabe eines in einer behördlichen Strafanzeige (oder in einer Anklage oder einem Gerichtsurteil) ersichtlichen Tatverdachtes ein berechtigtes Informationsinteresse der Allgemeinheit besteht. In der zitierten Entscheidung gelangte der Senat zum Ergebnis, daß die Freiheit der Meinungsäußerung zum Zwecke der Meinungsbildung unter den Wahlberechtigten für einen möglichst uneingeschränkten Gedanken-, Ideen- und Argumentationsaustausch in einem der Demokratie verpflichteten Staatswesen unerläßlich sei. In der mittelbaren Demokratie bedürfe es nicht nur eines rechtlichen Schutzes für die Redefreiheit der Abgeordneten in ihrem Vertretungskörper, sondern darüber hinaus auch einer Gewährleistung der unbehinderten Gedanken-, Rede- und Argumentationsfreiheit insbesondere der Vertreter politischer Gruppen in der Kommunikation mit dem Bürger. Das rechtliche Interesse an einer möglichst freizügigen Informationsfreiheit dieser Art sei der mittelbaren Demokratie wesensimmanent. Politischen Äußerungen sei im Rahmen des Rechtes der freien Meinungsäußerung gemäß Art 10 MRK ein überaus hoher Stellenwert beizumessen, insbesondere wenn sie sachbezogen auf ein aktuelles staatspolitisches Thema erfolgten.
Der erkennende Senat vertritt die Auffassung, daß die angeführten Argumente grundsätzlich auch für den vorliegenden Fall Gültigkeit haben, vorausgesetzt, es liegt eine wahrheitsgetreue Zitierung der Äußerung Dritter vor, im besonderen Fall also der Äußerungen einer Behörde. Bei einem in einer Strafanzeige der zuständigen Behörde (Haftbefehl, Anklageschrift u.a.) gegen eine bestimmte Person dargestellten Tatverdacht geht das darüber informierte Publikum von einer entsprechenden Prüfung des Sachverhaltes durch die Behörde aus. Die Rechtsordnung verbietet nicht, daß ein Politiker im Interesse der Allgemeinheit den Rücktritt eines anderen Politikers fordert, weil gegen diesen behördliche Verfolgungssschritte gesetzt werden und dies die weitere Amtsführung behindern könnte. Solche politischen Forderungen könnten aber nicht erhoben werden, wenn der Grund für die Rücktrittsaufforderung im Dunkeln bleiben müßte, wenn die Unterlassung der Weiterverbreitung der Tatsache, daß es gegen den Politiker behördliche Verfolgungsschritte gibt, auf jeden Fall durchsetzbar wäre. Die Wiedergabe des Inhalts der Strafanzeige der Sicherheitsbehörde an eine Staatsanwaltschaft kann aber immer nur dann gerechtfertigt sein, wenn der schädigende Anzeigeninhalt korrekt wiedergegeben wird und der Betroffene auch derjenige ist, gegen den sich die Verfolgungsschritte richten. Genau an diesem Punkt scheitert aber der Revisionsrekurs des Beklagten. Entgegen seiner Auffassung zitierte er aus der Anzeige beim Vorwurf, die Klägerin sei als "RAF-Terroristin" in Deutschland verurteilt worden, nicht wahrheitsgetreu. Es steht nämlich nur fest, daß in der Anzeige nur davon die Rede ist, daß die Klägerin wegen schweren Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und wegen schweren Landfriedensbruchs verurteilt worden war. Aus der Nennung dieser beiden Delikte aus dem deutschen Strafgesetzbuch lassen sich über die Schwere der Straftaten noch keine verläßlichen Rückschlüsse ziehen. Unter von einem "RAF-Terroristen" begangenen Straftaten versteht das angesprochene Publikum aber nach den notorischen geschichtlichen Ereignissen der letzten Jahrzehnte ganz besonders schwere, politisch motivierte Gewalttaten (incl. Mord und schweren Raubes). Von einer wahrheitsgetreuen Wiedergabe des Anzeigeninhalts kann in diesem Punkt keine Rede sein.
Die zweite bekämpfte Unterlassungsverpflichtung betrifft die Äußerung, die Klägerin habe an einem Attentat auf Bahneinrichtungen teilnehmen wollen. Hier gab der Beklagte zwar im wesentlichen den in der Strafanzeige dargestellten Sachverhalt richtig wieder, unterließ aber jede Aufklärung dahin, worauf sich die betreffende Passage der Anzeige stützte. Eine solche Aufklärung wäre zwar nicht zu fordern gewesen, wenn sich die Strafanzeige gegen die Klägerin als Verdächtige gerichtet hätte, was hier nicht der Fall ist, aber vom Beklagten nach den getroffenen Feststellungen suggeriert wurde. Für das angesprochene Publikum mußte die im Gesamtzusammenhang zu verstehenden Äußerung des Beklagten, die dieser überdies in der für ihn ungünstigsten Auslegungsform zu vertreten hat, zusammengefaßt den Sinn haben, daß die Klägerin im Verdacht steht, sie habe bei der Planung einer strafbaren Handlung ihre Mitwirkungsabsicht bekundet, es liege belastendes Material gegen sie vor und die zuständigen Sicherheitsbehörden hätten gegen sie eine Strafanzeige erstattet. Nach den Feststellungen geht aus der Strafanzeige nicht hervor, auf welche Quellen sich die Sicherheitsbehörde bei dem die Klägerin betreffenden Sachverhalt stützte. Die Strafanzeige richtet sich gegen einen namentlich angeführten Tatverdächtigen wegen des Verdachtes der vorsätzlichen Gefährdung durch Sprengmittel. Die Klägerin ist im Gesamterscheinungsbild der Sachverhaltsdarstellung in der Strafanzeige nur am Rande beteiligt, ein konkreter Tatverdacht einer tatsächlichen Mitwirkung am Bahnattentat oder auch nur einer Beteiligung als Anstifterin oder Beihelferin, wurde nicht ausgeführt. Genau diesen Eindruck vermittelte aber die Darstellung des Beklagten, die daher auch in diesem Punkt die Strafanzeige nicht korrekt wiedergibt. Auch wenn die Mitteilung, daß gegen einen anderen eine Strafanzeige einer Sicherheitsbehörde vorliegt, grundsätzlich gerechtfertigt sein kann, so kommt es doch wegen der Schwere des Vorwurfs auf eine peinlich genaue und auch vollständige Wiedergabe an. Zur Rechtfertigung seiner Äußerungen beruft sich der Beklagte ja selbst auf "fundierte Ermittlungsergebnisse" und "sorgfältigst recherchierte Erhebungsergebnisse" (S 4 in ON 4), was hinsichtlich der Vorwürfe gegen die Klägerin ja keineswegs zutrifft. Nach den getroffenen Feststellungen ist völlig unklar, auf welche Quellen sich die Vorwürfe gegen die Klägerin stützen können. Die Ausführungen über sie sind nur ein "Nebenprodukt" zum eigentlichen Thema der gegen eine andere Person gerichteten Strafanzeige. Bei der Interessenabwägung in einem solchen Fall ist es aber entscheidend, daß nicht ein von einer Behörde tatsächlich geprüfter Tatverdacht weitergegeben ("zitiert") wird, sondern eben nur ein noch nicht näher geprüfter weiterer Sachverhalt, der noch nicht zu konkreten behördlichen Verfolgungsschritten geführt hat. Bei gegenteiliger Auffassung müßte auch die Weitergabe privater und sogar anonymer Anzeigen als gerechtfertigt angesehen werden, was im Regelfall aber zu verneinen ist, weil sonst jede Rufschädigung unter dem Deckmantel, die Äußerung stamme von einem Dritten, ohne Sanktion bliebe. Ob und wann die Zitierung einer von einer Privatperson ausgesprochenen Verdächtigung gerechtfertigt sein kann, ist hier nicht zu untersuchen, weil sich der Beklagte bei der Weitergabe fremder Äußerungen auf kriminalpolizeiliche Erkenntnisse, also auf einen behördlich geprüften Sachverhalt und damit eine höhere Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit der Vorwürfe berufen hat.
Der erkennende Senat gelangt zusammenfassend zum Ergebnis, daß Zitate eines Politikers aus einer gegen einen anderen Politiker gerichteten Strafanzeige einer Sicherheitsbehörde (oder vergleichbar aus einem Haftbefehl, einer Anklageschrift, einem Gerichtsurteil ua) gerechtfertigt sein können und damit mangels Rechtswidrigkeit aufgrund der zugunsten des Verbreiters ausschlagenden Interessenabwägung auch kein Unterlassungsanspruch zusteht, daß aber jedenfalls eine vom Weiterverbreiter des Anzeigeninhalts zu beweisende wahrheitsgetreue Wiedergabe des die Ehre des Verdächtigen schädigenden Verhaltensvorwurfes vorliegen muß. Diese Voraussetzungen hat der Beklagte hier nicht bescheinigt. Seine Zitate aus der Strafanzeige sind teils falsch (betreffend die Vorverurteilung wegen "RAF-Terrorismus"), teils unvollständig und damit ebenfalls unrichtig (infolge der Vermittlung des falschen Eindrucks, die behördliche Untersuchung gegen die Klägerin habe deren Absicht zur Mitwirkung an einem Attentat ergeben). Dem Revisionsrekurs gegen die erlassene einstweilige Verfügung ist daher nicht Folge zu geben.
Der Ausspruch über die Kosten des Rekursverfahrens beruht hinsichtlich der Klägerin auf § 393 Abs 1 EO, hinsichtlich des Beklagten auf §§ 41, 50 ZPO iVm §§ 78, 402 EO.
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