OGH 1Ob33/80

OGH1Ob33/8028.1.1981

SZ 54/12

Normen

ABGB §896
ABGB §908
ABGB §1302
ABGB §1311
ABGB §1489
AHG §1
AHG §6
StVO §98 Abs3
ABGB §896
ABGB §908
ABGB §1302
ABGB §1311
ABGB §1489
AHG §1
AHG §6
StVO §98 Abs3

 

Spruch:

Dem Schädiger, dessen Haftung von einem Geschädigten in Anspruch genommen wurde, stehen nach dem bürgerlichen Recht zu beurteilende, im Amtshaftungsverfahren geltend zu machende Regreßansprüche gegen den Rechtsträger zu, dessen Organe den Schaden mitverursachten

Die Bestimmung des § 98 Abs. 3 StVO, die der Behörde aufträgt, gesetzwidrige und sachlich unrichtige Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs entfernen zu lassen, ist eine Schutzvorschrift zugunsten aller Verkehrsteilnehmer, für deren Verletzung durch seine Organe der Rechtsträger, dessen Funktionen die Organe auszuüben hatten, nach dem Amtshaftungsgesetz haftet

Der im Amtshaftungsverfahren geltend zu machende Regreßanspruch des Mitschädigers gegen den Rechtsträger, dessen Organe einen Schaden mitverschuldeten, entsteht erst mit der tatsächlichen Zahlung; erst damit beginnt die Verjährung des Regreßanspruches

OGH 28. Jänner 1981, 1 Ob 33/80 (OLG Graz 5 R 45/80; LGZ Graz 27 Cg 3/79)

Text

Am 18. April 1974 stießen in Graz auf der Kreuzung Opernring-Franz Graf-Allee die von Dr. Eldrid A und Zvonimir K gelenkten PKW zusammen. Der aus der Franz Graf-Allee kommende Lenker Zvonimir K war im Nachrang, weil 23 m vor der Kreuzung auf einer 3 m hohen Standsäule das Gefahrenzeichen "Achtung Vorrangverkehr" (§ 50 Z. 5 StVO in der damals geltenden Fassung, die in der Folge zitiert wird) am rechten Gehsteigrand angebracht war.

Im Bereich des nordöstlichen Gehsteigrandes der Franz Graf-Allee, einer Gemeindestraße, waren außerdem noch folgende Verkehrszeichen angebracht:

1. 8 m südöstlich der Verbindungslinie der südöstlichen Gehsteigkante des Opernringes ein Hinweiszeichen gemäß § 53 Z. 2 lit. a StVO "Kennzeichnung eines Schutzweges";

2. neben diesem Hinweiszeichen das Verbotszeichen nach § 52 Z. 13 StVO mit der Aufschrift "Halten verboten" und der Zusatztafel "Ausgenommen Autobusse".

Außerdem war parallel zu diesem Gehsteigrand, 3.8 m südwestlich davon entfernt, eine Bodenmarkierung in Form einer unterbrochenen weißen Linie vorhanden, die zwar stark abgenützt, aber noch deutlich sichtbar war. Innerhalb der durch diese Linie begrenzten Fläche war viermal die Widmung "Bus" in weißer Farbe kenntlich gemacht.

Das Halteverbot "Ausgenommen Autobusse" war am 27. November 1972 von der beklagten Partei, der Stadtgemeinde Graz, angeordnet und am 13. Dezember 1972 durch Aufstellung von drei Verkehrszeichen nach den §§ 52 Z. 13 und 54 StVO kundgemacht worden. Wann die Bodenmarkierungen angebracht wurden, ist nicht mehr feststellbar.

Zvonimir K wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes für Strafsachen Graz vom 19. April 1974, 4 U 370/74-2, freigesprochen, weil er ortsunkundig war und das Vorrangzeichen durch einen dort abgestellten, von Werner H gelenkten und bei der klagenden Partei haftpflichtversicherten Omnibus verdeckt war. Die klagende Partei als Haftpflichtversicherer dieses Omnibusses wurde mit Urteil des OGH vom 17. November 1977, 2 Ob 198/77, schuldig erkannt, der Geschädigten Dr. Eldrid A 80 000 S samt Anhang als Schadenersatz zu bezahlen, weil dem Omnibuslenker vorgeworfen wurde, sein Fahrzeug so abgestellt zu haben, daß die Lenker anderer Fahrzeuge gehindert wurden, Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs rechtzeitig wahrzunehmen (§ 24 Abs. 1 lit. g StVO). Der Schadenersatzbetrag von 90 837 S (inklusive Zinsen) wurde am 14. März 1978 bezahlt.

Die klagende Partei begehrt mit der zuletzt nur mehr auf das Amtshaftungsgesetz gestützten Klage von der beklagten Partei Ersatz von zwei Dritteln des an Dr. Eldrid A bezahlten, der Höhe nach nicht strittigen Betrages von 60 558 S samt Anhang mit der Begründung, daß die beklagte Partei ihre Verpflichtung als Straßenaufsichtsbehörde, die Franz Graf-Allee ordnungsgemäß zu kennzeichnen, dadurch verletzt habe, daß sie einerseits die beschriebenen Bodenmarkierungen, andererseits aber das Halteverbot "Ausgenommen Autobusse" anbringen ließ, was dazu führen mußte, daß das negative Vorrangzeichen durch die entsprechend den Bodenmarkierungen abgestellten Autobusse verdeckt wurde. Die beklagte Partei hafte der Geschädigten Dr. Eldrid A für den in Vollziehung der Gesetze zugefügten Schaden gemeinsam mit dem bei der klagenden Partei gegen Haftpflicht mitversicherten Omnibuslenker. Dessen Ausgleichsansprüche gegen die mithaftende beklagte Partei seien auf die klagende Partei übergegangen.

Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wendete Verjährung der Forderung ein, da die klagende Partei vom eingetretenen Schaden spätestens durch ein Schreiben der Dr. Eldrid A vom 4. Juni 1974 Kenntnis erlangt habe. Ein rechtswidriges Verhalten der beklagten Partei in Vollziehung der Gesetze liege nicht vor.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es war der Ansicht, daß der geltend gemachte und gemäß § 67 VersVG auf die klagende Partei übergegangene Anspruch als Rückersatzanspruch des Omnibuslenkers gemäß § 1302 ABGB zu qualifizieren sei. Dieser unterliege der dreißigjährigen Verjährungsfrist. Die klagende Partei habe zuletzt nur mehr Amtshaftungsansprüche gegen die beklagte Partei in ihrer Funktion als Straßenaufsichtsbehörde geltend gemacht. Aus keiner gesetzlichen Bestimmung, insbesondere auch nicht aus der Bodenmarkierungsverordnung, BGBl. 226/1963, gehe hervor, daß im Bereich eines auf die Vorrangverhältnisse hinweisenden Straßenverkehrszeichens Ausnahmen von einem dort an sich verordneten Halte- und Parkverbot unzulässig seien. Es könne aber auch nicht angenommen werden, daß es der beklagten Partei offenkundig gewesen sein mußte, daß die verfügte Ausnahme vom Halteverbot das negative Vorrangzeichen für andere Verkehrsteilnehmer nicht mehr wahrnehmbar machen werde; jeder Verkehrsteilnehmer hätte vielmehr das Verbot nach § 24 Abs. 1 lit. g StVO beachten müssen. Im übrigen erreichten nicht alle vom Halteverbot ausgenommenen Autobusse eine Höhe, durch die das in 3 m Höhe angebrachte Verkehrszeichen verdeckt würde.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es teilte die Ansicht des Erstgerichtes, daß die klagende Partei eine auf sie als Legalzessionarin (§ 67 VersVG) übergegangene Regreßforderung (§§ 1302, 896 ABGB) des Omnibuslenkers geltend mache. Diese nur auf das Amtshaftungsgesetz gegrundete Forderung könnte nur dann zu Recht bestehen, wenn Organe der beklagten Partei den Schaden durch rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten in Vollziehung der Gesetze mitverursacht hätten. Schadenersatzansprüche wegen unterlassener Verkehrssicherung könnten entweder gegen den Rechtsträger im Sinne des Amtshaftungsgesetzes geltend gemacht werden, wenn die Straßenaufsichtsbehörde schuldhaft Verkehrssicherungsmaßnahmen (§ 43 StVO) unterlasse, oder gegen den Straßenhalter, wenn seine Organe grob fahrlässig die Kundmachung der von der Behörde erlassenen Verordnungen oder die Erhaltung aufgestellter Verkehrszeichen unterließen. Zu der dem Straßenerhalter obliegenden Instandhaltung der Straße gehöre auch die Verpflichtung, die Straße mit allen der Vorschrift entsprechenden Einrichtungen zu versehen. Zur Erhaltung von Verkehrszeichen gehöre auch die Erhaltung ihrer Wahrnehmbarkeit. Der Unfall wäre zwar möglicherweise unterblieben, wenn die beklagte Partei das Gefahrenzeichen "Achtung Vorrangverkehr" nach Anbringung des Verbotszeichens "Halten verboten" mit der Zusatztafel "Ausgenommen Autobusse" so aufgestellt hätte, daß es durch parkende Autobusse nicht verdeckt werden konnte. Derartige Maßnahmen zur Erhaltung der Wahrnehmbarkeit eines Verkehrszeichens seien aber nicht Aufgabe der Straßenaufsichtsbehörde, die die Aufstellung des Zeichens nur anzuordnen habe, sondern fielen in den Bereich der Straßenerhaltung und damit der Privatwirtschaftsverwaltung der beklagten Stadtgemeinde. Da die klagende Partei aber nur einen Amtshaftungsanspruch geltend mache, müsse ihr Schadenersatzbegehren erfolglos bleiben. Die Frage der Verjährung müsse bei dieser Rechtslage nicht geprüft werden.

Über Revision der klagenden Partei änderte der Oberste Gerichtshof die Urteile der Vorinstanzen dahin ab, daß er die beklagte Partei zur Bezahlung von 60 558 S samt 4% Zinsen seit 20. Mai 1979 an die klagende Partei verurteilte.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die klagende Partei macht, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten, keinen Amtshaftungsanspruch als Geschädigte (§ 1 Abs. 1 AHG), sondern einen auf sie als Versicherer kraft Legalzession (§ 67 VersVG) übergegangenen Ausgleichs-(Regreß-)Anspruch (§§ 1302, 896 ABGB) des bei ihr versicherten Mitschädigers (Haftungspflichtigen nach dem EKHG) geltend, den sie darauf stützt, daß der beklagte Rechtsträger den Unfall durch rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten in Vollziehung der Gesetze mitverursacht habe.

Es ist daher zunächst die Frage zu beurteilen, ob ein - an sich amtshaftungspflichtiger - Rechtsträger nur dem Geschädigten (§ 1 Abs. 1 AHG) haftet oder ob gegen ihn auch von einem zur Haftung in Anspruch genommenen Dritten anteilsmäßig Regreß genommen werden kann. In der Entscheidung EvBl. 1976/81 wurde ein derartiger Regreß mit der Begründung für zulässig erachtet, daß der Geschädigte berechtigt gewesen wäre, die auf den Rechtsträger entfallenden Quoten unmittelbar gegen diesen geltend zu machen. Ein solches Recht hätte allerdings der Geschädigte nach der in der Rechtsprechung herrschend gewesenen Ansicht zur Auslegung des § 2 Abs. 2 AHG an sich nicht gehabt. Diese Bestimmung, nach der ein Ersatzanspruch des Geschädigten nicht besteht, wenn er den Schaden durch Rechtsmittel hätte abwenden können, wurde nämlich dahin ausgelegt, daß unter "Rechtsmittel" auch die Klagsführung gegen allfällige mithaftende Dritte zu verstehen sei (SZ 43/167; JBl. 1968, 374 u. a.).

§ 2 Abs. 2 AHG wurde als Spezifizierung der aus § 1304 ABGB abgeleiteten Sorgfalts- und Rettungspflicht des Geschädigten verstanden. Die Unterlassung der Prozeßführung des Geschädigten gegen einen Dritten wurde daher nur dann nicht als Verletzung der Rettungspflicht angesehen, wenn die Rechtslage einen Erfolg nicht mit Sicherheit oder doch einiger Wahrscheinlichkeit erwarten ließ (JBl. 1968, 374; 1 Ob 40/74). Hatte hingegen der Geschädigte die Möglichkeit, Ersatz des Schadens ganz oder zum Teil durch geeignete Schritte gegen den Schädiger zu erlangen, sollte der Amtshaftungsanspruch in diesem Ausmaß gar nicht existent werden (SZ 43/167 u. a.), was auch einen Regreßanspruch des Dritten, der den Schaden ersetzt hatte, ausschließen mußte. Von diesem weiten Begriff des "Rechtsmittels" ist der erkennende Senat unter Bedachtnahme auf kritische Lehrmeinungen mit seiner Entscheidung JBl. 1980, 485, auf deren ausführliche Begründung verwiesen wird, abgegangen und vertritt nun die Auffassung, daß unter "Rechtsmittel" im Sinne des § 2 Abs. 2 AHG nur prozessuale Rechtsbehelfe, wenn auch im weiteren Sinn, zu verstehen sind, nicht aber die Verfolgung materieller Rechtsansprüche wie insbesondere Klageführungen gegen Dritte (in diesem Sinne auch EvBl. 1980/100). Nur durch dieses Verständnis der Bestimmung des § 2 Abs. 2 AHG wird nämlich eine den Intentionen des Gesetzes nicht zu entnehmende Schlechterstellung des solidarisch haftenden Dritten vermieden und damit eine verfassungskonforme Interpretation erreicht. Dem § 2 Abs. 2 AHG ist aber auch eine Regreßbeschränkung des solidarisch mit dem Rechtsträger haftenden und bereits zum Schadenersatz herangezogenen Dritten nicht zu entnehmen. Die Bestimmung des § 1 Abs. 1 AHG hat allerdings, wie sich insbesondere aus dem zweiten Halbsatz des ersten Satzes ergibt, vor allem den (unmittelbar) Geschädigten und nicht den Mitschuldigen als Anspruchsberechtigten im Auge. Es darf aber nicht übersehen werden, daß die Rechtsträger im Sinne des Amtshaftungsgesetzes grundsätzlich nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes zu haften haben. Das gesamte bürgerliche Recht bildet also die Grundlage, nach der sich die Haftung der Rechtsträger bestimmt; Ausnahmen gelten nur insoweit, als (ausdrückliche) Sondernormen anderes bestimmen (vgl. Loebenstein - Kaniak, Komm. z. AHG, 50; JBl. 1973, 155 u. a.). Grundsätzlich haben also die in Vollziehung der Gesetze durch ihre Organe handelnden Rechtsträger so zu haften, wie sie bzw. ihre Organe haften müßten, wären sie im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung tätig. Der OGH hat demgemäß auch in seiner jüngeren Rechtsprechung und mit eingehender Begründung erkannt, daß dann, wenn für das Handeln eines Organes mehrere Rechtsträger haften, dem in Anspruch genommenen Rechtsträger Regreßansprüche gegen den anderen zustehen (EvBl. 1980/199; vgl. auch Loebenstein - Kaniak a.a.O.,72). Nichts anderes kann aber auch im Innenverhältnis zwischen mehreren Haftungspflichtigen gelten, wenn der vom Geschädigten in Anspruch genommene Haftungspflichtige kein Rechtsträger im Sinne des Amtshaftungsgesetzes ist. Daß der Regreßanspruch unter mehreren solidarisch Haftpflichtigen nicht die Haftung des Regreßpflichtigen aus dem selben Rechtsgrund wie die des vom Geschädigten ursprünglich in Anspruch Genommenen voraussetzt, ist ständige Rechtsprechung (EvBl. 1980/199; JBl. 1979, 149; SZ 39/6 u. v. a.). Zwischen den Streitteilen gelten also die allgemeinen Bestimmungen des bürgerlichen Rechts (§§ 1302, 896 ABGB).

Die Revisionswerberin stützt die auf den Titel der Amtshaftung gegrundete Mithaftung der beklagten Partei darauf, sie habe es als Straßenaufsichtsbehörde unterlassen, anläßlich der Schaffung einer für Autobusse vorbehaltenen Park- und Haltezone am rechten Fahrbahnrand der Franz Graf-Allee Anordnungen zu treffen, daß das dort bereits früher angebrachte negative Vorrangzeichen nicht durch die parkenden Autobusse verdeckt werde. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß dies eine ausschließlich zur Instandhaltung der Straße gehörende und damit nicht im Rahmen der Hoheitsverwaltung zu erledigende Aufgabe der beklagten Partei gewesen sei, sodaß die allein auf das Amthaftungsgesetz gestützte Klage schon deswegen abzuweisen gewesen sei, kann nicht geteilt werden.

Die Instandhaltung einer dem Verkehr übergebenen Straße fällt in den Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung, da hiebei die Gebietskörperschaft keine andere Funktion zu erfüllen hat als etwa der (verkehrssicherungspflichtige) Eigentümer einer Liegenschaft gegenüber den Passanten (SZ 45/134; ZVR 1964/181; ZVR 1959/121; SZ 27/256 u. a.). Zur Instandhaltung der Straße gehört auch die Verpflichtung, das Erforderliche zu veranlassen, daß die Straße mit allen der Vorschrift entsprechenden Verkehrseinrichtungen versehen wird (ZVR 1975/112; ZVR 1970/4). Insbesondere hat der Straßenerhalter der Behörde Umstände, die in der Anlage oder Beschaffenheit der Straße begrundet sind und für die Erlassung einer Verordnung nach § 43 StVO maßgebend sein können, bekanntzugeben (§ 98 Abs. 4 StVO).

Ob und wo Straßenverkehrszeichen aufzustellen sind, bestimmt hingegen die Behörde in Ausübung der Hoheitsverwaltung durch Verordnung (§ 43 Abs. 1 StVO; EvBl. 1959/177; EvBl. 1958/290). Hat ein Gericht gegen die Anwendung einer erlassenen Verordnung aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit Bedenken, so hat es das Verfahren zu unterbrechen und den Antrag auf Aufhebung dieser Verordnung beim VfGH zu stellen (Art. 89 Abs. 2 B-VG). Derartige Bedenken hegt der erkennende Senat gegen die Verordnung der beklagten Partei vom 27. November 1972, mit der sie als gemäß § 94d Z. 3 StVO (im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde) zuständige Behörde ein Halteverbot mit der Zusatztafel "Ausgenommen Autobusse" anordnete und die Kundmachung durch die auftragsgemäß vom Straßen- und Brückenbauamt der beklagten Partei am 13. Dezember 1972 vollzogene Aufstellung von drei Verkehrszeichen nach den §§ 52 Z. 13 und 54 StVO veranlaßte, nicht. Eine gesetzliche Vorschrift, daß in einem Bereich, in dem das Gefahrenzeichen "Achtung Vorrangverkehr" (oder ein anderes für den fließenden Verkehr wichtiges Verkehrszeichen) aufgestellt ist, ein Halteverbot (mit Ausnahmeregelungen für Autobusse) nicht erlassen werden dürfe, besteht nicht. Ein solches Verbot kann auch nicht aus der Bestimmung des § 48 Abs. 1 StVO, wonach Straßenverkehrszeichen unter Bedachtnahme auf die Art der Straße und unter Berücksichtigung der auf ihr üblichen Verkehrsverhältnisse, namentlich der darauf üblichen Geschwindigkeit von Fahrzeugen in einer solchen Art und Größe anzubringen sind, daß sie von den Lenkern herannahender Fahrzeuge leicht und rechtzeitig erkannt werden können, abgeleitet werden. Aus dieser Bestimmung ergibt sich nur die Verpflichtung, die für die Sicherheit des fließenden Verkehrs wichtigen Verkehrszeichen unter Berücksichtigung der jeweiligen und tatsächlichen Gestaltung der Verkehrsverhältnisse aufzustellen. Für ein negatives Vorrangzeichen träfe die beklagte Partei eine solche Verpflichtung, soweit überhaupt ein Akt der Hoheitsverwaltung vorläge, in Erfüllung der von ihr als Stadt mit eigenem Statut zu besorgenden Aufgaben der Bezirksverwaltung (Art. 116 Abs. 3 letzter Satz B-VG, § 94 lit. b StVO) und fiele nicht in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde nach § 94d StVO. Die beklagte Partei hätte hiebei Aufgaben des Landes im Rahmen des Kompetenztatbestandes des Art. 11 Abs. 1 Z. 4 B-VG zu erfüllen. Nach der ständigen Rechtsprechung des OGH, die allein den Intentionen des Art. 23 Abs. 1 B-VG entspricht (Loebenstein - Kaniak, 39) haftet aber nach dem Prinzip der funktionellen Zuordnung jener Rechtsträger, dessen Aufgaben das Organ jeweils besorgt (EvBl. 1980/199; SZ 43/78 u. a.; Loebenstein - Kaniak, 39; Adamovich, Handbuch des österr. Verfassungsrechtes[6], 417). Für gesetzwidrige Handlungen der Gemeindeorgane in Ausübung des vom Land übertragenen Wirkungsbereiches (Art. 118 Abs. 1 B-VG) hätte daher das Land zu haften (JBl. 1979, 487; SZ 26/51).

Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung der beklagten Partei vom 27. November 1972 bestehen auch im Hinblick auf die Bestimmungen des § 24 StVO nicht. Gemäß § 24 Abs. 1 lit. g StVO ist das Halten und Parken verboten, wenn durch das haltende oder parkende Fahrzeug der Lenker eines anderen Fahrzeuges gehindert wird, Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs - wozu gemäß § 31 Abs. 1 StVO auch Straßenverkehrszeichen gehören - rechtzeitig wahrzunehmen. Dies bedeutet, daß es den Lenkern von Bussen unabhängig von den im Verordnungsweg verfügten Ausnahmen vom Halteverbot kraft Gesetzes verboten ist, die Fahrzeuge dort aufzustellen, wo eine Sichtbehinderung im Sinne des § 24 Abs. 1 lit. g StVO zu befürchten ist. Gemäß § 24 Abs. 2 StVO gelten aber die in Abs. 1 lit. b bis g enthaltenen Verbote nicht, wenn sich aus Bodenmarkierungen (§ 9 Abs. 7 StVO) etwas anderes ergibt. Derartige Bodenmarkierungen waren im Zeitpunkt des Unfalls wohl vorhanden, aber nicht durch die Verordnung angeordnet gewesen. Sie begrunden daher keine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung vom 27. November 1972. Auch Bodenmarkierungen sind Einrichtungen zur Sicherung und Regelung des Verkehrs (§§ 31 Abs. 1, 55 StVO). Der Straßenerhalter darf solche Einrichtungen auch ohne behördlichen Auftrag anbringen (§ 98 Abs. 3 Satz 1 StVO; vgl. auch § 1 BodenmarkierungsVO, BGBl. 226/1963; zu ihrer Problematik Öhlinger in ZVR 1974, 297 f.). Das gilt insbesondere auch für Parkflächen (§ 26 der VO) und die Kennzeichnung von Abstellplätzen bestimmter Fahrzeuge (§ 30 der VO). Die Behörde kann dem Straßenerhalter jedoch, wenn es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des Verkehrs erfordert, vorschreiben, Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs zu entfernen oder an den von ihr zu bestimmenden Stellen anzubringen. Die Behörde kann die Entfernung der genannten Einrichtungen insbesondere verlangen, wenn ihre Anbringung gesetzwidrig oder sachlich unrichtig ist (§ 98 Abs. 3 StVO). Diese Bestimmung beinhaltet nicht nur eine bloße Ermächtigung der Behörde, gesetzwidrige oder sachlich unrichtige Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs entfernen zu lassen, sondern verpflichtet die Behörde, den Straßenerhalter laufend zu überwachen und erforderlichenfalls anzuordnen, daß gesetzwidrige und sachlich unrichtige Einrichtungen entfernt werden. Zumindest sachlich unrichtig ist die Anbringung einer eine Parkfläche für Autobusse kennzeichnenden Bodenmarkierung, die die Gültigkeit des § 24 Abs. 1 lit. g StVO außer Kraft setzt, obwohl durch parkende Autobusse die Lenker anderer Fahrzeuge gehindert werden können, eine andere Einrichtung zur Regelung und Sicherheit des Verkehrs wie das Gefahrenzeichen "Achtung Vorrangverkehr" rechtzeitig wahrzunehmen.

Die Normen der Straßenverkehrsordnung sind grundsätzlich Schutzvorschriften im Sinne des § 1311 ABGB (ZVR 1976/292; ZVR 1961/18; ZVR 1959/264 u. v. a.; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II, 85; Koziol - Welser[5] I, 365). Soweit gesetzliche Schutzpflichten die Behörde treffen, haftet für deren Verletzung der Rechtsträger nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes (SZ 48/29). Die Bestimmung des § 98 Abs. 3 StVO, die der Behörde aufträgt, die Entfernung von gesetzwidrigen oder sachlich unrichtigen Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs oder deren andersartige Anbringung zu verlangen, ist eine Schutzvorschrift zugunsten aller Verkehrsteilnehmer, die sich darauf verlassen können müssen, daß die Behörde, wenn es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des Verkehrs erfordert, in Überwachung des Straßenerhalters zumindest in absehbarer Zeit nach Anbringung gesetzwidriger oder sachlich unrichtiger Einrichtungen die erforderlichen Anordnungen trifft; insbesondere ist es Pflicht der Behörde, nach Erlassung einer keine die Anbringung von Bodenmarkierungen oder deren Unterlassung vorschreibenden Verordnung zu überprüfen, ob allenfalls vom Straßenerhalter nach der Bodenmarkierungsverordnung unternommene Maßnahmen dem Zwecke der Straßenverkehrsordnung entsprechen. Die Verletzung der Bestimmung des § 98 Abs. 3 StVO durch ihre Organe hat die beklagte Partei als Rechtsträger im Sinne des § 1 Abs. 1 AHG zu verantworten, wenn ihr nicht der Beweis gelingt, daß ihre Organe kein Verschulden traf (vgl. Welser in ZVR 1976, 1 ff.; SZ 44/187 u.v.a.). Einen solchen Beweis hat sie nicht nur nicht angetreten, sondern könnte ihn auch gar nicht erbringen, weil die den Autobusparkplatz kennzeichnende Bodenmarkierung zwar noch deutlich sichtbar, aber schon stark abgenützt war, also kein Zweifel bestehen kann, daß sie im Zeitpunkt des Unfalles schon durch lange Zeit angebracht war. Unter diesen Umständen ist nicht mehr eine nähere Prüfung der Frage erforderlich, ob nicht ohnehin auch der Straßenerhalter im Sinne des § 1 Abs. 2 AHG bei Anbringung einer Bodenmarkierung in Vollziehung der Gesetze tätig ist, wenn seine Maßnahme die Anwendung einer Gesetzesbestimmung ausschließt, wie es § 24 Abs. 2 StVO für § 24 Abs. 1 lit. g StVO vorsieht.

Der Dr. Eldrid A aus dem Unfall vom 18. April 1974 entstandene Schaden wurde daher nicht nur durch das dem Buslenker in der Entscheidung vom 17. November 1977, 2 Ob 198/77, angelastete Verhalten, sondern auch durch die schuldhafte Verletzung von Amtspflichten durch Organe der beklagten Partei herbeigeführt. Da sich die Anteile am Schaden nicht bestimmen lassen, hafteten Buslenker und Behörde solidarisch.

Dieser Anspruch ist auch nicht verjährt. Das Amtshaftungsgesetz regelt ausdrücklich nur die Ersatzpflicht des Rechtsträgers gegenüber dem Geschädigten (§ 1 Abs. 1 AHG) und den Rückersatzanspruch des Rechtsträgers gegen seine Organe (§ 3 Abs. 1 AHG). Die besonderen Verjährungsvorschriften des Amtshaftungsgesetzes beziehen sich demnach auch nur auf die Ersatzansprüche des Geschädigten nach § 1 AHG (§ 6 Abs. 1 AHG) und die Rückersatzansprüche gegen das Organ nach § 3 AHG (§ 6 Abs. 2 AHG). Für den im Gesetz nicht ausdrücklich geregelten Rückersatzanspruch des Mithaftenden haben daher mangels anderer Bestimmungen auch für den Beginn des Laufes der Verjährungsfrist die allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu gelten.

Der gemäß §§ 1302 letzter Halbsatz, 896 ABGB dem zahlenden Solidarschuldner vorbehaltene Rückersatz gegen die übrigen kann erst verlangt werden, wenn wirklich Ersatz geleistet wurde (SZ 42/172 u. a.). Erst die tatsächliche Zahlung läßt den Regreßanspruch entstehen und setzt allfällige Fristen zu seiner Geltendmachung in Lauf (ZAS 1978/24; JBl. 1977, 49; SZ 46/19). Die bloße Möglichkeit, zur Zahlung herangezogen zu werden, gibt noch kein Rückgriffsrecht (JBl. 1959, 344). Daraus folgt daß der Regreßanspruch, der erst durch die Zahlung der klagenden Partei am 14. März 1978 entstand, auch bei Zugrundelegung einer dreijährigen Verjährungsfrist nicht verjährt sein könnte.

Der Ausmaß des Rückersatzes nach § 1302 letzter Satz ABGB richtet sich, da dort nichts Näheres bestimmt ist, nach § 896 ABGB. Ein höherer Grad des Verschuldens begrundet das dort vorgesehene "besondere Verhältnis" (SZ 45/82; SZ 39/82 u. a.).

Das Verschulden der Organe der beklagten Partei wiegt schwerer als das dem Buslenker in der Vorentscheidung vorgeworfene Verhalten, weil jene auf Grund der von ihnen zu erwartenden Sachkenntnis leicht hätten erkennen können, daß die Verdeckung des Verkehrszeichens "Achtung Vorrangverkehr" durch parkende Busse zu einer Gefährdung der Sicherheit des Verkehrs im Bereich der anschließenden Kreuzung führen konnte.

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