Spruch:
Ein Feststellungsbegehren ist zulässig, wenn der Kläger mit dem Rückgriff eines Mitverpflichteten gemäß §§ 896, 1302 ABGB. rechnen muß.
Entscheidung vom 13. November 1969, 2 Ob 311/69.
I. Instanz: Kreisgericht St. Pölten; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Am 22. November 1964 fuhren der Kläger und der Beklagte mit einem PKW (Volkswagen) des Beklagten zusammen mit zwei weiteren Freunden fort; der Beklagte lenkte das Fahrzeug selbst. Sie kamen in das Gasthaus G. in St., wo sie drei Mädchen trafen, die in ein Gasthaus nach U. gefahren werden wollten. Der Beklagte erklärte zunächst, daß er heimfahren wolle, war aber dann doch bereit, mit den Mädchen nach U. zu fahren. Er sagte jedoch, daß der Kläger das Fahrzeug lenken solle. Er gab diesem auch den Schlüssel zum PKW. Der Beklagte, ein weiterer Bursch und die drei Mädchen nahmen auf den Rücksitzen des Wagens Platz, während der Kläger lenkte und ein weiterer Bursch auf dem Beifahrersitz mitfuhr. Nach kurzer Fahrt kam das Fahrzeug ins Schleudern, stieß gegen einen Kilometerstein und dann gegen einen Baum. Das Fahrzeug wurde beschädigt und eines der mitfahrenden Mädchen, nämlich Brigitte S., wurde schwer, die übrigen Insassen wurden leicht verletzt. Der Kläger wurde wegen des Unfalles strafgerichtlich verurteilt, weil er mit einem nur für fünf Personen zugelassenen PKW sieben Personen befördert und außerdem mit zwei abgefahrenen Hinterreifen bei regennasser und verschmutzter Fahrbahn mit relativ überhöhter Geschwindigkeit eine Kurve durchfahren hatte.
Der Kläger behauptet ein gleichteiliges Mitverschulden des Beklagten am Unfall, weil ihm dieser bei Übergabe des PKWs verschwiegen habe, daß dessen Hinterreifen abgefahren waren, und der Beklagte die Überladung des PKWs betrieben habe. Er begehrt die Feststellung, daß
1. den Beklagten im Verhältnis zum Kläger ein Mitverschulden am Unfall zu 50% treffe und 2. der Beklagte dem Kläger zur Hälfte die Leistungen zu ersetzen habe, die der Kläger wegen dieses Unfalles erbringen müsse.
Das Erstgericht hat ein Mitverschulden des Beklagten am Unfall zu 1/4 angenommen und auf dieser Grundlage dem Klagebegehren stattgegeben.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht, der Berufung des Beklagten aber teilweise Folge. Es teilte die Ansicht des Erstgerichtes, daß den Beklagten am Unfall ein Mitverschulden von 1/4 treffe. Es wies aber den ersten Teil des Feststellungsbegehrens zur Gänze ab und schränkte den zweiten Teil auf die Ersatzpflicht für Leistungen ein, die der Kläger über seinen Anteil hinaus bereits erbracht habe.
Der Oberste Gerichtshof gab den Revisionen beider Parteien nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Mit der Rechtsrüge wendet sich der Kläger zunächst dagegen, daß das Berufungsgericht die Entscheidung des Erstgerichtes teilweise abänderte, obgleich der Beklagte in seiner Berufung nicht geltend gemacht habe, daß das Feststellungsbegehren unrichtig gefaßt sei. Dem muß entgegengehalten werden, daß der Beklagte den stattgebenden Teil des Ersturteils im vollen Umfang bekämpft hatte und die Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens im Rahmen der Anfechtung von Amts wegen zu prüfen war. Daß das Verschulden und dessen Ausmaß nicht Gegenstand eines Feststellungsbegehrens sein könne, weil es sich dabei um kein Recht oder Rechtsverhältnis handelt, entspricht Lehre und Rechtsprechung (Fasching Komm. zur ZPO. III S. 63. ZVR. 1966 Nr. 343). Es ist auch richtig, daß der Rückgriffsanspruch nach den §§ 1302, letzter Satz, 896 ABGB. nicht schon mit dem Schadensereignis, sondern erst dann entsteht, wenn wirklich Ersatz geleistet worden ist und die Leistung desjenigen, der Ersatz fordert, seinen Anteil an der Ersatzpflicht übersteigt (SZ. XXVI 18, ZVR. 1958 Nr. 117, ZVR. 1961 Nr. 194, ZVR. 1962 Nr. 17).
Da solche Ersatzforderungen des Klägers durchaus möglich sind, ist das Feststellungsinteresse im Sinne des § 228 ZPO. gegeben (vgl. ZVR. 1958 Nr. 117).
Es ist daher entscheidend, ob das Berufungsgericht mit Recht auch dem Beklagten ein Verschulden am Unfall angelastet hat und ob dieses, wenn es bejaht wird, im Verhältnis zum Verschulden des Klägers, das wegen seiner strafgerichtlichen Verurteilung bereits feststeht, richtig gewertet worden ist.
Das ist zu bejahen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)