OGH 1Ob63/70 (1Ob56/70)

OGH1Ob63/70 (1Ob56/70)16.4.1970

SZ 43/78

Normen

AHG §1
B-VG Art79 Abs2
WG 2001 §2 Abs2
AHG §1
B-VG Art79 Abs2
WG 2001 §2 Abs2

 

Spruch:

Zur Frage, wer Rechtsträger bei einem Katastropheneinsatz des Bundesheeres ist

OGH 16. April 1970, 1 Ob 56, 63/70 (OLG Graz 4 a R 112/69; LG Klagenfurt 23 Cg 459/67)

Text

Am 20. September 1965 ereignete sich auf der Drautal-Bundesstraße Nr 100 zwischen G und B im Drautal westlich der Ortschaft H zwischen einem aus Richtung G kommenden, von Johann L gelenkten Motorrad und dem aus Richtung B entgegenkommenden, von Walter W gelenkten Jeep des österreichischen Bundesheeres, dessen Eigentümerin und Halterin die beklagte Partei (Republik Österreich) ist, ein Verkehrsunfall, bei dem Johann L getötet wurde. Der Kläger war der Soziusfahrer des Motorrades und wurde bei dem Unfall schwer verletzt.

Mit Schreiben vom 29. März 1967 teilte der Kläger der beklagten Partei unter Berufung auf das Amtshaftungsgesetz mit, daß er eine Schmerzengeldforderung von 100.000 S stelle und von ihr an bisherigem Verdienstentgang 54.000 S, an Sachschaden 4000 S, wegen Verschlechterung des Fortkommens und der Heiratsaussichten 30.000 S, an Kosten für eine Pflegeperson 12.600 S, an Heilungskosten 18.114.05 S sowie an Kosten für Taxifahrten zur ärztlichen Konsultation in G u a 12.800 S aus dem Titel des Schadenersatzes ersetzt begehre. Der Kläger müsse sich darüber hinaus noch einer Operation unterziehen, um überhaupt eine Beinprothese tragen zu können, sodaß noch künftige Heilungskosten von mindestens 30.000 S zu veranschlagen seien; die Kosten für die Umschulung bezifferte der Kläger mit 6000 S. Die gesamten Schadenersatzansprüche würden daher den Betrag von 267.514.05 S erreichen, wovon die D-Versicherungsanstalt 50.000 S bezahlt habe, sodaß ein restlicher Schadensbetrag von 217.514.05 S verbleibe. Der Kläger forderte die beklagte Partei auf, den Schadensbetrag von 217.514.05 S anzuerkennen. Die beklagte Partei lehnte mit Schreiben vom 29. Mai 1967 die Ansprüche des Klägers ab.

Mit der am 23. Oktober 1967 überreichten Klage begehrte der Kläger, gestützt auf die Vorschriften des Amtshaftungsgesetzes und des Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetzes die Verurteilung der beklagten Partei zur Bezahlung eines Betrages von 247.572.90 S s A sowie die Feststellung, daß die beklagte Partei dem Kläger für allen Schaden, der ihm aus dem Verkehrsunfall vom 20. September 1965 auf der Drautal-Bundesstraße 100 westlich der Ortschaft H erwachse, schadenersatzpflichtig sei. Im Leistungsanspruch, der schon auf Grund eines Rechenfehlers um einen Betrag von 50.000 S zu hoch errechnet wurde, sind auch Verdienstentgangsansprüche von 10.050 S, Ansprüche für Kosten einer Pflegeperson von 1800 S, für Heilungskosten von 1368.85 S und für Taxifahrten von 2840 S enthalten, die im Schreiben vom 29. März 1967 noch nicht als bereits entstanden angeführt worden waren. Nach den Klagsausführungen sei Walter W mit dem Jeep im Auftrag des österreichischen Bundesheeres von I in Richtung V gefahren und habe den Unfall mindestens zu 40% mitverschuldet.

Die beklagte Partei bestritt die Haftungsverpflichtung nach dem Amtshaftungsgesetz oder nach dem Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz und erhob darüber hinaus bei der Tagsatzung vom 10. Juli 1968 bezüglich der im Aufforderungsschreiben vom 23. September 1967 nicht enthaltenen Ansprüche die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und stellte fest: Über Anforderung des Amtes der Kärntner Landesregierung sei im September 1965 eine Pioniereinheit des österreichischen Bundesheeres aus der Kaserne O bei V, der der Soldat Walter W angehört habe, zur Beseitigung von Hochwasserschäden im Raume I im Drautal im Einsatz gewesen. Es sei ein Pioniereinsatzstab gebildet worden, der den Weisungen des Amtes der Kärntner Landesregierung nachgekommen sei und seine Befehle an die einzelnen Einheiten weitergegeben habe. Am 20. September 1965 sei Walter W als Fahrer des Unfallsjeeps in Begleitung der Bundesheerangehörigen Othmar L (Wagenkommandant) und Leopold S von I nach der Kaserne O mit dem Auftrag unterwegs gewesen, den Sold für die im Einsatz stehenden Soldaten abzuholen. Auf der Fahrt dorthin sei es noch im Bereich des Einsatzgebietes zu dem Verkehrsunfall, bei dem der Kläger verletzt worden sei, gekommen.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, daß die Behebung von Hochwasserschäden nach Art 15 B-VG in die Kompetenz der Länder falle. Nach der vom Obersten Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertretenen Organtheorie sei Walter W zum Unfallszeitpunkt Organ des Landes Kärnten gewesen. Die beklagte Partei hafte daher nicht für das Verschulden des Walter W.

Über Berufung des Klägers hob das Berufungsgericht das angefochtene Urteil und das ihm vorausgegangene Verfahren, soweit das Klagebegehren auf das Amtshaftungsgesetz gestützt wurde, in Ansehung des Feststellungsbegehrens und eines Teilleistungsbegehrens von 16.058.85 S s A als nichtig auf und wies die Klage in diesem Umfang wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges mit Beschluß zurück. Es bestätigte die Abweisung eines Teilleistungsbegehrens von 50.000 S s A und des Feststellungsbegehrens, soweit es auf die Bestimmungen des Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetzes gestützt und die Feststellung der Haftung über den im § 15 Abs 1 Z 3 EKHG für Personenschäden vorgesehenen Haftungshöchstbetrag von 200.000 S bzw 12.000 S jährlich (Rentenbetrag) und über den im § 16 Abs 1 Z 3 EKHG für Sachschäden vorgesehenen Haftungshöchstbetrag von 40.000 S hinaus unbeschränkt begehrt wird, mit Teilurteil; im übrigen hob es das angefochtene Urteil mit Beschluß auf und verwies die Rechtssache im Umfange der Aufhebung an das Prozeßgericht erster Instanz zur Fortsetzung der Verhandlung und Entscheidung zurück; gleichzeitig sprach es aus, daß das Verfahren in erster Instanz erst nach Rechtskraft dieses Beschlusses fortzusetzen sei.

Eine Prüfung des Aufforderungsschreibens - so führte es aus - habe ergeben, daß der Kläger die beklagte Partei nicht zur Anerkennung von Teilforderungen von 16.058.85 S und des Feststellungsbegehrens für alle künftigen Schadenersatzansprüche aufgefordert habe, sodaß für diese Ansprüche, soweit sie auf das Amtshaftungsgesetz gestützt seien, Unzulässigkeit des Rechtsweges vorliege. Im übrigen sei aber im Sinne der Organtheorie darauf abzustellen, für wen das Organ zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses tätig gewesen sei. Walter W sei im Zeitpunkt des Unfall es aber nicht beim Katastropheneinsatz, sondern damit beschäftigt gewesen, den Sold für die im Einsatz stehenden Soldaten zu holen. Bei seiner Fahrt vom Einsatzgebiet in die Kaserne O habe er sich in Vollziehung des Heeresgebührengesetzes befunden und damit als Organ des Bundesheeres eine Aufgabe der Heeresverwaltung durchgeführt; diese falle in Gesetzgebung und Vollziehung in den Bereich des Bundes. Das Erstgericht habe daher die Frage der passiven Klagslegitimation unrichtig gelöst, sodaß im fortgesetzten Verfahren mängelfreie Feststellungen über den Unfallverlauf getroffen werden müßten. Das Verfahren sei aber auch noch nicht spruchreif, soweit das Klagebegehren auf das Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz gestützt werde, da die beklagte Partei Halterin des Unfallfahrzeuges sei, aber die völlige Abdeckung des Schadens im Rahmen der Versicherungssumme nicht feststehe. Nur die Abweisung des unschlüssigen Leistungsbegehrens hinsichtlich eines Betrages von 50.000 S und des auf das Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz gestützten, die gesetzlichen Haftungshöchstbeträge übersteigenden Begehrens sei berechtigt.

Gegen den Beschluß, mit dem das Verfahren teilweise für nichtig erklärt und die Klage hinsichtlich des Feststellungsbegehrens und eines Leistungsbegehrens von 16.058.85 S s A wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen wurde, richtet sich der Rekurs des Klägers.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers teilweise Folge, dem der beklagten Partei aber nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung Gemäß § 8 AHG hat der Geschädigte zunächst den Rechtsträger, gegen den er den Ersatzanspruch geltend machen will, zur Anerkennung des Ersatzanspruches schriftlich aufzufordern. Nur wenn dem Geschädigten binnen drei Monaten nach Einlangen dieser Aufforderung keine Erklärung des Rechtsträgers über das Begehren zukommt oder wenn dieser innerhalb der Frist den Ersatz ganz oder zum Teil verweigert, kann jener den Ersatzanspruch durch Klage gegen den Rechtsträger geltend machen. Der Zweck dieser Bestimmung liegt dann, den Rechtsträger in die Lage zu versetzen, den Ersatzanspruch zunächst im eigenen Bereich zu prüfen und eine Sichtung der wirklich strittigen Rechtsfälle zu ermöglichen (Bericht und Antrag des Ausschusses für Verwaltungsreform zum Amtshaftungsgesetz, 515 BlgNR 5 GP bei Loebenstein - Kaniak, Komm z AHG, 166; SZ 34/48); er ist daher genau zu beziffern (Loebenstein - Kaniak, 106). Nach ständiger Rechtsprechung stellt die Aufforderung an den Rechtsträger einen Formalakt dar, ohne dessen Einhaltung der Rechtsweg unzulässig ist (EvBl 1963/105, SZ 23/68, 349, JBl 1964, 569 u a). Das gilt auch für Klagserweiterungen und Feststellungsbegehren, weil es unerträglich wäre und das Verfahren verwirren würde, wenn in jedem Einzelfall zur Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges geprüft werden müßte, ob eine Anerkennung des mit der Klagserweiterung geltend gemachten Anspruches bei Ablehnung des Anspruches möglich und sinnvoll wäre (EvBl 1963/105, JBl 1958, 404, zum Feststellungsbegehren SZ 34/48; vgl auch Loebenstein - Kaniak, 106); nur dann, wenn sich ein Feststellungsbegehren mit einem zuvor an den Rechtsträger gestellten Leistungsbegehren deckt, also auf dem gleichen Rechtsgrund beruht und den gleichen Sachverhalt zum Gegenstand hat, erübrigt sich ein gesondertes Aufforderungsverfahren, weil ein Leistungsbegehren das Feststellungsbegehren, daß der Grund des Leistungsbegehrens zu Recht bestehe, in sich schließt und daher keine "Aliud", sondern ein "Minus" darstellt (EvBl 1963/105).

Der Rekurs des Klägers gibt nun selbst zu, daß im Verhältnis zu seinem Schreiben vom 23. September 1967 seine Leistungsansprüche in der Klage um die vom Berufungsgericht errechnete Summe von 16.058.85 S erweitert wurden, meint aber, daß die Erweiterung nur der Höhe und nicht dem Grund nach erfolgt sei, sodaß die beklagte Partei in keiner Weise in ihren Prüfungsrechten beeinträchtigt worden sei, zumal sie die Ersatzansprüche, ohne sich mit deren Höhe zu beschäftigen, dem Gründe nach abgelehnt habe. Der Rekurs übersieht dabei aber, daß die Aufforderung an den Rechtsträger, wie ausgeführt, einen Formalakt darstellt, der überhaupt erst die Zulässigkeit des Rechtsweges begrundet. Solange dieser Formalakt nicht gesetzt wurde, dürfen sich die Gerichte mit Ansprüchen eines Klägers in der Sache selbst gar nicht befassen. Die vom Rekurs gewünschte Beurteilung, daß die beklagte Partei überhaupt keinen Wert darauf legen könnte, die erweiterten Ansprüche der Höhe nach zu prüfen, können die Gerichte damit vor Erfüllung der Voraussetzungen des § 8 AHG gar nicht vornehmen. Das gilt auch für die weiteren Verdienstentgangsansprüche, da der Kläger in seinem Schreiben vom 29. März 1967 zwar erwähnt hatte, daß "bisher" ein Verdienstentgang von 54.000 S eingetreten sei, keineswegs aber konkrete Ansprüche an weiterem Verdienstentgang stellte. Ebensowenig konnten aber weitere Heilungskosten als gefordert gelten, da im Schreiben vom 23. September 1967 nur die Kosten einer weiteren Operation erwähnt wurden, während es sich bei den zusätzlich geltend gemachten um Ärzte- und Arzneikosten handelt.

Beizupflichten ist dem Rekurse allerdings insoweit, als der Kläger in seinem Schreiben vom 23. September 1967 tatsächlich auch die Anerkennung künftiger Forderungen begehrte. Der Kläger führte nämlich aus, daß er sich noch einer Operation unterziehen müsse, um überhaupt eine Beinprothese tragen zu können; die zukünftigen Heilungskosten seien mit mindestens 30.000 S zu veranschlagen. Auch wenn das Schreiben vom 23. September 1967 sodann diese 30.000 S dem gestellten Leistungsanspruch hinzuzählte, war es doch hinlänglich klar, daß der Kläger damit nicht die sofortige Bezahlung dieser zukünftigen, also noch gar nicht fälligen Heilungskosten beanspruchte, sondern in erster Linie die Anerkennung der Ersatzpflicht für solche künftig entstehenden Ansprüche begehrte. Hinsichtlich der Heilungskosten ist damit sein Feststellungsbegehren durch das Aufforderungsschreiben gedeckt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes ist daher die Zulässigkeit des Rechtsweges für das Begehren auf Feststellung der Haftung der beklagten Partei für künftige Ersatzanspruche an Heilungskosten gegeben. Da der Kläger die Feststellung der Haftungspflicht für "alle Schäden" forderte, stellt diese Einschränkung des Feststellungsbegehrens ein "Minus" dar. Dem Rekurse ist also insoweit Folge zugeben, daß die das Feststellungsbegehren nach dem AHG betreffenden Klage nur teilweise zurückzuweisen ist. Dem Berufungsgericht ist aufzutragen, über die Berufung zum Feststellungsbegehren nach dem Amtshaftungsgesetz, soweit es sich um Heilungskosten handelt, in der Sache selbst zu entscheiden. Für das Feststellungsbegehren der Haftungspflicht für, "alle Schäden" fehlt hingegen im Schreiben vom 23. September 1967 jede Grundlage. Im übrigen ist die Zurückweisung der Klage, soweit sie vom Berufungsgericht ausgesprochen wurde, daher zu Recht erfolgt, der Rekurs also unbegrundet.

Die Kostenentscheidung stützt wich in diesem Punkt auf § 52 Abs 1

ZPO.

Das Teilurteil des Berufungsgerichtes, mit dem die Abweisung von Ansprüchen des Klägers durch das Erstgericht bestätigt wurde, blieb unangefochten. Gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes richtet sich hingegen der Rekurs der beklagten Partei, die den Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrage geltend macht, den angefochtenen Beschluß im Umfang der Anfechtung aufzuheben und dem Berufungsgericht aufzutragen, in der Sache im Sinne einer Bestätigung des Urteiles des Prozeßgerichtes neuerlich zu entscheiden.

Der gemäß § 519 Z 3 ZPO zulässige Rekurs ist nicht begrundet. Das Berufungsgericht hielt eine Ergänzung des Verfahrens für notwendig, weil die Voraussetzungen für die noch offenen Schadenersatzforderungen des Klägers sowohl nach dem AHG als auch nach dem EKHG noch näher geprüft werden müßten. Der Rekurs der beklagten Partei bekämpft zwar den Aufhebungsbeschluß zur Gänze, enthält aber nur Ausführungen zum AHG, sodaß die Aufhebung zur Prüfung, ob ein Anspruch nach dem EKHG bestehe, tatsächlich unbekämpft blieb und daher nicht näher geprüft werden muß.

Nach den Feststellungen der Untergerichte war Walter W im Unfallszeitpunkt als Fahrer eines Jeeps des österreichischen Bundesheeres in Begleitung eines Wagenkommandanten und eines weiteren Soldaten von I, wo seine Einheit zur Beseitigung von Hochwasserschäden im Einsatz war, dienstlich mit dem Auftrag unterwegs, in der Kaserne O den Sold für die im Einsatz stehenden Soldaten abzuholen. Unternimmt ein Angehöriger des Bundesheeres in Ausführung eines dienstlichen Befehls eine Dienstfahrt, stellt die Fahrt einen hoheitsrechtlichen Akt dar, den der Angehörige des Bundesheeres als Organ in Vollziehung der Gesetze ausführt (SZ 34/17; vgl auch EvBl 1969/54). Der Kläger war daher berechtigt, Amtshaftungsansprüche zu stellen. Im Rekursverfahren ist nur mehr zu prüfen, ob die beklagte Partei für die gegen sie erhobenen Ansprüche passiv legitimiert ist.

Gemäß Art 23 Abs 1 B-VG in der Fassung der Nov 1925 BGBl 268 haften der Bund, die Länder, die Bezirke, die Gemeinden und die sonstigen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechtes für den Schaden, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben. Nach dem ursprünglichen Wortlaut des Bundesverfassungsgesetzes sollten die genannten Gebietskörperschaften, für die Rechtsverletzungen der von ihnen bestellten Personen" haften. Die Änderung des Wortlautes der Bestimmung des § 23 Abs 1 B-VG wurde in den Erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage (327 BlgNR 2. GP) damit begrundet, daß durch sie die Haftpflicht von der Autorität, die die handelnden Personen bestellt hat, auf die Autorität, als deren Organ die Person gehandelt hat, über gehen soll. Rechtsprechung (EvBl 1963/184, SZ 26/51 u v a) und Lehre (Adamovich - Spanner[5], 364, Spanner in ÖJZ 1950, 51 und JBl 1951, 327, Hellbling in JBl 1949, 183, Loebenstein - Kaniak, 39) haben sich daher - zum Teil unter Berufung auf den Bericht und Antrag des Ausschusses für Verwaltungsreform, 364, wonach das Amtshaftungsgesetz auf die funktionelle Stellung des Handelnden abstellt - der sogenannten Organtheorie angeschlossen, wonach es bei Klärung der Frage, welcher Rechtsträger nach dem AHG in Anspruch genommen werden kann, nicht darauf ankommt, wessen Organ (organisatorisch) der angeblich Schuldtragende war, sondern in wessen Namen und für wen (funktionell) er im Zeitpunkt der angeblich schuldhaften Handlung tätig war. Entscheidend ist damit der Vollzugsbereich, innerhalb dessen das betreffende Organ tätig war (Adamovich - Spanner[5], 364).

Gemäß Art 79 Abs 2 B-VG ist das Bundesheer, soweit die gesetzmäßige bürgerliche Gewalt seine Mitwirkung in Anspruch nimmt, auch zur Hilfeleistung bei Elementarereignissen und Unglücksfällen außerordentlichen Umfanges bestimmt. Unter der gesetzmäßigen bürgerlichen Gewalt sind die Behörden des Bundes, der Länder und Gemeinden im Rahmen ihres gesetzmäßigen Wirkungsbereiches zu verstehen (Werner - Klecatsky, 171 Anm 2 zu Art 79 B-VG), die daher auch gemäß § 2 Abs 2 WehrG, BGBl 1955/181 in der jeweils geltenden Fassung (im Jahre 1965 auf Grund der Nov BGBl 1960/310 und 1962/221), berechtigt sind, die Mitwirkung des Bundesheeres zu Hilfeleistungen in Anspruch zu nehmen. Unter Elementarereignissen sind auch Überschwemmungen, Erdrutsche und Unwetterschäden größeren Ausmaßes zu verstehen; die Hilfeleistung des Bundesheeres kann hiebei für die Rettung von Verletzten, die Behebung von Schäden und die Abwehr von weiteren Gefährdungen in Anspruch genommen werden (Pernthaler, Der Rechtsstaat und sein Heer, 144). Angehörige des Bundesheeres können hiebei sowohl als Organe des Bundes als auch als solche eines Landes tätig werden. Die generelle Zuständigkeit bei Unwetterschäden kommt allerdings gemäß Art 15 B-VG den Ländern zu, doch kann nach Art 10 B-VG auch die Kompetenz des Bundes zur Regulierung und Instandhaltung der Gewässer zum Zwecke der unschädlichen Ableitung der Hochfluten sowie zur Wildbachverbauung sowie auf dem Gebiete des Verkehrs-, Post-, Telegrafen- und Fernsprechwesens und des Starkstromwegerechtes (Pernthaler, 146) in Betracht kommen. Im vorliegenden Falle wurde festgestellt, daß die Pioniereinheit, der Walter W angehörte, über Anforderung des Amtes der Kärntner Landesregierung im Einsatz war. Dieses konnte unter Umständen auch Agenden der mittelbaren Bundesverwaltung wahrnehmen. Entgegen der Ansicht des Rekurses steht es somit schon allein aus diesem Gründe keineswegs eindeutig fest, daß Walter W, hätte sich der Unfall beim Einsatz zur Beseitigung der Hochwasserschäden ereignet, als Organ des Landes Kärnten tätig gewesen sein müßte.

Im Sinne der Ausführungen des Berufungsgerichtes, denen der Oberste Gerichtshof beitritt, bedarf es aber nicht der Prüfung, ob der konkrete Hochwassereinsatz der Pioniereinheit, der Walter W angehörte, in Vollziehung von Aufgaben des Bundes oder des Landes Kärnten erfolgte. Nach den Feststellungen der Untergerichte befand sich Walter W nämlich im Zeitpunkt des Unfalles nicht im Einsatz zur Beseitigung von Hochwasserschäden, sondern war zur Kaserne O mit dem Auftrage unterwegs, den Sold für die im Einsatz stehenden Soldaten abzuholen. Diesen Auftrag führte Walter W auf Grund eines im Interesse des Dienstes erfolgten Befehls seines Kommandanten oder sonstigen Vorgesetzten durch (vgl § 4 Abs 2 WehrG, § 3 Abs 1 ADV, abgedruckt bei Ermacora - Loebenstein, Das österreichische Wehrrecht, 152 ff). Dieser Befehl beruhte auf den Vorschriften des § 7 HGebG BGBl 1956/152 (in der im Jahre 1965 geltenden Fassung der Nov BGBl 1957/140 und 1962/116) und § 21 Abs 1 ADV, also auf Vorschriften des Bundesrechtes. Mit Erteilung dieses Befehls wurde Walter W aus dem allfälligen Vollzugsbereich des Landes Kärnten herausgenommen und mit einer Tätigkeit im Vollzugsbereich des Bundes beauftragt. Walter W war daher im Zeitpunkt des Unfalles als Organ der Republik Österreich tätig.

Der Rekurs wendet gegen diese Auffassung ein, daß bei der Durchführung der der Pioniereinheit im Kompetenzbereich des Landes übertragenen Aufgaben zwar verschiedene Maßnahmen organisatorischer Art getroffen werden mußten, diese aber nur aus Anlaß der Hochwasserkatastrophe erfolgten und unmittelbar dem Katastropheneinsatz dienten; die Fahrt des Walter W sei unmittelbar in einem örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der Beseitigung der Hochwasserschäden gestanden; sie wäre, falls die Anforderung des Amtes der Kärntner Landesregierung nicht erfolgt wäre, unterblieben und sei daher durch dein Einsatz unmittelbar bedingt gewesen. Der Rekurs übersieht dabei aber, daß ein Land zwar die Hilfeleistung des Bundesheeres bei Elementarereignissen in Anspruch nehmen kann, die Angehörigen des Bundesheeres während dieser Zeit aber nicht besolden muß. Die die Besoldung betreffenden organisatorischen Maßnahmen blieben daher auch während des Hilfeleistungseinsatzes des Bundesheeres im Bereich der Zuständigkeit des Bundes. Richtig ist es allerdings, daß sich der Unfall nicht ereignet hätte, wäre die Pioniereinheit nicht zur Hilfeleistung herangezogen worden; er hätte sich aber auch nicht ereignet, wenn Walter W nur Tätigkeiten, die in die Kompetenz des Landes fallen, besorgt hätte; dann hätte er nämlich die Stelle des Katastropheneinsatzes nicht verlassen. Die Unfallsfahrt wurde nur notwendig, weil er für die Dauer der Fahrt seine allfällige Tätigkeit als Organ des Landes aufgeben und eine Tätigkeit als Organ des Bundes zur Ermöglichung der Besoldung der im Einsatz befindlichen Bundesheerangehörigen ausüben mußte. Mit der Erteilung des Befehls zur Fahrt in die Kaserne O war der Zusammenhang mit der Hilfeleistung für das Land Kärnten vorübergehend gelöst worden. Walter W war daher im Zeitpunkt des Unfalls funktionell Organ der Republik Österreich, sodaß die beklagte Partei auch für einen Amtshaftungsanspruch aus diesem Unfall passiv legitimiert ist.

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