OGH 1Ob170/70

OGH1Ob170/701.10.1970

SZ 43/167

Normen

AHG §1
Fernmeldegesetz §22 Abs2
AHG §1
Fernmeldegesetz §22 Abs2

 

Spruch:

Ein Verkehrsunfall eines Organs der Fernmeldebehörde auf einer Dienstfahrt fällt nicht unter § 22 Abs 2 FMG, sondern begrundet einen Anspruch nach dem AHG, sofern nicht die Möglichkeit bestand, den Ersatz des Schadens von dem mit eigenem Kraftwagen fahrenden Schädiger zu erlangen

OGH 1. Oktober 1970, 1 Ob 170/70 (OLG Wien 7 R 83, 84/70; LGZ Wien 38 a Cg 17/68)

Text

Am 16. März 1966 stießen auf der Bundesstraße Nr 3 zwischen F und F Friedrich S, der einen VW 1500 lenkte, und Ing Hermann L, der einen VW 1300 steuerte, bei einem Überholmanöver des letzteren frontal zusammen, u zw dadurch, daß Ing L, welcher Richtung M fuhr, bei dem Versuche, einen vor ihm fahrenden LKW-Zug zu überholen, auf die linke Straßenseite geriet und gegen den ihm entgegenkommenden PKW des S stieß. Während bei dem Unfall der mit Ing L mitfahrende Ing J tödlich verunglückte, wurde S schwer verletzt. L wurde wegen dieses Unfalles rechtskräftig gemäß § 335 StG verurteilt. Ing L war zur Zeit des Unfalles Beamter der Post- und Telegraphendirektion für Wien, Niederösterreich und das Burgenland und führte die gegenständliche Fahrt als von seiner Behörde genehmigte Dienstreise mit seinem eigenen PKW durch, was ebenfalls von der Behörde mangels eines zur Verfügung stehenden Dienstwagens bewilligt worden war.

Die Klägerin, die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, hat den Unfall des S als Arbeitsunfall gemäß § 175 Abs 1 ASVG anerkannt und begehrt nunmehr, gestützt auf das Amtshaftungsgesetz, den Ersatz aller jener Leistungen, welche sie aus Anlaß dieses Unfalles auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen gegenüber S zu erbringen hatte, und beruft sich hiebei auf § 332 ASVG. Sie begehrt ferner ab Schluß der Verhandlung bis zum 31. Oktober 1991 (Erreichung des 65. Lebensjahres des S) eine sogenannte abstrakte Rente in der Höhe von 600 S monatlich. Mit dem Leistungsbegehren verbindet sie ein Feststellungsbegehren hinsichtlich des Anspruches auf Ersatz künftiger Leistungen.

Die Beklagte wendete Unzulässigkeit des Rechtsweges ein und führte aus, gemäß § 22 FMG hafte die Post- und Telegraphenverwaltung für die dort angeführten Schäden nur, wenn der Geschädigte zunächst die oberste Fernmeldebehörde zur Anerkennung des Ersatzanspruches aufgefordert habe. Eine solche Aufforderung sei nicht erfolgt, sondern nur eine solche im Sinne des AHG. Im übrigen sei der Unfall nicht in Vollziehung der Gesetze herbeigeführt worden, habe daher nicht zur Begründung eines Amtshaftungsanspruches führen können. Die unternommene Dienstfahrt habe nur bezweckt, die Arbeiten von Privatfirmen zu überprüfen, falle daher nicht in den Rahmen der Hoheitsverwaltung. Im übrigen sei das schuldhafte Überholen des Ing L nicht selbst Hoheitsverwaltung, sondern - wenn man überhaupt annehmen wollte, daß die Dienstfahrt im Rahmen der Hoheitsverwaltung erfolgt sei - nur gelegentlich der Hoheitsverwaltung ausgeführt worden. Der Unfall des S sei auch kein Arbeitsunfall. Ein Anspruch desselben auf eine abstrakte Rente sei nicht begrundet. Im übrigen treffe S ein mindestens gleichteiliges Mitverschulden. Schließlich sei der Klagsanspruch durch Unterlassung der dem Geschädigten gemäß § 2 Abs 2 AHG obliegenden Rettungspflicht verwirkt; die Klägerin hätte nämlich in Erfüllung dieser Pflicht primär Ing L als Kraftfahrzeughalter in Anspruch nehmen müssen.

Das Erstgericht wies mit einem in das Urteil aufgenommenen Beschluß die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück und verhielt die Beklagte zur Zahlung eines Betrages von 43.058.31 S samt Zinsen seit 21. November 1967, bejahte das Feststellungsbegehren, wies jedoch den Anspruch auf die abstrakte Rente sowie ein Verzinsungsmehrbegehren für die Zeit vom 17. bis 20. November 1967 ab. Die Begründung seiner Entscheidung läßt sich wie folgt zusammenfassen: Die Klägerin mache nicht einen Anspruch geltend, für den die Haftung im § 22 FMG normiert sei, sondern einen solchen aus einem Verkehrsunfall, der sich an einem weit von der Baustelle entfernten Ort zugetragen habe. Die Fahrt zu einer Fernmeldeanlage bzw zu der Baustelle für eine solche zum Zwecke der Verrichtung einer Arbeit an dieser könne nicht mit dieser Arbeit selbst verwechselt werden, abgesehen davon, daß Ing L die Dienstfahrt nicht zur Vornahme einer im § 22 FMG genannten Arbeit, sondern nur zur Besichtigung der Arbeiten privater Firmen unternommen habe. Es kämen daher die Bestimmungen des § 22 FMG für die Haftung des Bundes nicht zum Tragen. Die vom Ing L unternommene Dienstfahrt sei aber in Ausübung der Hoheitsverwaltung erfolgt; nach den Bestimmungen des Fernmeldegesetzes stunden (mit hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen) das Recht, Fernmeldeanlagen zu errichten und zu betreiben, und das Recht, die Befugnis zur Errichtung und zum Betrieb einzelner Fernmeldeanlagen zu erteilen, ausschließlich dem Bund zu. Alle diese Rechte des Staates seien dem Bereiche der Hoheitsverwaltung zuzuzählen und würden ausschließlich von der Fernmeldebehörde ausgeübt. Zum Zwecke der Hoheitsverwaltung mit Kraftfahrzeugen unternommene Dienstfahrten stellten sich selbst als Tätigkeit im Bereiche der Hoheitsverwaltung dar, und die schuldhafte Verursachung eines Verkehrsunfalles durch den Lenker bei einer solchen Dienstfahrt erfolge in Vollziehung des Gesetzes im Sinne des § 1 AHG. Daß Ing L den Unfall durch Verschulden verursacht habe, stehe gemäß § 268 ZPO für das Zivilgericht durch das verurteilende Straferkenntnis fest. Da also der Genannte als Organ der Beklagten in Ausübung der Hoheitsverwaltung den Unfall schuldhaft herbeigeführt habe, begrunde der aus dem Unfall entstandene Schaden einen Amtshaftungsanspruch gegen die Beklagte. Der Unfall des Friedrich S sei auch als Arbeitsunfall im Sinne des § 175 Abs 1 ASVG zu werten, denn er ereignete sich, als S auf dem Wege nach mehreren Orten begriffen war, um in diesen seinen Dienst als Mitarbeiter der Schadensabteilung der "Internationalen Unfall- und Schadensversicherungs-AG" zu verrichten. Daher sei aus dem Unfall für die Klägerin die Verpflichtung entstanden, ihrem Versicherten die ihm nach dem ASVG zufolge eines Arbeitsunfalles aus der Unfallversicherung gebührenden Leistungen zu erbringen. Daß die Klägerin die Leistungen in Höhe des Klagsbetrages erbracht habe, gebe die Beklagte zu, und daß diese Leistungen in den Rahmen der gesetzlichen Verpflichtungen der Klägerin fallen, sei von der Beklagten nicht ausdrücklich bestritten worden und könne auch keinem Zweifel unterliegen. Es greife daher die Bestimmung des § 332 Abs 1 ASVG ein, wonach dem Versicherten aus dem Verkehrsunfall gegen Dritte entstandene Schadenersatzansprüche auf den Sozialversicherungsträger im Umfang der von diesem zu erbringenden Leistungen übergehen. Es seien daher die S nach dem ASVG gegen die Beklagte entstandenen Ersatzansprüche - soweit sie ihrer Art nach kongruente Deckung finden - im genannten Umfang auf die Klägerin übergegangen. Bei den erbrachten Leistungen handle es sich um Heilungskosten; daß der Aufwand für die Beschaffung orthopädischer Schuhe und für Zahnersatz notwendig und zweckmäßig war, sei von der Beklagten zugegeben worden. Ein den Schadenersatzanspruch des S minderndes Mitverschulden könne mangels konkreter Behauptungen der Beklagten, worin dieses Mitverschulden liegen solle, nicht angenommen werden. Für einen Anspruch der Klägerin auf Ersatz der von ihr in Zukunft zu leistenden Versehrtenrente liege jedoch keine kongruente Deckung vor. Ein Anspruch auf eine abstrakte Rente sei S nicht entstanden. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit, eine bloße Erschwernis der Arbeit oder die rein theoretische Möglichkeit einer Beeinträchtigung des Versehrten in bezug auf sein berufliches Einkommen, reichten für sich allein zur Begründung eines Anspruches auf eine abstrakte Rente nicht aus, es müßten vielmehr konkrete Umstände behauptet und bewiesen werden, aus denen zu schließen sei, ob und inwieweit im gegebenen Fall der Verletzte in seinem Beruf voraussichtlich benachteiligt sein werde. Derartige konkrete Umstände habe die Klägerin nicht behauptet. Hingegen sei dem Feststellungsbegehren stattzugeben gewesen, da nicht ausgeschlossen werden könne, daß Spätfolgen der Verletzungen des S einerseits die Klägerin zu weiteren Leistungen verpflichten und andererseits zur Deckung geeignete weitere Forderungen des S an Schadenersatz gegen die Beklagte verjähren könnten. Darin, daß die Klägerin eine Klagsführung gegen Ing L als Kraftfahrzeughalter unterlassen habe, liege keine Verletzung des § 2 Abs 2 AHG. Eine solche Klagsführung wäre zwar zulässig gewesen, die Aussichten auf einen Erfolg der Klage und die Aussichten auf die Einbringung des allenfalls Zugesprochenen wären aber bei einer solchen gegen Ing L eingebrachten Klage deutlich geringer gewesen, als sie es bei der vorliegenden Klage sind. Die Haftung des Halters sei im Gesetz betragsmäßig beschränkt, eine im Prozeß sich etwa als notwendig herausstellende Erweiterung des Klagebegehrens über diese Haftungsbeschränkung hinaus wäre also im Rechtsstreit gegen Ing L von vornherein ausgeschlossen gewesen; die urteilsmäßige Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden hätte nur im Rahmen dieser Haftungsbeschränkung Bedeutung gehabt; es hätte von vornherein auch nicht ausgeschlossen werden können, daß die Beklagte ein Verschulden bzw Mitverschulden des S behauptet hätte und damit durchdringt. Eine solche sich allenfalls als gerechtfertigt erweisende Einwendung hätte in einem Prozeß gegen Ing L als Beklagten das Prozeßergebnis weitaus ungünstiger beeinflussen können als in einem Prozeß gegen den Rechtsträger; hätte nämlich in einem Prozeß gegen Ing L dessen Mitverschulden als Klagsgrund keine Berücksichtigung finden können, so hätte es folgerichtig auch nicht verhindern können, ein allfälliges Verschulden des S anders denn als Alleinverschulden zu werten. Es habe aber auch zweifelhaft erscheinen müssen, ob die Klägerin ihre im Rechtsstreit gegen Ing L urteilsmäßig zugesprochenen Beträge, insbesondere etwa künftig zu zahlende, von den am Unfallstag bereits 62jährigen Ing L würde hereinbringen können. Hier sei auch zu berücksichtigen, daß mit einer weiteren wesentlichen Belastung des Einkommens und allfälligen Vermögens des Ing L auch durch Schadenersatzansprüche aus der tödlichen Verletzung des Mitfahrers Ing J zu rechnen gewesen sei.

Das Berufungsgericht gab dem als Teil der Berufung behandelten Rekurse der Beklagten gegen den in das Urteil des Erstgerichtes aufgenommenen Beschluß über die Zurückweisung der Prozeßeinrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges keine Folge, gab jedoch den Berufungen beider Streitteile Folge und hob das Urteil des Erstgerichtes, welches hinsichtlich der Abweisung des Zinsenbegehrens für die Zeit vom 17. bis 20. November 1967 als unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist, unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zurück.

Das Gericht zweiter Instanz folgte zwar nicht der Ansicht des Erstgerichtes, daß die Fahrt eines Bediensteten der Post- und Telegraphenverwaltung zu einer ihrer Baustellen nicht als in unmittelbarem Zusammenhang mit den im FMG bezeichneten Arbeiten der Post- und Telegraphenverwaltung stehend zu beurteilen sei; es sei jedoch den Bestimmungen des § 22 Abs 2 FMG zu entnehmen, daß sie im Zusammenhang mit einem im öffentlichen Verkehr erfolgten Unfall, an dem ein Fahrzeug der Post- und Telegraphenverwaltung beteiligt war, das im Zuge der Herstellung und Instandhaltung des öffentlichen Fernmeldenetzes verwendet wurde, nur dann zur Anwendung gelangen könnten, wenn es sich um reinen Sachschaden handle, nicht aber bei Personenschäden, die bei einem Verkehrsunfall der obgenannten Art verursacht wurden. Das Berufungsgericht teilte aber die Auffassung des Erstgerichtes, daß der bei der gegenständlichen Fahrt verursachte Schaden aus einem Verkehrsunfall als ein aus der Hoheitsverwaltung resultierender Schaden anzusehen sei. Es sei jedoch zu berücksichtigen, daß es sich bei dem Anspruch nach dem AHG um einen subsidiären Rechtsbehelf handle, der erst dann zum Tragen komme, wenn alle anderen Mittel zur Einbringung oder zum Ersatz des Schadens vergeblich gewesen seien. Zu diesen Möglichkeiten gehöre nach den Besonderheiten des vorliegenden Falles, da der Schädiger die Dienstreise mit dem eigenen PKW durchgeführt hat, dessen Inanspruchnahme auf der Grundlage des EKHG, weil ja die Geltendmachung des Ersatzanspruches gegenüber dem Rechtsträger gem § 1 AHG nur die zivilrechtliche Deliktshaftung gegenüber dem Organ (§§ 1295 f ABGB) ausschließe, nicht aber die auf einer Erfolgshaftung beruhende Haftung des Kraftfahrzeughalters. Jene Umstände aber, aus denen das Erstgericht geschlossen habe, daß die Nichtgeltendmachung der Ansprüche nach dem Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz gegenüber Ing L eine Verletzung der Rettungspflicht nach § 2 Abs 2 AHG nicht begrunden können, könnten nicht von vornherein als hinlänglich stichhältig angesehen werden. Ebenso könne im Hinblick auf die dem Akt zu entnehmende Inanspruchnahme des Ing L für Schadenersatzansprüche aus der Tötung des Mitfahrers Ing J nicht ganz von der Hand gewiesen werden, daß die Geltendmachung von Ansprüchen auf der Grundlage des EKHG allenfalls zufolge Erschöpfung der Haftungssumme und Uneinbringlichkeit gegenüber Ing L selbst ganz oder teilweise ergebnislos bleiben könnte. Ausgehend von seiner anders lautenden Rechtsauffassung habe das Erstgericht eine diesbezügliche Klärung des Sachverhaltes unterlassen, sodaß erheblich scheinende Tatsachen in erster Instanz nicht hinlänglich erörtert worden seien. Ebenso berechtigt sei die Berufung der Klägerin gegen die Abweisung ihres Mehrbegehrens auf Zuspruch einer abstrakten Rente. Sofern sich im Zuge des fortgesetzten Verfahrens ergeben sollte, daß die Geltendmachung des Amtshaftungsanspruches dem Gründe nach gerechtfertigt sei, seien auch die Feststellungsgrundlagen für den abgewiesenen Anspruch auf eine abstrakte Rente noch zu ergänzen. Die Klägerin habe in ihrem Schriftsatz ON 7 vorgebracht, die seinerzeitigen Verletzungen des S (distaler Schienbeinbruch mit Verrenkung des Sprungbeines, offener Kniescheibenbruch sowie Hüftverrenkung mit Abbruch des Pfannenrandes rechts) hätten einen Dauerschaden bewirkt, der sich vor allem beim Außendienst des Versehrten überaus nachteilig auswirke, da starke Schmerzen an den Bruchstellen, vor allem im Becken bis zum Bereich des linken Lungenflügels, insbesondere bei Witterungsumschlägen und bei längerer unveränderter Lage, sowie bei längerem Sitzen im PKW und auch die Versteifung im linken Vorderfuß und Knöchelbereich eine außerordentliche Willensanstrengung des Versehrten erforderten, um seinen beruflichen Pflichten nachkommen zu können. Dementsprechend sei auch eine Benachteiligung des S, der beim Gehen einen Stock benützen müsse, auf dem Arbeitsmarkt gegenüber gesunden Mitbewerbern gegeben. Da aber eine abstrakte Rente in jenen Ausnahmefällen gebühre, in denen der Versehrte, der einen Dauerschaden erlitten hat, trotz eingetretener Erwerbsminderung noch keine tatsächliche Einbuße am Verdienstentgang hat, eine konkrete Einkommensminderung nach den konkreten Umständen des Einzelfalles aber zu erwarten oder doch wahrscheinlich sei und insoweit die angebotenen Beweismittel nicht ausgeschöpft und entsprechende Feststellungen getroffen wurden, liege auch hier eine allfällige Ergänzungsbedürftigkeit des Verfahrens vor.

Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen der Streitteile nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

1. Zum Rekurs der Beklagten:

Mit Rücksicht auf die weitergehenden Anfechtungsgrunde erscheint es zweckmäßig, zuerst den Rekurs der Beklagten zu behandeln. Sie vertritt vor allem den Standpunkt, daß Ing L eine privatrechtliche Kontrolltätigkeit auszuüben gehabt habe, da weder die bauausführenden Privatfirmen auf der Baustelle M noch Ing L dritten Personen gegenüber mit Befehls- oder Zwangsbefugnissen ausgestattet waren. Es wird ferner die Meinung verfochten, daß die Bestimmungen des AHG - selbst wenn Hoheitsverwaltung vorliegen sollte - auf dem Gebiete des Telegraphen- und Fernsprechwesens nicht gelten, da hier Sonderbestimmungen, nämlich die des FMG zur Anwendung zu kommen haben, das im FMG vorgesehene besondere Aufforderungsverfahren von der Klägerin jedoch nicht eingehalten worden sei.

Wenn sich auch der Rekurs der Beklagten nicht gegen die bindend ausgesprochene Ansicht der Unterinstanzen richtet, daß für die vorliegende Klage der Rechtsweg zulässig ist (Jud 63 neu = SZ 28/265), war daher doch zunächst zu untersuchen, ob der geltend gemachte Anspruch aus den Bestimmungen des AHG, auf das er gestützt wird, abgeleitet werden kann.

Mit Rücksicht darauf, daß auf dem Gebiet des Post-, Telegraphen- und Fernsprechwesens gemäß der Regelung des Art 23 Abs 5 B-VG von den allgemeinen Amtshaftungsbestimmungen abweichende Sonderhaftungsvorschriften in Betracht kommen, ist bei dieser Prüfung, wie die Beklagte mit Recht geltend macht, von der Bestimmung des § 22 Abs 2 FMG, BGBl 1949/170, auszugehen, wonach die Post- und Telegraphenverwaltung nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts für den Schaden haftet, wenn durch einen Mangel einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Fernmeldeanlage der Post- und Telegraphenverwaltung ein Benützer getötet oder an seinem Körper oder an seiner Gesundheit verletzt wird oder eine Sache beschädigt wird. Die Bestimmung des § 22 FMG ist in den Abschnitt IV des Gesetzes eingebaut, der mit "Benützung der Fernmeldeanlagen" überschrieben ist. Schon daraus ist zu schließen, daß auch der folgende Satz des § 22 Abs 2 FMG: "Dasselbe gilt für Schäden, die durch Arbeiten zur Herstellung, Instandhaltung, Änderung oder Aufhebung einer solchen Fernmeldeanlage verursacht worden sind", ebenfalls auf den Bereich der "Benützung" abgestellt ist, innerhalb dessen der Schaden durch eine der genannten Ursachen herbeigeführt sein muß, wenn die Bestimmungen des § 22 Abs 2 FMG zum Tragen kommen sollen. Nur der Vollständigkeit halber sei hier bemerkt, daß auch bei Arbeiten zur Herstellung einer Fernmeldeanlage Fälle denkbar sind, in denen im Bereich schon bestehender bzw schon in Benützung stehender Anlagen Schäden verursacht werden könnten. Wer "Benützer" einer Fernmeldeanlage ist, sagt das Gesetz im § 15. Es ergibt sich daraus, daß zweierlei Möglichkeiten der Benützung des öffentlichen Netzes zu unterscheiden sind. Nach der einen ist jedermann (§ 15 Abs 4) berechtigt, Fernmeldeanlagen, die für den öffentlichen Verkehr zugelassen sind, unter den in den Benützungsordnungen vorgeschriebenen Bedingungen (gegen Entrichtung der festgesetzten - vgl dazu auch die K BGBl 1969/283 und das neue FMGebG, BGBl 1970/170 - Gebühren) zu benützen; die zweite Möglichkeit der Benützung des öffentlichen Netzes besteht darin, daß einer bestimmten Person Teilnehmereinrichtungen überlassen werden, von denen aus die Benützung des öffentlichen Netzes erfolgt (siehe hiezu Schaginger - Vavra, Das österreichische Fernmelderecht, 43 und 45). Daß S anläßlich des von ihm erlittenen Unfalles nicht "Benützer" einer Fernmeldeanlage im oben aufgezeigten Sinne war, kann sohin keinem Zweifel unterliegen. Daß § 22 Abs 2 FMG grundsätzlich einschränkend auszulegen ist, ergibt sich überdies aus der Überlegung, daß es sich dabei um eine Sondervorschrift, u zw nicht etwa nur gegenüber dem allgemeinen bürgerlichen Recht, sondern auch gegenüber dem allgemeinen Amtshaftungsrecht handelt. In diesem Zusammenhang ist auch auf die "Erläuternden Bemerkungen" zur Regierungsvorlage des Fernmeldegesetzes zu verweisen (887 Blg NR 9, GP), wonach zwar das ganze Benützungsrecht der Fernmeldeverwaltung von dem Grundsatz beherrscht wird, daß die Haftung der Verwaltung ausschließlich und erschöpfend durch dieses Sonderrecht selbst geregelt wird. Der Grundsatz von der ausschließlichen und erschöpfenden Kraft des Benützungsrechtes gilt aber nach diesen nur für solche Leistungen und Vorgänge, die in den Rahmen des Benützungsrechtes fallen. Alles was außerhalb des Benützungsrechtes liegt, ist nach "privatem" Recht zu beurteilen. Damit scheidet also - insoweit kann die vom Berufungsgericht zitierte, auch von Schaginger - Vavra, Fernmelderecht, 73, erwähnte Entscheidung vom 29. Juni 1964, 2 Ob 179/64 SZ 37/95, nicht aufrechterhalten werden - die Bestimmung des § 22 FMG für die Haftung der beklagten Partei hinsichtlich eines Verkehrsunfalles wie des gegenständlichen aus.

Dieser ist - weil außerhalb des Benützungsbereiches (im weitesten Sinn) liegend - nach "privatem" Recht zu beurteilen, zu dem aber auch das AHG gehört, sofern Ing L bei Durchführung der Fahrt in "Vollziehung der Gesetze" gehandelt hat (§ 1 AHG). Nur so können auch die Ausführungen in Loebenstein - Kaniak, zum AHG, 138, aufgefaßt werden, daß die Bestimmungen des AHG auf dem Gebiete des Post-, Telegraphen- und Fernsprechwesens insoweit offenbar nicht gelten, nämlich insoweit dort Sondervorschriften Platz greifen. Es darf schließlich nicht übersehen werden, daß das FMG knapp nach dem AHG (18. Dezember 1948, BGBl 1949/20), nämlich am 13. Juli 1949 (BGBl 1949/170), ergangen ist und ein ähnliches Aufforderungsverfahren wie das AHG enthält, die Aufforderung aber nicht an die Finanzprokuratur, sondern an die oberste Fernmeldebehörde z richten ist. Gerade dieser Unterschied zeigt deutlich, daß mit der Haftungsbestimmung des FMG nur jene Fälle erfaßt werden sollten, die in den Rahmen des Benützungsrechtes öffentlicher Fernmeldeanlagen, also in den unmittelbaren Aufgabenbereich der Fernmeldebehörde fallen. Für bloße Verkehrsunfälle hat letztere aber weder besondere Kenntnisse noch besondere Kompetenzen.

Nun vermeint die Beklagte, daß die festgestellte Tätigkeit Ing Ls, nämlich die Überprüfung eines privatrechtlich vergebenen Bauvorhabens, an sich keine hoheitsrechtlichen Momente aufgewiesen habe, da weder die bauausführenden Firmen noch das Kontrollorgan (Ing L) dritten Personen gegenüber mit Befehls- oder Zwangsbefugnissen ausgestattet waren. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden.

Es kann freilich keinem Zweifel unterliegen, daß der Gesetzgeber bei der Regelung der Haftungsfragen nach § 22 Abs 2 FMG eine dem AHG ähnliche Lösung treffen wollte; ob aber die Herstellung, Instandhaltung usw von Fernmeldeanlagen des öffentlichen Verkehrs durch die Post- und Telegraphenverwaltung allein deshalb als hoheitsrechtliche Tätigkeit des Bundes aufzufassen ist, kann aus dieser Bestimmung nicht zwingend gefolgert werden. Auch in dieser Hinsicht kann der Entscheidung SZ 37/95 nicht ohne weiteres beigetreten werden (siehe auch hiezu Schaginger - Vavra, Fernmelderecht, 73, und Loebenstein - Kaniak AHG, 18). Bei dem "Imperium", auf das bei Beurteilung der Frage Hoheits- oder Wirtschaftsverwaltung in der Regel abgestellt wird, braucht es sich aber nicht immer um Befehls- und Zwangsmaßregeln im einzelnen Fall zu handeln; es genügt vielmehr, wenn zur Erreichung eines bestimmten Zweckes in einem bestimmten Bereich Befehl und Zwang angewendet werden können. Erforderlich ist also nur, daß die in Betracht kommenden Organhandlungen in den Bereich einer Staatstätigkeit fallen, die an sich mit Befehls- und Zwangsgewalt ausgerüstet ist (siehe hiezu Loebenstein - Kaniak, AHG, 45). Nach den Feststellungen der Untergerichte hätte Ing L auf der Baustelle in M eine Kontrolltätigkeit ausüben und bei Feststellung von Mängeln seiner vorgesetzten Dienststelle Meldung erstatten sollen. Bedenkt man ferner, daß die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des FMG zu § 2 u a besagen, die Fernmeldehoheit erschöpfe sich nicht im bloßen Errichten und Betreiben von Fernmeldeanlagen, sondern beinhalte auch das planmäßige Gestalten, Aufbauen und Überlassen, Beaufsichtigen, Bereithalten und Überlassen an die Benützer und nimmt man schließlich darauf Bedacht, daß Ing L auftragsgemäß auch den Bauleiter Ing J auf der Fahrt mitgenommen hat, um diesen mit der auf der Baustelle in M neu angewendeten Methode der Kabelverlegung unter Wasser vertraut zu machen, dann kann kein Zweifel darin bestehen, daß die Fahrt im Rahmen der Hoheitsverwaltung im Sinne des § 2 FMG erfolgt ist. Es ist daher - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - der bei dieser Fahrt verursachte Schaden als ein aus der Hoheitsverwaltung resultierender Schaden anzusehen (JBl 1960, 493, SZ 36/115, im Ergebnis also auch SZ 37/95). Erfolgte aber die Tätigkeit, die Ing L an der Baustelle in M hätte ausüben sollen, und damit auch die Fahrt dorthin in Vollziehung der Gesetze, dann sind, da § 22 Abs 2 FMG nicht zum Tragen kommt, die Bestimmungen des AHG auf den gegenständlichen Fall anzuwenden. Es kann also der Ansicht der Beklagten, daß das AHG hier überhaupt nicht zur Anwendung kommt, nicht beigetreten werden. Die Untergerichte haben vielmehr zutreffend erkannt, daß der gegenständliche Schadensfall nach dem AHG zu beurteilen ist.

Richtig ist, daß der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertritt, es handle sich bei dem Anspruch nach dem AHG um einen subsidiären Rechtsbehelf, der erst dann zum Tragen kommt, wenn alle anderen zumutbaren Mittel zur Abwendung oder zum Ersatz des Schadens vergeblich waren. Hat also der Geschädigte die Möglichkeit Ersatz des Schadens ganz oder zum Teil durch geeignete Schritte gegen den Schädiger zu erlangen, wird der Amtshaftungsanspruch in diesem Ausmaß nicht existent (1 Ob 231/67 ua).

Nach den Feststellungen der Untergerichte hat Ing L die gegenständliche Fahrt im Auftrage seiner Dienstbehörde, jedoch mit dem eigenen Kraftwagen durchgeführt und diesen auch selbst gesteuert, weil für die beabsichtigte Dienstreise ein Dienstkraftwagen nicht zur Verfügung gestanden ist. Wenn ihm auch das Reiseziel in der Reisegenehmigung vorgeschrieben wurde, ebenso wie der Reisezweck und er auch Kilometergeld verrechnen konnte, so ist er doch Halter des Fahrzeuges im Sinne des § 5 EKHG geblieben, denn er hatte das Kraftfahrzeug weiterhin für eigene Rechnung in Gebrauch und besaß weiterhin die Verfügungsgewalt darüber. Die Reisegenehmigung wurde, wie sich aus dem Akt entnehmen läßt, lediglich für Gebührenzwecke und zur Legitimation dafür ausgestellt, daß sich L außerhalb seiner Dienststelle aufhalten durfte. Hätte Ing L allerdings den Unfall mit einem Kraftwagen seiner Dienstbehörde verschuldet, dann würde nur seine zivilrechtliche Deliktshaftung im Sinne der §§ 1295 ff ABGB in Betracht kommen, doch dürfte er vom Geschädigten wegen dieser Haftung gemäß § 1 AHG nicht in Anspruch genommen werden (2 Ob 328/64 SZ 37/158 = ZVR 1965/169). Wenn aber das Organ, welches den Verkehrsunfall verschuldet hat, selbst Halter des beim Unfall beteiligten Fahrzeuges ist - wie gegenständlich - dann haftet es dem Geschädigten auf Grund dieser Eigenschaft nach den Bestimmungen des EKHG (siehe hiezu auch SZ 38/183). Es hätte also - wie den Untergerichten beizupflichten ist - grundsätzlich die Möglichkeit bestanden, im Sinne des § 2 Abs 2 AHG Ing L nach den Bestimmungen des Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetzes,in Anspruch zu nehmen.

Es kann nun der Beklagten darin nicht gefolgt werden, daß der in diesem Zusammenhang angenommene Aufhebungsgrund nach § 496 Abs 1 Z 3 ZPO nicht vorliegt, denn die Möglichkeit der Aufhebung nach dieser Gesetzesstelle wegen rechtlicher Feststellungsmängel wird nur dadurch umfänglich begrenzt, daß das Berufungsgericht nur diejenigen Rechtsnormen (hier § 2 Abs 2 AHG) seiner Überprüfung zugrunde legen kam, die auf den von den Parteien in erster Instanz behaupteten Sachverhalt ohne Ergänzung der Parteibehauptungen angewendet werden können (Fasching IV, 211). Nun hat die Klägerin den Einwand der Beklagten, sie habe die Bestimmung des § 2 Abs 2 AHG verletzt, bestritten, und bei Überprüfung dieser Rechtsnorm erschien dem Berufungsgericht eine Ergänzung der Sachverhaltserhebung erforderlich. Da somit der Rechtsstandpunkt des Berufungsgerichtes, auf Grund dessen es das Ersturteil aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zurückgewiesen hat (zur Frage der Verfahrensergänzung hinsichtlich der beanspruchten abstrakten Rente enthält der Rekurs keinerlei Ausführungen), richtig ist, kann der Oberste Gerichtshof, da er nicht Tatsacheninstanz ist, auf die Notwendigkeit der aufgetragenen Verfahrensergänzungen im einzelnen nicht eingehen (SZ 38/29 und 227, SZ 40/109 u a).

2. Zum Rekurs der Klägerin:

Das Schwergewicht der Rekursausführungen liegt darin, die in einer Reihe von Entscheidungen zum Ausdruck gebrachte Ansicht des Obersten Gerichtshofes zu erschüttern, daß unter "Rechtsmittel" im Sinne des § 2 Abs 2 AHG auch eine Klage gegen den Schädiger persönlich zu verstehen ist. Die Rekurswerberin will unter "Rechtsmittel" in diesem Sinne nur alle ordentlichen und außerordentlichen Rechtsmittel verstanden wissen, welche die Verfahrensgesetze oder die verfassungsrechtlichen Bestimmungen der Gesetze sowohl im Bereiche der Gerichtsbarkeit als auch der Verwaltung einräumen und beruft sich hiebei auf Loebenstein - Kaniak, Kommentar zum AHG" und auf einen Aufsatz von Fischer in "Der Kraftfahrjurist", 1968, 63.

Die Rekursausführungen sind aber nicht geeignet, den Obersten Gerichtshof zu veranlassen, von der einhelligen und langjährigen Rechtsprechung abzugehen, wonach die Bestimmung des § 2 Abs 2 AHG nur eine Spezifikation des § 1304 ABGB ist, der schon für den allgemeinen Zivilrechtsbereich eine Sorgfalts- und Rettungspflicht auch des Geschädigten statuiert (vgl dazu Loebenstein - Kaniak, AHG, 76, 1 Ob 244/62, ZVR 1963/151, 1 Ob 4/66 EvBl 1966/305, 1 Ob 7/67 JBl 1968, 374, 1 Ob 241/67 KJ 1968, 42). Ihre allfällige Verletzung ist allerdings, wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, nur bedeutsam, wenn ein Verschulden auf Seite des Geschädigten unterlaufen ist; Lehre und Rechtsprechung stellen darin stets auf die Zumutbarkeit unterlassener Schritte ab. Dies gilt insbesondere auch für Prozeßführungen des Geschädigten gegen Dritte (vgl auch dazu KJ 1968, 42). Es kann also der Meinung der Klägerin nicht gefolgt werden, daß im § 2 Abs 2 AHG der Ersatzanspruch lediglich dann ausgeschlossen werde, wenn der Geschädigte bloß ein Rechtsmittel im oben behaupteten Sinne oder eine Rechtsmittelklage oder eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof unterlassen hat.

Soweit aber die Rekurswerberin vermeint, daß bereits auf Grund der bisherigen Aktenlage ein Verschulden bei der Unterlassung der Klage gegen Ing L nach den Bestimmungen des EKHG zu verneinen und daher eine weitere Klärung des Sachverhalts nicht erforderlich sei, ist sie auf die Ausführungen zum Rekurs der Beklagten zu verweisen, wonach es dem Obersten Gerichtshof, da er nicht Tatsacheninstanz ist, verwehrt ist, auf die Notwendigkeit der aufgetragenen Verfahrensergänzungen einzugehen.

Da die Rechtssache sohin tatsächlich noch nicht spruchreif ist, konnte keinem der beiden Rekurse Folge gegeben werden.

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