OGH 2Ob179/64

OGH2Ob179/6429.6.1964

SZ 37/95

Normen

Fernmeldegesetz §22 (2) Satz 4
Fernmeldegesetz §22 (2) Satz 4

 

Spruch:

Die Aufforderungsfrist nach § 22 (2) Satz 4 FernmeldeG. muß schon im Zeitpunkt der Klagserhebung abgelaufen sein; Fristablauf bei Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz genügt nicht.

Entscheidung vom 29. Juni 1964, 2 Ob 179/64. I. Instanz:

Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Der Kläger als Lenker seines Motorrollers hat am 15. Juli 1961 auf der Katschberg-Bundesstraße bei Gmund (Kärnten) an der Perauerbrücke durch den Zusammenstoß mit dem vom Erstbeklagten (einem Fernmeldetechniker) gelenkten Kraftwagen (VW.-Kombi) der zweitbeklagten Partei (der Republik Österreich) einen Verkehrsunfall erlitten. Im Zusammenhang mit diesem Unfall ist gegen beide Fahrzeuglenker das Strafverfahren eingeleitet worden. Der Erstbeklagte wurde schuldig erkannt, bei der obbezeichneten Gelegenheit als Lenker eines VW.-Kombis durch Außerachtlassung der nötigen Vorsicht und Aufmerksamkeit, insbesondere durch unachtsames Abbiegen nach links sowie nicht gehörige Beobachtung der Fahrbahn und des nachfolgenden Verkehrs, Handlungen bzw. Unterlassungen begangen zu haben, von denen er schon nach ihren natürlichen, für jedermann leicht erkennbaren Folgen und auf Grund der bekanntgemachten Vorschriften der Straßenverkehrsordnung einzusehen vermochte, daß sie eine Gefahr für die körperliche Sicherheit von Menschen herbeizuführen geeignet seien ... (Sturz und schwere Verletzung des Klägers durch Streifung des nach links einbiegenden Kraftwagens durch den in Überholstellung befindlichen Motorrollerfahrer; Übertretung gegen die Sicherheit des Lebens nach § 335 StG.). Dagegen ist der Kläger von der Anklage wegen Übertretung nach § 431 StG. gemäß § 259/3 StPO. freigesprochen worden.

Im vorliegenden Prozeß nimmt der Kläger die beiden Beklagten zur ungeteilten Hand auf Ersatz seines Schadens aus dem Unfall vom 15. Juli 1961 in Anspruch, den Erstbeklagten wegen Verschuldens und die zweitbeklagte Partei als Halterin des Kraftfahrzeuges gemäß § 19 (2) EKHG., wobei der Kläger selbst 25% der Ersatzbeträge in Abzug bringt.

Das Erstgericht hat die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand zur Zahlung des Betrages von 4283.23 S samt Anhang an den Kläger verurteilt und das Mehrbegehren punkto 7222.87 S samt Anhang abgewiesen. Das Erstgericht war zum Ergebnis gekommen, den Schaden im Verhältnis von 1 : 1 aufteilen zu sollen; vom Gesamtschaden des Klägers in der Höhe von 20.566.46 S ergebe die Hälfte den Betrag von

10.283.23 S; davon sei die Zahlung von 6000 S abzuziehen, so daß dem Kläger restliche 4283.23 S gebühren.

Gegen das Ersturteil hat nur der Kläger berufen: er hat darin die Abweisung des Teilbegehrens punkto 7177.17 S samt Anhang (nämlich 7222.87 S weniger 45.70 S) bekämpft und auch die Kostenentscheidung der ersten Instanz angefochten.

Aus Anlaß der Berufung hat das Berufungsgericht mit Beschluß das Ersturteil hinsichtlich der Abweisung des noch offenen Begehrens punkto 7177.17 S samt Anhang und in den Kostenaussprüchen, ferner das diesbezügliche vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage im Umfange dieser Aufhebung wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen; die erstinstanzlichen und die Kosten des Berufungsverfahrens hat das Berufungsgericht gegenseitig aufgehoben. Der Verkehrsunfall vom 15. Juli 1961 und die daraus dem Kläger erwachsenen Schäden seien im Zuge der Tätigkeit des Erstbeklagten nach § 22 (2) Fernmeldegesetz eingetreten; daher hafte der Erstbeklagte dem Kläger nicht unmittelbar; eine derartige unmittelbare Haftung des Organs sei auch nach dem Amtshaftungsgesetz ausgeschlossen. Was aber das Begehren gegen die zweitbeklagte Partei betreffe, so habe zwar der Kläger die oberste Fernmeldebehörde gemahnt, aber die sechsmonatige Frist zur Beschreitung des Klageweges oder die gänzliche oder teilweise Ablehnung des erhobenen Anspruches nicht abgewartet; mangels dieser prozessualen Voraussetzung für die Klage sei auch in bezug auf die zweitbeklagte Partei Unzulässigkeit des Rechtsweges gegeben.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der klagenden Partei in Ansehung der erstbeklagten Partei nicht, hinsichtlich der zweitbeklagten Partei jedoch dahin Folge, daß der Beschluß des Berufungsgerichtes im Verhältnis des Klägers zur zweitbeklagten Partei aufgehoben wurde. Im Umfang dieser Aufhebung wurde die Streitsache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Auffassung der Berufungsinstanz, daß vorliegendenfalls vom Kläger Ersatz eines aus der Hoheitsverwaltung resultierenden Schadens verlangt werde, entspricht dem Gesetz (§ 22 (2) des Fernmeldegesetzes vom 13. Juli 1949, BGBl. Nr. 170) sowie der ständigen Praxis (vgl. z. B. JBl. 1960 S. 493 f., SZ. XXXIII 92). Demgegenüber können die vom Rekurswerber geltend gemachten Erwägungen der Prozeßökonomie nicht durchgreifen. Der Ansicht des Beschwerdeführers, daß die Fahrt des Erstbeklagten - als "der Überbrückung des Raumes dienend" - nicht als Arbeit zur Herstellung, Instandhaltung, Änderung oder Aufhebung einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Fernmeldeanlage der Post- und Telegraphenverwaltung zu werten sei, kann nicht beigepflichtet werden; die Fahrt des Erstbeklagten zur dienstlichen Verrichtung in dem von der Berufungsinstanz unbekämpft festgestellten Sinn stand doch mit den bezeichneten Arbeiten der Post- und Telegraphenverwaltung in unmittelbarem Zusammenhang; auch tatsächliche Verrichtungen sind unter dieser Voraussetzung als Handlungen "in Vollziehung des Gesetzes" anzusehen (vgl. die bereits oben zitierte Entscheidung SZ. XXXIII 92 sowie die darin bezogene Lehre). Der Beurteilung des Berufungsgerichtes in dieser Hinsicht ist zu folgen; die Rekursausführungen geben keinen Anlaß, von der durch die Lehre gebilligten Praxis in diesen Fragen abzugehen.

Daraus ergibt sich aber schon nach der derzeitigen Aktenlage, daß der Geltendmachung des vorliegenden Schadenersatzbegehrens gegen den Erstbeklagten der Rechtsweg verschlossen ist. In bezug auf den Erstbeklagten ist also nur mehr die im Rekurs hilfsweise behandelte Frage nach dem Umfang der Rechtskraft des Ersturteils - dieses Urteil ist ja nur vom Kläger bekämpft worden - zu erörtern. Auch in diesem Punkt ist dem Berufungsgericht beizupflichten. Die Kostenentscheidung des Erstgerichtes muß nämlich als Einheit im Verhältnis des Klägers zu jeder der beklagten Parteien angesehen werden. Nach der Erledigung der ersten Instanz hat der Erstbeklagte - zur ungeteilten Hand mit der zweitbeklagten Partei - dem Kläger an Kosten den Betrag von 495.30 S zu ersetzen, zugleich ist aber der Kläger zum Ersatz des Kostenbetrages von 1680.99 S an den Erstbeklagten verurteilt worden; diese zahlenmäßige Aufspaltung der Kostenentscheidung im Ersturteil ändert nichts an der Tatsache, daß laut Ersturteil der Kläger Kostenschuldner des Erstbeklagten (gegenüber der zweitbeklagten Partei gilt dasselbe) punkto 1680.99 S weniger 495.30 S geworden ist; diese Kostenentscheidung im ganzen aber hat der Kläger in der Berufung angefochten, so daß der gesamte Kostenspruch der ersten Instanz zur Zeit der Erledigung des Berufungsgerichtes noch offen war.

Aus diesen Erwägungen muß der Rekurs des Klägers in bezug auf den Erstbeklagten in jeder Richtung erfolglos bleiben. Bei diesem Ergebnis ist eine selbständige Kostenanfechtung in bezug auf den Beschluß der zweiten Instanz im Verhältnis des Klägers zum Erstbeklagten gemäß § 528 ZPO. ausgeschlossen (vgl. JB. Nr. 4 neu und Nr. 13 neu).

Was aber die Erledigung hinsichtlich der zweitbeklagten Partei betrifft, so ist dem Ausgangspunkt der Beurteilung der Berufungsinstanz beizupflichten, wie sich schon aus den obigen Ausführungen ergibt. Im Sinne der ständigen Praxis (vgl. z. B. JBl. 1960 S. 611 f.) teilt der Oberste Gerichtshof auch die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß die im § 22 (2) Satz 4 des Fernmeldegesetzes normierte Frist schon im Zeitpunkt der Klagserhebung abgelaufen sein muß und daß der Fristablauf im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht genügt. Gegenüber den Rekursausführungen zu diesem Punkt ist auf die ständige Rechtsprechung und ihre Begründung für die bezeichnete Ansicht zu verweisen. Die abschließende Beurteilung der Voraussetzungen des erwähnten Satzes 4 der bezeichneten Gesetzesstelle ist aber aus den nachstehenden Erwägungen derzeit noch nicht möglich; die Mängelrüge des Rekurswerbers zu dieser Frage ist berechtigt. Nach § 22 (2) Satz 3 Fernmeldegesetz hat der Geschädigte zunächst die oberste Fernmeldebehörde zur Anerkennung des Ersatzanspruches aufzufordern. Diese Voraussetzung ist auf Seite des Klägers auch von der Berufungsinstanz bejaht worden. Nun bestimmt der folgende Satz 4 dieser Vorschrift, daß der Geschädigte den Ersatzanspruch durch Klage geltend machen kann, wenn ihm binnen sechs Monaten nach Einlangen dieser Aufforderung bei der obersten Fernmeldebehörde eine Erklärung über sein Begehren nicht zugekommen ist oder wenn innerhalb dieser Frist der Ersatz ganz oder zum Teil verweigert worden ist. Vorliegendenfalls hat die zweitbeklagte Partei im Prozeß Einwendungen gegen die Prozeßführung des Klägers nicht erhoben, es ist vielmehr unbestritten, daß dem Kläger 6000 S auf den Schadenersatzanspruch gezahlt worden sind. Das Berufungsgericht hat die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges vonAmts wegen erörtert; zufolge der von ihm angeordneten Erhebungen ist der Klagevertreter vom Erstgericht bloß aufgefordert worden, eine Durchschrift oder Abschrift der schon in der Klage bezeichneten Aufforderung an die Zweitbeklagte zur Schadensliquidierung vorzulegen. Aus der Vorlage dieser Urkunde hat das Berufungsgericht die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges entschieden, ohne dem Kläger und Berufungswerber und den Parteien überhaupt Gelegenheit zu geben, in mündlicher Verhandlung dazu Stellung zu nehmen. Im Rekurs macht der Kläger Umstände geltend, die - wären sie richtig eventuell eine Verweigerung des Ersatzes durch die zweitbeklagte Partei vor Klagserhebung bedeuten könnten. Die dritte Instanz kann darüber nicht abschließend entscheiden; denn über Echtheit und Richtigkeit der maßgeblichen Urkunden ergibt sich aus dem bisherigen Verfahren nichts. Die Anwendung des Satzes 4 des § 22 (2) Fernmeldegesetz setzt eine Erörterung mit den Parteien voraus; unter diese Gesichtspunkt muß die Mängelrüge des Rekurswerbers Erfolg haben, zumal die Finanzprokuratur als Vertreterin der zweitbeklagten Partei durch Unterlassung der Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges zu erkennen gegeben hat, daß die Einhaltung der Voraussetzungen für die Klageführung bejaht werde. Bei den Umständen dieses Falles durfte die Berufungsinstanz die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges in bezug auf die zweitbeklagte Partei nur nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung abschließend beantworten. In diesem Sinne ist der Rekurs der klagenden Partei hinsichtlich der zweitbeklagten Partei gerechtfertigt. Die Berufungsinstanz wird zunächst die Voraussetzungen der Zulässigkeit des Rechtsweges hinsichtlich der zweitbeklagten Partei gemäß den bezogenen Vorschriften zu erörtern haben; unter Umständen wird über die Berufung des Klägers in bezug auf die zweitbeklagte Partei meritorisch zu entscheiden sein.

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