OGH 4Ob312/65

OGH4Ob312/6518.2.1965

SZ 38/29

Normen

PatG §9
PatG §52
PatG §95
PatG §9
PatG §52
PatG §95

 

Spruch:

In einem Patenteingriffsverfahren (§ 95 PatG.) kann die Zeichnung und die Patentbeschreibung (§ 52 PatG.) bei Feststellung des Schutzumfanges angemessen berücksichtigt werden

Entscheidung vom 18. Februar 1965, 4 Ob 312/65

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien

Text

Die Kläger sind auf Grund des Kaufvertrages vom 10. Oktober 1962 bzw. der Übertragungsurkunde vom 22. November 1962 Inhaber des von Heinz A. in Deutschland erworbenen Patentes laut der österreichischen Patentschrift Nr. 222.858 mit folgenden Patentansprüchen: 1. Vorrichtung zum Austrocknen und Trockenhalten von Mauerwerk, bestehend aus einem mit Durchbrechungen versehenen Entfeuchtungsrohr zum Einsetzen in Sackbohrungen des Mauerwerkes, dadurch gekennzeichnet, daß das Entfeuchtungsrohr gitterartig mit weiten Öffnungen zwischen schmalen Gitterrippen versehen ist; 2. Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das gitterartige Entfeuchtungsrohr aus mehreren aufeinandersteckbaren Teilen besteht; 3. Vorrichtung nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß die gitterartigen Rohrteile an einem Ende mit einem erweiterten Bund versehen sind.

Die beklagte Partei betreibt u. a. auch das Gewerbe der Mauertrockenlegung und verwendet hiezu Entfeuchtungsrohre aus Kunststoff, die mehrere Reihen schraubenlinienförmig verlaufender Durchbrechungen zwischen den Längsstegen besitzen. Diese Entfeuchtungsrohre können auch aus mehreren ineinandergesteckten Stücken bestehen.

Die Kläger behaupten, daß die beklagte Partei durch Verwendung von Entfeuchtungsrohren in ihre Patentrechte eingreife, und beantragen die Fällung des nachstehenden Urteiles:

"Die beklagte Partei ist schuldig,

1. die Rechte der klagenden Parteien aus dem österreichischen Patent Nr. 222.858 anzuerkennen;

2. die betriebsmäßige Feilhaltung, die betriebsmäßige Inverkehrsetzung und die betriebsmäßige Verwendung von Vorrichtungen zum Austrocknen und Trockenhalten von Mauerwerk zu unterlassen, und zwar von derartigen Vorrichtungen, welche aus einem mit Durchbrechungen versehenen Entfeuchtungsrohr zum Einsetzen in Sackbohrungen des Mauerwerkes bestehen, bei welchen überdies das Entfeuchtungsrohr gitterartig mit weiten Öffnungen zwischen schmalen Gitterrippen versehen ist und/oder bei welchen weiter das gitterartige Entfeuchtungsrohr aus mehreren aufeinandersteckbaren Teilen besteht und/oder ferner, bei welchen der gitterartige Rohrteil an einem Ende mit einem erweiterten Bund versehen ist; 3. die unter Punkt 2 bezeichneten Eingriffsgegenstände zu beseitigen;

4. den klagenden Parteien einen Betrag von 50.000 S zu bezahlen; 5. den klagenden Parteien über die Inverkehrsetzung der unter Punkt 2 beschriebenen Vorrichtungen Rechnung zu legen; 6. den klagenden Parteien die Prozeßkosten zu bezahlen, all dies binnen 14 Tagen an die klagenden Parteien zur ungeteilten Hand bei sonstiger Exekution."

Die beklagte Partei hat eingewendet, daß dem Patentrecht der Kläger Vorpatente entgegenstunden und daß sie mit ihrem Entfeuchtungsrohr nicht in die Patentrechte der Kläger eingegriffen habe bzw. eingreife.

Das Erstgericht hat nach Vernehmung des Sachverständigen Dipl.-Ing. Otto P. - dessen Gutachten es aber nur zum Teil folgte - das Klagebegehren abgewiesen, im wesentlichen mit der Begründung, daß von den von der beklagten Partei genannten Patenten nur das österreichische Patent Nr. 217.667 Priorität vor dem Patent der Kläger habe, für dieses aber nicht neuheitsschädlich sei, daß ferner die von der beklagten Partei verwendeten Entfeuchtungsrohre zwar auch gitterartige Öffnungen hätten, daß sie aber im Gegensatz zu dem patentrechtlich geschützten Entfeuchtungsrohr der klagenden Parteien keine weiten Öffnungen zwischen schmalen Gitterrippen aufwiesen.

Die Berufung der klagenden Parteien hatte teilweise Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Abweisung des Punktes 5 des Klagebegehrens mit Teilurteil bestätigt, im übrigen aber das Ersturteil aufgehoben und die Rechtssache im Umfang der Aufhebung zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes reichen die Feststellungen des Erstgerichtes nicht aus, um verläßlich sagen zu können, daß die in dem Rohr der beklagten Partei vorkommenden Öffnungen keine weiten seien, was nach Ansicht des Erstgerichtes der einzige ins Gewicht fallende Unterschied zwischen dem patentierten Rohr und dem Rohr der beklagten Partei sei. Das Berufungsgericht verweist auf die ausführlichen Darlegungen des Sachverständigen Dipl.-lng. P. und auf die vom Sachverständigen angestellten Berechnungen, die hier nicht wiederholt werden müssen. Das Erstgericht habe die vom Sachverständigen ermittelten Daten, aus denen er zur Annahme eines Eingriffes in das Patent der Kläger kam, nicht festgestellt, ohne aber darzulegen, weshalb es die für die rechtliche Beurteilung unerläßlichen Feststellungen unterließ. Was das Erstgericht hinsichtlich der Weite bei den beiden in Betracht kommenden Rohren auf Grund eigener Besichtigung feststellte und woraus es zu einer der Ansicht des Sachverständigen gegenteiligen Ansicht kam, sei gegenüber den von dem Sachverständigen ermittelten Daten unvergleichlich ungenauer, ja mehr oder minder kursorisch. Es sei dem Erstgericht unbenommen geblieben, zu einer anderen Rechtsansicht als der des Sachverständigen hinsichtlich der Frage zu gelangen, ob man auch die in den Rohren der beklagten Partei vorkommenden Unterbrechungen als weite Öffnungen zu bezeichnen habe. Voraussetzungen für eine verläßliche Beurteilung seien aber vollständige Feststellungen über die Ausmaße der in Betracht kommenden Rohre in der Art der vom Sachverständigen vorgenommenen Ermittlungen. Sollte sich nach den Feststellungen aber ergeben, daß der einzige Unterschied zwischen den beiden hier in Betracht kommenden Rohren darin bestehe, daß die Öffnungen im Rohr der beklagten Partei nur um ein weniges geringer seien als die Öffnungen im patentierten Rohr, dann läge ein Patenteingriff vor.

Die klagenden Parteien ließen die Abweisung des Punktes 5 des Klagebegehrens in Rechtskraft erwachsen.

Die beklagte Partei hingegen erhob gegen den Aufhebungsbeschluß Rekurs.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Wenn das Berufungsgericht aufgetragen hat, den Sachverhalt zu ergänzen und weitere Feststellungen zu treffen, weil nach seiner Ansicht der Sachverhalt in der von ihm dargestellten Richtung noch nicht genügend geklärt ist, so kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem nicht entgegentreten.

Was aber die im Aufhebungsbeschluß und im Rekurs angeschnittenen Rechtsfragen anlangt, so begeht nach § 95 lit. a PatG. derjenige einen Patenteingriff, der ohne Zustimmung des Patentinhabers betriebsmäßig den Gegenstand der geschützten Erfindung herstelle, in Verkehr bringt, feilhält oder gebraucht.

Rechtliche Beurteilung ist also die Frage, ob die von der beklagten Partei betriebsmäßig verwendeten Rohre Gegenstand der geschützten Erfindung sind. Dazu muß genau festgestellt werden - insofern ist dem Berufungsgericht zuzustimmen - wie diese Rohre beschaffen sind, weil nur dann beurteilt werden kann, ob sie unter die Patentansprüche der Kläger fallen.

Nach Anspruch 1 des Patentes Nr. 222.858 handelt es sich um ein Entfeuchtungsrohr, das dadurch gekennzeichnet ist, daß es gitterartig mit weiten Öffnungen zwischen schmalen Gitterrippen versehen ist. Daß auch das Entfeuchtungsrohr der Beklagten gitterartige Öffnungen hat, hat bereits das Erstgericht festgestellt; zu prüfen wird daher noch sein, ob es mit "weiten" Öffnungen zwischen "schmalen" Gitterrippen versehen ist. "Weit" und "schmal" sind relative Begriffe. Die Formulierung des Patentanspruches ist daher nicht sehr klar und bestimmt. Der Umfang des durch das Patent gewährten Schutzrechtes kann daher im vorliegenden Fall nicht aus dem Wortlaut des Patentanspruches allein abgeleitet werden, es muß deshalb auch die Zeichnung und die Beschreibung des Patentes angemessen berücksichtigt werden (Patentblatt 1905 S. 595).

Gerade aus Abs. 2 und 3 der Patentbeschreibung können Anhaltspunkte dafür gewonnen werden, was das Patent unter "weiten" Öffnungen zwischen "schmalen" Gitterrippen versteht; im Sinne dieser zwei Absätze der Patentbeschreibung wird durch Vergleich mit den von der beklagten Partei verwendeten Rohren zu prüfen sein, ob auch das Rohr der Beklagten "weite" Öffnungen zwischen "schmalen" Gitterrippen aufweist. Es wird insbesondere auch zu prüfen sein, ob sich die Maße der Öffnungen zwischen den patentgeschützten Rohren und den Rohren der Beklagten nicht nur so geringfügig unterscheiden, daß es sich nur um Konstruktionsvarianten von untergeordneter Bedeutung handelt, die einen Patenteingriff nicht ausschließen würden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte