OGH 1Ob187/74

OGH1Ob187/7419.2.1975

SZ 48/17

Normen

AHG §1
AHG §1

 

Spruch:

Unternimmt ein Heeresfahrer mit einem Heeresfahrzeug auf Grund eines Rahmenbefehls eines Vorgesetzten eine Fahrt zur militärischen Ausbildung, handelt er in Vollziehung der Gesetze, auch wenn die Einzelheiten der Durchführung der Fahrt der Bestimmung durch eine nicht dem Bundesheer angehörende Person, die auch einen Teil der Kosten zu tragen hatte, überlassen wurde. Die Republik Österreich bleibt auch Halterin des Fahrzeuges

OGH 19. Feber 1975, 1 Ob 187/74 (OLG Graz 4 R 24/74; LGZ Graz 6 Cg 28/73)

Text

Im Sommer 1971 nahm der Kläger, ein Student der Technischen Hochschule Graz, als Ferialpraktikant und Mitglied einer Vermessungsgruppe an Vermessungsarbeiten im Gebiet des A-Kogels im Gemeindegebiet A teil. Der Vermessungsgruppe war vom Bundesheer ein geländegängiger Puch-Haflinger, BH 62.679, zur Verfügung gestellt und als Fahrer der Korporal des Bundesheeres Gottfried J abgestellt worden.

Am 3. September 1971 fuhr Gottfried J mit dem Fahrzeug auf dem L-Weg über die S-Alm in Richtung A-Kogel. Auf der S-Alm kam Gottfried J mit seinem Fahrzeug plötzlich vom L-Weg ab und stürzte über einen stark abfallenden Steilhang ungefähr 120 Meter tief ab. Der im Fahrzeug mitfahrende Kläger wurde hiebei schwerstens verletzt. Gottfried J wurde wegen dieses Unfalles strafgerichtlich rechtskräftig verurteilt.

Gestützt auf die Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes und jene des Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetzes macht der Kläger gegen die Republik Österreich Schadenersatzansprüche geltend. Außer einem Leistungsbegehren auf Zahlung von 258.130 S samt Anhang stellt der Kläger auch das Begehren, der beklagten Partei gegenüber werde festgestellt, daß diese dem Kläger für den Ersatz sämtlicher Schäden, welche dieser als Folge des Unfalles erlitten habe und in Zukunft noch erleiden sollte, voll hafte.

Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, der Unfall, der sich durch Auffahren auf einen im unwegsamen Gelände befindlichen Stein ereignet habe, stelle sich als ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 9 EKHG dar. Lediglich aus Billigkeitserwägungen habe die beklagte Partei nach Klagszustellung den Sachschadenanspruch von 2783 S befriedigt. Schadenersatz wegen Körperschäden könne der Kläger nicht fordern, weil dieser als Ferialpraktikant der Technischen Hochschule Graz in einem Dienstverhältnis zur beklagten Partei gestanden sei. Zur Unfallszeit sei Hochschulprofessor Dipl.-Ing. Dr. Karl R von der Technischen Hochschule Graz Halter des zur Verfügung gestellten Heeresfahrzeuges gewesen.

Das Erstgericht, das das Verfahren auf den Grund des Anspruches eingeschränkt hatte, wies das Klagebegehren mit Endurteil ab, ohne die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges zu erörtern und ohne Bedachtnahme darauf, daß die beklagte Partei einen Betrag von 2783 S als nicht mehr strittig erklärt hatte. Die Fahrt, bei der sich der Unfall ereignet habe, sei nicht in Vollziehung der Hoheitsverwaltung durchgeführt worden, die beklagte Partei sei zum Unfallszeitpunkt auch nicht Halter des Heeresfahrzeuges gewesen. Die Haltereigenschaft sei vielmehr in der Zeit vom 25. August 1971 bis zum Unfallszeitpunkt am 3. September 1971 auf die Technische Hochschule Graz, II. Lehrkanzel für Geodäsie, übergegangen.

Das Berufungsgericht wies, soweit der Kläger, gestützt auf das Amtshaftungsgesetz, über einen Betrag von 120.000 S samt Anhang hinaus einen weiteren Schmerzengeldbetrag von 30.000 S samt Anhang, ferner, über einen Sachschadensbetrag von 2783 S hinaus, einen weiteren Sachschadensbetrag von 5347 S samt Anhang und schließlich 4% Zinsen aus 2783 S seit 19. Oktober 1971 geltend machte, die Klage rechtskräftig unter gleichzeitiger Nichtigerklärung des bisherigen Verfahrens in diesem Umfang zurück. Es erklärte mit Teilurteil die beklagte Partei - ebenfalls rechtskräftig - für schuldig, dem Kläger einen Teilbetrag von 2783 S zu bezahlen. Im übrigen, soweit der Kläger also, gestützt auf das Amtshaftungsgesetz und das Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz, einen Schmerzengeldbetrag von 120.000 S sowie einen Verunstaltungsschaden von 100.000 S, jeweils samt 4% Zinsen seit 19. Oktober 1971, geltend macht und die Feststellung der Haftung für alle zukünftigen Schäden begehrt, ferner soweit der Kläger, gestützt auf das Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz, einen weiteren Schmerzengeldbetrag von 30.000 S samt 4% Zinsen seit 19. Oktober 1971, einen weiteren Sachschadensbetrag von 5347 S samt 4% Zinsen seit 19. Oktober 1971 und 4% Zinsen aus 2783 S seit 19. Oktober 1971 geltend macht, hob es das Ersturteil mit Beschluß unter Rechtskraftvorbehalt auf.

Das Berufungsgericht stellte nach Beweiswiederholung im wesentlichen fest: Professor Dr. Karl R sei Vorstand der Lehrkanzel für Geodäsie der Technischen Hochschule Graz. Er befasse sich unter anderem mit der Erforschung der Entfernungsmessung mit elektromagnetischen Wellen. Mittel für seine Forschungen könnten Professor Dr.

Karl R vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung in Form von außerordentlichen Dotationen zur Verfügung gestellt werden, er trete aber auch an andere Institutionen zur Beschaffung von Mitteln heran. Eine der Institutionen, die sich mit der Förderung von privaten Forschungsprojekten befasse, sei der auf Grund des § 2 Abs. 1 des Forschungsförderungsgesetzes, BGBl. 377/1967, errichtete Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, der eigene Rechtspersönlichkeit besitze. Nach den "Hinweisen für Antragsteller" werden ausschließlich Forschungsprojekte von Einzelpersonen oder von Forschergruppen, nicht aber von Instituten, Vereinen oder anderen Organisationen gefördert. Die Förderung könne in Form von Beiträgen oder von Darlehen für bestimmte Zwecke, so etwa für die Anschaffung von Apparaten und Instrumenten, Bezahlung von verbrauchten Materialien, Bezahlung von Mitarbeitern und Hilfskräften sowie von Beiträgen zu Reisekosten und Expeditionen, beantragt werden. Professor Dr. Karl R habe um die Förderung des Forschungsvorhabens "Untersuchungen mit Licht- und Mikrowellen-Meßverfahren" beim Fonds angesucht; sein Vorhaben sei vom Kuratorium des Fonds in seiner Sitzung vom 25. Jänner 1971 gemäß § 7 Abs. 3 lit. c des Forschungsförderungsgesetzes 1967 genehmigt worden. Die Forschungsmittel seien Professor Dr. Karl R ad personam zur Verfügung gestellt worden. Er sei verpflichtet gewesen, die Mittel gesondert zu vereinnahmen und nicht mit Mitteln des von ihm geleisteten Institutes zu vermengen. Professor Dr. Karl R habe auch tatsächlich die ihm vom Fonds zur Verfügung gestellten Mittel auf ein auf seinen Namen lautendes Konto bei der Steiermärkischen Raiffeisenbank in Graz überwiesen. Er sei jedoch bei Durchführung der vom Fonds dotierten Forschungen berechtigt gewesen, sowohl das Personal als auch die Geräte des Institutes für die Forschung einzusetzen. Dem verwendeten Personal seien aus Mitteln des Fonds nur Leistungen zu vergüten gewesen, die über die normale Dienstverpflichtung hinausgingen. Darüber hinaus seien aber auch institutsfremde Personen herangezogen und zur Gänze aus den Mitteln des Fonds bezahlt worden. Der Kläger sei kein Institutsangehöriger, sondern Student an der Technischen Hochschule Graz in einem höheren Semester und ausschließlich aus Fondsmitteln, nicht aber aus Mitteln des Institutes, entlohnt worden. Für die Ausgaben des Institutes und des Fonds seien getrennte Kassenbücher geführt worden. Alle beim Forschungsauftrag verwendeten Hilfskräfte, die nicht beim Institut beschäftigt gewesen seien, seien bei der Unfallversicherung und gegebenenfalls bei der Sozialversicherung angemeldet worden. Für den Kläger seien Beiträge für die Unfallversicherung - eine sonstige Sozialversicherungspflicht habe nicht bestanden - aus den Mitteln des Fonds bezahlt worden. Daß auf dem Einzahlungsbeleg als Einzahler mit Stampiglie "Technische Hochschule in Graz, Lehrkanzel für Geodäsie, Prof. Dr. Ing. K. R, Austria" aufgedruckt gewesen sei, habe seine Ursache darin gehabt, daß Professor Dr. Karl R nur einen deutschsprachigen Stempel besitze, der für alle Überweisungen und für den Schriftverkehr verwendet werde. Die Anmeldung des Klägers zur Unfallversicherung sei von diesem aber auf dem Original nur mit seinem Namen unterschrieben worden. Die Meßtruppe, die nach Bewilligung des Forschungsvorhabens durch den Fonds zusammengestellt worden sei, sei unter der Leitung von Dipl.-Ing. Herbert L gestanden; der Kläger habe mitgearbeitet. Die Ergebnisse des Forschungsvorhabens hätten insofern für die Zwecke der Landesverteidigung Bedeutung gehabt, als durch die entwickelten Methoden entfernte Ziele genauer erfaßt werden könnten. Professor Dr. Karl R habe bereits vor diesem Forschungsprojekt auf diesem Gebiet gearbeitet und Ergebnisse Organen des Bundesheeres vorgeführt. Professor Dr. Karl R habe sich vor Beginn des in Rede stehenden Forschungsvorhabens mit Schreiben vom 19. April 1971, auf welchem links oben "Technische Hochschule in Graz, Lehrkanzel für Geodäsie, o. Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Karl R" aufgedruckt gewesen sei, an den Bundesminister für Landesverteidigung gewendet. Er habe an den Bundesminister die Bitte gerichtet, seine wissenschaftlichen Versuche, "welche auch für Zwecke der Landesverteidigung von Bedeutung sein können", unter anderem dadurch zu unterstützen, daß ihm ein Puch-Haflinger für den Transport der Meßgeräte zu den jeweiligen Punkten des Testnetzes zur Verfügung gestellt werde. Der Bundesminister für Landesverteidigung habe am 27. April 1971 geantwortet, daß er dem Ersuchen auf Beistellung eines Puch-Haflingers gern entsprochen habe, vor allem deshalb, "weil die zu erwartenden Ergebnisse auch für die Belange der Landesverteidigung von Interesse sein werden". Unter einem habe er die zuständigen Stellen des Ministeriums angewiesen, mit Professor Dr. Karl R zwecks Absprache der näheren Einzelheiten Verbindung aufzunehmen. Am 14. Mai 1971 habe das Bundesministerium für Landesverteidigung an die Technische Hochschule Graz, Lehrkanzel für Geodäsie, in Beantwortung des an den Bundesminister für Landesverteidigung gerichteten Schreibens vom 19. April 1971 eine Mitteilung an die "Lehrkanzel" gerichtet, daß dem Ersuchen um Beistellung eines Puch-Haflingers für Gerätetransporte anläßlich der im Herbst 1971 geplanten Entfernungsmessungen mit Mikrowellen- und Laserlicht im Rahmen der Ausbildung unter bestimmten - im vorliegenden Fall nicht näher interessierenden - Bedingungen entsprochen werde. In einem internen Schreiben des Bundesministeriums für Landesverteidigung an das Gruppenkommando II in Graz sei mitgeteilt worden, daß die Technische Hochschule Graz, o. Prof. Dipl.-Ing. Dr. R, im Herbst dieses Jahres Entfernungsmessungen mit Mikrowellen- und Laserlicht in der Steiermark durchführe und unter anderem um Beistellung eines Puch-Haflingers gebeten und das Gruppenkommando II einen Puch-Haflinger mit Fahrer gegen Benzinersatz zur Verfügung zu stellen habe. In einem weiteren Schreiben an das Gruppenkommando II vom 15. Juni 1971 heiße es unter anderem, daß auf Grund eines Antrages des Inhabers der Lehrkanzel für Geodäsie der Technischen Hochschule Graz, Professor Dr. Karl R, der Bundesminister die Beistellung eines Puch-Haflingers für den Einsatz zu Meßaufgaben im August und September 1971 angeordnet und den Auftrag erteilt habe, die Unterstützungsleistung des Bundesheeres unter dem Motto "Bundesheer im Dienste der Forschung" auszuwerten. Es werde daher das Gruppenkommando II gebeten, den zuständigen Presseoffizier zu beauftragen, mit Professor Dr. Karl R zur Feststellung näherer Einzelheiten Verbindung aufzunehmen und geeignet erscheinende publizistische Maßnahmen zu treffen. Das Gruppenkommando II habe am 28. Juni 1971 die 5. Jägerbrigade mit der Abstellung des Puch-Haflingers beauftragt. Weiter sei angeordnet worden, daß, weil die Messungen in schwierigem Gelände vorgenommen werden, das Kraftfahrzeug mit einem im Geländefahren versierten Kraftfahrer zu besetzen und ab 23. August abrufbereit zu halten sei. Zur Kostenabrechnung sei auf einen einschlägigen Erlaß verwiesen und überdies festgehalten worden, daß der Kraftstoff vom Antragsteller in natura beizuschaffen und von diesem auch die Kosten für die Verpflegung und Unterbringung des Kraftfahrers zu tragen seien. Für die Dauer des befohlenen Einsatzes sei der beigestellte Fahrer Korporal Gottfried J weiterhin Angehöriger des Bundesheeres gewesen. Er habe einen Sold bezogen und Verpflegungsgeld für auswärtige Einsätze bekommen. Die Zeit der Abstellung sei ihm als Dienstleistung angerechnet worden. Neben den Einsätzen des Bundesheeres nach § 2 lit. a, b und c WehrG könnten Teile des Bundesheeres auch von privaten Antragstellern angefordert werden und Ansuchen oder Anträge um Hilfeleistung stellen. Einsätze würden als solche "im Rahmen der Ausbildung" bezeichnet; Anträge würden auch darauf geprüft, ob ihre Erfüllung einen Nutzen für die Ausbildung bedeute. Im Fahrtenbuch sei am 25. Mai 1971 als Zweck der Fahrt "Abstellung für TH", am 26. und 29. August sowie am 1. Feber und 3. September 1971 "Vermessung für TH" eingetragen. Bei Korporal Gottfried J habe es sich nicht um eine Dienstzuteilung, sondern um eine Abstellung gehandelt. Die vorgesetzte Behörde hat auf den "abgestellten Soldaten" insofern Einfluß, als er erforderlichenfalls zurückberufen werden könne. Sie hätte damit auch Gottfried J zurückberufen können, wenn er während der Zeit des Einsatzes beispielsweise zu einem Kurs einberufen worden wäre; es wäre dann ein anderer Soldat abgestellt worden. Auch ein abgestellter Soldat unterstehe der militärischen Befehlsgewalt. Für Gottfried J seien während des Einsatzes die Nächtigungs- und Verpflegungskosten sowie die Treibstoffkosten aus Mitteln des Fonds bezahlt worden. Er habe aber seinen Sold weiterbekommen und auch eine Nebengebühr von 87 S täglich erhalten. Ihm sei von seinen militärischen Vorgesetzten gesagt worden, daß er der "Technischen Hochschule" unterstellt sei und die Weisungen von Professor Dr. Karl R befolgen müsse. Später habe ihm dann Dipl.-Ing. Herbert L die Einsatzfahrten bekanntgegeben. Wegen der Art der Fahrten sei ein täglicher Fahrbefehl seitens des Militärkommandos nicht möglich gewesen, weil die Teilnehmer des Meßtrupps jeweils nicht genau gewußt hätten, wo die Messungen durchgeführt werden. Gottfried J habe jedoch einen Rahmenbefehl für eine bestimmte Zeit und ein bestimmtes Gebiet von seiner vorgesetzten Dienststelle bekommen. Eine Versicherung für das Fahrzeug oder eine Steuer sei aus Fondsgeldern nicht bezahlt worden. Eine Garagierung des Fahrzeuges habe unterwegs nicht stattgefunden, Reparaturen seien keine angefallen.

Aus diesem Sachverhalt schloß das Berufungsgericht rechtlich, daß der Kläger nicht Dienstnehmer der beklagten Partei gewesen sei. Das vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung bewilligte Forschungsvorhaben sei ein privates Forschungsvorhaben Dris. Karl R gewesen, zumal nach den Richtlinien die Gewährung von derartigen Dotationen an Institute gar nicht in Betracht komme. Die Mittel zur Durchführung des Vorhabens seien daher Professor Dr. Karl R ad Personam bewilligt worden. Der Kläger sei in keiner rechtlichen Beziehung zur beklagten Partei gestanden. Die Entlohnung des Klägers sei ausschließlich aus Fondsmitteln erfolgt, er sei von Professor Dr. Karl R richtig mit der Unterschrift "R" bei der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt angemeldet worden, auch wenn dort offenbar wegen Verwendung der Stampiglie bei der Einzahlung der Unfallversicherungsbeiträge die irrige Meinung entstanden sei, daß die Technische Hochschule Graz und damit die beklagte Partei Dienstgeberin des Klägers gewesen sei. Nur zwischen Professor Dr. Karl R und dem Kläger sei ein Dienstvertrag zustande gekommen. Damit scheide der Haupteinwand der beklagten Partei über den Haftungsausschluß nach § 333 Abs. 1 ASVG aus. Da feststehe, daß Gottfried J zum Unfallszeitpunkt Angehöriger des Bundesheeres gewesen sei und als solcher mit dem am Unfall beteiligten Heereskraftwagen Dienst versehen habe und nicht hervorgekommen sei, daß er das Fahrzeug widerrechtlich ohne Wissen und Willen seines Dienstvorgesetzten oder außerhalb seines Rahmenbefehles gelenkt hätte, müsse davon ausgegangen werden, daß er das Fahrzeug in Ausübung eines Dienstbefehles gelenkt, d. h. eine Dienstfahrt unternommen habe. Die Tätigkeit sei aber auch in Vollziehung der Gesetze erfolgt. Es biete sich das Bild eines vom Bundesminister für Landesverteidigung persönlich angeordneten Einsatzes zur Hilfeleistung bei einem Forschungsvorhaben dar, das einerseits aus Gründen der Landesverteidigung für das Bundesheer von Interesse gewesen sei und andererseits als Übungsfahrt zur Erprobung von Gerät und Mannschaft gedient habe. Daß bei dieser Übungsfahrt Dipl.-Ing. Herbert L dem Korporal Gottfried J - allerdings nur im Rahmen des Einsatzbefehles - Weisungen erteilen habe können, ändere an dem Charakter dieser Übungsfahrt nichts. Der Einsatz des Gottfried J weise einen hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit hoheitlichen Aufgaben auf. Die Haltereigenschaft der beklagten Partei sei zu bejahen. Es dürfe nicht übersehen werden, daß sich Korporal Gottfried J zum Zeitpunkt des Unfalles auf einem vom Bundesminister für Landesverteidigung angeordneten Einsatz, wenn auch zur Durchführung eines privaten Forschungsvorhabens, befunden habe; es hätten besondere Kriterien vorhanden sein müssen, wenn die Haltereigenschaft an dem Einsatzfahrzeug des Bundesheeres auf eine andere Person übergegangen wäre. Bestenfalls könnte eine Mithalterschaft des Professors Dr. Karl R angenommen werden, ohne daß damit aber die beklagte Partei zum Zeitpunkt des Unfalles die Haltereigenschaft verloren hätte.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs, der von der beklagten Partei gegen den Aufhebungsbeschluß erhoben wurde, nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Entscheidung der gegenständlichen Rechtssache hängt, wie der Rekurs richtig darlegt, von der auf Grund der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen vorzunehmenden Lösung der Rechtsfragen ab, ob sich der Kläger im Zeitpunkt des Unfalles in einem Dienstverhältnis zur beklagten Partei befand, ob Gottfried J damals in Vollziehung der Gesetze gemäß § 1 AHG tätig war und ob die beklagte Partei damals Halterin des von ihm gelenkten Unfallsfahrzeuges war.

Nach § 333 Abs. 1 ASVG ist der Dienstgeber dem Versicherten zum Ersatz des Schadens, der diesem durch eine Verletzung am Körper infolge eines Arbeitsunfalles entstanden ist, nur verpflichtet, wenn er den Arbeitsunfall vorsätzlich verursacht hat. Die Voraussetzung für eine Haftungsbefreiung der beklagten Partei, das Bestehen eines Dienstverhältnisses zwischen ihr und dem Kläger, wurde von den Vorinstanzen zutreffend verneint. Nach den Feststellungen wurden die Mittel zur Durchführung des Forschungsvorhabens, aus denen der Kläger bezahlt wurde, Professor Dr. Karl R persönlich durch den Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, der durch § 2 Abs. 1 des Gesetzes BGBl. 377/1967 errichtet worden war, zur Verfügung gestellt. Es kann daher kein Zweifel bestehen, daß der Kläger nicht in einem Dienstverhältnis zur beklagten Partei, sondern in einem solchen zu Professor Dr. Karl R stand. Daran ändert auch der Hinweis des Rekurses nichts, daß Professor Dr. Karl R als österreichischer Hochschulprofessor die gesetzliche Verpflichtung zur wissenschaftlichen Forschung treffe.

Nach § 4 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes BGBl. 377/1967 werden nämlich nur einzelne oder mehrere natürliche Personen durch den genannten Fonds als Träger von Privatrechten gefördert; das im gegenständlichen Fall bewilligte Forschungsvorhaben war daher, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, ein privates, jedenfalls waren aber Verträge, die Dr. Karl R auf Grund der Förderung mit anderen Personen abschließen konnte, privatrechtliche, im eigenen Namen geschlossene.

Unmaßgeblich muß auch sein, ob durch die Verwendung der Stampiglie der Technischen Hochschule Graz oder durch schriftliche oder mündliche Formulierungen bei Außenstehenden, etwa bei der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, der Eindruck entstehen konnte, daß es sich um ein Forschungsvorhaben der Technischen Hochschule Graz gehandelt habe und der Kläger in einem Dienstverhältnis zur Republik Österreich gestanden sei. Maßgebend kann allein das tatsächliche Rechtsverhältnis sein. Auch die Beiträge zur Unfallversicherung wurden jedenfalls nicht von der beklagten Partei, sondern aus Fondsgeldern bezahlt.

Die beklagte Partei kann sich auch nicht auf ein Vertrauen auf den äußeren Tatbestand berufen. Selbst wenn es richtig wäre, daß Dritte, die aus dem Verhalten des Professors Dr. Karl R Ansprüche gegen die beklagte Partei ableiten, sich auf ein Vertrauen auf einen von jenem gesetzten äußeren Tatbestand, der Kläger sei Dienstnehmer der beklagten Partei gewesen, berufen könnten, so kann dies doch niemals für die beklagte Partei gelten, als deren Organ Professor Dr. Karl R dann gerade gehandelt hätte.

Unrichtig ist auch der Hinweis des Rekurses, daß es für den Bereich des § 333 Abs. 1 ASVG auf das Vorliegen eines Dienstverhältnisses nicht ankomme. Bei der zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes Arb. 7839 hatte dieser das sogenannte Arbeitsleihverhältnis im Auge, als er aussprach, daß der nach § 333 Abs. 1 ASVG vor Ansprüchen geschützte Dienstgeber nicht unbedingt der eigene sein müsse. Der Kläger stand aber auch nicht in einem solchen Verhältnis zur beklagten Partei, sondern war im Zeitpunkt des Unfalles allein auf Grund seines Dienstverhältnisses zur Professor Dr. Karl R für diesen tätig. Der Oberste Gerichtshof hat im übrigen ausgesprochen, daß die gesetzlichen Ausnahmebestimmungen eher eng auszulegen sind, weil die durch einen Arbeitsunfall Geschädigten in der Geltendmachung ihrer Ansprüche über die vom Gesetz angeführten Fälle hinaus nicht behindert werden sollen (SZ 26/202). Die beklagte Partei hat auch keinen Anspruch, einem Dienstgeber gleichgestellt zu werden, erschöpfte sich ihre Beteiligung am Forschungsvorhaben des Professors Dr. Karl R doch darin, daß sie ein Fahrzeug samt Fahrer dem Genannten zur Verfügung gestellt hatte. Eine einem Dienstgeber auch nur ähnliche Stellung hatte sie nicht.

Der erkennende Senat pflichtet demnach der Rechtsansicht der Vorinstanzen, daß der Kläger in keinem Dienstverhältnis zur beklagten Partei stand, bei, so daß sie sich auf den Haftungsausschluß des § 333 Abs. 1 ASVG nicht berufen kann.

Nach § 1 AHG haften die Rechtsträger nur für den Schaden, den die als ihre Organe handelnden Personen "in Vollziehung der Gesetze" zugefügt haben. Daß tatsächliche Verrichtungen, insbesondere das Lenken von Kraftfahrzeugen, unter den Begriff "Handlungen in Vollziehung der Gesetze" fallen können, wurde stets anerkannt (ZVR 1965/46; SZ 33/92 u. v. a.; Loebenstein - Kaniak, Komm. z. AHG 49 und die weitere in ZVR 1965/46 zitierte Literatur). Unternimmt ein Angehöriger des Bundesheeres in Ausführung eines Dienstbefehles eine Dienstfahrt, stellt daher auch diese einen hoheitsrechtlichen Akt dar, den der Angehörige des Bundesheeres als Organ in Vollziehung der Gesetze ausführt (SZ 43/78; SZ 34/17 u. a.). Für die Anwendung der Sondernormen des Amtshaftungsgesetzes genügt es allerdings nicht immer, daß ein Soldat allein auf Grund eines Befehles eines Dienstvorgesetzten gehandelt hat. Er muß schon auch eine Tätigkeit in Vollziehung der Gesetze im Sinne des § 1 AHG entfaltet haben. Eine solche Tätigkeit ist, wie der Rekurs richtig hervorhebt, nur dann anzunehmen, wenn die Fahrt zumindest die unmittelbare Ausübung öffentlicher Gewalt vorbereitet oder sonst im Dienste der Erreichung der eigentlichen hoheitlichen Zielsetzung steht und einen hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit den hoheitlichen Aufgaben aufweist. Der Oberste Gerichtshof hat demnach auch die Notwendigkeit des Zusammenhanges der von einem Bundesheerangehörigen mit einem Heereskraftwagen im dienstlichen Auftrag unternommenen Fahrt mit einer hoheitlichen Aufgabe betont (JBl. 1973, 155 u. a.; vgl. auch SZ 43/78; ZVR 1965/20 und 46 u. a.).

Die hoheitlichen Aufgaben des Bundesheeres ergeben sich insbesondere auch Art. 79 Abs. 1 und 2 B-VG und § 2 Abs. 1 WehrG; danach ist das Bundesheer dazu bestimmt, die Grenzen der Republik und die Ordnung und Sicherheit im Inneren zu schützen und bei Elementarereignissen und Unglücksfällen außerordentlichen Umfanges Hilfe zu leisten. Die militärische Führung hat dabei im wesentlichen zwei Aufgaben: Die Leitung und Organisation des Einsatzes der bewaffneten Macht und die Vorbereitung auf einen derartigen Einsatz, das ist die militärische Ausbildung der Truppe (§ 35 Abs. 1 WehrG). Das Schwergewicht der militärischen Aufgaben liegt in der Zeit nicht unmittelbarer Bedrohung gerade in der Ausbildung des Heeres, während der die militärischen Vorgesetzten zu allen Maßnahmen, die geeignet sind, die militärische Schlagkraft und die Einsatzbereitschaft der Truppe zu erhöhen, verpflichtet sind (Pernthaler, Der Rechtsstaat und sein Heer, 84). Ausbildung sind dabei alle Maßnahmen, die dem Soldaten das zur Ausübung seines Dienstes erforderliche Wissen und Können vermitteln; sie hat so zu erfolgen, daß der Soldat seelisch und körperlich zu Erfüllung der ihm auferlegten Pflichten befähigt ist (§ 1 Abs. 2 der Allgemeinen Dienstvorschriften für das Bundesheer, ADV; BGBl. 193/1970 in der geltenden Fassung). Die Beherrschung eines Heereskraftfahrzeuges auch unter schwierigen Geländebedingungen gehört zweifellos zur immer wieder zu perfektionierenden Ausbildung eines Heereskraftfahrers. Es kann auch kein Zweifel bestehen, daß sich Gottfried J im Zeitpunkt des Unfalles im Dienst befand. Dienste sind aber nur Verrichtungen, die mittelbar oder unmittelbar der Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des Bundesheeres dienen (§ 1 Abs. 1 ADV); auch nur Befehle, die sich auf die Ausbildung oder einen zulässigen Einsatz beziehen, sind verbindlich (Pernthaler, 242).

Dem Berufungsgericht ist demnach darin beizupflichten, daß auch die Fahrten des Korporals Gottfried J mit dem Heeresfahrzeug, die der Erhaltung seines guten Ausbildungszustandes und der Erprobung des Materials dienten, der hoheitlichen Zielsetzung des Bundesheeres entsprachen und somit einen hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit den hoheitlichen Aufgaben des Bundesheeres aufwiesen. Wird eine Aufgabe durchgeführt, bei der Erwerbs- und Gewinnstreben des Rechtsträgers ausscheiden, ist auch eine Tätigkeit in der Regel der Hoheitsverwaltung zuzurechnen (SZ 43/10; SZ 41/2 u. a.). Ohne Bedeutung ist es dann aber, daß das Bundesministerium für Landesverteidigung in einer Pressemitteilung darauf hinwies, es sei im Dienste der Forschung tätig gewesen; es wäre auch zweifellos nicht berechtigt, Aufträge nur im Dienste der Forschung zu erteilen, läge der Einsatz nicht vorwiegend im Interesse des Bundesheeres. Die beklagte Partei hätte sich in anderem Zusammenhang wohl auch entschieden gegen eine Unterstellung zur Wehr gesetzt, sie setzte Heeresfahrzeuge und Bundesheerangehörige für andere Zwecke als zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben ein (vgl. das Rechtsgutachten Nr. 28 der Sozialwissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft "Die Verwendung des Bundesheeres zu verfassungswidrigen Zwecken", 7). Das Berufungsgericht nahm daher ohne Rechtsirrtum an, daß Gottfried J bei der Fahrt, bei der sich der Unfall ereignete, in Vollziehung der Gesetze handelte.

Da Teilansprüche des Klägers infolge teilweiser Unzulässigkeit des Rechtsweges nur mehr auf die Bestimmungen des Eisenbahn- und sKraftfahrzeughaftpflichtgesetzes gestützt werden können, hat das Gericht zweiter Instanz mit Recht auch die Frage geprüft, ob die beklagte Partei im Unfallszeitpunkt Halter des Heeresfahrzeuges war. Ein Rechtsträger kann neben der Haftung nach dem Amtshaftungsgesetz auch als Kraftfahrzeughalter nach den Bestimmungen des Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetzes in Anspruch genommen werden (SZ 43/10; SZ 38/183 u. a.). Gegen die kumulative Geltendmachung von Ansprüchen nach dem Amtshaftungsgesetz und dem Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz vor dem Amtshaftungssenat bestehen jedenfalls dann keine Bedenken, wenn die beklagte Partei nach beiden Gesetzen beim selben Gerichtshof in Anspruch genommen werden kann, was im vorliegenden Fall möglich war (§ 9 Abs. 1 AHG, § 86a JN; 1 Ob 246/72; Steininger in ZVR 1962, 230; vgl. auch Moser in ÖJZ 1963, 427; Ent in ZVR 1962, 369).

Der Oberste Gerichtshof tritt auch der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß die Republik Österreich im Zeitpunkt des Unfalles Halterin des Fahrzeuges war, bei. Grundsätzlich sind für die Beurteilung der Haltereigenschaft die wirtschaftlichen und tatsächlichen, nicht die rechtlichen Verhältnisse maßgebend. Danach sind vor allem die Verfügungsgewalt über das Fahrzeug und der Gebrauch des Fahrzeuges auf eigene Rechnung maßgebend (SZ 43/109 u. v. a.). Auf die Eigentumsverhältnisse kommt es hingegen zwar nicht entscheidend an, sie bilden aber in zweifelhaften Fällen doch einen wesentlichen Anhaltspunkt. Daß der Halter alle Kosten bestreitet, ist nicht erforderlich. Die Verfügungsgewalt, das heißt die rein tatsächliche Herrschaft über das Kraftfahrzeug, kann auch dadurch ausgeübt werden, daß dieses teils selbst benützt, teils einem anderen überlassen wird (ZVR 1971/127 u. a.). Die Haltereigenschaft der beklagten Partei zur Zeit des schädigenden Ereignisses kann demnach und vor allem bei Bedachtnahme darauf, daß auch damals hoheitliche Aufgaben erfüllt wurden, nicht bezweifelt werden. Die beklagte Partei hatte auch damals weiterhin zumindest die laufenden Instandhaltungskosten zu tragen und auch tatsächlich weitgehend die Verfügungsgewalt über das Fahrzeug behalten. Es sei in diesem Zusammenhang auf die Rekursausführungen verwiesen, wonach Professor Dr. Karl R das Fahrzeug nicht für private Zwecke, sondern nur für Vermessungszwecke verwenden durfte, also nur soweit, als seine Tätigkeit auch im Interesse des Bundesheeres lag. Es konnte zweifellos auch das Fahrzeug, z. B. bei einem Einsatz dringender Art, aber auch bei zweckwidriger Verwendung, jederzeit rückberufen; es verblieb damit in dessen Verfügungsgewalt. Das Bundesministerium für Landesverteidigung konnte zudem, wie schon erwähnt, den Einsatz des Heeresfahrzeuges nur damit rechtfertigen, daß es weiterhin den Aufgaben des Bundesheeres diente. Bei Erfüllung hoheitlicher Aufgaben die Haltereigenschaft der beklagten Partei zu verneinen, erscheint ausgeschlossen. Die für die Haltereigenschaft wesentlichen Merkmale sind bei der beklagten Partei vielmehr in einem solchen Maße gegeben, daß ihre Belastung für Betriebsunfälle dem Wesen der gesetzlichen Haftpflicht entspricht.

Das Berufungsgericht hat demnach mit Recht das erstgerichtliche Urteil im aufgezeigten Rahmen aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückverwiesen, das, von einer nicht zu billigenden Rechtsansicht ausgehend, Feststellungen über die Höhe der geltend gemachten Ansprüche nicht getroffen hatte.

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