OGH 1Ob292/67

OGH1Ob292/6710.1.1968

SZ 41/2

Normen

ABGB §1304
ABGB §1315
AHG §1 (1)
Bundes- Verfassungsgesetz Art10 (1)
Vorarlberger Jagdgesetz §67
ABGB §1304
ABGB §1315
AHG §1 (1)
Bundes- Verfassungsgesetz Art10 (1)
Vorarlberger Jagdgesetz §67

 

Spruch:

Fordert die Republik Österreich Ersatz des Schadens, den sie an ihrem den Zwecken der Hoheitsverwaltung dienenden Vermögen (Gendarmeriediensthund) erlitten hat, kann der beklagte Schädiger einwenden, daß der Schaden durch ein Organ der Klägerin mitverschuldet worden ist.

Nach § 69 Vorarlberger JagdG. genügt eine mündliche Erlaubnis zur Tötung wildernder Hunde nicht.

Entscheidung vom 10. Jänner 1968, 1 Ob 292/67.

I. Instanz: Bezirksgericht Bludenz; II. Instanz: Landesgericht Feldkirch.

Text

Die Republik Österreich begehrte mit der vorliegenden Klage vom Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes die Zahlung eines Betrages von 7000 S s. A. mit der Behauptung, daß dieser am 23. Februar 1965 in N. einen in ihrem Eigentum gestandenen, als Fährten- und Lawinensuchhund verwendeten Diensthund rechtswidrig getötet habe.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab und ging dabei von folgenden Feststellungen aus:

Der Beklagte sei seit dem Jahre 1963 Inhaber einer Jagdkarte und ebensolange Jagdbegleiter des Eugen M., der das Jagdgebiet N. gepachtet habe. Am 23. Februar 1965 habe der Jagdaufseher Engelbert F. den Beklagten mit seiner Vertretung im Revier N. beauftragt und ihm insbesondere nahegelegt, auf wildernde Hunde zu achten. Während des ihm aufgetragenen Revierganges habe der Beklagte, einige hundert Meter von einer Wohnsiedlung entfernt, auf einem Bringungsweg Blutspuren, die zu einem frisch gerissenen Reh führten, gefunden. Kurze Zeit später sei der Beklagte auch auf ein frisch gerissenes Rehkitz gestoßen. Auf dem Rückweg zur ersten Fundstelle habe er in einer Schottergrube einen zottigen Schäferhund laufen gesehen und unmittelbar darauf ein Reh klagen gehört. Auf seinem weiteren Reviergang habe der Beklagte von einer Geländeebene aus ein auf ihn zueilendes Reh, an dessen Spiegel der Schäferhund der Klägerin seinen Fang hatte, wahrgenommen. Der wildernde Hund, der nach Anruf von dem gejagten Reh abgelassen habe, sei vom Beklagten durch einen Schrotschuß getötet worden. Bei dem getöteten Schäferhund habe es sich um den Diensthund des Gendarmeriepostenkommandos B. gehandelt. Dieser Hund sei im Jahre 1959 von der Klägerin erworben, dem Rayonsinspektor Othmar B. des Gendarmeriepostens B. in Obsorge gegeben und nach einer entsprechenden Ausbildung und Abrichtung als Fährten- und Lawinensuchhund verwendet worden. Am Nachmittag des 23. Februars 1965 sei der damals am Beginn einer Läufigkeitsperiode stehende und einen Wert von 7000 S darstellende Schäferhund mit einer etwa 4 m langen Laufkette an einem zirka 10 bis 12 m langen und über dem Boden gespannten Litzenstahlseil angehängt und auf diese Weise in seiner Bewegungsfreiheit beschränkt gewesen. Dieses Litzenstahlseil sei an einer von Othmar B. nicht wahrgenommenen Stelle schadhaft gewesen, so daß es dem hitzigen Schäferhund möglich war, sich loszureißen und - die 4 m lange Laufkette nachschleifend - in das freie Gelände zu gelangen.

Bereits im Jahre 1964 habe der Jagdpächter Eugen M. dem Beklagten mündlich die Jagd auf Niederwild und den Abschuß wildernder Hunde im Jagdrevier N. erlaubt. Am 23. April 1965 - zeitlich also nach der Tötung des Schäferhundes der Klägerin - habe der Genannte dem Beklagten einen Jagderlaubnisschein folgenden Inhaltes ausgestellt:

"Hiemit berechtige ich Herrn Ernst F. in meinem Jagdgebiet N., die Jagd auf Niederwild in der Zeit vom 1. April 1964 bis 31. März 1969 auszuüben. Zugleich übertrage ich ihm die Befugnis, wildernde Hunde innerhalb der Grenzen, die das jeweils im Lande Vorarlberg geltende Jagdgesetz vorsieht, abzuschießen".

In rechtlicher Hinsicht würdigte das Erstgericht diese Feststellungen dahin, daß der Beklagte - gedeckt durch die Erlaubnis des Jagdpächters - zur Tötung des wildernden Hundes berechtigt gewesen sei und daß deshalb der Klägerin kein Schadenersatzanspruch zustehe.

Das Berufungsgericht übernahm die Beweiswürdigung und die darauf gegrundeten Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich, änderte jedoch aus nachstehenden rechtlichen Erwägungen das Ersturteil dahin ab, daß es der Klage stattgab: Nach der Regelung des § 69 (1) des Jagdgesetzes für das Land Vorarlberg vom 26. Mai 1948, LGBl. Nr. 5/1948, seien Eigenjagdbesitzer, Jagdpächter und Jagdaufseher befugt, Hunde, die sie abseits vom Hause des Besitzers oder abseits von Herden jagend antreffen und die wegen ihrer Geschwindigkeit das Wild ernstlich zu hetzen vermögen, zu töten. Diesem vom Gesetz bezeichneten Personenkreis gehöre der Beklagte nicht an. Nach dem letzten Satz der zitierten Gesetzesstelle stehe zwar das Recht, Hunde, die in der beschriebenen Weise angetroffen werden, zu töten, auch Jagdteilhabern, Jagdgästen und Abschußnehmern zu, jedoch nur unter der Voraussetzung, daß sie auf eine schriftliche Zustimmung des Jagdberechtigten bzw. des Jagdverwalters (§ 59 (5) leg. cit.) verweisen können. Es handle sich hiebei, wie auch aus der Überschrift zum III. Hauptstück des Jagdgesetzes für das Land Vorarlberg hervorgehe, um jagdpolizeiliche, durch private Parteienvereinbarungen nicht unabdingbare Bestimmungen. Werde dies berücksichtigt, dann zeige sich, daß die vom Gesetz geforderte schriftliche Zustimmung des Jagdberechtigten bzw. des Jagdverwalters zur Tötung wildernder Hunde weder durch eine dem Beklagten mündlich erteilte Erlaubnis noch durch die von ihm nachträglich erlangte schriftliche Zustimmung des Jagdpächters ersetzt werden konnte. Der Beklagte habe mit der Tötung des Diensthundes der Klägerin eine durch die einschlägigen Bestimmungen nicht gedeckte jagdpolizeiliche Handlung gesetzt und hafte für den der Klägerin hiedurch zugefügten, nach den Urteilsfeststellungen 7000 S betragenden Vermögensschaden.

Zur Frage des vom Beklagten - hilfsweise - eingewendeten Mitverschuldens und der in diesem Zusammenhang geforderten Schadensteilung (§ 1304 ABGB.) führte das Berufungsgericht aus, daß die Klägerin Eigentümerin und Halterin des Hundes gewesen und in dieser Eigenschaft als Trägerin von Privatrechten in Erscheinung getreten sei. Nur dann, wenn sie die Verwahrung des Hundes einer untüchtigen oder wissentlich einer gefährlichen Person (§ 1315 ABGB.) anvertraut hätte, wäre diese Einwendung erfolgverheißend. Den Beweis dafür, daß der von der Klägerin bestellte, im Gendarmeriedienst stehende Hundeführer als eine derartige Person zu qualifizieren sei, habe der Beklagte nicht erbringen können. Da der Klägerin auch kein Überwachungsverschulden anzulasten sei, fehle es an den Voraussetzungen für die vom Beklagten angestrebte Schadensteilung.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten teilweise Folge und änderte das Urteil des Berufungsgerichtes dahin ab, daß es dem Klagebegehren zur Hälfte stattgab und es zur Hälfte abwies.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Tötung jagender Hunde ist als eine in den Rahmen der Jagdpolizei einzuordnende Tätigkeit anzusprechen (SZ. VIII 228, GlUNF. 4881), die nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers - abgesehen von einem hier nicht in Betracht kommenden Personenkreis - von Jagdteilhabern, Jagdgästen und Abschußnehmern nur mit schriftlicher Zustimmung des Jagdberechtigten oder des Jagdverwalters vorgenommen werden darf. Dem Beklagten fehlte es im Zeitpunkt der Abgabe des todbringenden Schrotschusses auf den Diensthund der Klägerin an einer derartigen schriftlichen Ermächtigung. Die vom Revisionswerber geforderte Anerkennung der mündlich erteilten Erlaubnis zu der beschriebenen Vorgangsweise bzw. die von ihm verlangte Anerkennung der nachträglich in Schriftform erwirkten Zustimmung würde nicht nur die vom Berufungsgericht befürchtete mißbräuchliche Ausübung jagdpolizeilicher Funktionen begünstigen, sie würde vor allem auch dem klaren Wortlaut des Jagdgesetzes widerstreiten. Da jede wissentliche Beschädigung fremden Eigentums grundsätzlich rechtswidrig und schuldhaft ist und der Beklagte das Vorliegen der Voraussetzungen des im § 69 (1) Vorarlberger JagdG. normierten Rechtfertigungsgrundes nicht zu beweisen vermochte, bejahte das Berufungsgericht zutreffend die Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz des von ihm verursachten Schadens.

Anders verhält es sich aber mit der vom Berufungsgericht eingehend erörterten und von ihm verneinten Frage des Mitverschuldens der Klägerin und der Möglichkeit, unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt im Rahmen des § 1304 ABGB. eine Teilung des eingetretenen Schadens vorzunehmen. Es ist zwar richtig, daß eine juristische Person nicht selbst handeln oder Delikte begehen kann und außerhalb der hier ausscheidenden Gehilfenhaftung (§ 1313a ABGB.) nur für unerlaubte Handlungen derjenigen Vertreter haftet, die unmittelbar durch die Verfassung zu ihrer Vertretung berufen sind, und daß eine solche Haftung für Personen nicht besteht, deren sich diese zur Besorgung der Angelegenheiten der juristischen Person bedienen (Klang[2] I/1 200 f.; SZ. X 312). Die juristische Person haftet sowohl für den Schaden, der dadurch entstanden ist, daß der Besorgungsgehilfe eine Schutznorm übertreten hat, als auch für jenen, der infolge eines Verschuldens des Besorgungsgehilfen entstanden ist, soweit nicht Sondervorschriften anzuwenden sind, nur im Rahmen des § 1315 ABGB. oder bei einem dem verfassungsmäßigen Organ der juristischen Person anzulastenden Überwachungsverschulden (RiZ. 1965 S. 28 f.). Das Berufungsgericht hat auch richtig erkannt, daß aus dem festgestellten einmaligen Fehlverhalten des erfahrenen Hundeführers, das in der ungenügenden Kontrolle der Tauglichkeit des für den hitzigen Schäferhund verwendeten Halteseiles zu erblicken ist, nicht auf eine die Haftung bzw. die Mithaftung der Klägerin begrundende Untüchtigkeit (§ 1315 ABGB.) dieses Besorgungsgehilfen geschlossen werden könnte und daß darüber hinaus die Verfahrensergebnisse die Annahme eines haftungsbegrundenden Überwachungsverschuldens der Klägerin verbieten.

Hingegen kann der Auffassung des Berufungsgerichtes, daß die Klägerin als Eigentümerin des zur Zeit des Vorfalles nicht eingesetzten Diensthundes lediglich als Trägerin von Privatrechten, also im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung in Erscheinung getreten sei, nicht beigetreten werden.

Die Unterscheidung der öffentlichen Verwaltung in eine Hoheits- und in eine Privatwirtschaftsverwaltung ist im Bundes-Verfassungsgesetz verankert. Nach Art. 17 (1) B.-VG. wird zwischen dem Bund und den Bundesländern als Trägern öffentlicher Gewalt einerseits und als Trägern von Privatrechten anderseits unterschieden. Ein Verwaltungsorgan wird auf dem Gebiete der Hoheitsverwaltung tätig, wenn es zur Erreichung der Verwaltungsziele Hoheitsakte setzt, auf dem Gebiete der Privatwirtschaftsverwaltung dagegen immer dann, wenn es sich zur Erreichung des angeführten Zieles der gleichen Mittel bedient, die die Rechtsordnung jedermann, also auch Privaten, zur Verfügung stellt. Die Frage, ob ein Verwaltungsakt der Hoheits- oder aber der Privatwirtschaftsverwaltung zuzuordnen ist, läßt sich jeweils nur nach den Umständen des Einzelfalles beurteilen (Melichar, Zur Problematik der Privatwirtschaftsverwaltung, JBl. 1956 S. 429). Bei ihrer Lösung kann als Leitsatz dienen, daß bei der Privatwirtschaftsverwaltung einer Gebietskörperschaft der Erwerbswille und das Bestreben, gewinnbringend zu arbeiten, maßgebliche Gesichtspunkte darstellen werden. Wird dies erkannt, dann zeigt sich, daß die Hoheitsverwaltung nicht nur solche Verwaltungstätigkeiten umfaßt, bei denen Hoheitsakte gesetzt werden, sondern auch alle jene Verwaltungstätigkeiten umschließt, bei denen Erwerbs- und Gewinnstreben als bestimmende Faktoren des Handels ausscheiden. Die deutsche Verwaltungsrechtslehre hat dafür den Begriff der schlichten Hoheitsverwaltung geprägt (W. Jellinek, Verwaltungsrecht[3], Berlin 1931, S. 21 ff.; Antoniolli, Allgemeines Verwaltungsrecht, Wien 1954, S. 11; Melichar a. a. O., S. 430). Bei der Lösung der Frage, ob eine bestimmte Verwaltungstätigkeit der Hoheits- oder der Privatwirtschaftsverwaltung zuzurechnen ist, kommt also der sichtbar in Erscheinung tretenden Zielsetzung der jeweiligen Verwaltungsmaßnahme besondere Bedeutung zu.

Nach dem Kompetenztatbestand des Art. 10 (1) Z. 7 B.-VG. ist die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit - abgesehen von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen - Sache des Bundes, der nach Art. 10 (1) Z. 14 B.-VG. auch für die Organisation und die Führung der Bundesgendarmerie zu sorgen hat. Der Ankauf des Hundes durch die Klägerin und dessen Übergabe an einen Beamten des Gendarmeriepostens B. zur Ausbildung und zur dienstlichen Verwendung als Fährten- und Lawinensuchhund stellt nun offenkundig keine privatwirtschaftlichen Interessen der Klägerin dienende Tätigkeit, vielmehr eine Verwaltungsmaßnahme technischer und organisatorischer Art dar, deren Zweckbestimmung es war, die der Klägerin nach den zitierten Kompetenzbestimmungen obliegenden hoheitlichen Aufgaben zu fördern. Die Haltung des Diensthundes erfolgte damit jedenfalls im Rahmen der Hoheitsverwaltung.

Damit erhält aber die ein Mitverschulden der Klägerin behauptende und auf deren Mithaftung für den eingetretenen Schaden im Rahmen des § 1304 ABGB. abzielende Einwendung des Beklagten im Hinblick auf die Sondervorschrift des § 1 (1) AHG. eine im Berufungsverfahren unerwogen gebliebene Rechtsgrundlage (vgl. EvBl. 1967 Nr. 232). Nach dieser Bestimmung haftet der Bund für Schäden, die aus Rechtsverletzungen seiner Organe - und Othmar B. befand sich bei der Verwahrung des Diensthundes der Klägerin in einer derartigen Organstellung - entstanden sind. Der als Schädiger in Anspruch genommene Beklagte ist daher berechtigt, in dem gegen ihn eingeleiteten Zivilverfahren das in der ungenügenden Kontrolle der Haltevorrichtung gelegene, dem Hund das Entkommen in den Wildbann ermöglichende (§ 69 (4) Vorarlberger JagdG.) und den eingetretenen Schaden mitverursachende schuldhafte Verhalten des Hundeführers einredeweise als Mitverschulden geltend zu machen.

Das Verhalten des Beklagten, dem immerhin zuzubilligen ist, daß er sich in einem - wenn auch unentschuldbaren - Irrtum über seine Berechtigung zur Tötung des wildernden Hundes befunden hat und der demzufolge nur fahrlässig gehandelt hat, wiegt ungefähr gleich schwer wie jenes des als Organ der Klägerin handelnden Gendarmeriebeamten Othmar B.; die Parteien haben daher im Sinne der Regelung des § 1304 ABGB. den eingetretenen und von den Vorinstanzen unangefochten mit 7000 S angenommenen Schaden zu gleichen Teilen zu tragen.

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