OGH 1Ob158/74

OGH1Ob158/747.10.1974

SZ 47/104

Normen

Allgemeine Bedingungen für die Haftpflichtversicherung Art7 I Abs9
Kundmachungspatent des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches Abs1
ABGB §7
ABGB §879
ABGB §1502
Allgemeine Bedingungen für die Haftpflichtversicherung Art7 I Abs9
Kundmachungspatent des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches Abs1
ABGB §7
ABGB §879
ABGB §1502

 

Spruch:

Das Gesetz anerkennt sittliche Grundsätze ("allgemeine Grundsätze der Gerechtigkeit": Abs. 1 KPzABGB), die so allgemein anerkannt sind, daß es zu ihrer Anwendung keiner besonderen Gesetzesbestimmungen bedarf; sie durchbrechen selbst die geschriebene Norm

Die Anwendung der Bestimmung des § 1502 ABGB, nach der auf die Einrede der Verjährung im vornhinein nicht verzichtet werden kann, findet dort ihre Grenze, wo sie mit den tragenden Grundsätzen des bürgerlichen Rechtes in Widerspruch gerät. Der Schuldner, der den Gläubiger sittenwidrig abgehalten hat, der Verjährung durch Klagserhebung vorzubeugen, darf sich auf die Verjährung nicht berufen

Der Versicherer kann namens des Versicherungsnehmers Dritten gegenüber nur solche Verpflichtungen übernehmen, die der Versicherer nach dem Innenverhältnis zum Versicherungsnehmer tatsächlich selbst zu tragen hat

OGH 7. Oktober 1974, 1 Ob 158/74 (OLG Wien 5 R 101/74; LGZ Wien 15 Cg 236/73)

Text

Der Kläger erlitt durch fahrlässiges Verhalten des Beklagten - dieser hatte sich spaßhalber auf den Kläger fallen lassen, als dieser in gebückter Haltung einen Gegenstand hinter einem Kasten hervorholen wollte - am 8. September 1966 einen doppelten Bruch des Unterarmes.

Am 8. Mai 1967 richtete der Klagevertreter an den Beklagten ein Schreiben, mit dem er Schadenersatzansprüche des Klagers von insgesamt 43.339.80 S geltend machte. Er führte aus, daß sich eine Pseudarthrose gebildet habe so daß u. a die Knochenenden mit einer Vierlochplatte zusammengeschraubt hätten werden müssen. Diese Knochenplatte müsse im Falle einer ordnungsgemäßen Heilung in etwa ein bis zwei Jahren wieder entfernt werden, wozu wieder eine Operation erforderlich sei. Der Kläger forderte den Beklagten auf, ausdrücklich anzuerkennen, daß jeder weitere aus dem Unfall vom 8. September 1966 entstandene Schaden zu ersetzen sei; insbesondere werde die erwähnte zweite Operation in absehbarer Zeit erforderlich sein.

Am 2. November 1967 richtete der Klagevertreter namens des Klägers unter Verwendung eines von der Haftpflichtversicherung des Beklagten A-Versicherungs-Aktiengesellschaft (in der Folge Versicherer) aufgelegten Formulares folgendes Schreiben an den Versicherer: Zur Bereinigung der schwebenden Angelegenheit schlage ich - schlagen wir - folgendes vor: Ich habe - wir haben - dadurch Schaden erlitten daß ich am 8. September 1966 verletzt wurde. Falls von Ihnen oder von dritter Seite an die unten angeführte Stelle insgesamt der Entschädigungsbetrag von 40.300 S, in Worten Schilling vierzigtausenddreihundert + 4000 S Kosten, gezahlt wird werden ich - wir - und meine - unsere - Rechtsnachfolger für alle Ansprüche, welcher Art und welchen Namens immer die uns aus obigem Anlaß entstanden sind oder in Zukunft entstehen sollten, Ihnen sowie jeder dritten physischen oder juristischen Person gegenüber vollkommen und endgültig befriedigt sein. Mit Bezahlung des genannten Betrages würden daher auch heute noch nicht bekannte erkennbare oder voraussehbare Schäden sowie die Anwaltspesen, die sich aus obigem Anlaß ergeben, abgegolten sein. Ausgenommen bleiben sämtliche Leistungen, die mit einer eventuellen Operation des Herrn Harald G (des Klagers) erwachsen. Die Bezahlung dieses Betrages hätte an Rechtsanwalt Dr Ernst B ..... zu erfolgen." Die handschriftlichen Ergänzungen wurden von der Schadensreferentin des Versicherers des Beklagten (Dr. Brigitte S) eingesetzt, insbesondere der zitierte vorletzte Satz. Das Angebot des Klägers wurde vom Versicherer angenommen, der am 3. November 1967 den vereinbarten Entschädigungsbetrag an den Kläger überwies.

Mit Schreiben vom 18. April 1973 gab der Klagevertreter dem Versicherer des Beklagten bekannt, da der Bruch nicht zusammengewachsen sei und die Knochenenden verknorpelten sei der Kläger seit August 1972 wieder in ärztlicher Behandlung gewesen und am 16. November 1972 wieder operiert worden; dabei habe die bei der ersten Operation eingesetzte Platte gewechselt werden müssen. Dem Klager sei ein weiterer Schaden von 64670.64 S entstanden, dessen Ersatz begehrt werde. Er machte darauf aufmerksam, daß bei der Regulierung dieses Schadenfalles abermals eine Einschränkung vorgenommen werden müsse, indem festgestellt werde daß die Anspruche aus der noch einmal vorzunehmenden Operation vorbehalten und damit vom Versicherer des Beklagten anerkannt werde, daß auch diese weiteren Anspruche zu befriedigen seien. Mit Schreiben vom 3. Mai 1973 teilte der Versicherer des Beklagten mit, daß er die Krankengeschichte angefordert habe; um die Angelegenheit einer Beschleunigung zuführen zu können, ersuche er schon jetzt um die Zustimmung, daß der Kläger durch einen von ihm genannten Arzt über die Schmerzperioden bzw. etwaigen Dauerfolgen untersucht werde; der Klagevertreter wurde auch um Bekanntgabe ersucht in welcher Höhe der Kläger von der Pflichtversicherung Leistungen erhalten habe. Mit weiterem Schreiben vom 21. Mai 1973 teilte der Versicherer des Beklagten dem Klagevertreter jedoch mit, den Anspruch wegen Verjährung ablehnen zu müssen.

Mit der vorliegenden am 6. Juni 1973 überreichten Klage begehrte der Kläger vom Beklagten nun die Bezahlung der 64670.64 S samt Anhang sowie die Feststellung, daß der Beklagte jeden weiteren aus dem Vorfall vom 8 September 1966 entstehenden Schaden dem Kläger zu ersetzen habe. Er habe die Anerkennung verlangt, daß jeder weitere aus dem Unfall entstehende Schaden zu ersetzten sein werde der Versicherer habe diesem Begehren dadurch Rechnung getragen, daß sämtliche Ansprüche, die mit einer eventuellen Operation im Zusammenhang stehen ausgenommen bleiben. Der Versicherer des Beklagten habe mit Schreiben vom 3. Mai 1973 den Anspruch des Klagers auch dem Gründe nachanerkannt.

Der Beklagte wendete Verjährung ein. Ein Verzicht auf die Verjährungseinrede sei nicht erfolgt, ebensowenig sei ein Anerkenntnis abgegeben worden. Darüber hinaus wirke selbst ein Anerkenntnis des Haftpflichtversicherers nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Aus der Aussage der Zeugin Dr. Brigitte S ergebe sich, daß durch den vorletzten Satz des vom Versicherer des Beklagten angenommenen Angebotes vom 2. November 1967 keineswegs auf die Verjährung verzichtet werden sollte. Der Versicherer sei offensichtlich als Bevollmächtigter des Beklagten bei Liquidierung des Schadens aufgetreten. Der Kläger habe keine Behauptung aufstellen können, daß der Beklagte selbst irgendwelche Erklärungen in dieser Sache abgegeben habe. In der Ausnahmeklausel sei auch nur eine Operation vorgesehen. Als die Operation nicht innerhalb von einem bis zwei Jahren durchzuführen gewesen sei, hätte der Kläger eine Feststellungsklage einbringen müssen. Ein Anerkenntnis könne im Schreiben des Versicherers vom 3. Mai 1973 nicht erblickt werden.

Das Berufungsgericht hob das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Der Haftpflichtversicherer und Bevollmächtigte des Beklagten habe die von ihm formulierte Abfindungserklärung des Klägers akzeptiert, wonach von der Abfindung sämtliche Leistungen ausgenommen bleiben, die mit einer eventuellen Operation des Klägers erwachsen. Die Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Versicherer des Beklagten könne überhaupt nur als Anerkenntnis dem Gründe nach hinsichtlich künftiger bestimmter Schadenersatzansprüche gewertet werden. Mit diesem Vorbehalt sollte offenbar eine Feststellungsklage vermieden werden. Jedenfalls habe der Kläger nach dem Verhalten des Haftpflichtversicherers den Eindruck gewinnen müssen, daß den seinerzeit geltend gemachten Schadenersatzansprüchen nicht mit der Einrede der Verjährung, sondern nur mit sachlichen Einreden begegnet werden werde. Daß der Kläger selbst in Aussicht gestellt habe, die erforderliche Operation werde bei ordnungsgemäßer Heilung in ein bis zwei Jahren erforderlich sein, vermöge nicht den Standpunkt zu rechtfertigen, daß bei später vorgenommener Operation der Klageweg zu beschreiten gewesen wäre, um Ansprüche aus der Operation zu sichern. Die nunmehr vom Beklagten erhobene Verjährungseinrede widerspreche im Hinblick auf das Verhalten seines Bevollmächtigten Treu und Glauben. Es gehe nicht an, Ansprüche ausdrücklich einer künftigen Regelung vorzubehalten und der Geltendmachung dieser Ansprüche sodann mit der Verjährungseinrede zu begegnen. Daß in der Abfindungserklärung lediglich Ansprüche vorbehalten worden seien, die aus einer eventuellen Operation erwachsen, stehe weiteren Ansprüchen nicht entgegen, da das Wort "eine" nicht als Zahlwort, sondern als unbestimmter Artikel Verwendung gefunden habe. Freilich werde im Hinblick auf den Wortlaut der Abfindungserklärung der Beklagte nur für jene weiteren Schäden zu haften haben, die sich als Folge neuer Operationen darstellen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Zunächst ist zu bemerken, daß im vorliegenden Fall niemals der Beklagte persönlich, sondern immer nur sein Haftpflichtversicherer in Erscheinung getreten bzw. tätig geworden ist. Das Berufungsgericht betrachtete ihn als Bevollmächtigten des Beklagten, für deren Handlungen er einstehen müsse und berief sich hiebei auf die Bestimmung des Art. 7 I Abs. 9 der Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung 1963 (AHVB). Das Berufungsgericht übersah hiebei aber, daß nach der herrschenden, der Lehre Wahles (VersR 1961, 528) folgenden Rechtsprechung die genannte Bestimmung der AHVB nicht bedeutet, daß der Haftpflichtversicherer berechtigt wäre, ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers zu dessen Lasten eine rechtsgeschäftliche Erklärung durch Vergleich oder Anerkenntnis abzugeben (SZ 34/6; vgl. auch JBl. 1969, 38; ZVR 1966/35; ZVR 1962/306). Diese Rechtsprechung will andererseits allerdings nur besagen, daß der Versicherer nicht berechtigt ist, für den Versicherungsnehmer Lasten zu übernehmen, die letztlich dieser zu tragen hätte. Er ist hingegen sehr wohl berechtigt, auch formell namens des Versicherungsnehmers Verpflichtungen zu übernehmen, die nach dem Innenverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer tatsächlich von jenem zu tragen sind. Das wurde im erwähnten Art. 7 I Abs. 9 AHVB dadurch zum Ausdruck gebracht, daß der Versicherer nur "im Rahmen seiner Entschädigungspflicht" bevollmächtigt ist, alle zur Beilegung oder Abwehr des Anspruches ihm zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen des Versicherungsnehmers abzugeben. Der Oberste Gerichtshof hat daher zwar die Auffassung abgelehnt, daß im Außenverhältnis eine von der Höhe der Versicherungssumme unabhängige Vollmacht des Versicherers anzunehmen sei, aber ausgesprochen, daß rechtsgeschäftliche Erklärungen des Versicherers Dritten gegenüber im Umfang der Deckung aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag als durch die Vollmacht gedeckt verbindlich abgegeben werden können (SZ 44/84; für den Art. 7 I Abs. 9 AHVB gelangt auch Strasser in JBl. 1969, 12 zu diesem Ergebnis). Dem Berufungsgericht kann also nur mit der Einschränkung beigepflichtet werden, daß der Beklagte über die Höhe der Versicherungssumme hinaus durch seinen Haftpflichtversicherer nicht verpflichtet werden konnte; da Feststellungen über die Höhe der Versicherungssumme fehlen, hätte also das Berufungsgericht nicht die Haftung des Beklagten auf Grund von Erklärungen seines Versicherers ohne Einschränkung bejahen dürfen.

Im übrigen ist zunächst dazu Stellung zu nehmen, ob etwa der Versicherer damit, daß er auf die Aufforderung des Klägers, den durch die Operation im Jahre 1972 entstandenen weiteren Schaden zu ersetzen, zunächst nicht Verjährung einwendete, sondern mit Schreiben vom 3. Mai 1973 mitteilte, er führe Erhebungen über die Höhe des Anspruches, die Forderung des Klägers dem Gründe nach anerkannte und damit schlüssig auf die Einwendung der Verjährung verzichtete. In seiner Entscheidung 3 Ob 485/59 führte der Oberste Gerichtshof aus, das Gesetz verbiete im § 1502 ABGB nicht den nachträglichen Verzicht auf die Einrede der Verjährung. Wenn die beklagte Partei nach Eintritt der Verjährung um eine Frist zur Stellungnahme zu der klägerischen Forderung mit der Begründung gebeten habe, erst in einem mühevollen Überprüfungsverfahren die Ansprüche des Klägers erfassen zu können, und wenn bedacht werde, daß die Fristerstreckung und deren Bewilligung von den beiderseitigen Rechtsanwälten betrieben worden sei, die auf eine etwa eingetretene Verjährung Rücksicht zu nehmen gehabt hätten, könne in dem bewilligten Fristgesuch nur der stillschweigende Verzicht auf die Verjährungseinrede erblickt werden. Der vorliegende Fall ist zweifellos dem genannten rechtsähnlich. Immerhin darf aber nicht übersehen werden, daß durch den Versicherer des Beklagten nur eine einzige, nicht von einem Rechtsanwalt vorgenommene Handlung, die als schlüssiger Verzicht auf die Verjährungseinrede ausgelegt werden könnte, erfolgte und bereits mit Schreiben vom 21. Mai 1973 die Verjährungseinrede erhoben wurde. Bei Annahme eines stillschweigenden Verzichtes ist, wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat (RZ 1972, 14;, EvBl. 1957/253 u. a.), besondere Zurückhaltung geboten, ebenso auch bei Beurteilung der Fage, ob eine Verpflichtung stillschweigend eingegangen wurde (JBl. 1955, 405). Rechtsfolgerungen in Richtung eines schlüssigen Anerkenntnisses zugunsten des Klägers können unter diesen Umständen aus dem Schreiben des Versicherers des Beklagten vom 3. Mai 1973 im Zweifel nicht gezogen werden, so daß auf die von den Untergerichten verschieden gelöste Frage der Verjährung des Anspruches des Klägers einzugehen ist.

Nach ständiger Rechtsprechung beginnt die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 Satz 1 ABGB für Schadenersatzansprüche zu laufen, wenn der Schaden an sich und die Person des Schädigers bekannt ist, ohne daß der Schaden in seinem ganzen Umfang bereits ziffernmäßig feststehen muß (SZ 44/164; MietSlg. 23.224; SZ 41/147; ZVR 1962/306 u. a.; Klang in seinem Komm.[2] Vl, 636; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I, 253). Ist das schädigende Ereignis und auch ein Schaden bereits eingetreten, ist die volle Höhe des Schadens aber noch nicht bekannt, muß der Kläger, um sich gegen eine später etwa erhobene Verjährungseinrede zu sichern, innerhalb der Verjährungsfrist zumindest die Feststellungsklage erheben, in der er mangels konkreter Kenntnis des zukünftigen Schadens auch allgemein auf die Möglichkeit weiterer Ansprüche hinweisen kann (SZ 44/164; Mietslg. 23.224; vgl. ZVR 1970/122; EvBl 1966/381 u. a.; vgl auch Koziol, 254). Nach Ablauf der Verjährungsfrist können hingegen erstmalige Ansprüche nur gestellt werden, wenn späterhin unvorhergesehene und unvorhersehbare Folgewirkungen auftraten (ZVR 1972/199; MietSlg. 23.224 u. a.) und auf die Geltendmachung solcher Ansprüche nicht verzichtet worden war. Wurde die Klage nicht rechtzeitig erhoben, steht dem Beklagten die Verjährungseinrede offen, auf die im vorhinein nicht verzichtet werden kann (§ 1502 ABGB).

Dem Berufungsgericht ist allerdings beizupflichten, daß nach herrschender Rechtsprechung dem Kläger gegen die Verjährungseinrede des Beklagten die Gegeneinrede der Arglist zu Gebote steht, wenn er vom Beklagten veranlaßt wurde, seine Forderung innerhalb der Verjährungsfrist nicht geltend zu machen; geht die Fristversäumnis auf ein Verhalten des Gegners zurück, verstößt die Verjährungseinrede gegen Treu und Glauben (EvBl. 1972/123; EvBl. 1971/20. JBl. 1969, 442; SZ 40/100 u. a.; vgl. auch EvBl. 1974/158). Diese im wesentlichen auch von der Rechtslehre (Ehrenzweig[2] I/1, 338; Gschnitzer, Allgemeiner Teil des burgerlichen Rechts 252; Klang[9] VI 604) vertretene Rechtsauffassung steht nur scheinbar mit der Bestimmung des § 1502 ABGB, nach der aus Gründen des öffentlichen Interesses und der Vermeidung von Beweisschwierigkeiten (vgl. Klang, 670; Gschnitzer, 242; Ehrenzweig, 296; Koziol - Welser, Grundriß des burgerlichen Rechts[3] I, 140) auf die Erhebung der Einrede der Verjährung im vorhinein nicht verzichtet werden kann, und der Rechtsprechung, daß nicht einmal ein konstitutives Anerkenntnis unverzichtbare Einwendungen abschneidet (SZ 42/2; JBl. 1961, 123), im Widerspruch. Die Verjährungsbestimmungen haben den Zweck, den Gläubiger zu zwingen, seinen Anspruch noch zu einer Zeit geltend zu machen, in der regelmäßig die Prüfung seiner Voraussetzungen noch ohne übermäßigen Aufwand möglich ist; zögerte der Berechtigte allzu lange mit der Verfolgung seines Anspruches, so muß er die Verjährung hinnehmen, wie bedenklich dieses Ergebnis im Einzelfall auch sein mag (Bydlinski in JBl. 1967, 133). Wäre es zulässig, auf die Verjährung im voraus zu verzichten, so würde dieser Verzicht alsbald zur herkömmlichen, gedankenlos gebilligten Urkundenklausel werden; deshalb gestattet das Gesetz nur den Verzicht auf die bereits eingetretene, also in ihrem vollen Wert erkennbare Verjährung (Ehrenzweig, 297). Das Gesetz will daher auch das Vertrauen des Gläubigers auf eine ausdrückliche Erklärung des Schuldners nicht schützen (Bydlinski, 131). Die oft harten Konsequenzen des § 1502 ABGB müssen aber dort ihre Grenze finden, wo sie mit den tragenden und damit bei der Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen immer zu berücksichtigenden Grundsätzen des bürgerlichen Rechtes in Widerspruch geraten. Das Gesetz anerkennt nämlich sittliche Grundsätze ("allgemeine Grundsatze der Gerechtigkeit": Abs. 1 des Kundmachungspatents des ABGB vom 1. Juni 1811, JGS Nr. 946), die so allgemein anerkannt sind, daß es zu ihrer Anwendung keiner besonderen Gesetzesbestimmungen bedarf ("natürliche Rechtsgrundsätze": § 7 ABGB, "gute Sitten": §§ 879, 1295 Abs. 2 ABGB; Bydlinski, 132). Es wird daher z. B. die Einrede der Arglist allgemein für zulässig erachtet; sie beruht auf dem natürlichen Rechtsgrundsatz, daß niemand durch Arglist Rechtsvorteile erlangen darf. Der listige Schuldner, der den Gläubiger abgehalten hat, der Verjährung durch Einklagung oder nachher durch gehörige Fortsetzung des Prozesses vorzubeugen, darf sich daher auf die Verjährung nicht berufen (EvBl. 1972/123; EvBl. 1956/36; Ehrenzweig, 338).

"Arglist", ein Begriff, der im Allgemeinen Burgerlichen Gesetzbuch im § 928 gebraucht wird, ist der "List" des § 870 ABGB gleichzusetzen (Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 110). Sie setzt voraus daß der Irreführende den Partner absichtlich oder doch bewußt durch unrichtige Vorspiegelungen zur Einwilligung in den Vertrag gebracht hat. Der Irreführende muß positive Kenntnis gehabt haben, daß der andere irrt und daß dieser Irrtum Einfluß auf seine Willensentschließung ausübt (JBl. 1971, 304; SZ 41/33 u. a.). Auch der an weniger strenge Voraussetzungen geknüpfte Begriff "Treu und Glauben", der der im § 914 ABGB erwähnten Übung des redlichen Verkehrs entspricht, beherrscht ganz allgemein das bürgerliche Recht; der rechtsgeschäftliche Verkehr darf nicht dazu mißbraucht werden, einen anderen hineinzulegen, sondern soll sich ehrlich abspielen. Im Verkehr darf es, soweit es irgend tunlich ist, keinen Anreiz zur arglistigen Täuschung geben, aber auch keinen Zwang zur Klage, die der Kläger mit Recht für höchst unzweckmäßig halten kann und nur zu einer zusätzlichen Belastung der Gerichte führt (Bydlinski in JBl. 1967, 132). Treu und Glauben durchbrechen daher selbst die geschriebene Norm (Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 407).

Das Verhältnis dieser Grundsätze zur Bestimmung des § 1502 ABGB stellte erst kürzlich die Entscheidung 8 Ob 39/74 klar. In dieser wurde ausgesprochen, daß die Bestimmung des § 1502 ABGB, wonach der Verjährung im voraus nicht wirksam entsagt werden kann, nicht bedeute, daß jede in dieser Richtung abgegebene Erklärung des Schuldners ohne Wirkung sei. Verhält sich der Schuldner so, daß der Gläubiger mit Recht annehmen darf, der Schuldner werde sich im Falle einer Klageführung nach Ablauf der Verjährungsfrist auf sachliche Einwendungen beschränken und die Einrede der Verjährung nicht erheben, dann kann der Gläubiger der vom Schuldner dann doch erhobenen Verjährungseinrede die Replik der Arglist, des Handelns wider Treu und Glauben entgegensetzen. Ein Verzicht auf die Verjährungseinrede, der den Kläger zwecks Ersparung der Kosten eines der Verjährung vorbeugenden Feststellungsprozesses von der Klage abhalten sollte, ist geeignet, die Replik der Arglist gegenüber der Verjährungseinrede zu begrunden. Die Bestimmung des § 1502 ABGB bedeutet nur, daß der Schuldner jederzeit den Verzicht auf die Einrede der Verjährung zurückziehen kann, was zur Folge hat, daß der Gläubiger nun nicht mehr weiter das Verhalten des Schuldners dahin auszulegen berechtigt ist, dieser werde sich im Falle einer späteren Prozeßführung auf sachliche Einwendungen beschränken und die Verjährungseinrede nicht erheben. Erfolgt die Rücknahme des Verzichtes nach Ablauf der Verjährungszeit, muß dann der Gläubiger, um die Verjährungseinrede mit Erfolg abzuwenden, innerhalb einer angemessenen Frist eine Verjährungsunterbrechung, etwa durch Klageerhebung, veranlassen, da er nun nicht mehr weiter darauf vertrauen darf, er brauche im Falle einer späteren Klageführung mit einer Verjährungseinrede nicht rechnen.

Entscheidend für den vorliegenden Rechtsstreit ist es, ob sich der Versicherer des Beklagten im Rahmen seiner Bevollmächtigung durch den Beklagten so verhalten hat, daß der Kläger mit Recht annehmen durfte, der Beklagte werde die Verjährungseinrede nicht erheben. Da der Kläger nicht einmal behauptet hatte, daß mündliche Verhandlungen zwischen ihm bzw. seinem Vertreter und dem Versicherer des Beklagten stattgefunden hätten, seine Berufung in der Klage auf Parteienvernehmung also sich nicht auf die nunmehr entscheidende Frage beziehen kann, aber nach den Feststellungen des Erstgerichtes ("sollte") auch die vom Beklagten geführte Zeugin Dr. Brigitte S nichts Wesentliches hiezu beitragen, sondern auch nur eine Meinung zur Auslegung des Schreibens vom 2. November 1967 äußern konnte, kommt es hiebei lediglich auf die Auslegung der echten, in ihrem Wortlaut feststehenden Urkunde vom 2. November 1967, die sodann in das Gebiet der rechtlichen Beurteilung gehört (JBl. 1972, 200; EvBl. 1967/152; EvBl. 1959/184; SZ 26/49 u. a.), an. Dem Berufungsgericht ist dahin beizupflichten, daß die vom Versicherer des Beklagten akzeptierte Ausnehmung von Ansprüchen, die dem Kläger "mit einer eventuellen Operation" erwachsen könnten, vom Kläger nur dahin verstanden werden konnte, der Versicherer werde solche Ansprüche - ein Mitverschulden des Klägers stand überhaupt nicht zur Debatte - im Rahmen der Versicherungssumme ohne Rücksicht auf den Ablauf der Verjährungszeit dem Gründe nach anerkennen und der Höhe nach im angemessenen Ausmaß befriedigen. Anders konnten es beide Teile nicht verstanden haben, hatte der Kläger doch keinen Grund oder Anlaß, auf irgendeinen Anspruch zu verzichten,während der Gegenseite die Kosten eines Feststellungsprozesses erspart werden konnten. Der Oberste Gerichtshof hat bereits den ebenfalls in einem Abfindungsvorschlag enthaltenen Passus: "Vorbehalten bleiben Ansprüche für eventuelle zukünftige unfallskausale Einbußen aus Dienstbezügen und angemessene unfallskausale Heilungskosten ..." als Anerkenntnis künftiger, nach Art und Ausmaß fixierter Schadenersatzansprüche dem Gründe nach beurteilt und ausgesprochen, daß diese Erklärung beim Kläger bzw. seinem Vertreter den Eindruck erwecken mußte, er werde der Geltendmachung der vorbehaltenen Ansprüche die Verjährungseinrede nicht entgegensetzen; die trotzdem erhobene Einrede wurde daher als dem Grundsatz von Treu und Glauben widersprechend angesehen (SZ 40/100). Nicht anders konnte im vorliegenden Fall vom Kläger der handschriftlich beigesetzte Satz in der Erklärung vom 2. November 1967 verstanden worden sein. Sicher könnte, wie es nunmehr der Rekurs versucht, der beigefügte Satz theoretisch für sich allein auch dahin ausgelegt werden, daß der Kläger damit lediglich zum Ausdruck brachte, daß "die sich im Zusammenhang mit der Knochenplatte ergebenden Ansprüche durch den Entschädigungsbetrag von 44.300 S nicht abgegolten werden sollten", der sonst allumfassende Verzicht des Klägers auf künftige Ansprüche also nur eine Ausnahme erfahren, die Frage der Verjährung aber nicht berührt werden sollte. Nach den Umständen des Falles konnte und kann dem Vorbehalt jedoch dieser enge Sinn nicht beigemessen werden. Schon nach der Art der Verletzung und ihrer bekannten Komplikationen waren weitere Unfallsfolgen auch nach Ablauf der Verjährungszeit nicht ausgeschlossen,weshalb der Kläger im Schreiben seines Vertreters vom 8. Mai 1967 auch die ausdrückliche und zulässige (SZ 40/100; SZ 28/150), eine Feststellungsklage erübrigende Anerkennung verlangt hatte, daß jeder weitere Schaden zu ersetzen sei; er hatte auch darauf hingewiesen, daß nur bei ordnungsgemäßem Heilungsverlauf eine Operation in etwa ein bis zwei Jahren erforderlich sein werde. Unter diesen Voraussetzungen konnten der Vorbehalt des Klägers im Schreiben vom 2. November 1967 und dessen Anerkennung durch den Versicherer des Beklagten nur die Bedeutung haben, daß dieser alle Schäden im Zusammenhang mit einer mit dem fahrlässigen Verhalten des Beklagten am 8. September 1966 im kausalen Zusammenhang stehenden künftigen Operation dem Kläger ersetzen und damit nicht unter Erhebung der Verjährungseinrede ablehnen werde. Der Gedanke, der Versicherer des Beklagten würde, obwohl er Schäden aus einer weiteren Operation zu ersetzen gewillt war, dennoch zur Vermeidung der Verjährung der Ansprüche verlangen, daß der Kläger, wenn die Verletzungsfolgen innerhalb der Verjährungszeit noch nicht endgültig behoben waren, eine Feststellungsklage erhebe, die nur mit einem kostenpflichtigen Prozeßverlust für den Beklagten enden hätte können, mußte dem Kläger bzw. seinem Vertreter beidem gezeigten Verhalten nicht kommen. Tatsächlich war der Versicherer - und insofern ist das Schreiben vom 3. Mai 1973 immerhin von Bedeutung - zunächst auch durchaus bereit, den neuen Schaden des Klägers auf seine Angemessenheit zu prüfen, hat also zunächst auch den erwähnten Satz im Sinne des Klägers verstanden. Bei dieser Sachlage ging es wie das Berufungsgericht richtig hervorhob, nicht an, die Verjährungseinrede zu erheben. Sie war, da der Kläger auf die Liquidation des künftigen Schadens rechnen durfte sittenwidrig und ist daher nicht zu beachten.

Der weiteren Auffassung des Berufungsgerichtes, daß der Beklagte im Rahmen der Leistungspflicht seines Versicherers nicht nur die Kosten einer einzigen weiteren Operation, sondern allenfalls auch mehrerer mit der Einsetzung der Knochenplatte im Zusammenhang stehender Operationen ersetzen müsse, setzt der Rekurs nichts mehr entgegen, er gesteht vielmehr zu, daß Ansprüche "im Zusammenhang mit der Knochenplatte" jedenfalls so weit, als es sich um notwendiggewordene Operationen handelt, nicht abgegolten sein sollten. Es kann daher insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes hingewiesen werden. Die notwendige Einschränkung, daß der Beklagte nur für jene weiteren Schäden zu haften hat, die als Folge neuer Operationen eintreten, wurde ebenfalls schon vom Berufungsgericht hervorgehoben.

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