OGH 1Ob160/53

OGH1Ob160/5325.2.1953

SZ 26/49

Normen

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §504
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §509
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §521
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §504
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §509
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §521

 

Spruch:

Wohnungsrecht oder Fruchtnießung.

Entscheidung vom 25. Feber 1953, 1 Ob 160/53.

I. Instanz: Bezirksgericht Leibnitz; II. Instanz: Landesgericht für

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Erstgericht hat das Klagebegehren des Inhaltes "Die Beklagten seien zur ungeteilten Hand schuldig, die Wohnung im Zubau des Hauses O. Nr. 2, bestehend aus einem Wohnzimmer und einem Vorraum, zu räumen und dem Kläger geräumt zu übergeben und die im Hofraum dieses Hauses aufgestellte Schweinehütte und Holzlage abzutragen und zu entfernen", abgewiesen. Festgestellt ist, daß die frühere Hauseigentümerin Theresia T., die 1941 gestorben ist, in ihrem Testament vom 1. Jänner 1940 dem früheren Pfarrer Peter N. und seiner Schwester Theresia N. das "Recht auf lebenslängliche unentgeltliche Benützung der im wesentlichen Teile des Hauses gelegenen Küche und das Zimmer, ferner im Zubau das Wohnzimmer und den Vorraum sowie die Benützung des Gartens, der Holzlageund des halben Kellers und der halben Speisekammer sowie des Brunnens" vermacht hat. Das Erstgericht sah darin die Begründung einer Dienstbarkeit der Wohnung im Sinne des § 521 ZPO., weshalb nach dem Tode des Pfarrers im Jahre 1946 seine Schwester Theresia die Räume im "Zubau" an die Beklagten vermieten konnte. Theresia N. ist 1952 gestorben. Die Räume in der westlichen Haushälfte sind offenbar an Dritte weitervermietet.

Das Berufungsgericht hat der Berufung der klagenden Partei Folge gegeben und dem Klagebegehren stattgegeben. Es sah das Entscheidende dieses Rechtsstreites in der Frage, ob das konkrete Wohnungsrecht ein Wohnungsgebrauchsrecht oder eine Wohnungsfruchtnießung ist. Das Berufungsgericht entschied sich für erstere Lösung. Somit dürfte der Berechtigte sein Wohnungsrecht der Ausübung nach nicht übertragen, weshalb er auch die Wohnung nicht vermieten dürfte. Dafür spreche nach Ansicht des Berufungsgerichtes der beschränkte Umfang der Wohnräume, aber auch der sich aus dem Testament ergebende Sinn und Zweck der lebenslänglichen unentgeltlichen Überlassung der Räume an die Geschwister N. Es sei daher die vorliegende Räumungsklage nicht gesondert zu prüfen, ob Theresia N. an die Beklagten vermieten durfte und ob durch diese Vermietung ein Haupt- oder Unterbestandrecht geschaffen wurde.

Die Revision der Beklagten macht den Revisionsgrund der Z. 4 des § 503 ZPO. geltend.

Die Revision ist nicht begrundet.

Die Auslegung einer Urkunde ist grundsätzlich eine Rechtsfrage (2 Ob 623/50). Die Auslegung einer Urkunde kann aber nach ständiger Rechtsprechung wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung nur bekämpft werden, wenn sie mit den Sprachregeln, den allgemeinen Erkenntnisgrundsätzen oder mit den gesetzlichen Auslegungsregeln, z. B. der §§ 914, 915 ABGB., in Widerspruch steht (2 Ob 71/52). Die Feststellung der Bedeutung eines Urkundeninhaltes auf Grund von Zeugenaussagen ist nicht rechtliche Beurteilung, sondern tatsächliche Feststellung (4 Ob 94/52). Die Auslegung einer letztwilligen Verfügung ist jedoch Rechts- und Tatfrage (2 Ob 272/52). Der Oberste Gerichtshof ist der Ansicht, daß gerade die Wendung, die Wohnung sei den Geschwistern N. lebenslänglich und unentgeltlich überlassen, die rechtliche Beurteilung zuläßt, daß das Recht mit dem Tode der Geschwister N. sein Ende finden sollte. Der Schluß, den die Revisionsschrift zieht, daß die Benützung aller den Geschwistern N. überlassenen Räume deren Wohnbedürfnisse überstiegen habe, dies insbesondere dann, sobald ein Geschwisterteil vorverstorben war, bildet keinen Grund für die Annahme einer Dienstbarkeit der Wohnungsfruchtnießung. Soweit die Revision unter Hinweis auf den Passus im Testamente, daß die Erben "gegen die Geschwister N. stets anständig und liebevoll sein sollen" dieser Urkunde die Auslegung geben will, daß die Erblasserin damit den Geschwistern das Recht eingeräumt habe, über den Bestandgegenstand durch Abtretung der Rechte zu verfügen, macht sie damit keine rechtlichen Bedenken geltend, sondern bekämpft die Beweiswürdigung. Das Berufungsgericht hat die Rechtsfrage richtig gelöst. Nach § 521 ABGB. gibt die Servitut der Wohnung dem Berechtigten das Recht, die bewohnbaren Teile eines Hauses zu seinem Bedürfnisse zu benützen. Mit diesen Worten wird nicht ausgedrückt, daß es dem Servitutsberechtigten freistehen soll, ohne Beschränkung zu bestimmen, wie weit seine Bedürfnisse an der Benützung der Wohnung jeweils reichen. Er hat also nicht das Recht, die Wohnung in jeder nur denkbaren, ihm dienlichen Richtung auszunützen. Dies widerspräche schon der Gegenüberstellung der Dienstbarkeit des Gebrauches (§ 504 ABGB.) und des Fruchtgenusses an der Wohnung (§ 521 ABGB.), wobei die unbeschränkte Benützung nur dem Fruchtnießer zukommt (§ 509 ABGB.). Die Worte "zu seinem Bedürfnisse" sind vielmehr eine Begrenzung der Rechte aus der Dienstbarkeit in dem Sinne, daß die jeweiligen Bedürfnisse des Berechtigten nach einem allgemeineren, nicht rein subjektiven Maßstab festzustellen sind ("angemessenere Nutzen", § 505 ABGB). Das Wörtchen "bloß" in § 504 ABGB. gilt auch für § 521 ABGB., der in seinen beiden ersten Sätzen, ebenso wie § 504 ABGB., von der Servitut des Gebrauches handelt. Erst im letzten Satz des § 521 ABGB. wird auf die Bestimmungen über die Fruchtnießung ausdrücklich Bezug genommen (SZ. IX/31). Der Ausdruck im Testament "lebenslänglich, unentgeltlich überlassen" spricht für den bloßen Gebrauch. Es ist daher ein Schluß in der Richtung eines Fruchtgenußrechtes, somit ein Schluß auf die Berechtigung zur Vergebung der Räume an Dritte nicht gerechtfertigt. Somit war der Revision der Erfolg zu versagen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte