VwGH Ro 2021/13/0009

VwGHRo 2021/13/00097.4.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der B Aktiengesellschaft in W, vertreten durch die Deloitte Tax Wirtschaftsprüfungs GmbH in 1010 Wien, Renngasse 1, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 24. März 2021, Zl. RV/7104923/2020, betreffend u.a. Feststellungsbescheid Gruppenträger 2016 und 2017, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §262 Abs1
BAO §262 Abs2
BAO §262 Abs3
BAO §279 Abs1
EStG 1988 §5
EStG 1988 §6
EStG 1988 §9 Abs1 Z4
VwGG §42 Abs2 Z2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RO2021130009.J00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird betreffend Feststellungsbescheid Gruppenträger 2016 wegen Unzuständigkeit des Bundesfinanzgerichts aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Im Bericht über das Ergebnis einer Außenprüfung vom 15. Mai 2020 wurde u.a. festgehalten, im Unternehmen der Revisionswerberin würden Rückstellungen für drohende Verluste aus Mietverträgen für Verlustfilialen für den Zeitraum ohne Kündigungsmöglichkeit durch die Revisionswerberin gebildet. Zur Berechnung der Höhe dieser Rückstellung treffe die Außenprüfung keine Feststellungen. Aus Sicht der Revisionswerberin werde eine verlustverursachende Miete durch den nicht kostendeckenden oder negativen Deckungsbeitrag des Standortes nachgewiesen. Eine alternative Verwertungsmöglichkeit (Untervermietung) wäre nach Erfahrungswerten der Revisionswerberin mit 50 % des Mietzinses möglich. Der Verlust könne durch den schlechten Standort, schlechte Kaufkraft des Standortes, hohe Anzahl von Mitbewerbern, hohen Preisdruck oder andere Umstände entstehen. Zwar würden bestimmte Filialen an „marketingbedingten“ Standorten bei der Berechnung ausgenommen. Eine konkrete Zuordnung der Verluste zu den jeweiligen Mietverträgen als Voraussetzung für die Bildung einer Drohverlustrückstellung sei aber nach Ansicht der Außenprüfung nicht möglich. Es komme daher zu einer außerbilanzmäßigen Zurechnung des steuerlichen Rückstellungsbetrages. Weiters enthält der Bericht u.a. auch Feststellungen betreffend Jubiläumsgeldrückstellungen (im Besonderen zu dem dabei zu berücksichtigenden Rechnungszinsfuß).

2 Mit Feststellungsbescheid Gruppenträger vom 24. August 2020 stellte das Finanzamt das Einkommen gemäß § 9 Abs. 6 Z 2 KStG 1988 für das Jahr 2016 fest. In der Begründung verwies das Finanzamt auf den Außenprüfungsbericht.

3 Die Revisionswerberin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde; diese langte am Finanzamt am 15. September 2020 ein. Sie beantragte darin, diese ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung dem Bundesfinanzgericht vorzulegen. Sie führte insbesondere aus, die geltend gemachten Rückstellungen für drohende Verluste aus Miet- und Pachtverpflichtungen seien zu berücksichtigen. Darüber hinaus wurde Vorbringen zu ‑ im Revisionsverfahren nicht mehr strittigen ‑ Jubiläumsgeldrückstellungen erstattet; in diesem Zusammenhang erfolgte auch umfangreiches Vorbringen zur (behaupteten) Verfassungswidrigkeit der Regelung betreffend den Rechnungszinsfuß.

4 Mit Feststellungsbescheid Gruppenträger vom 26. November 2020 stellte das Finanzamt das Einkommen gemäß § 9 Abs. 6 Z 2 KStG 1988 für das Jahr 2017 fest.

5 Auch gegen diesen Bescheid erhob die Revisionswerberin (mit Eingabe vom 27. November 2020) Beschwerde und beantragte neuerlich, diese ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung dem Bundesfinanzgericht vorzulegen.

6 Das Finanzamt legte beide Beschwerden ‑ ohne Beschwerdevorentscheidung ‑ mit Vorlagebericht vom 28. Dezember 2020 dem Bundesfinanzgericht vor. Das Finanzamt verwies im Vorlagebericht darauf, es sei gemäß § 262 Abs. 3 BAO keine Beschwerdevorentscheidung erlassen worden, weil in der Bescheidbeschwerde lediglich die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes behauptet werde.

7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, das auch die Gegenstandsloserklärung von Beschwerden betreffend Feststellungsbescheid Gruppenträger 2014 und 2015 umfasst, wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerden betreffend Feststellungsbescheid Gruppenträger 2016 und 2017 als unbegründet ab. Es sprach aus, dass gegen diese Entscheidung eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig sei.

8 In der Begründung führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin sei im Bereich des Lebensmitteleinzelhandels tätig, sie ermittle ihren Gewinn nach § 5 Abs. 1 EStG 1988. Aufgrund externer Faktoren (Kundenpotential, Kaufkraft der Kunden, Kundenfrequenz, Erreichbarkeit und Konkurrenzsituation) gepaart mit nicht kündbaren Bestandverträgen erwirtschafteten eine Reihe von Filialen negative Deckungsbeiträge. Bei Abschluss der Bestandverträge habe bei diesen Filialen eine Wertäquivalenz zwischen dem Bestandzins und dem Nutzungsrecht bestanden. Die betroffenen Filialen seien für die Revisionswerberin nicht unbenutzbar und würden weiter betrieben, weil der Verlust aus der Schließung durch Weiterzahlung des Mietzinses größer wäre als der Verlust, der bei Weiterbetrieb entstehe. Bedingt durch die externen Faktoren sei die Marktmiete der betroffenen Filialen gesunken, die Revisionswerberin sei jedoch vertraglich weiterhin an eine höhere Miete gebunden. Die Revisionswerberin habe aufgrund dieser Umstände in den Streitjahren Drohverlustrückstellungen angesetzt.

9 Bei (nicht streitgegenständlichen) Filialen, die geschlossen worden seien, weil ein Weiterbetrieb höhere Verluste erwirtschaften würde, sei eine Rückstellung vom Finanzamt anerkannt worden.

10 Betreffend die nicht geschlossenen Filialen verwirkliche sich für die Revisionswerberin ein allgemeines Geschäftsrisiko: Ein Standort, der im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses des Mietvertrages Gewinne versprochen habe, erwirtschafte nunmehr negative Deckungsbeiträge, auch wenn die Revisionswerberin versuche, dieses Risiko durch eine umfangreiche und aufwendige Standortentscheidung vor Vertragsabschluss zu minimieren. Ein allgemeines Geschäftsrisiko könne nicht im Wege einer Rückstellungsbildung berücksichtigt werden. Eine Drohverlustrückstellung könne demnach schon dem Grunde nach nicht gebildet werden. Auch eine Verbindlichkeitsrückstellung sei hier ausgeschlossen. Die Verbindlichkeit entstehe bei Mietverhältnissen pro rata temporis. Die Berücksichtigung einer schlechten Standortqualität stehe nicht im Zusammenhang mit dem Mietverhältnis. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages habe Äquivalenz der Vertragspflichten bestanden. Dass sich diese Äquivalenz zu Ungunsten der Revisionswerberin entwickle, bedinge aber keine Verbindlichkeit gegenüber dem Vermieter.

11 Die Revision sei zulässig, weil keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage vorliege, ob ein Absinken der Marktmiete durch externe Faktoren bei gleichbleibender Verpflichtung zur Zahlung der vereinbarten Miete ein allgemeines Geschäftsrisiko darstelle und demnach nicht im Rahmen von Rückstellungen berücksichtigt werden könne.

12 Gegen dieses Erkenntnis ‑ soweit es die Feststellungsbescheide Gruppenträger 2016 und 2017 betrifft ‑ wendet sich die Revision. Die Revisionswerberin erachtet sich in ihrem Recht auf Bildung einer Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften iSd § 9 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 verletzt.

13 Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht.

14 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

15 Die Revision ist aus dem vom Bundesfinanzgericht aufgezeigten Grund zulässig.

a) Feststellungsbescheid Gruppenträger 2016

16 Erweist sich die Revision wie hier als zulässig, ist eine Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 VwGG (auch) von Amts wegen aufzugreifen und vorrangig wahrzunehmen (vgl. z.B. VwGH 17.10.2019, Ra 2018/08/0004; 29.6.2021, Ra 2021/17/0088, je mwN).

17 Gemäß § 262 Abs. 1 BAO ist über Bescheidbeschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen. Die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung hat nur dann zu unterbleiben, wenn einer der in § 262 Abs. 2 bis 4 BAO genannten Fälle vorliegt.

18 Im gegenständlichen Fall hat die Abgabenbehörde nach den vorgelegten Akten des Verfahrens die Beschwerde unter Hinweis auf § 262 Abs. 3 BAO ohne Beschwerdevorentscheidung dem Bundesfinanzgericht vorgelegt, weil in der Beschwerde lediglich die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes behauptet werde.

19 Nach § 262 Abs. 3 BAO ist keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, wenn in der Bescheidbeschwerde lediglich die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen, die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen oder die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen behauptet wird. Werden in der Bescheidbeschwerde aber ‑ wie hier ‑ auch andere Gründe für das Vorliegen einer Rechtswidrigkeit geltend gemacht (hier: Rechtswidrigkeit der Nichtberücksichtigung der geltend gemachten Drohverlustrückstellungen nach § 9 Abs. 1 Z 4 EStG 1988), kommt die Ausnahme von der Verpflichtung der Abgabenbehörde zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung nicht zum Tragen (vgl. VwGH 25.2.2022, Ra 2020/13/0041).

20 Nach § 262 Abs. 2 BAO hat die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung zu unterbleiben, wenn dies in der Bescheidbeschwerde beantragt wird und wenn die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde innerhalb von drei Monaten ab ihrem Einlangen dem Verwaltungsgericht vorlegt. Die Revisionswerberin beantragte das Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung in beiden Beschwerden. Innerhalb der Frist von drei Monaten wurde nur die Beschwerde gegen den das Jahr 2017 betreffenden Feststellungsbescheid vorgelegt. Betreffend das Jahr 2016 erfolgte die Vorlage der Beschwerde hingegen nicht innerhalb dieser Frist. Das Finanzamt war daher zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung verpflichtet (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 262 Tz 9). Mangels Beschwerdevorentscheidung (und Vorlageantrag) war das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung nicht zuständig (vgl. VwGH 29.1.2015, Ro 2015/15/0001).

21 Das angefochtene Erkenntnis war sohin betreffend Feststellungsbescheid Gruppenträger 2016 gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufzuheben.

b) Feststellungsbescheid Gruppenträger 2017

22 Gemäß § 9 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 können Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften gebildet werden. Rückstellungen (u.a.) nach § 9 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 dürfen ‑ nach der hier anwendbaren Rechtslage vor BGBl. I Nr. 3/2021, vgl. § 124b Z 372 EStG 1988 ‑ gemäß § 9 Abs. 3 EStG 1988 nicht pauschal gebildet werden. Die Bildung von Rückstellungen ist nur dann zulässig, wenn konkrete Umstände nachgewiesen werden können, nach denen im jeweiligen Einzelfall mit dem Vorliegen oder dem Entstehen eines Verlustes ernsthaft zu rechnen ist.

23 Bei der ‑ hier vorliegenden ‑ Gewinnermittlung nach § 5 Abs. 1 EStG 1988 bewirkt die bei dieser Gewinnermittlungsart zu beachtende Maßgeblichkeit der unternehmensrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, dass innerhalb des von den steuerlichen Vorschriften vorgegebenen Rahmens eine Verpflichtung zur Rückstellungsbildung für die steuerliche Gewinnermittlung besteht, wenn eine solche Verpflichtung für die Unternehmensbilanz gegeben ist (vgl. VwGH 27.4.2020, Ra 2020/15/0014, mwN).

24 Gemäß § 198 Abs. 8 Z 1 UGB sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften zu bilden, die am Abschlussstichtag wahrscheinlich oder sicher, aber hinsichtlich ihrer Höhe oder des Zeitpunkts ihres Eintritts unbestimmt sind. Nach § 211 Abs. 1 zweiter Satz UGB (idF BGBl. I Nr. 22/2015) sind Rückstellungen mit dem Erfüllungsbetrag anzusetzen, der bestmöglich zu schätzen ist.

25 Erwartete Gewinne aus schwebenden Geschäften sind in der Bilanz nicht auszuweisen, da Gewinne erst auszuweisen sind, wenn diese durch Erbringung der Leistung realisiert sind (vgl. Mayr in Doralt et al, EStG13, § 6 Tz 46). Drohende Verluste aus schwebenden Geschäften sind hingegen als Rückstellungen auszuweisen und damit zu „antizipieren“.

26 Entsprechend den Teilwertvermutungen (vgl. dazu neuerlich Mayr, aaO, Tz 146) kann bei einem Unternehmer angenommen werden, dass er ‑ Fehlmaßnahmen ausgenommen ‑ grundsätzlich für ein Wirtschaftsgut nicht mehr aufwendet, als dieses für seinen Betrieb tatsächlich wert ist (vgl. z.B. VwGH 17.4.2008, 2005/15/0073; 3.2.2022, Ra 2020/15/0118). In gleicher Weise ist auch bei schwebenden Geschäften anzunehmen, dass die wechselseitigen Verpflichtungen bei Vertragsabschluss (aus Sicht des zu beurteilenden Unternehmers: zumindest) gleichwertig sind, also der Wert der Gegenleistung des Unternehmers nicht hinter den von ihm erwarteten wirtschaftlichen Vorteilen zurückbleibt (vgl. z.B. zu Lehrverhältnissen VwGH 17.3.1994, 91/14/0001; zu Arbeitsverhältnissen VwGH 31.1.2019, Ro 2017/15/0037; vgl. weiters z.B. Mayr, RdW 1999, 45 ff; vgl. auch bei damals insoweit vergleichbarer Rechtslage deutscher Bundesfinanzhof 25.2.1986, VIII R 377/83; 16.12.1987, I R 68/87; 3.2.1993, I R 37/91; vgl. auch WeberGrellet, DStR 1997, 1442 ff [1446]).

27 Die Bildung einer Rückstellung setzt daher voraus, dass konkrete Umstände nachgewiesen werden, nach denen mit dem Entstehen eines Verlustes zu rechnen ist, dass also die Gleichwertigkeit der Leistungen nicht mehr gegeben ist. Übersteigt am Bilanzstichtag der Wert der Leistungsverpflichtung aus einem Vertragsverhältnis den Wert der Gegenleistung, droht also aus dem Geschäft ein Verlust, so kann dieser im Weg einer Rückstellung jener Periode zugewiesen werden, in welcher sich die Unausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung einstellt. Für die Beurteilung, ob eine Rückstellung für drohende Verluste anzusetzen ist, sind jene Verhältnisse maßgeblich, die am Bilanzstichtag bestanden haben (vgl. neuerlich VwGH 27.4.2020, Ra 2020/15/0014, mwN).

28 Im Allgemeinen ist jedes einzelne schwebende Geschäft für sich darauf zu prüfen, ob daraus ein Verlust droht. Einheitlich zu beurteilen sind aber jene Geschäfte, die unmittelbar aufeinander bezogen abgeschlossen wurden (vgl. neuerlich VwGH 27.4.2020, Ra 2020/15/0014, mwN; vgl. weiters ‑ zum „Kompensationsbereich“ ‑Zorn in Doralt et al, EStG22, § 9 Tz 85 ff).

29 Im vorliegenden Fall handelt es sich bei den schwebenden Geschäften jeweils um von der Revisionswerberin als Mieterin geschlossene Mietverträge. Dass bezogen auf diese Mietverträge weitere Geschäfte geschlossen worden wären, die somit als „Bewertungseinheit“ einheitlich zu beurteilen wären, ergibt sich aus den Sachverhaltsannahmen des Bundesfinanzgerichts (und auch dem Vorbringen der Revisionswerberin) nicht.

30 Der deutsche Bundesfinanzhof hat (bei damals vergleichbarer Rechtslage) betreffend beschaffungsseitige Mietverträge dargelegt, dass der Wert der Mietzinszahlung dem Wert des Sachleistungsanspruches gegenüberzustellen ist, den die Mietsache zum Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens leistet. Im Regelfall ist eine Bewertung dieses Beitrags nicht möglich, weil die Auswirkungen der einzelnen Produktionsfaktoren auf das Betriebsergebnis nicht hinreichend objektivierbar sind. Eine Ausnahme kommt nur in Betracht, wenn das Geschäft sich als Fehlmaßnahme erweist, weil der Sach- oder Dienstleistungsanspruch des Unternehmers für den Betrieb keinen Wert mehr hat (vgl. BFH 23.6.1997, GrS 2/93, „Apothekerfall“; vgl. auch ‑ zu einem Leasingnehmer ‑ BFH 27.7.1988, I R 133/84). Kann eine Mietsache im Betrieb nicht mehr genutzt werden, hat aber dieser Sachleistungsanspruch keinen Wert mehr für den Betrieb. In diesem Fall ist für die Verpflichtung zur Zahlung des Mietzinses eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften zu bilden (vgl. BFH 7.10.1997, VIII R 84/94; vgl. auch BFH 17.5.2000, I R 66/99; 16.12.2009, I R 102/08). Ein solcher Fall liegt aber nur dann vor, wenn die Sache weder vom Unternehmen selbst genutzt noch untervermietet werden kann (vgl. BFH 2.4.2008, I B 197/07). Bei Untervermietung des angemieteten Bestandobjektes kann es sich aber um aufeinander bezogene Geschäfte handeln (vgl. BFH 17.5.2000, I R 66/99).

31 Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich dieser ‑ auch in der österreichischen Literatur überwiegend vertretenen (vgl. z.B. Ch. Nowotny in Straube/Ratka/Rauter, UGB II/RLG³, 48. Lfg, § 198 Tz 152; Maschek/Csokay in Jabornegg/Artmann, UGB² § 198 Tz 64; Zorn, aaO, Tz 93 f; Mühlehner in Hofstätter/Reichel, Einkommensteuer, 58. Lfg, § 9 Tz 137 und Tz 180 „Mietaufwand“, jeweils mit weiteren Nachweisen) ‑ Ansicht an.

32 Abgesehen davon, dass ein Absinken der Marktmiete (wie vom Bundesfinanzgericht angenommen) aus den vorliegenden Verfahrensakten nicht erkennbar ist, könnte aus dem bloßen Absinken der Marktmiete aber auch nicht auf ein Absinken des Nutzens (der wirtschaftlichen Vorteile) aus den bestehenden Mietverträgen für den Betrieb der Revisionswerberin geschlossen werden. Auf dieses bloße Absinken der Marktmiete (als „Wiederbeschaffungskosten“; vgl. hiezu aber etwa Christiansen, DStR 1993, 1242 ff) stützt die Revisionswerberin die Geltendmachung der Rückstellung zu Recht nicht.

33 Sie macht vielmehr geltend, die in den betroffenen Filialen erzielten Deckungsbeiträge reichten nicht für die Deckung der Mietzahlungen aus. Der Verlust aus der Schließung der Filialen wäre größer als der Verlust, der bei Weiterbetrieb entstehe.

34 Dieses Vorbringen bestätigt, dass ‑ entgegen der Sachverhaltsannahme des Bundesfinanzgerichts ‑ kein negativer Deckungsbeitrag hinsichtlich der streitgegenständlichen Filialen vorliegt (vgl. zu den insoweit zu unterscheidenden Sachverhaltsvarianten Höltschl/Nitschinger/Stückler, ÖStZ 2018/837, 659 ff). Die Filialen mit negativem Deckungsbeitrag (bei denen also schon die variablen Kosten höher sind als die Erlöse) wurden hingegen nach den Sachverhaltsannahmen des Bundesfinanzgerichts geschlossen; in diesen Fällen wurden bereits vom Finanzamt Drohverlustrückstellungen anerkannt.

35 Die hier zu beurteilenden Filialen wurden aber im Streitzeitraum nach wie vor für den Betrieb der Revisionswerberin genutzt. Der Nutzen (wirtschaftliche Vorteil) der Revisionswerberin aus den Mietverträgen liegt damit weiterhin in der tatsächlichen (und vollen) Nutzung dieser Filialen für den Lebensmitteleinzelhandel. Dass eine Reduktion des Wertes des Sachleistungsanspruches der Revisionswerberin, der bei Ermittlung einer Drohverlustrückstellung der Zahlungspflicht (Mietzins) der Revisionswerberin aus diesem schwebenden Geschäft gegenüberzustellen ist, eingetreten wäre, ist nicht erkennbar.

36 Eine Drohverlustrückstellung ist demnach im Hinblick auf diese weiterhin betriebenen Filialen nicht zu bilden.

37 Die Revision war daher betreffend Feststellungsbescheid Gruppenträger 2017 gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

38 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 7. April 2022

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